12 von 12 im Februar 2016

Es ist schon wieder ein Monat um und es ist Zeit für 12 von 12. Das war mein Tag am 12 Februar 2016:

Morgens geht meine Tochter (8) als erste aus dem Haus, um in die Schule zu kommen. Ja, obwohl wir in der großen, bösen Stadt Frankfurt wohnen, kann meine Tochter alleine zur Schule gehen … Hier habe ich schon einmal einen (wie ich finde) sehr differenzierten Beitrag zu diesem Dauerbrenner der Kindererziehung verfasst. Jedenfalls haben die Dame, meine Tochter (1) und ich dann immer noch eine kleine Ruhepause, bevor auch wir das Haus verlassen um zur Arbeit und zur Krippe zu kommen. Die nutze ich zwischen Vorlesen oder Ballspielen für einen Kaffee.

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Auf dem Weg zur Krippe. Diese Leihfahrräder der Deutschen Bahn sind so nervig wie eine Wunde an der Lippe, an der du nicht aufhören kannst, mit der Zunge herumzuspielen. Dadurch, dass die Leiher/innen sie nur in einem ungefähren Bereich abstellen müssen, stehen sie immer im Weg. Dann passiert regelmäßig so etwas nettes und rücksichtsvolles wie hier.

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Auf dem Heimweg fand ich den neuesten Kandidaten für meine kleine Instagramsammlung „Aschenputtel war hier„. Mir ist vor geraumer Zeit mal aufgefallen, wie oft Menschen Schuhe im öffentlichen Raum verlieren oder zurücklassen. Das ist mir ein absolutes Rätsel, weil ich noch nie einen Schuh verloren habe. Klar, wenn es ein Kinderschuh ist, wie hier, kann ich das erklären. Aber auch Erwachsene scheinen regelmäßig einschuhig nach Hause zu gehen …

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Nachdem ich den Krümel zu einem Vormittag voller Spiel und Spaß abgegeben habe, setze ich mich zu Hause an meinen Computer um zu schreiben. Ich habe mit meiner Platon-Staffel auf YouTube angefangen und neben anderen Texten noch einmal am Skript für die zweite Folge gefeilt. Ich bin noch immer arbeitslos. 🙁 Allerdings stehen die Vorzeichen gut, dass sich das bald ändern könnte. 🙂 Mehr sage ich nicht, auch wenn ich nicht abergläubisch bin. Man weiß ja nie, wer alles mitliest, besonders, wenn man in Digitalien arbeiten will.

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Arbeitslos zu sein hat zumindest den Vorteil, dass ich zwischendurch meine Capoeira-Hausaufgaben machen kann. Wir arbeiten zurzeit an unserer Ginga (das ist der Grundschritt in der Capoeira) und diese Woche ging es um Selbstanalyse: Was ist gut an meiner Ginga, was schlecht. Welche Variationen fallen mir leicht, welche schwer. Außerdem sollten wir uns ein Vorbild auf YouTube suchen und uns daran orientieren. Mir gefällt sehr der Stil von Mestre Kibe. Hier könnt ihr ihn euch ansehen.

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Dann geht es auch schon wieder los, um meine Tocher (1) von der Krippe abzuholen. Gegenüber unseres Hauses ist ein kompletter Häuserblock hochgezogen worden. Mit dem Rohbau sind sie nun fast fertig, sodass der erste Kran mit Hilfe eines noch größeren mobilen Krans abgebaut wurde. Meine Tochter (1) hat ihn leider verpasst, obwohl sie doch „Totos“ (Autos) so gerne mag …

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Dann ging es endlich ins Wochenende! Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Laut Google sind es immerhin 850 Meter von der Krippe nach Hause und der Krümel ist sie zum ersten Mal komplett gelaufen. Sie fand es auch gar nicht gut, wenn ich bei Straßenübergängen darauf bestand, sie an die Hand zu nehmen.

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Zuhause erwartete uns schon eine Deckenhöhle im Schlafzimmer. Leider gab es später zwischen meiner Tochter (8) und mir einen ziemlich großen Streit um die Frage, wer dafür verwantwortlich ist, diese Höhle wieder abzureißen und aufzuräumen.

