Zeitkapsel vom 1. Juli 2015

Von kämmenden Affen, Griechenland und Sandkästen

Mir ist eine schöne Idee gekommen, worüber ich schreiben kann. Die eine oder der andere meiner Leserinnen und Leser hat es vielleicht schon mitbekommen, ich habe zwei Töchter (7) und (0). Und als Vater gehört es ja zu meinem Job, den beiden die Welt zu erklären: Wie du feste Nahrung isst, wie du Müsli isst, ohne dass du anschließend duschen musst, dass es zwar okay ist, Altpapier zu zerrupfen, aber nicht okay, das mit Büchern zu tun und dass drei Minuten Zähneputzen schneller vorbei sind, als eine halbe Stunde Diskussion, warum du die Zähne putzen musst  etc. …

Aber das ist ja nur ein sehr kleiner Ausschnitt der Welt. Daneben gibt es noch die größere Welt mit der Euro-Krise, den Arbeitnehmerrechten, dem Internet, dem neuen James-Bond-Film usw. Ganz zu schweigen von der ganz großen Welt mit dem Urknall, den DNA-Strängen, der Wahrheit und dem ganzen Rest, von der wir gar nicht sagen können, ob wir sie jemals verstehen werden. Oder in den Worten von Douglas Adams:

„Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. – Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“

Douglas Adams: Das Restaurant am Ende des Universums. Zitiert nach Wikiquote.

Und für diese Aspekte der Welt sind meine Töchter ja nun noch etwas zu klein. Daher möchte ich ihnen eine Zeitkapsel schicken. Ich habe vor regelmäßig unregelmäßig (wie ich mich kenne) ihnen einen Einblick zu schreiben, was uns Menschen derzeit bewegt. Und WordPress ermöglicht es mir ja, den Veröffentlichungszeitpunkt zu bestimmen. Daher werde ich den Artikel zweimal veröffentlichen: Einmal jetzt für euch und dann noch einmal in zwanzig Jahren für meine Töchter.

Warum ich das mache?

Ich war in den 80ern so alt wie es meine Töchter jetzt sind. Und natürlich kann ich mir historische Ereignisse wie den NATO-Doppelbeschluss, Tschernobyl, Terminator, Blade Runner, die Ärzte, Depeche Mode, den zweiten Afghanistankrieg, den ersten Golfkrieg oder den Mauerfall anlesen, -hören und -gucken. Ich kann auch meine Eltern fragen, was sie heute darüber denken. Vielleicht wissen sie sogar noch, was sie damals gedacht haben. Aber es wird immer erinnern sein, während ich jetzt erlebe. Und dieses Erleben möchte ich mit meinen Töchtern teilen.

Und im hier und jetzt ist das Schreib- und/oder Leseerlebnis spannend, da ich aktuelle Ereignisse ganz anders erklären muss, als wenn ich es für Zeitgenossen tun müsste.

Genug der Vorrede, hinein ins Vergnügen

Liebe M., liebe K.,

ich schreibe euch diesen Brief, um euch zu erklären, wie ich die Welt gesehen habe, als ihr noch klein wart. Ich kürze eure Namen übrigens ab, da ich euch selbst überlassen möchte, das Internet zu erobern. Vor kurzem hatte zwischen vielen Bloggerinnen und Bloggern ein Diskurs stattgefunden, ob und wie viel man seine Kinder ins Netz stellen darf. Ich persönlich finde es überhaupt nicht schlimm, (unverfängliche) Informationen und Bilder von Kindern zu veröffentlichen. Denn wir hier in den 10er-Jahren handeln gerade aus, wie wir leben wollen mit einem Bein in der digitalen Welt. Und da Kinder ein Teil der Welt sind, sollten sie auch im Digitalen vorkommen. Hier könnt ihr diese Debatte gut zusammengefasst nachlesen (ich bin gespannt, wie viele Links in 20 Jahren noch funktionieren). Doch ihr fragt euch bestimmt, warum ich dann trotzdem nicht eure Namen hier schreibe, oder? Nun, ich habe mir da viele Gedanken gemacht und mein Standpunkt ist folgender: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dieses Internet zu entdecken und langsam und unsicher, mit vielen Fehlern und Problemen aber auch irrwitziger Freude herauszufinden, was ich von mir ins Netz stelle und was nicht. Das möchte ich euch nicht wegnehmen. Ich möchte, dass ihr das selbst erleben dürft und ich wünsche euch viel Spaß dabei.

So, nun aber zum eigentlichen Thema: Was ist los in der Welt. Doch bevor ich gleich mit den deprimierenden Nachrichten einsteige, hier erst einmal ein GIF von einem Affen, der sich kämmen lässt:

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https://i.imgur.com/XUt7cJO.gifv (Direktlink)

Griechenland

Puh, gleich das erste Thema ist ein ganz schöner Brocken. Ich frage mich, wie die Wirtschaft bei euch in der Zukunft aussieht. Bei uns war sie jedenfalls ganz schön auf Kante genäht. Und 2007 brach das System in sich zusammen. In den USA hatten Banken zu viele Kredite an Menschen vergeben, die diese Kredite nicht zurückzahlen konnten. Die Banken hatten das getan, um kurzfristig ganz viel Geld zu verdienen, ohne daran zu denken, was in 5 oder 10 Jahren sein wird. Irgendwann war dann die Zahl der Menschen, die nicht mehr zahlen konnten, so groß, dass eine ganz große Bank (Lehman Brothers) pleite ging. Und weil sich auf dem Finanzmarkt jeder von jedem Geld leiht, standen plötzlich weltweit hunderte andere Banken vor der Pleite. Um das abzuwehren, pumpten die Staaten ganz viel Geld in diese Banken. Das führte dann aber dazu, dass andere Probleme zutage traten. Nämlich, dass unsere Staaten seit Jahrzehnten auf Pump leben und jährlich mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Deutschland zum Beispiel hat seit den Sechzigern jedes Jahr Schulden gemacht. Und Deutschland ist kein Einzelfall sondern liegt voll im Trend.

