Wenn Philosophen wie Nerds wären…

Neulich in einem Epistemologie-Support-Forum …

WillardvOQ: „Hallo Leute, ich habe da ein Problem mit der Sprache, ich wollte mal fragen, ob wir überhaupt sicher sein können, Bedeutungen richtig zu erfassen, wenn von einer Sprache in die andere übersetzen.“

Post-Structure-Jacques: „Alter, Forensuche benutzen!“

Pythgoras hates beans: „Google ist dein Freund!“

Whitehead: „Read the fucking Platon!!!!“

Höhlenmensch: „Hat jemand meinen Namen gesagt? @WillardvOQ Interessante Frage. Vorher sollten wir aber klären, ob Sprache natürlich oder konventionell ist.“

Cunt: „Welche Version benutzt ihr denn? und welches OS? Wenn ihr das nicht sagt, dann kann man euch schon mal gleich gar nicht helfen!“

Betrand, König von Frankreich:@Cunt: Yo Alter, was ist das denn für eine bekloppte Frage? Es gibt nur eine Version: Formale Logik. Und nur ein OS: Idealsprache. Alles andere kannst du in die Tonne kloppen!“

Ludwig schweigt: „Quatsch Betrand. Normalsprache, von allem anderen holst du dir Beulen!“

GEM: „Ludwig hat Recht!“

Austin (not Texas): „Jep…“

Hidagger: „Die Sprache ist das Haus des Seins.“

TheodorFrankfurt1903: „@Hidagger: Du bist wie Hitler!“

Ari [Moderator]: „Leute, bitte mäßigt euch etwas, sonst muss ich hier ein paar Forumssperren verteilen. Vielleicht könnt ihr euch in der Mitte treffen?“

WillardvOQ: „Ja, vielleicht könnten wir zu meiner Frage zurückkehren? @Cunt: Ich benutze Formale Logik, spiele aber auch oft mal mit normaler Sprache rum.“

Übermensch: „Not my Department! Wahrheit ist eh nur ein bewegliches Heer aus Metaphern!“

Noam: „Alter, du hast eine Universalgrammatik im Kopf, du kannst alles übersetzen!“

Höhlenmensch: „Sehe ich ähnlich.“

Michel Fuckold: „Ficken!“

Ari [Moderator]: „DAS REICHT @Michel Fuckold, DU TROLL!!! Das war schon das dritte Mal in dieser Woche, dein Account ist bist zum nächsten Ersten gesperrt!“

JürgenHabermas123:@ARI: Ich finde, du solltest mit @Michel Fuckold in eine Metadiskurs über eure Kommunikationsbedingungen eintreten.“

R0R7Y:@WillardvOQ: Du kannst dir eh nicht sicher sein, ob deine Worte noch die gleiche Bedeutung wie etwa die von Ari haben.“

Hidagger: „Ich schon, von Etymologie verstehe ich was.“

Post-Structure-Jacques: „ROFL!“

Ari [Moderator]: „So Leute, ich mach hier mal dicht. Doppelter Thread! Wie @Whitehead schon sagte, drüben im Sub-Forum vom Höhlenmensch finden sich schon alle Antworten auf die Fragen hier… CLOSED!“

Gottes Existenz wurde bewiesen

Zeigt sich Gott in der Welt?
Zeigt sich Gott in der Welt?

„Mathematiker bestätigen Gottesbeweis“

titelt SpOn auf seiner Wissenschaftsseite und fährt fort:

„Jetzt sind die letzten Zweifel ausgeräumt: Gott existiert tatsächlich.“

Gut, dass wir das endlich hinter uns haben. Nach 2.500 Jahren wurde es auch endlich Zeit. Und an alle Atheisten: Vielen Dank fürs Mitspielen, holt euch bitte eure Trostpreise an der Pforte zur Hölle ab! Aber, ihr ahnt es sicher schon, ganz so einfach werde ich es euch nicht machen…

Also, beginnen wir mit einem Faktencheck

Was ist passiert? Kurt Gödel, fraglos einer der größten Logiker der Geschichte, hatte sich dereinst daran gemacht, die Existenz Gottes zu beweisen. Mithilfe der Modallogik entwickelte Gödel einen formallogischen Beweis für die Existenz Gottes. Dieser lässt sich holzschnittartig auf zwei Schritte runterbrechen:

1. Es ist möglich, dass es ein göttliches Wesen gibt.
2. Wenn es möglich ist, dass es ein göttliches Wesen gibt, dann ist es auch notwendig.