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Man hat es eben nicht leicht mit diesen Kindern …

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Doch ein leckerer Kaffee beruhigt die Nerven und hält an einem langen Abend wach.

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Denn an diesem Abend nahmen die Dame und ich noch die neueste Folge unseres Podcasts Spätfilm auf. Wir sprachen über Hitchcocks Das Fenster zum Hof*, ein extrem guter Film. Wir bewerten in jeder Folge den besprochenen Film, erstellen daraus unsere eigenen Filmcharts und Rear Window ist ein ganz heißer Kandidat für die neue Spitzenposition. Zu hören gibt es das in Kürze, wenn ich die Folge geschnitten und durch Auphonic gejagt habe.

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Dann ging es ins Bett. Wie ich letzten Monat schrieb, versuche ich immer noch ein paar Seiten zu lesen. Mittlerweile lese ich Unendlicher Spaß* von David Foster Wallace und werde wohl noch eine Weile an dem Schinken sitzen, denn er hat 1600 Seiten und ungefähr Schriftgröße 2. Das Buch ist … schwierig. Nach 150 Seiten ist es noch immer nicht über die Vorstellung eines komplexen Geflechts von Protagonisten herausgekommen. Einige der Kapitel waren großartig, andere zäh. Mal sehen, wie es sich entwickelt. Ich werde sicher noch eine Weile daran sitzen und kann dann hier ja berichten.

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*Hinterhältiger Affili-Link: Wenn ihr das Buch oder den Film kauft, bekomme ich eine winzige Provision und freue mich.

12 von 12 im Januar 2016

Auch im Januar habe ich mich wieder an dieser Blogparade beteiligt und 12 Fotos von meinem 12. Tag des Monats gemacht. Los geht’s:

Wenn wir morgens um 6:45 Uhr aufstehen, ist es noch immer dunkel. Ich mag den Winter deswegen nicht so sehr, aber wenn sich so schöne Wolkenspiele bei Sonnenaufgang zeigen, dann ist das auch okay:

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Jetzt blogge ich doch tatsächlich übers Wetter! Aber dass es seit zwei Wochen mehr oder weniger am Stück regnet, nervt mich ungemein. Als ich meine Tochter (1) zur Krippe brachte, war zum Glück eine kurze Regenpause, sodass sich dieser schöne Anblick bot.
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Ich bin derzeit arbeitslos, was eher so :-/ ist. Wenn ihr eine Stelle in Frankfurt für mich habt, nur her damit. 😉 Zwischen all den Bewerbungen blieb mir da gestern aber auch noch Zeit für einen kurzen Nachruf auf David Bowie.

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Ehrlich gesagt, habe ich dann die 12 von 12 total vergessen und erst am späten Nachmittag fiel mir das wieder ein. Meine Tochter (8) ist beim Essen gerade in einer strickten Pfannkuchen- und Spaghetti-Phase, was das Kochen etwas schwierig gestaltet, besonders da Tochter (1) fast alles aber keine Pfannkuchen mag. Wir versuchen uns abzuwechseln mit Gerichten, die uns Erwachsenen schmecken und bei denen meine Tochter dann Brot isst und solchen, die ihr schmecken. Außerdem versuchen wir die beiden Optionen, die sie uns lässt, zu variieren. Daher gab es gestern Waffeln.
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Ein weiteres Problem beim Abendessen ist, dass meine Tochter (1) mittlerweile herausgefunden hat, wie sie aus ihrem Kinderstuhl aufstehen kann. Weswegen sie das Essen irgendwann – meist sehr abrupt – abbricht. Aber mit Puppe auf Papas Schoß gesellt sie sich dann doch noch einmal zu uns, was mir die Gelegenheit gab, ein Foto von ihrem wirklich saucoolen Batman-Pullie zu machen.

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Im Winter geben wir unserem Kind mal ausnahmsweise kein Heroin, auch wenn es so aussieht. Stattdessen gibt es Vitamin D, bis wieder genug Sonne scheint, damit die Haut das selbst produzieren kann.

