Sie sind Flüchtlinge

Täglich erreichen uns Zahlen, wie viele tausend Flüchtlinge wieder in Deutschland angekommen sind. Und ein paar dumme Menschen reagieren darauf mit Angst und Anschlägen auf die Schwächsten der Schwachen. Ich kann nur erahnen, was es heißt, meine Heimat zu verlassen, weil Krieg und Not mich vertreiben. Und es ist allzu einfach, nach unten zu treten, solange Flüchtlinge nur Zahlen sind, die uns Angst machen. Aber Vertriebene sind Menschen mit Gesichtern und Geschichten. Und die Flucht vor Krieg, Leid und Verfolgung ist auch kein neues Phänomen sondern existiert so lange, wie es Menschen gibt. Aus der Idee heraus, dem anonymen Flüchtling statt einer Zahl ein Gesicht zu geben, habe ich mal in die Geschichte geblickt und will euch die Gesichter und Geschichten von 25 berühmten Vertriebenen zeigen.

René Descartes wanderte 1629 in die Niederlande aus

Frans Hals - Portret van René Descartes
1596 – 1650

Der französische Philosoph René Descartes ist der Begründer der neuzeitlichen Philosophie. Sein „Ich denke, also bin ich“ kennt wahrscheinlich fast jeder. Mit seiner Methode des radikalen Zweifels überwandt er das starre und vom Christentum dogmatisierte Skelett der mittelalterlichen Philosophie, wo man sich nur so Fragen stellen durfte, wie „Woraus bestehen wohl die Flügel von Engeln?“. Jedenfalls war dieser radikale Skeptizismus seinem Heimatland Frankreich zu radikal, daher musste Descartes in die Niederlande gehen.

Heinrich Heine wanderte 1831 nach Frankreich aus

Heinrich-heine 1
1797 – 1856
Heinrich Heine war einer der wichtigsten Schriftsteller und Dichter des 19. Jahrhunderts. Die Wikipedia sagt, er habe die Romantik „überwunden“. Ich hoffe, das passiert mir nie! Jedenfalls war Heine eine ziemlich linke Socke, die sich stets über die Preußen lustig machte, die damals in seiner Heimat, dem Rheinland, das Sagen hatten. Das brachte ihm viel Ärger ein und seine Werke wurden zensiert, weshalb Heine nach Paris auswandern musste, um dort ungehindert weiter veröffentlichen zu können. Wie sehr er darunter gelitten hat, von seiner Familie getrennt zu sein, berichten seine Gedichte aus der Zeit, zum Beispiel die Nachtgedanken.

Kurt Tucholsky wanderte 1929 nach Schweden aus

TucholskyParis1928
1890 – 1935
Tucholsky ist eine der tragischsten Flüchtlingsgeschichten rund um Nazideutschland. Denn der satirische Schriftsteller hat während der Weimarer Republik immer massiv mit der Feder gegen die Nazis gekämpft. Er hat stets versucht, die Deutschen aufzurütteln und ihnen klarzumachen, auf welche Katastrophe sie da zusteuern. In Deutschland wurde er dafür immer wieder von den Nazis angegriffen. Das hielt er 1929 nicht mehr aus und ging nach Schweden. Der unter starken Depressionen leidende Schriftsteller verstummte schließlich ganz, als alles einzutreten begann, wovor er gewarnt hatte. Bis heute ist nicht klar, ob er sich das Leben genommen hat, oder die Überdosis Schlaftabletten ein Unfall waren. Das war der letzte Eintrag in seinem Tagebuch:
Tucholskys letzter Tagebucheintrag

 

Marlene Dietrich wanderte 1930 in die USA aus

Bundesarchiv Bild 102-14627, Marlene Dietrich
1901 – 1992
Die Dietrich war wahrscheinlich der größte Star des deutschen Kinos. Und ursprünglich ging sie aus Karrieregründen nach Hollywood und war gar nicht politisch verfolgt. Daher versuchten die Nazis sogar, sie für ihre Propaganda-Maschine zurückzugewinnen. Doch da hatten sie aufs falsche Pferd gesetzt. Zu viele Freunde und Kolleginnen aus Deutschland hatten vor den Barbaren fliehen müssen. Daher legte sie 1939 die deutsche Staatsbürgerschaft ab und unterstützte seitdem die US-Armee beim Kampf gegen Deutschland. Als sie 1960 erstmals nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie dafür als Vaterlandsverräterin beschimpft. Wie nett!

