Angstargumentation

Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 23

Heute geht es um Angst! Aber ihr braucht keine Angst davor zu haben. Stattdessen lege ich – nach einem Blick ins illustrierte Buch der schlechten Argumente – dar, warum Angst keine zwingende Schlussfolgerung aus gegebenen Prämissen ist. Auch andersherum wird kein Schuh draus: Angst kann nicht als Begründung fungieren. Was wir auf Angstargumente erwidern können, bespreche ich ebenfalls in dieser Folge.

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Von den Konsequenzen her argumentieren

Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 6

Mein heutiger schöner Gedanke ist ein falsches Argument, beziehungsweise die Widerlegung dieses. Es geht, um den Fehler, den man begeht, wenn man von den Konsequenzen her argumentiert oder wenn man sich auf die Folgen beruft. Gefunden habe ich das im illustrierten Buch der schlechten Argumente von Ali Almossawi.

Beweis, dass die Homo-Ehe nicht die Heterosexualität diskriminieren wird

Heute teilte ich ein Zitat aus der FAZ auf Twitter, in dem der Autor doch tatsächlich behauptete, der „Gendermainstream“ sehe heterosexuellen Sex als Homophobie an. Nachdem ich das als „dummdreist“ bezeichnet hatte, kam auch noch ein Typ an und maulte rum, ich solle ihm erst einmal beweisen, dass die Homoehe nicht zur Diskriminierung der Heterosexualität führen werde.

Zunächst tat ich das als reine Unlogik ab, schließlich kann ich die Nichtexistenz von etwas nicht beweisen. Aber nach einem zweiten Gedanken kann ich das eigentlich doch beweisen. Und zwar mit einem Blick in die Geschichte:

Ab 1433 (in Braunschweig-Wolfenbüttel) bis 1833 (in Hannover) wurde die Leibeigenschaft in allen deutschen Staaten (Österreich 1848) abgeschafft. Überraschenderweise führte dies nicht zu einer Unterjochung der Grundbestizer.

1834 verbot das Britische Empire die Sklaverei. Davor waren in der Neuzeit vor allem Afrikaner versklavt worden. Überraschenderweise wurden anschließend keine Europäer versklavt.

1869 führte Wyoming als erster neuzeitlicher Staat das Frauenwahlrecht ein. Überraschenderweise führte dies nicht zur Abschaffung des Männerwahlrechts.

1955 weigerte sich Rosa Parks, ihren Sitz im Bus für einen Weißen zu räumen. Daraus entwickelte sich die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die zu einem Ende der Rassentrennung und zu gleichen Rechten für Afroamerikaner führte. Überraschanderweise wurden dadurch nicht die Rechte der weißen Bevölkerung eingeschränkt.

Seit 1957 wurde die Strafverfolgung Homosexueller in Ost- und Westdeutschland bis 1994 schrittweise zurückgenommen. Überraschenderweise führte es nicht zu einer Strafverfolgung Heterosexueller.

Die Freilassung Nelson Mandelas 1990 führte zum Ende der Apartheid in Südafrika. Überraschenderweise aber nicht zu einer Unterdrückung der weißen Minderheit.

2000 trat in Deutschland das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung in Kraft. Überraschenderweise führte es nicht zu vermehrter Gewalt von Kindern gegen ihre Eltern.

2015 sprach sich die irische Bevölkerung für die Gleichstellung der homosexuellen Ehe mit der heterosexuellen Ehe aus. Wird dies wohl zu einer Unterdrückung der Heterosexuellen führen …?

 

Q. E. D. ALTER!

Was beweist Don Alphonsos Post?

Don Alphonso hat einen Blogpost geschrieben, darüber, dass Feministinnen schlechte Menschen sind. Dieser Post geht gerade viral und viele lassen sich von seinen Argumenten überzeugen. Amüsant fand ich zum Beispiel, dass sich Fefe schockieren ließ:

„Aber alleine die Liste an menschenverachtenden Tweets, die er da verlinkt, die hat mich gerade ein bisschen sprachlos gemacht.“

Fefe ist ja selbst kein Kind von Traurigkeit und zurückhaltender Sprache, aber das ist eine andere Geschichte. Mir geht es mal wieder nicht um den Inhalt einer Debatte, sondern um die Form, in der diese geführt wird. Die Frage, die für mich spannend ist, lautet: Was beweist Don Alphonsos Post?