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Dann habe ich da noch ein Projekt auf YouTube, wo ich über Philosophie quatsche und für das ich gerade meine Platon-Staffel vorbereite. Da die Dame heute ausging, hatten wir besonders früh gegessen und bevor ich die Kinder ins Bett bringen musste, hatte ich noch etwas Zeit. Da sich beide Kinder gerade selbst amüsierten, habe ich noch ein wenig in diesem Buch von Walter Bröcker gelesen. Das Buch kann ich nur empfehlen, es hat mir schon im Studium treue Dienste geleistet und ist eine exzellente Interpretationshilfe.

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Tochter (1) bekam dann noch den traditionellen Schlummertrunk …

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… bevor es ins Bett ging.

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Nachdem die Kleine eingeschlafen war, las ich der Großen noch Harry Potter vor. Wir sind beide große Fans und haben schon vier Bände durch (ich berichtete), nun schlagen wir uns gerade mit der teuflischen Professorin Umbridge herum! Doch als das Kapitel zu Ende war, war dann auch die zweite Schlafenszeit des Tages angesagt.

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Schließlich machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich, und verbrachte meinen Abend allein ;-( damit Terminator Genysis (oder Genisys?) zu sehen. So fand ich ihn. Dazu gab es alkoholfreien Äppler, Wasser und Orange.

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Schließlich ging es auch für mich ins Bett. Ich notiere mir seit, über 10 Jahren alle Bücher, die ich gelesen habe. Nachdem ich 2014 so wenig wie noch nie gelesen habe (also Bücher, im Internet hingegen jede Menge), war ich geradezu schockiert und nahm mir vor, wieder jeden Abend vor dem Schlafengehen zu lesen. Das hat ganz wunderbar funktioniert und auch 2016 halte ich an dieser Gewohnheit fest. Herta Müllers Buch Atemschaukel ist übrigens fantastisch. Es spielt in einem russischen Arbeitslager, aber der triste Handlungsrahmen wird durch die wunderbare Sprache von Müller sehr schön kontrastiert.

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Ca. 30 Minuten nachdem ich das Buch beiseite gelegt hatte, musste ich übrigens wieder aufstehen, da meine Tochter (1) fand, sie habe nun genug geschlafen.

¯\_(ツ)_/¯

Service-, na ja, „Wüste“ würde ich es nicht nennen, es ist eher so die Tundra

Ich brauche gebügelte Hemden, wegen eines wichtigen Termins, wegen der Karriere und so. Leider gehöre ich noch immer zur Fraktion der poststudentischen Amateurwäscher mit anhaltendem Bügelverweigerungshintergrund. In meinem letzten Job spielte das zum Glück keine Rolle. Wenn man mal von der einmaligen Situation absieht, als ich von meinem ‚Sonst stört mich das ja nicht’-Chef dazu aufgefordert wurde, ob des Auftritts diverser Bewerber zu einem nämlichen Gespräch, dann doch mal auf meine Kleidung zu achten. Aber man weiß ja nicht, ob das alle so sehen und wenn irgendwie Geld im Hintergrund ist, will man ja auch nicht den schlechtesten Eindruck hinterlassen.

Genossenschaftsmitglied Anna Einfinger an der Schleuder. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst - Zentralbild. Urheber unbekannt. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE.
Genossenschaftsmitglied Anna Einfinger an der Schleuder. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild. Urheber unbekannt. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE.

Zum Glück gibt es für solche Fälle Wäschereien.

Es ist schon erstaunlich, wie tunnelartig, selektiv unser nach Mustern suchendes Gehirn Uninteressantes einfach ausblendet. Würdet ihr mich jetzt nach dem nächsten Versicherungsbüro fragen, so müsste ich euch eine Antwort schuldig bleiben, hingegen ich sämtliche Bäckereien, Möglichkeiten nach 20 Uhr noch Bier zu kaufen oder Spielplätze im Umkreis von locker 2 Kilometern aus dem Stehgreif aufsagen könnte. In alphabetischer Reihenfolge oder gereimt, wie ihr wünscht.