Albert Einstein wanderte 1932 in die USA aus

Albert Einstein in later years
1879 – 1955
Der vielleicht wichtigste Physiker der Geschichte war seit 1932 eigentlich nur vorübergehend in den USA, als 1933 die Nazis die Herrschaft antraten. Als Jude war Einstein der Rückweg versagt, seine Werke wurden Opfer der Bücherverbrennung (Klar, diese Relativitätstheorie war ja auch voll antideutsch!!!111einself), er wurde ausgebürgert und aus dem Pazifisten Einstein wurde ein Befürworter der Atombombe. Traurig.

Bertolt Brecht floh 1933 über Frankreich, Dänemark, Schweden und Finnland in die USA

Bertolt-Brecht
1898 – 1956
Dass der alte Bert Brecht auch so eine linke Socke war, brauche ich ja niemandem zu erzählen. Aber wusstet ihr auch, dass ab 1930 die paramilitärischen Nazitruppen begannen, seine Theateraufführungen zu stören? 1933 gab Brecht auf und floh nach Frankreich. Von dort ging es noch weiter nach Dänemark. Doch als der Krieg ausbrach, fühlte er sich dort auch nicht mehr sicher und ging 1939 nach Schweden und 1940 nach Finnland. Bis es ihm endlich 1941 gelang einen Ozean zwischen sich und seine Verfolger zu bringen und er in die USA floh.

Billy Wilder floh 1933 über Frankreich in die USA

Billy Wilder - Kamerablick - Boulevard der Stars cropped
1906 -2002
Billy Wilder hat so Klassiker geschaffen wie Manche mögen’s heiß und Zeugin der Anklage. Das berühmteste Bild von Marilyn Monroe (das mit dem Rock) geht auf sein Konto. Wilder war österreichischer Jude. Und als die Nazis 1933 von den Deutschen an die Macht gewählt wurden arbeitete er in Berlin, was ja eines der wichtigsten Filmproduktionszentren der 1920er gewesen war. Wilder ahnte, was ihn erwartete und packte seine Koffer. Zunächst ging es nach Paris und 1934 dann in die USA, wo er seine Weltkarriere erst richtig durchstartete.

Hannah Arendt floh 1933 über Tschechien, Italien, die Schweiz, Frankreich und Portugal in die USA

1906 – 1975 (Es gab kein legales Bild)
Hannah Arendt ist wahrscheinlich die wichtigste politische Philosophin des 20. Jahrhunderts. Mit ihrer Berichterstattung vom Eichmann-Prozess hat sie zudem einen der wichtigsten Beiträge zur Aufarbeitung des Holocausts geschrieben. Und sie hatte die vielleicht dramatischste Flucht aller hier versammelten. Die Nazis trieben sie quasi vor sich her und zwischenzeitlich war sie sogar in einem Internierungslager in Frankreich gefangen. Doch ihr gelang die Flucht und über Portugal erreichte sie schließlich den sicheren Hafen in den USA.

Thomas Mann wanderte 1933 über die Schweiz in die USA aus

Thomas Mann 1929
1875 – 1955
Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann hatte auch schon vor der sogenannten „Machtergreifung“ der Nazis vor einem NS-Regime gewarnt. Zwar blieben seine Bücher von der Bücherverbrennung verschont, nicht aber die seines Bruders und seines Sohnes. Daher ging die Familie Mann 1933 erst in die Schweiz und von dort 1939 in die USA. Auch von den USA aus kämpfte er mit seinen Mitteln gegen die Nazis, indem er Reden einsprach, die auf Schallplatte aufgezeichnet und dann von der BBC nach Deutschland hinein ausgestrahlt wurden. In diesen Reden versuchte Mann die Deutschen von ihrem Irrsinn zu überzeugen. Wie wir wissen, leider vergeblich.

Willy Brandt wurde 1934 erst nach Norwegen und später nach Schweden vertrieben

Bundesarchiv B 145 Bild-F057884-0009, Willy Brandt
1913 – 1992
Der spätere Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger war in der Weimarer Republik erst SPD und dann SAPD-Mittglied gewesen und hatte auch zunächst in Deutschland und ab 1934 dann von Norwegen aus versucht einen Widerstand gegen die Nazis zu organisieren. Als die Nazis 1940 Norwegen besetzten, geriet Brandt in Kriegsgefangenschaft. Da die Wehrmacht aber nicht erkannte, wen sie da festgenommen hatten, konnte er entkommen und nach Schweden fliehen.