Jetzt haben die Wissenschaftler Christoph Benzmüller und Bruno Woltzenlogel Paleo einen Computer mit der Formel gefüttert, der bestätigt, dass Gödels Ableitung korrekt ist. Interessant an dem SpOn-Artikel ist übrigens, dass dieser zweimal ostentativ darauf hinweist, dass es ein Mac war, der uns Gott bewiesen hat. Ein Schelm würde sagen, dass das ziemlich gut zeigt, wie sich unser Glaubenssystem mittlerweile verschoben hat…

Stutzig machen sollte uns aber, dass der Beweis, der bereits um 1970 veröffentlicht wurde, erst jetzt von einem Computer bestätigt worden sein soll. Denn selbst wenn die Formel, die Gödel niederschrieb in die Königsklasse dessen gehört, was ein Mensch nachvollziehen kann, sollte ein Computer dazu leichter in der Lage sein und dies auch schon lange vor dem Jahr 2013 geschafft haben können. Wenn man sich die Pressemeldung von Benzmüller und Woltzenlogel Paleo anschaut, so stellt man auch gleich fest, dass diese schreiben, dass der Beweis noch nie so detailreich, in solch einer Tiefe durchgeführt wurde. Denn – so wieder SpOn – Gödel machte nicht all seine Annahmen explizit.

Stimmt Gödels Gottesbeweis denn jetzt?

Soweit, so gut, aber ist die Existenz Gottes jetzt wirklich bewiesen? Ist jetzt alles gesagt und es steht fest, dass Gläubige recht und Ungläubige unrecht haben? Ich habe mich mit dem Thema ja schon einmal auseinandergesetzt und habe damals behauptet, dass diese Streitfrage prinzipiell nicht entscheidbar ist. Aber wer bin ich schon im Vergleich zu Gödel… Okay ich sollte mich jetzt nicht selbst mit einem Sophismus (Namedropping) ausknocken sondern lieber mich selbst zitieren und damit in Erinnerung rufen, was die Logik ist und kann und was sie nicht kann:

Die Logik ist die Lehre vom formal richtigen Schließen. Dass heißt, sie untersucht Schlussfolgerungen nur anhand ihrer sprachlichen Form, um zu prüfen, ob in dieser Fehler stecken. Der Inhalt der Äußerung interessiert die Logik dabei überhaupt nicht, sie überlässt es der Empirie, der Wissenschaft, zu prüfen, ob dieser Inhalt wahr ist.

Quelle: Ein selbstverliebter, sich selbst zitierender Daniel Brockmeier über das Widerlegen von Verschwörungstheorien

Daraus folgt aber – natürlich vorausgesetzt, ich habe die Logik richtig verstanden – dass Gödel „nur“ bewiesen hat, dass es möglich ist, auf die notwendige Extistenz eines göttlichen Wesens zu schließen, wenn man eine bestimmte Menge von Prämissen – Mathematiker würden Axiome sagen – als gegeben voraussetzt. Welche sind das?

Die Wikipedia hilft uns hier weiter, indem sie uns den Beweis normalsprachlich aufschlüsselt:

  • Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.
  • Annahme 2: Eine Eigenschaft, die notwendigerweise durch eine positive Eigenschaft impliziert wird, ist positiv
  • Theorem 1: Positive Eigenschaften sind möglicherweise beispielhaft
  • Definition 1: Eine gottesähnliche Existenz enthält alle positive Eigenschaften
  • Annahme 3: Die Eigenschaft, gottähnlich zu sein, ist positiv
  • Schlussfolgerung: Möglicherweise existiert Gott
  • Annahme 4: Positive Eigenschaften sind notwendigerweise positiv
  • Definition 2: Die Essenz eines Individuums ist die Eigenschaft, die von diesem umgesetzt wird und impliziert notwendigerweise irgendeine seiner Eigenschaften
  • Theorem 2: Götterähnlich zu sein ist eine Essenz von jeder götterähnlichen Existenz
  • Definition 3: Notwendige Existenz eines Individuums ist die notwendige Beispielhaftigkeit von all seinen Essenzen
  • Annahme 5: Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft
  • Notwendigerweise, Gott existiert

Die spannenden Aspekte sind dabei die Definitionen 1, 2 und 3. Denn, was ist eine Definition? Auch das habe ich bereits zuvor erläutert: Eine Definition ist ein Dogma. Ich kann mein Beweisspiel nicht bis in alle Ewigkeit weiterspielen, das wäre ein infiniter Regress, daher breche ich sie irgendwann ab und definiere meine Grundbegriffe. Diese Definitionen sind aber eben nicht bewiesen, sie stehen unter einem Falsifikationsvorbehalt. Sie haben im Sprachspiel die Funktion, das Spielfeld abzustecken innerhalb dessen ich meinen logischen Ball hin- und herschlage. Aber wie beim Tennis, wo sich die Größe des Feldes ändern kann, wenn Doppel statt Einzel gespielt wird, ist auch eine Definition nichts, das ewig feststeht. Sie ist nichts, was bewiesen wurde, sondern unterliegt allein schon durch den Sprachwandel Änderungen.