Die Antwort:

Nichts. Er bestätigt nur die vorgefertigte Meinung von Menschen, die gerne in dieser Meinung bestätigt werden möchte. Warum ist das so? Weil D.A. anekdotisch argumentiert. Eine Anekdote eignet sich zwar, um die Stimmung zu heben, aber sie ist kein Beweis. Würde hier nicht über Feminismus diskutiert, sondern über Homöopathie, dann würde Herr Alphonso immer wieder Variationen von „Also mir hat’s geholfen“ schreiben. Er reißt Tweets mit markiger Ausdrucksweise aus dem Kontext einer langen Debatte unf reiht sie aneinander. Das würzt er mit Blogposts, bei denen er durch anteasern darauf setzt, dass nur die Überschrift gelesen und dann kopfnickend in der Lektüre des Don fortgefahren wird.

Aber so zu verfahren ist höchst manipulativ, oder wie ich es gerne nenne: sophistisch. Denn man kann fast alles damit beweisen. Ich kann euch diese These beweisen, denn ihr werdet in den folgenden Zeilen selbst lesen können, was für ein schlechter Mensch dieser Don Alphonso ist. Aber nie vergessen: Das ist eigentlich einfach nur ein tendenziöser Artikel, der nichts beweist…

Don Alphonso ist ein schlechter Mensch

Don Alphonso ist ein schlechter Mensch, denn ganz offensichtlich bezahlt DA Menschen für Kommentare, …

… um den Verkauf von Anne Wizoreks Buch zu sabotieren.

Und nicht nur das, Don Alphonso ist auch ein schlechter Mensch, weil er irgendwelche ekeligen Sachen in anderer Leute Briefkästen schmeißt, während sie im Urlaub sind:

Und zwar ist es Torte!

Das ist doch widerlich! Das verklebt doch die komplette Post, die sich im Urlaub ansammelt!

Da seht ihr, was Don Alphonso für ein schlechter Mensch ist! Gott sei Dank, gibt es offenbar Zustellungsprobleme:

Dass Don Alphonso ein schlechter Mensch ist, sieht man zudem daran, dass er Drogen nimmt! So hatte er bei seinem letzten Berlinbesuch Probleme, sich seine Drogen zu besorgen:

Don Alphonso ist ein schlechter Mensch! Aber immerhin erkennt er seine eigenen Defizite:

Anscheinend besteht noch Hofnung für ihn, denn er sieht ein, dass solche Tweets …

… doch sehr infantil sind:

Positiv ist auch, dass er einsieht, dass sein Hass auf Jaron Lanier bei seinem eigenen Körper und Geist nicht angemessen ist:

Ich denke das reicht. Nicht vergessen: Ich weiß nicht, ob Don Alphonso wirklich ein schlechter Mensch ist, aber ich weiß, dass so zu argumentieren, manipulativ ist…

Ich bin zwar auch kein Fan von überhitzten Debatten, bei denen die verschiedenen Seiten versuchen, sich durch lauteres Schreien zu übertönen. Aber noch schlimmer finde ich manipulative Artikel, die versuchen durch Rosinenpickerei ihre Widersacher zu diskreditieren. Besonders, wenn sie von einem von uns weißen, heterosexuellen Männern stammen, der sich darüber beschwert, wie schlecht wir ™ behandelt werden. Wie sagte Louis C. K. einst so schön:

https://www.youtube.com/watch?v=qg48ZZ2wYfM

Der Xavier, der darf das – Neue Sophismen braucht das Land

Ach es gäbe so viel für mich zu tun, zum Beispiel stundenlang eine Neugeborene angucken, aber statt dessen muss ich bloggen. Warum? Weil mir da so ein Ding mit der Sprache aufgefallen ist. Und die Sprache, das wissen Sie, ist mein Ding. Alles fing an mit Xavier Naidoo…

Xavier Naidoo hat wohl rechten Verschwörerblödsinn auf einer der montaglichen Versammlungen der rechten Verschwörer von sich gegeben. Das ganze hat Georg Diez, seines Zeichens Kolumnist bei SpOn, angeprangert. Diez’ wichtigster Punkt ist übrigens:

„Und so ist Xavier Naidoo eben auch ein Beispiel dafür, wie sich Gedanken des christlichen und sonstigen Fundamentalismus in den Mainstream schleichen und wie sie sich dort verbreiten“

Georg Diez: Xavier Naidoos rechte Thesen: Vom Popstar zum Populisten

Das fand jetzt aber Horst Schulte, erklärter Naidoo-Fan, nicht so knorke und hat sich zu einer Verteidigung von Naidoo aufgeschwungen, die keiner braucht (wie er selbst schreibt). So weit, so belanglos. Aber wie Schulte für Naidoo spricht, das war für mich dann doch belangvoll. Denn der Blogpost quillt geradezu über von Sophismen, wie ich sie gerne nenne: rhetorischen Figuren des unlauteren Argumentierens. Und das ist ja, wie gesagt, mein Ding.

