Ich bin nicht das Volk

Die Woche fing eigentlich ganz gut an, eine Reihe WTF-Meldungen rund um den Wahlkampf, mal wieder ein Toter, der zufällig auch Zeuge im NSU-Prozess war, alles wie immer… Aber am gestrigen Freitag, tja, lest selbst, mein Wochenrückblick …

Samstag

Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag …

Wir haben ja Wahlkampf und schön daran ist, dass immer mehr Menschen das Wahlprogramm der AfD lesen und herausfinden, wofür diese Partei wirklich steht. @kattascha hat sich hier mit unschätzbarer Arbeit besonders herausgetan und wird entsprechend dafür belohnt.

Montag

Die FDP, die älteren werden sich erinnern, war mal eine Liberale Partei in Deutschland, die solange nichts anderes mehr als niedrigere Steuern forderte, bis sie sich selbst wegrationalisiert hatte. Der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner forderte dann am Montag, Frau Merkel auf, die Vertrauensfrage zu stellen …

Derweil im  Wahlkampf …

In der Zwischenzeit nahmen sich die Mobilegeeks mal einen der größten Hetzer in diesem Land vor, der Artikel ist sehr lesenswert, da er mit Fakten beweist, wie der Focus mit Lügen hetzt:

Dann wurde es gruselig.

Oder wie Julia Schramm es ausdrückt:

https://twitter.com/_juliaschramm/status/699889701981962240

Dienstag

Am Dienstag sagte Günther Oettinger, wenn Frauke Petry seine Frau wäre, würde er sich erschießen. Hmmm …

extra3 nahm sich  mal die Grenzschließungen vor …

Während auf Facebook die ganz großen Verschwörungen aufgedeckt wurden …

Mittwoch

Nicht meine Musik, dennoch sympathisch.

Donnerstag

Wenn die AfD an die Macht kommt, wird sie endlich etwas gegen die Lügenpresse tun!

Aber, wir sollten der AfD nicht unsere ganze Verachtung schenken, sondern noch etwas für die CDU aufheben:

Erinnert ihr euch noch an #koelnhbf? Und wie da plötzlich völkische Feministen aus allen Löchern gekrochen kamen? Am Donnerstag kam raus, dass auch Flüchtlinge unter sexueller Belästigung zu leiden haben, da müsste man doch eigentlich …

Der Söder hat da noch eine – nun sagen wir mal – „originelle“ Idee …

Freitag

Eigentlich hätten wir die Woche doch mit solch lustigen Meldungen ausklingen lassen können, oder?

Aber dann kam #Clausnitz und das war der Moment, in dem mein Humor endete. Daher lasse ich das Folgende einfach mal so für sich selbst sprechen.

Abschließend möchte ich noch sagen, wenn diese Leute aus Clausnitz das Volk sind, dann möchte ich in Zukunft lieber zu dieser Gruppe gehören:

 

Vorrats-WTF? – Eine Geschichte, absurder als Warten auf Godot

Unsere Bundesregierung hat jetzt beschlossen, dass wir wieder eine Vorratsdatenspeicherung bekommen sollen. Ich weiß, das klingt voll öde, aber das ist es nicht. Macht euch eine Schüssel Popcorn, öffnet ein Bier und dann lest die Geschichte zu diesem Gesetz, das da jetzt auf uns zukommt, die ist so bekloppt, dass man eigentlich nur noch darüber lachen kann.

Denn zunächsteinmal: Was heißt das eigentlich? Vorrats-Dingens … ? Das heißt, dass die Regierung, beziehungsweise die Polizei und wahrscheinlich auch die Geheimdienste alle unsere Telefonverbindungen und Internetverbindungen für zehn Wochen speichern darf. Und zwar, und das ist die Kirsche auf der Sahne auf dem Eisbecher für die Überwacher: Ohne dass es einen Anlass dafür gibt. Es muss also nicht erst ein Ermittlungsverfahren gegen dich eingeleitet worden sein, bevor abgespeichert werden darf, wann und wie oft du irgendeine Webseite – YouPorn – angesurft hast, oder mit wem du telefoniert hast – deiner Affäre – beziehungsweise wem du eine E-Mail geschickt hast – dem Tierheim, in das du das „entlaufene“ Kaninchen gebracht hast.

Du musst also nicht einmal Scheiße bauen, bevor dich der Staat durchleuchten darf. Aber so richtig drollig wird dieser Beschluss erst, wenn wir uns mal die Geschichte der Vorratsdatenspeicherung angucken. Denn, die Älteren unter uns werden sich erinnern: wir hatte sie schon einmal, die Vorratsdatenspeicherung. Als wir das letzte Mal die GroKo hatten, hat diese uns schon einmal die bittere Suppe mit Namen Vorratsdatenspeicherung eingebrockt. Das war im Jahr 2007.

Dazu ist noch wichtig zu sagen, dass die EU im Rahmen der Post-11.-September-Panik die Vorratsdatenspeicherung 2005 in eine Richtline gegossen hatte. So eine Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten der EU in eigene Gesetze umwandeln, sonst gibbets Haue aus Brüssel!

Hä? Warum muss die Regierung das jetzt dann noch einmal beschließen, wenn sie es doch schon 2007 getan hat?

Weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 gesagt hat: Vorratsdatenspeicherung? Läuft nicht, Jungs und Mädels! Ihr wisst schon, das Bundesverfassungsgericht, das sind diese Leutchen mit den lustigen roten Roben.

Q

Na ja, fast richtig….