Das heißt, liebe Atheisten, ihr könnt weiter an Gottes Existenz zweifeln, ihr müsst dafür nur Gödels Definitionen angreifen…

Eines noch und dafür werden mich alten Relativisten sämtliche Ontologen ans Kreuz nageln: Angenommen, wir gestehen Gödel zu, dass er richtig definiert hat, hat er dann wirklich die Existenz eines (meta-)physischen Dinges bewiesen? Mitnichten! Er hat dann bewiesen, dass unsere Sprache diesen Ausdruck notwendigerweise beinhaltet. Dass er im Regelwerk unserer Sprache steckt. Selbst in der natürlichen Sprache ist das wenig überraschend, denn diese Sprache wurde seit nunmehr fast 100.000 Jahren von Menschen gesprochen, die an ein göttliches Wesen glauben. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich dies tief in ihr Flussbett eingegraben hat. Aber im Falle Gödels ist es sogar noch vertrackter: Denn Gödel benutzte eine Kunstsprache, eine Idealsprache für seinen Beweis. Eine böse Zunge könnte also sagen: Gödel hat bewiesen, dass die Sprache, die er „erfunden“ hat, für den Beweis Gottes geeignet ist.

 

Ich bin raus!

Von Zigeunersauce und ihren schlüpfrigen Überlagerungen

Eigentlich ist die viel spannendere Frage ja, ob wir französisch-schön Sauce oder blöd eingedeutscht Soße schreiben sollten. Aber Deutschland diskutiert derzeit den ersten Teil des Kompositums „Zigeunersauce“. Na ja, zumindest jene konservativen Klatschmedien zwischen Bild, Focus, RTL und Web.de, die gerne mal die „Sprachsäuberer“ beschimpfen.

Sauce
Sauce. Vielleicht auch Soße. Jedenfalls nicht von Sinti oder Roma stammend, schon weil sie ja nicht rot ist.

Anscheinend hat eine Sinti- und Roma-Organisation fünf Hersteller der besagten Sauce aufgefordert, die Diskriminierung im Namen hinter sich zu lassen. Leider finde ich da keine Originalquelle sondern nur die vor Empörung triefenden Schreiberlinge minderer Qualität, auf die zu linken, ich mich weigere. Warum sie dies tun, habe ich übrigens hier schon einmal erläutert…

Die Sauciere, ihre medialen Advokaten und eine Piratin berufen sich indessen auf die 100 Jahre alte Tradition der Sauce und dass diese doch gar nicht versuche, Sinti und Roma zu bezeichnen. Das erste Argument ist Blödsinn. Denn Giftgas oder oder Bürgerbespitzelung haben eine nicht minder lange Tradition in diesem Land, ohne dass wir aufstehen und sie verteidigen. Außer, man heißt Friedrich…

Der zweite Teil des Arguments hingegen erscheint auf den ersten Blick plausibler, führt uns mal wieder tief in die Linguistik hinein und beleuchtet das gar wunderliche Verhältnis von Denotation und Konnotation. Klar bezeichnet die Zigeunersauce keine Sinti und Roma sondern so eine Art Ketchup mit Zwiebeln und Paprika. die Sauce denotiert diese Flüssigkeit, benennt sie. Eine Funktion von Sprache – wenn auch nicht, wie von den Philosophen zu Unrecht angenommen, die Hauptfunktion – ist es, die Dinge dieser Welt zu benennen. Damit wir über diese rote Sutsche mit verschiedenfarbigen Stückchen sprechen können, müssen wir sie irgendwie benennen. Sonst sitzen wir auf der Bierbank beim gemeinschaftlichen Grillen und sagen nur: „Gib mir mal dieses Dings, äh, dieses… na ja, das Rote da, das ich auf mein Steak machen will.“ Und das kann ja keiner wollen! Statt dessen bezeichnen wir diese Dinge mit Namen, um unser Leben zu vereinfachen.