Von der Umdeutung zum Überlegenheitsargument

Diese Sophismen finden sich schon in Schultes Einleitung:

„Ich bin ein Fan von Xavier Naidoo und tue mich schwer damit, auf diesen Artikel eine adäquate Antwort zu geben. Ich weiß nämlich schon im voraus wie die, die ihn nicht mögen und denen er allein wegen seiner Herkunft ein Dorn im Auge ist, darauf reagieren werden.“

Horst Schulte: Xavier Naidoo braucht keinen Fürsprecher – ich machs trotzdem

Was will uns der Autor hier sagen? Das ist nicht die Frage. Sondern: wie sagt er es uns? Schulte macht vor allem eines: Er sichert sich zunächst einmal ab. Klar, ist ja schon so ein bisschen kritisch wenn man Partei für rechte Thesen ergreift. Also fängt er mit einem Psychologismus an: Wenn ihr Naidoo kritisiert, dann hat das nichts mit dem Inhalt seiner Aussagen zu tun, sondern liegt daran, dass ihr ihn eh noch nie leiden konntet. Das ergänzt Schulte dann noch um eine Umdeutung: Außerdem hat er einen Migrationshintergrund, wenn ihr also nicht seinen rechten Thesen zustimmt, dann seid ihr die eigentlichen Nazis…

Der Xavier, der ist nämlich Christ, wissen Sie? Klar wissen Sie das, wenn Sie in den letzten 15 Jahren nur einmal ein Radio eingeschaltet haben. Aber was Sie nicht wissen, ist, dass der Xavier „nichts anderes“ (Schulte) will als sich quasi dialektisch mit seinem Christentum auseinanderusetzen, wenn da dann Menschenverachtendes hinten rausfällt, ist das ja schließlich nicht seine Schuld. Doch genug der Polemik. Denn Schulte versucht als nächtes Diez’ Argumentation zu schwächen, indem er ihm vorwirft, dass der Spiegel-Kolumnist sich nicht mit den Texten des Sängers auseinandergesetzt habe, sondern als Intellektueller wohl lieber in die Oper gehe.

Das ist zunächst einmal inhaltliche falsch, weil Diez in gut einem Drittel seiner Kolumne auf Naidoos Texte eingeht. Aber vor allem benutzt Schulte hier eine eigentümliche Variante des Überlegenheitsarguments. Normalerweise geht dieses Argument eher so, dass man seinem Kontrahenten eine Kompetenz abspricht weil er oder sie XY nicht gelesen habe oder z nicht studiert. Schulte meint nun aber, weil Diez zu intellektuell sei, habe er Naidoo nicht hören wollen, sondern lieber Opern, deshalb könne Diez gar nicht beurteilen, was Naidoo auf einer Demo so von sich gebe. Ja, nee, is klar…

Gehen wir weiter im Text: Etwas redundant verwendet Schulte das Überlegenheitsargument noch einmal in einer Variation. Der Naidoo, der ist nämlich Künstler und deshalb darf er das sagen, was er gesagt hat. Klar. Quasi ontologisch. Allein, oh weh, der Naidoo, der hat ein Problem, er ist nämlich nicht links. Denn nur linke Künstler dürfen das. Das ist rhetorisch nicht so spannend, denn hier haben wir schlicht eine Verschwörungstheorie. Und zwar die beliebte Verschwörungstheorie von den grün-linken Massenmedien. Dass die auflagenstärkste Zeitung in Deutschland nun nicht gerade durch linke Thesen auffällt, wird dabei gerne unterschlagen. Egal, ist ja für die gute Sache, also für den Xavier.

Als nächstes Versucht es Schulte mit dem Nullsummenargument. Das habe ich bislang noch nicht näher beleuchtet und hole das gerne nach:

Das Nullsummenargument

Das Nullsummenargument rechtfertigt ein Unrecht mit einem anderen. Wenn der Mensch, den ich beklaut habe, ein schlechter Mensch war, dann habe ich ja quasi nichts Schlechtes gemacht. Dass meine Tat trotzdem moralisch nicht makellos war, weil die Moral der anderen nichts über meine eigene Moral aussagt, wird unter den Tisch fallen gelassen. In Debatten wird das Nullsummenargument gerne so verwendet, dass angeführt wird, weil Sachverhalt 1 auch scheiße ist, darf man Sachverhalt 2 nicht kritisieren. Du bist Vegetarierin aus ethischen Gründen? Dennoch trägst du Baumwollkleidung, obwohl die Pestizide, die bei der Herstellung eingesetzt werden, die Natur kaputt machen? Dann hast du auch kein Recht Vegetarierin zu sein…