Theodor W. Adorno floh 1934 über Großbritannien in die USA

Adorno
1903 – 1969
Adorno ist einer der wichtigsten Soziologen des 20. Jahrhunderts. Er war Mitbegründer der kritischen Theorie und verhalf der Frankfurter Uni mit der Frankfurter Schule zu Weltruhm. Da er einen jüdischen Vater hatte, wurde er zum Teil des großen deutschen Braindrains und da die Briten nicht erkannten, welches Juwel ihnen da zugewandert war, ging es für Adorno 1938 weiter in die USA.

Karl Popper wanderte 1937 nach Neuseeland aus

Karl Popper2
1902 -1994
Noch so eine Hausnummer des Soziologie ist Karl Popper. Mit dem Falsifikationsprinzip geht die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis der Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts auf ihn zurück. Außerdem war er immer leidenschaftlicher Demokrat und hat mit der „Offenen Gesellschaft und ihre Feinde“ so etwas wie die Bibel der Demokratie geschrieben – absolut lesenswert. Als Demokrat und Kind jüdischer Eltern erkannte der Österreicher 1937, dass der „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland bevorstand und folgte einem Ruf nach Christchurch, Neuseeland.

Ludwig Wittgenstein wanderte 1938 nach Großbritannien aus

LudwigWittgenstein
1889 – 1951
Wittgenstein gehört wahrscheinlich zu den fünf größten Philosophen des 20. Jahrhunderts, wenn nicht gar aller Zeiten. Er hat einige der wichtigsten Erkenntnisse der formalen Logik und der Sprachphilosophie errungen und ist einer der Hauptvertreter des Linguistic Turns. Im ersten Weltkrieg hatte der olle Ludwig noch für Österreich gekämpft, doch als Jude wurde er dann 1938 während einer Irland-Reise vom „Anschluss“ Österreichs an Deutschland überrascht und zog es vor, nach Großbritannien auszuwandern. Während des zweiten Weltkriegs hielt er es nicht aus, als Philosophieprofessor zu arbeiten, während andere gegen die Nazis kämpften und arbeitete freiwillig als Pfleger in einem Hospital.

Sigmund Freud wurde 1938 nach Großbritannien vertrieben

Sigmund Freud Anciano
1856 -1939
Der nächste österreichische Jude, der unter der Anexion Österreichs zu leiden hatte, war Sigmund Freud. Freuds Lehre ist zwar umstritten, dennoch ist er fraglos der Urvater der Psychologie. Bereits 1933 wurden seine Bücher verbrannt, als 1938 die Nazis in Österreich an die Macht kamen, bekam Freud regelmäßig Besuch von der Gestapo. Zum Glück gelang es ihm, nach Großbritannien zu gelangen. Doch dort starb er nur ein Jahr später an Krebs.

Günter Grass geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft und wanderte 1947 dann in die BRD ein

Nl-HaNA 2.24.01.05 932-1798 Günter Grass
1927 – 2015
Die CDU/CSU unterscheidet ja gerne zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen. Ich nicht. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass war jung und dumm, als er 1943 der Wehrmacht und 1944 der SS beitrat. 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1947 entlassen wurde. Da seine alte Heimat Danzig nun in Polen lag, wo er als Nazi nicht länger erwünscht war, zog er nach Düsseldorf. Später wurde Grass Sozialdemokrat und linkspolitischer Autor. Auch wenn er im Greisenalter einige zweifelhafte Anwandlungen hatte.

Charlie Chaplin wurde 1952 die Wiedereinreise in die USA verwehrt, er wanderte in die Schweiz ein

Charlie Chaplin
1889 – 1977
Okay, es ist an der Zeit, den zweiten Weltkrieg hinter uns zu lassen und uns dem kalten Krieg zuzuwenden. DER Charlie Chaplin wurde dessen erstes berühmtes Opfer. Denn er wurde wegen seiner linken Gesinnung im Rahmen der Kommunistenhetze in den USA verfolgt. Und als der in den USA lebende Brite 1952 auf einer Reise auf die Insel war, verweigerten die USA ihrem größten Hollywoodstar die Wiedereinreise und Chaplin musste in die Schweiz ins Exil gehen.