Zu meinem Glück selektierte ein bekanntes Gehirn nach anderen Mustern, sodass es mir sagen konnte, wo denn in der Nähe ein Etablissement zur professionellen Reinigung von Textilien ist. Ich also drei Hemden eingepackt – man will schließlich auch wählen können – und hingedackelt.

Am Orte meiner putzteuflischen Sehnsucht angekommen, betrat ich das Ladenlokal. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Ständer hinter Ständer reihten sich die frisch gewaschenen und gebügelten Stoffe von seifenblasenleichtem, durchsichtigem Plastik umhüllt und auf glänzenden, durch eleganten Schwung grazil geformten Einwegkleiderbügeln. Hatte man diese Galerie der vollbrachten Leistung durchschritten, kam man zu einer Ladentheke wohinter in großen Wäschekörben sich die verwahrlosten, unzüchtigen Textilverwandten lümmelten und noch nicht ahnten durch welche Mangel sie alsbald gedreht würden.

Dahinter nun wieder eröffnete sich dem Blick durch eine lukenartige Tür ein Raum, erhellt nur durch schummeriges Licht, wo man Walken sich balgen hörte, Dämpfe aufstiegen, es zischte und raschelte. Links und rechts rahmten die Flucht des Blickes Maschinen, Ständer und Wäscheberge ein bis sie im hintersten Winkel, am Fluchtpunkt, im Schein glänzenden Lichtes stand: die Wäscherin.

Eine kleine, dicke Frau mit Kittel, die bügelt.

Nun hatte bei meinem eintreten das elektronisch virtualisierte Glöckchen herzallerliebst ‚Ding-Dong’ geläutet, jedoch die feiste Wäscherin – und dies war die einzige Eigenschaft, die sie mit des Werten Kollegens @Naumburger Herzdame teilte – zeigte keinerlei Regung. Nun gut, wahrscheinlich war die Marschmusik des Waschmaschineraums lauter gewesen als das engelsgleiche Tönelein der Tür. Daher entfleuchte meiner Kehle ein zaghaftes ‚Hallo‘. Doch die bügelnde Waschexpertin deutete mit keinem Fingerzeig an, dass sie mich gehört haben könnte.

„Wahrscheinlich ist sie in einer schweren Operation, verpasst einer Anzugshose eine Präzisionsfalte oder entknittert gerade einen Crinkle-Optik-Look.“, so dachte ich bei mir und wartete geduldig am Tresen. Mein Auge wich nicht von der – so maße ich mir an zu Urteilen – wenig begeisterten, bügelnden Wäscherin. Schließlich stellte diese ihr heißes Eisen beiseite und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Doch anstatt nun zu mir in die Verkaufsstube zu treten, nahm sie in einer Seelenruhe mit der sie Papst Benedikt harte Konkurrenz machen würde, das nächste Stück Gewebe um es zu eisenglätten. Und ich gestehe ein, dass ich nun durchaus etwas erzürnt bei mir dachte: „Aber sie muss mich doch gehört haben!“

Meine Augen wanderten zu dem Schilde über der Theke, das in Majuskeln liebreizend erklärte: ‚UM VORKASSE WIRD GEBETEN!!!’ Im Gegenzug bäte ich dann aber auch um Vorzug gegenüber irgendeinem Stück Stoff. Doch der Gram in meinem Herzen wandelte sich alsbald wieder in Zweifel: im Maschinenraum war es fraglos lauter als hier vorne, auch hatte ich schon von widrigen akustischen Umständen gehört, die menschliche Stimmen mitunter im Gewirr derer der Apparate untergehen ließen. Also versuchte ich es noch einmal, ein Fünkchen lauter: „Guten Ta-hag!“ Hatte sich da eventuell kurz eine der buschigen Augenbrauen gehoben, oder hatte mir meine von Hoffnung getragene Phantasie bloß einen Streich gespielt? Sicher hatte die gute Dame, am Ende ihres Arbeitslebens, der Rente nicht mehr fern, einen Großteil ihres Hörvermögens dem Schleudergang geopfert, weshalb ich ein energisches „ENTSCHULDIGUNG?!“ hinterher schob wie sie das Eisen über den Stoff.