In Schultes Variante ist das dann:

„Konstantin Wecker hat gerade auf seiner Facebook-Seite ein paar Dinge losgelassen, die mir überhaupt nicht gefallen haben. Seltsam, dass man darüber von Herrn Diez nichts lesen konnte.“

Horst Schulte: Xavier Naidoo braucht keinen Fürsprecher – ich machs trotzdem

Ja gut, in Hintertupfingen sagte der Hugo am Stammtisch auch, dass Deutschland kein souveräner Staat ist, hat der pöse, pöse Diez auch nicht drüber geschrieben.. Merkta selbst, wa?

Schulte stört sich ferner nicht an seiner eigenen Widersprüchlichkeit, wenn er Diez als nächstes dafür kritisiert, dass Diez Naidoos Texte kritisiert. Was jetzt? Interessiert sich Diez nicht für die Texte oder doch? Egal. Denn spannend ist, dass der Xavier „Text“ schreibt, der Georg hingegen ein „Textchen“. Der Diminutiv verdeutlicht der unwissendenen Leserin sofort, wessen Werk hier von Bedeutung ist und wessen nicht.

Und Herr Diez dürfe sowieso nicht den Herrn Naidoo kritisieren, denn das haben andere schon vor ihm getan (Variante des Nullsummenarguments), aber Diez habe das im Elfenbeintum nicht mitbekommen (Erneut das Überlegenheitsargument).

Ich bin kein Verschwörer, aber…

Ich bin kein Rassist, aber...
Ich bin kein Rassist, aber… Grafik von mir.

Jetzt folgt die eigentlich schönste und verschwurbelste Rhetorik in Schultes Text:

„Ich führe Debatten mit Leuten, die steif und fest behaupten, dass das Grundgesetz keine Verfassung und Deutschland kein souveräner Staat sei. Ich halte überzeugt dagegen, weil ich weiß, dass das falsch ist! Leider tut unsere Regierung allerdings auch alles dafür, dass solche Gedanken von immer mehr Leuten unterstützt werden. Das finde ich schlimm.“

Horst Schulte: Xavier Naidoo braucht keinen Fürsprecher – ich machs trotzdem

Das ist das berühmte „Ich bin kein Rassist, aber…“-Argument (natürlich rede ich nur über die Form und nicht über den Inhalt…). Schulte sichert sich zunächst ab, er selbst ist kein Verschwörungstheoretiker, weil er ja selbst auch schon mal an einem Dienstag vor neuneinhalb Jahren gegen eine Verschwörungstheorie argumentativ aufmarschierte. Aber, oh weh! Unsere Regierung, die ist schuld! Die macht uns zu Verschwörungstheoretikern, obwohl wir keine sind.

Damit schließt Herr Schulte dann auch: Die Politker ™, die müsse man mal kritisieren, denn die sind die Bösen. Der Xavier Naidoo hingegen, der ist nicht böse:

„Dabei versucht dieser mit seinen Mitteln Dinge zu reflektieren, die in der Tat ausgesprochen kritisch gesehen werden in unserer Gesellschaft.“

Horst Schulte: Xavier Naidoo braucht keinen Fürsprecher – ich machs trotzdem

Mal ganz davon abgesehen, dass Schulte hier Xavier Naidoo gewissermaßen als „minderbemittelt“ darstellt, so unterstreicht dieser Satz noch einmal, dass Schulte anscheinend inhaltlich mit Naidoo übereinstimmt…

Schulte endet noch einmal mit einem belanglosen, „andere dürfen das doch auch, also lasst halt den Xavier in Ruhe…“ Aber diese beiden Abschnitte davor, die sind die eigentlich spannenden und waren auch Auslöser für meinen Blogpost. Denn sie verdeutlichen das Sophistische an Horst Schultes Text: Schulte scheint inhaltlich mit Naidoo (partiell) übereinzustimmen, aber anstatt inhaltlich zu argumentieren und Diez so zu wiederlegen, greift er lieber Diez auf der Metaebene an, indem er versucht in Misskredit zu bringen, was der Spiegel-Koulmnist sagt. Und das ist ein Sophismus aller erster Güte, der es Wert war, hier besprochen zu werden. Chapeau, Herr Schulte!