Anders als jetzt Platon noch glaubte, sind diese Namen aber nicht natürlich, sie liegen nicht im Wesen der Dinge begründet. Statt dessen sind sie arbiträr, konventionell. Wir haben uns (ohne offizielle Abstimmung) darauf geeinigt, sie so zu nennen. Entsprechend können sich die Namen der Dinge auch ändern und tun es im übrigen unentwegt. Das nennen wir Sprachwandel. Es gibt also erst einmal keinen Grund der dagegen spricht den Namen Zigeunersauce hinter uns zu lassen und etwa Paprikasauce zu sagen.

Die Konnotation ist ein schlüpfriges kleines Ding

„Ja aber du hast doch eben selbst gesagt, dass die Sauce gar keine Sinti und Roma denotiert, warum sollten wir den Namen dann ändern?“

Fragt mein alter Ego

Das ist korrekt, aber wie ich oben schon anriss, gibt es neben der Denotation auch noch ihre schwer zu fassende Schwester: die Konnotation.

Hadumod Bußmann definiert sie im sehr zu empfehlenden Lexikon der Sprachwissenschaft als

[…] Individuelle (emotionale) stilistische, regionale u. a. Bedeutungskomponente(n) eines sprachlichen Ausdrucks, die seine Grundbedeutung überlagern und die – im Unterschied zur konstanten begrifflichen Bedeutung – sich meist genereller, kotextunabhängiger Beschreibung entziehen, z.B. Führer. […]

Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft

Wie läuft das ab, dieses „überlagern“? Nelson Goodman erklärt in den „Sprachen der Kunst“ sehr schön, dass Sprache semantisch nicht digital ist, kein Code. Ein Code ist eine eineindeutige Zuordnungsvorschrift. Ein Codeschnipsel bezeichnet nur genau ein Ding. In HTML etwa <img> ein Bild. Und dieses Bild hat nur genau einen Namen, nämlich <img>. In der Sprachphilosophie nennen wir so einen Code eine Idealsprache und unterscheiden diese von der normalen Sprache oder auch Alltagssprache. Diese ist nämlich eben gerade nicht digital, sondern ein Wort bezeichnet oft immer sehr viele Dinge. Das Wort „Baum“ kann etwa das Ding <Tanne> oder das Ding <Birke> bezeichnen, so verschieden die beiden auch sind. Aber diese unscharfen Grenzen, diese Überlagerung geht sogar noch weiter. Mit „Baum“ assoziiere ich gewisse andere Begriffe. Etwa „Holz“, „stabil“, „alt“, „groß“, „Vögel“, „Blätter“, „Wurzeln“, „Gummibärchenbande“, „Ent“ usw. usf.

Und ich wette, ihr habt ganz andere Assoziationen mit dem Wort Baum und habt bei einigem aus meiner Aufzählung da oben die Stirn gerunzelt. Außerdem stehen da Begriffe, die man klar mit Baum assoziieren kann, die aber nicht einmal stimmen müssen. Etwa „alt“. Denn auch wenn Bäume echt alt werden können, müssen sie eo ipso auch einmal jung gewesen sein.

Und damit komme ich jetzt ganz morsch auf unsere Sauce zurück. Denn macht doch einfach mal euren Assoziationsstrauß mit dieser auf. Vielleicht kommt ihr da dann auch auf solche Assoziationen wie die Piratin Kathrin Hilger:

„Der Name sollte damals, als er geschaffen wurde, Exotik vermitteln, etwas Besonderes, den Hauch von Fernweh.“

Kathrin Hilger: Quatsch mit Sauce

Und genau das ist Teil des Problems, denn von dieser „Exotik“, diesem „anders sein“ sind wir schnell wieder beim Klischee des romantisch die Zeit verrauchenden Tagediebs, der Kinder stiehlt. Oh Konnotation, du schlüpfriges kleines Ding, du! Und daher ist es vielleicht an der Zeit, unsere Exotik mit etwas anderem assoziieren als mit einem Begriff, der viele Menschen vor 80 Jahren ins KZ führte… Dass das Brechen mit Tradition marketingtechnisch durchaus erfolgreich sein kann, zeigt Raider, das „jetzt“ Twix heißt. Hat sich sonst was geändert?

Schön ist so ein Markenwandel auch bei der ersten Folge der Madmen dargestellt:

 

 

 

Ich bin raus!

 

Literatur

Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft
Nelson Goodman: Sprachen der Kunst
Platon: Kratylos (bei Amazon) oder gratis im Netz