In senkrechter Habachtstellung

Schließlich und endlich brachte sie das Plätteisen wieder in senkrechte Habachtstellung, stöhnte sachte, die Hände in den Rücken gestemmt und setzte sich dampfend wie eine Walze und zugleich schwankend wie ein Kahn auf dem unweiten Main in Bewegung. In meine Richtung! Heureka! Nun gut, sie ließ es sich nicht nehmen, über diesen Stoff noch einmal liebenswürdig zu streicheln und jener Apparatur noch einmal ein paar Befehle einzugeben, während sie sich mir so langsam aber beständig näherte wie uns allen der Tag im Kalender, an dem uns wieder auffällt, dass wir ja noch immer keine Weihnachtsgeschenke haben.

Die Dame möge entschuldigen, ob sie mir denn sagen könne, was die Reinigung eines Hemdes in diesem, ihrem werten Etablissement kosten würde, so begann ich die Feilscherei geschickt, wie ich gedacht hatte. Es war jedoch taktisch vollkommen unklug, wie sich alsbald herausstellen sollte. Denn an die Preisauskunft von 2,50€ pro Hemd – was ich für einen durchaus nicht unvernünftigen Preis hielt und halte – schloss die Dame in wenig eloquenter Art und Weise einen dennoch recht langen Vortrag an, dass es sich bei ihrem Service um Handarbeit handele und „nix Billigwäscherei“. Dass überhaupt diese Billigwäschereien den Markt kaputt machen würden und sie auch sehen müsse, wo sie bleibe.

Derweil sie weiter zum besten gab, was sie vom Markt, der Konkurrenz und sich selbst hielt, entglitt mir meine Aufmerksamkeit und meine Gedanken wanderten, zunächst zu jenem seltsamen Geschick, dass zwar immer irgendwo irgendwer den Markt kaputt macht, er zugleich aber irgendwie auch nicht totzukriegen ist. Dann eilten meine Gedanken weiter und folgten meinen Augen zu einem zweiten Schild über der Theke, das die Qualitätsarbeit der Wäscherin wohl mit einem markanten Statement untermauern sollte: ‚FÜR VERLORENE KNÖPFE KANN NICHT GEHAFTET WERDEN!!!’

ZWEIFUFZIG ODER RAUS!

Schließlich fiel mir auf, dass die Frau geendet hatte und mich mit leisem Knurren anstarrte. Verlegen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was nun folgen sollte, da ich outgezoned war, als hätte ich während eines Gesprächs ’nur mal schnell‘ die Timeline gecheckt, versuchte ich es mit einem Scherz: „Also Sie sollten an Ihrem Stil arbeiten, sonst schaffen Sie es nie in die Twitterelite“. Ein Fehler. Viel zu jovial, das sah ich schon ein. So entgegnete mir die Dame nur mit einer gewissen Röte im Gesicht, die schon shades of blue annahm: „ZWEIFUFZIG ODER RAUS!“. Ich willigte ein und gab sogar zu verstehen, dass ich sogar drei Hemden in ihre fürsorglichen Hände übergeben würde. Schließlich hatte ich ja nie gehadert mit dem Preis, dem Service oder der Existenz der Wäscherin und wollte auch pflichtschuldig wie „GEBETEN“, „VORKASSE“ leisten, jedoch mein Geldschein war dem Pitbull unter den Textilreinigungskräften dann doch zu groß. Weshalb sie, während eine potente Ader auf ihrer Stirn bedrohlich für uns beide pulsierte, mir einen Zettel ausfüllte, um anschließend offenbar in Parsel zu zischen, ich könne die Hemden am Dienstagabend abholen.