Das führte ab 2009 dann zur sogenannten Eurokrise. Denn einige Staaten waren besonders verschuldet, allen voran Griechenland. Die Euro-Gruppe, also die europäischen Staaten, die den Euro als gemeinsame Währung haben, hatten Angst, dass eine Kettenreaktion von Pleiten einsetzt, wenn Griechenland erst einmal vor die Hunde gegangen ist. Daher lieh sie Griechenland Geld. Aber im Gegenzug legte sie Griechenland ein enormes Sparpaket auf. Griechenland muss seine Renten und andere Sozialausgaben massiv kürzen, es musste jede Menge Beamte entlassen und und und.

Das ganze Sparpaket folgte der Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus‚. Und viele – vor allem – Linke glauben, dass das ein Problem ist. Sie glauben, dass Griechenland sich zu Tode spart und lieber weiterhin etwas mehr Schulden machen sollte, damit es das Geld in die eigene Wirtschaft investieren kann und so langfristig reicher wird, um dann die Schulden bezahlen zu können.

Ich weiß übrigens nicht, was ich darüber denken soll. Der Investitionsansatz (auch Keynesianismus genannt) klingt logisch, allerdings macht Deutschland das – wie ich bereits schrieb – seit nunmehr mehr als 50 Jahren und mittlerweile muss der Bund satte 12% des Bundeshaushalts zur Schuldentilgung aufwenden. Das ist der zweitgrößte Posten im Etat. Zwar scheint derzeit alles darauf hinauszulaufen, dass Deutschland beginnen kann, die Schulden zurückzuzahlen, aber der deutschen Wirtschaft geht es auch gerade verdammt gut. Da Krisen im Kapitalismus zyklisch auftreten, wird die nächste bestimmt bald kommen und dann werden wieder neue Schulden dazu kommen. Wenn ich das zu Ende denke, ist die Strategie vielleicht nicht sehr viel vorausschauender als diejenige der Banken vor 2007.

Puh, das ist wirklich kompliziert, da die Weltwirtschaft ein sehr komplexes System ist, das niemand voll durchschaut. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass es im Augenblick den Menschen in Griechenland echt schlecht geht. Daher wählten sie auch im Januar dieses Jahres (2015) eine neue, linke Regierung. Und jetzt komme ich endlich zu dem Grund, warum ich das alles schreibe: In der vergangenen Woche musste sich Griechenland wieder Geld von der Euro-Gruppe leihen. Daraufhin verlangten die europäischen Staaten noch mehr Sparmaßnahmen.

Und die griechische Regierung meinte dann so: „Nope, jetzt reicht’s endgültig! Wir lassen in einem Referendum alle Griechen entscheiden, ob wir diese neuen Konditionen annehmen.“
Darauhin die Euro-Gruppe so: „Waaaas?! Alter, ihr wollt doch nur Zeit schinden, jetzt reicht’s uns, ihr bekommt kein Geld mehr.“

Und im Augenblick weiß keiner wie es weitergeht. Entweder gibt eine Seite nach, oder Griechenland erklärt den Staatsbankrott. Als weitere Option steht der sogenannte Grexit im Raum, dass Griechenland also aus dem Euro aussteigt und wieder eine eigene Währung bastelt. Das könnte dazu führen, dass Griechenland sich bei Banken zu günstigeren Konditionen Geld leihen kann als jetzt. Glaube ich zumindest, denn auch das durchsteige ich alles nicht komplett. Jedenfalls sind die Griechen voll in Panik und heben gerade all ihr Geld von der Bank ab. Damit die griechischen Banken nicht pleite gehen, werden sie jetzt zwangsgeschlossen. Und nebenbei gibt es noch so kuriosen Quatsch wie den Generalsekretär der NATO (also unseres Militärbündnisses, falls es das bei euch nicht mehr gibt), der meint, dass Griechenland zwar sparen soll, aber doch bitte nicht bei den Militärausgaben. Pfff …

Puh, ich merke, dass dieser Artikel durch die ganzen Erläuterungen schon jetzt länger ist, als geplant. Dabei wollte ich eigentlich auch über Islamismus, die Homo-Ehe, Ausländerfeindlichkeit in Deutschland, die Panorama-Freiheit, den Film „Mad Max Fury Road“ und Frankfurt schreiben. Das mache ich dann in den nächsten Tagen Wochen. Nur noch zwei Dinge: Wir leben derzeit in Frankfurt. Keine Ahnung, ob das in 20 Jahren noch der Fall sein wird. Und ich wollte euch Einblick in unser Frankfurt geben. Heute vom „Wikingerspielplatz“, auf dem wir am Sonntag waren:

Sonntag.

Ein von @privatsprache gepostetes Foto am

Bis bald

Euer Papa/Daniel