Das Bundesverfassungsgericht, das sagt ja schon der Name, hat die Aufgabe, zu prüfen, ob ein Gesetz mit der Verfassung – unserem Grundgesetz – in Einklang steht. Und das war die Vorratsdatenspeicherung nun einmal nicht. Sie verstieß gegen Paragraph 10 der Grundrechte, also der höchsten Rechte, die die Menschen in Deutschland haben. Nach Paragraph 10 sind nämlich Briefe, Telefonate und andere Kommunikation mittels technischer Medien „unverletztlich“, also um jeden Preis zu schützen. Und die Vorratsdatenspeicherung macht eben so ziemlich das genaue Gegenteil. Tja, das hätte eigentlich das Ende der Vorratsdatenspeicherung sein sollen. War es aber nicht, weil das Gericht das Gesetz nur „in dieser Form“ kritisierte, machten sich viele aufrechte Grundrechtskritiker aus CDU und SPD daran, uns die Vorratsdatenspeicherung auf Biegen und Brechen wieder reinzuwürgen. Dieses Konstrukt scheint so etwas wie der heilige Gral der Überwachung zu sein.

Die Rolle der EU

Als gutes Argument hatten sie immer in der Hinterhand: „Wir würden ja gerne darauf verzichten, aber leider zwingt uns Brüssel dazu!“. Dieses Argument trugen die Law-And-Orderisten wie ein Banner vor sich her … bis … ja bis, die EU sie nicht mehr dazu zwang.

Denn 2014 sagte dann auch der Europäische Gerichtshof: „Hallo Leute, also irgendwie ist das nicht sooo die gute Idee mit dieser Vorratsdatenspeicherung.“

Dann änderte sich schlagartig die Argumentation. Jetzt hieß es aus Berlin auf einmal: „Tja, wenn die EU die nicht will, dann machen wir das eben ohne die EU.“

Hä?

Der lange Weg zurück auf den Olymp der Überwachung

Was in den vergangenen 12 Monaten auf das EuGH-Urteil folgte war eine Kaskade an Hirnficks, bei der sich diverse übliche Verdächtige in geschmacklosen wie zusammengelogenen Argumenten für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung überboten.

Ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die Bürgerrechte einzuschränken, ist ja immer die Gewerkschaft der Polizei. Die quängelte bereits im August 2014: „Och menno, wir wollen sie aber zurück!“ Wobei das Zauberwort bei dieser wie aller kommender Forderungen lautete: diesmal solle die Vorratsdatenspeicherung aber wirklich „verfassungskonform“ sein! Wie? Who cares …

Spannend ist auch, das im gleichen Zeitraum das Max-Planck-Institut eine Studie veröffentlichte, die belegte, dass die Vorratsdatenspeicherung auch noch NUTZLOS IST!

Und da die CDU niemanden vorpreschen lassen möchte, wenn es darum geht die freiheitsfeindlichste Frieda im ganzen Land zu sein, beschloss sie eben – zugegeben nach einer kleinen Anstandsfrist – im Dezember 04 auf ihrem Parteitag, dass die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt werden soll. Scheiß doch auf die Urteile der beiden höchsten Gerichte!

Gleich Anfang Januar legte dann die CSU nach, indem sie sich nicht lange mit Scham oder Taktgefühl aufhielt, sondern über den Opfern der Anschläge auf Charlie Hebdo nach einer neuen Vorratsdatenspeicherung krakelte. Dass Frankreich zum Zeitpunkt der Anschläge über genau so eine Maßnahme verfügte, war da ja nur ein kleines Detail am Rande, das man wirklich vernachlässigen kann.

Siggis Mission

Und hier beginnt nun eine der erstaunlichsten Abenteuerreisen seit Odysseus. Denn was CDU und CSU recht ist, das ist Sigmar Gabriel nur billig. Der Mann hat ein Mission: Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und dafür ist ihm keine Lüge zu weit hergeholt. Mitte Januar begann er aber noch zurückhaltend, indem er dieses Gesetz erst einmal nur forderte.

Am 17. März machte sich Gabriel dann aber daran, die Wahrheit zu verbiegen, solange es nur seinem Zweck diente: Siener Darstellung nach war nämlich der Terrorist Anders Breivik wäre 2011 in Norwegen nur wegen der Vorratsdatenspeicherung überführt worden. Das Breivik auf frischer Tat ertappt wurde und die VDS in Norwegen zum Tatzeitpunkt auch noch gar nicht in Kraft war, tja, das sind so Details, die kann Herr Gabriel doch vernachlässigen, wenn es um die gute Sache geht.

Eine Woche später meinte Gabriel dann, dass die Vorratsdatenspeicherung beim letzten Mal sowieso nur gekippt sei, weil Schwarz-Gelb das damals verbockt habe. Äääähm, Moment mal, da muss ich noch mal kurz nach oben scrollen … Aber da steht doch, dass die GroKo die damals eingeführt hat … Tja, das ist so egal wie für Herrn Gabriel die Wahrheit.

Aber vergangene Woche, am 8.4. toppte Gabriel noch alles, was er und seine Gesinnungsgenossen bis dato an Geschmacklosigkeiten von sich gegeben hatten und behauptete allen Ernstes, mit der VDS wären die NSU-Morde verhindert worden.

facepalm

Ja klar, ein Mangel an Informationen war genau das, was den NSU nicht aufhalten konnte. Ich verweise ohne weitere Worte einfach nur auf den Abschnitt „Rolle der Verfassungsschutzbehörden“ im Wikipedia-Artikel zum NSU.

Tja, aber wie es aussieht, war Gabriel erfolgreich, denn heute hat er seine Mission im Bundekabinett erfolgreich zum Abschluss gebracht. Gratulation, uns allen!

Happy Clap!