Ich musste wirklich meinen letzten Rest Mut aufbringen, als ich entgegnete: „Ich bitte um Verzeihung, aber das ist zu spät. Ich hatte nicht erwartet, dass diese doch wohl recht simple Operation eine ganze Woche dauern würde.“

„Nix ganze Woche! Heute ist schon Donnerstagabend! Dienstagmittag! Früher geht nicht!“ – erst Stunden später, als ich mein Herz meiner Dame ausschüttete, machte sie mich darauf aufmerksam, dass es eigentlich Mittwoch am frühen Nachmittag gewesen war.

„Nun werte Dame, ich bitte gnädigst um Verzeihung, aber ich habe am Montagmittag einen Termin zu dem ich eigentlich ein gebügeltes Hemd tragen müsste. Zumindest aber ein Hemd, ob nun gebügelt oder nicht, das müssen Sie doch einsehen. Ich kann doch nicht zu einem Gespräch, das über das täglich Brot für meine Tochter entscheidet barbusig erscheinen. Daher bitte ich um Verzeihung, muss ich leider vom Vertrage zurücktreten und bitte um die Rückerstattung meiner gar schmutzigen Hemden…“

„Nix verstehen müssen! Nix Montag Mittag!“, sprach – nein, ich muss es gestehen – schrie sie und der Geifer spritze auf – zum Glück – durch Plastik geschütztes frisch Gereinigtes und – zum Unglück – ungeschütztes mich, warf mir meine Hemden zu, lies den Beleg durch einen Fluch zu Asche zerfallen und verwies mich des Ladens mit weiteren Flüchen, die ich mich nicht getraue wiederzugeben, unter denen aber wenigstens einmal der Cruciatus klar herauszuhören war.

Ich nahm meine Hemden, ging traurig nach Hause und griff selbst zu Maschine und Eisen in der Hoffnung, dass man es mir am Montag zwar vielleicht an- jedoch auch nachsehen werde.

 

Ich bin raus.

Meine hippste Bewerbung

Als ich vor 2 1/2 Jahren das letzte Mal auf Arbeitssuche war, fand ich eine Stellenausschreibung von einem so unglaublich coolen Unternehmen, dass ich mir folgenden Text für das Anschreiben nicht verkneifen konnte:

Aachen, 18. Juni 2010

Hey Leute,

ich habe so viel Pfeffer im Hintern, man könnte glatt meinen, ich bin ein von Hand gefangener Hase! Bei Euch gibt’s Action – ich sage: Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke! Ich bin ein solcher Macher, mich nennt man auch die Machete! Und meine Ideen zünden so sehr, dass sich das Mädchen im Struwwelpeter vor mir fürchtet!

ich habe Kommunikationswissenschaft an der Exellenz-Uni RWTH Aachen studiert. Habe durch meine Arbeit in der studentischen Vertretung und durch meine Nebenjobs gelernt sowohl selbstständig, als auch im Team zu arbeiten. Bin so online-affin wie das Bindemetall zum Kohlenstoff. Und im Umgang mit Office bin ich sicher wie Fort Knox. Englisch beherrsche ich fließend wie der Rhein und Deutsch kann ich besser schreiben und sprechen als viele Zeitgenossen es denken können. Nicht zuletzt weil meine Schreibe so fresh ist, dass ich lieber nicht den Kaffee auf das Anschreiben stellen würde …

Nur meine Startup-Erfahrungen beschränken sich auf das Existenzgründerseminar „EXISTENZIA“ der GründerRegion Aachen. Dennoch glaube ich fest daran: I’ve got EVERYTHING, what it takes!

 

Überraschenderweise habe ich den Job nicht bekommen…

Ballade über den Hades, der keine Unterwelt mehr sein wollte

Agentur für Arbeit
Agentur für Arbeit. Bild von Daniel Brockmeier. Lizenz: CC0.

 

Eines vorweg: Wahrscheinlich geht ihr an diesen Text mit einer Betroffenheit heran, die er nicht verdient. Ich will kein Mitleid, denn dass ich arbeitslos bin, ist nicht schlimm. Es wird zwar allenortes suggeriert, es sei schlimm, aber das stimmt nicht. Im Englischen gibt es die Redewendung, dass man zwischen zwei Jobs ist. Die gibt es hier nicht. Hier ist man arbeitslos. Oh. Endlager. Das ist Blödsinn. Warum? Das werdet ihr gleich lesen.

 

 

Ich habe mich also am Montag arbeitslos gemeldet. Ich saß nur 4 ½ Stunden in der Wartezone der Agentur für Arbeit und wartete auf ein Gespräch mit einem Sachbearbeiter, das dann effektiv 10 Minuten gedauert hat. Der Kern dieses Gespräches war eine Unterschrift, die bezeugte, dass ich tatsächlich ordnungsgemäß anwesend war, andernfalls hätte man mich als Arbeitslosen bestraft durch Geldentzug oder etwas Ähnliches. Ferner wurde mir noch ein Termin mitgeteilt, bei dem dann erst alle Formalitäten geklärt werden.  

  Zweites vorweg: Ich werde hier nicht unterscheiden zwischen Agentur für Arbeit, Jobcenter, Arge, Arbeitslosengeld eins und zwei sowie Harz vier. Das ist verkürzt, das weiß ich. Aber das ist Strategie. Denn diese Klassenbildung übersieht, dass wir Arbeitslose letztlich alle Menschen sind, die eben nur zwischen zwei Jobs stehen, die durch einen Haufen Zufälle gerade nicht selbst für sich sorgen können und die deshalb zum Glück durch unseren – ganz ehrlich und aufrichtig gesprochen – tollen Sozialstaat finanziert werden. Bis sie dann selbst wieder dem Solidaritätsprinzip Rechnung tragend eben jene Rechnung begleichen können indem sie Steuern und Sozialabgaben zahlen. Und irgendwo singt Elton John „Circle of Life“. Aber jetzt los, hier sind meine Gedanken vom Montag:  

 Ich saß also so da und es wollten sich partout weder Wut, noch Frust oder Ärger darüber einstellen, dass ich warten musste. Im Gegensatz zu den anderen – seriös geschätzten – 200 Wartenden, störte ich mich nicht daran, dass im ehemaligen Amt nur eine Vorfeiertagsbesetzung anwesend war oder dass die Sachbearbeiter auch mal Mittags- oder Raucherpause machen. Ich saß da und dachte zurück an meine Erfahrungen mit der Agentur für Arbeit.

 

 

Das Amt, das kein Amt mehr sein will, ist noch immer eines. Das ist die wichtigste Erkenntnis in meinem Umgang mit der Agentur für Arbeit. Wenn ich oben den Sozialstaat gelobt habe, so gilt dies nicht für den Hades Agentur für Arbeit. Ich bin zum zweiten Mal arbeitslos. Das ist nicht schlimm sondern die Realität in einem Arbeitsmarkt, der flexibilisiert wurde wie ein Theraband. Ich weiß das, aber das Amt weiß das noch nicht. Ich weiß, was mich in der nächsten Zeit erwarten wird: mir werden Sachbearbeiter immer wieder erklären, dass alles erstens aussichtslos ist, und ich zweitens jetzt mal endlich meinen Arsch in Bewegung setzen muss, sonst werde ich noch langzeitarbeitslos und dann kann ich eigentlich nur noch Einwegpfand sammeln.

 

 

Und ich weiß, dass ich dann doch einen neuen Job finden werde, der mir hoffentlich sehr viel Spaß machen wird und höchstwahrscheinlich ganz anders sein wird, als ich es mir jetzt so vorstelle. Darüber hinaus habe ich auch noch andere Eisen im Feuer, aber das ist eine andere Geschichte, die ich aber schon bald erzählen werde.  

  Ich bin einer dieser Menschen, die eine Geisteswissenschaft studiert haben und wie all die anderen Geisteswissenschaftler, die nicht das Glück hatten, ein Vermögen in der Matratze eingenäht zu haben, um damit nach dem Studium den studentischen Lebensstil aufrecht zu erhalten, musste ich mit meinem Examen in der Hand frisch, fromm, fröhlich, frei zum ersten Mal aufs Amt.  

 Damals hatte ich Glück. Meinen Sachbearbeiter habe ich nur drei Mal gesehen: beim ersten Mal erklärte er mir, dass er nun wirklich nicht die Ressourcen habe, sich um Akademiker zu kümmern, das müsse ich schon selbst tun. Beim zweiten Mal kam er zum vereinbarten Termin aus seinem Büro, sagte: „bin gleich wieder da“, kam zehn Minuten später, nach Kippenrauch riechend, wieder, um mir dann einen Vortrag zu halten, dessen Kernaussage darin bestand, dass ich das alles zu locker nehme, faul bin und jetzt gefälligst einen Job finden solle. Anschließend druckte er mir drei Jobangebote aus, für die ich nicht einmal ansatzweise qualifiziert war, auf die ich mich dann aber bewerben musste, sonst wäre ich bestraft worden. Egal, die Bewerbungen hat das Amt bezahlt. Also ihr. Mit euren Steuern und Sozialabgaben. Beim dritten Mal segnete er schließlich ein Praktikum ab, das ich ergattert hatte und das anschließend in ein Volontariat mündete. Dass mir das Amt während des Praktikums, entgegen der zuvor gemachten Zusagen, urplötzlich den Status als Arbeitsloser kappte und ich auf einmal ohne Krankenversicherung dastand: geschenkt.

 

 

Denn ich habe andere Storys gehört und gesehen, die geradezu drollig waren. Das fängt mit vollkommen sinnlosen „Maßnahmen“ also Fortbildungen an. Wobei „Maßnahmen“ der ideale Ausdruck dafür ist, denn in der Regel handelt es sich um bloßen Aktionismus, der die Statistik bereinigen soll. Weil ich nicht als arbeitslos gezählt werde, solange ich in einer „Maßnahme“ stecke. Da gibt es etwa Anfängerenglischkurse für Akademiker zu denen man dann aber gehen muss, sonst wird man bestraft. Die Drolligkeit des ehemaligen Arbeitsamtes hört mit der Hotline, bei der man sich arbeitssuchend melden muss, noch lange nicht auf.

 

 

Die Hotline ist kostenpflichtig. Zwar nur 4 Cent, könnte man sagen, aber wenn man dann 2 Stunden in der Warteschleife hängt und zwischendurch mehrmals aus der Leitung geschmissen wird, sind auch das plötzlich fünf Euro, die man da für eine Formalität abkassiert. Denn ich habe noch von niemandem gehört, der direkt im Anschluss an ein beendetes Beschäftigungsverhältnis ein neues gefunden hat, weil in der Onlinemaske ein Sachbearbeiter den Schalter auf „suchend“ gestellt hat.  

  Eine Freundin hat sich da mal angemeldet mit folgenden Worten: „Mein Name ist Schiller. Wie der Dichter.“ Der Sachbearbeiter gab zu verstehen, dass Name und Dichter ihm bekannt seien. Als später die Unterlagen per Post kamen, war als Name angegeben: Schillernder. Kann man ja mal verwechseln, die großen Dichter Friedrich Schiller und Fritze Schillernder.  

 Selbe Freundin bezweifelte dem Sachbearbeiter gegenüber, dass sie sich auch am Wochenende beim Amt abmelden müsse, wenn sie die Stadt verlasse. Da diskutiere er nicht drüber, da sei er Verwaltungsmensch, sagte der Sachbearbeiter und behielt Unrecht.

 

 

Aber am schönsten fand ich, als eine hochqualifizierte Bekannte bei der Beratung von ihrem Sachbearbeiter gefragt wurde, was sie denn machen wolle. Sie sagte, sie habe ihre Magisterarbeit über Umweltbewusstsein in China geschrieben. Und da dies ein Zukunftsthema sei, hoffe sie diesbezüglich etwas zu finden. Der Sachbearbeiter schaute kurz in seine Datenbank und antwortete dann: Ich hätte hier einen Job in einem Chinarestaurant.

 

 

Ich bin raus.