Dieter Hallervorden wanderte 1958 in die BRD aus

Hallervorden
* 1935
Der Kabarettist Hallervorden war DDR-Bürger. Doch als die Einschränkungen der Meinungsfreiheit immer größer wurden, sah er sich nicht mehr in der Lage, seiner Profession nachzugehen. Daher machte er rüber …

Der (14.) Dalai Lama floh 1959 nach Indien

Dalai Lama at Syracuse University 01
*1935
Wer der Dalai Lama ist, brauche ich nicht zu erklären, oder? Das geistige Vorbild von (tibetischen) Buddhisten und Poesiealbumsschreibern halt … 1950 wurde sein Heimatland von China anektiert. Die kommunistischen Chinesen hatten so ihre Probleme mit den religiösen Tibetern und behandelten sie entsprechend schlecht. Daher brach 1959 ein Aufstand der Tibeter aus, der von China niedergeschlagen wurde und in dessen Zuge der Dalai Lama fliehen musste.

Freddie Mercury floh 1946 nach Großbritannien

Freddie Mercury performing in New Haven, CT, November 1977
1946 – 1991
Wusstet ihr, dass der Sänger der Band Queen nicht bloß euch rocken oder Bicycle fahren wollte, sondern aus Sansibar stammte? 1946 kam es dort zur Revolution und seine Eltern flohen mit ihrem 17-jährigen Sohn vor dem Blutvergießen nach Großbritannien.

Isabel Allende floh 1975 nach Venezuela und lebt seit 1988 in den USA

Isabel Allende - 001
* 1942
Die chilenische Bestseller-Autorin Isabel Allende ist die Nichte des früheren chilenischen Präsidenten Salvador Allende. 1975, nach dem Putsch durch Augusto Pinochet und der Ermordung Salvador Allendes floh Isabel nach Venezuela. Seit 1988 lebt sie ausgerechnet in den USA, deren CIA tatkräftig an der Ermordung ihres Onkels mitgewirkt hat. Leben im Exil ist eben immer schwierig.

Nina Hagen wanderte 1976 nach Großbritannien aus und kam 1986 in die BRD

NINA HAGEN 1981
* 1955
Nina Hagen hatte zwar den Farbfilm vergessen, aber nicht, dass sie mit Wolf Biermann befreundet war. Als dieser von der DDR zwangsausgebürgert wurde, bekundete Hagen öffentlich Solidarität mit Biermann, was zu Repressionen gegen sie führte, weswegen sie 1976 nach Großbritannien auswandern musste. Ab 1986 beschied sie sich dann mit einem Leben in der BRD.

Bob Marley floh 1976 nach Großbritannien

Bob Marley emancipated from mental slavery 1
1945 – 1981
1976 wollte der Großmeister des Reggeas in Jamaika auf einem Friedenskonzert der sozialdemokratischen PNP auftreten. Zwei Tage vorher drangen Bewaffnete, mutmaßlich im Auftrag der rechtsradikalen Partei JLP in sein Haus ein und schossen auf ihn und seine Familie. Seine Frau und sein Manager wurden schwer verletzt. Marley selbst wurde leicht verletzt, ließ es sich trotz des Mordanschlags nicht nehmen, das Konzert zu geben und kehrte anschließend Jamaika den Rücken, um nach Großbritannien zu gehen. Trotz des Regens da!!!

M. I. A. floh 1986 nach Großbritannien

Flickr - moses namkung - M.I.A. 2
*1975
Kennt ihr die aus Sri Lanka stammende Sängerin M.I.A.? Nein? Dann solltet ihr sie kennenlernen, es lohnt sich. Die Tamilin wurde 1986 wegen eines Bürgerkriegs in ihrem Heimatland nach Großbritannien vertrieben.

Herta Müller floh 1987 nach Westberlin

Herta Müller 1
*1953
Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller gehörte zur deutschen Minderheit in Rumänien. Nachdem sie lange mit Zensur zu kämpfen hatte, gelang ihr 1987 endlich die Ausreise nach Westberlin, wo sie seither leben und schreiben kann.

Edward Snowden floh 2013 über Hongkong nach Russland

Edward Snowden-2
*1983
Tja, kennt ihr alle, wah? 2013 verrät uns Edward Snowden, dass wir alle von der NSA überwacht werden. Dafür wird er von den USA politisch verfolgt und landet nach einer Flucht über Hongkong in Russland. Wo er sicher ein ähnliches Grummeln im Bauch haben wird, wie Isabel Allende in den USA.

Das war meine kleine, viel zu kurze Liste. Ihr alle kennt sicher noch mehr Gesichter von Flüchtlingen. Teilt sie mit uns!

Bilderquellen

  • Edward Snowden von Laura Poitras / Praxis Films [CC BY 3.0], via Wikimedia Commons
  • Herta Müller von Lesekreis (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons
  • M.I.A. von Moses (M.I.A. 2) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
  • Bob Marley von Caspiax [Public domain], via Wikimedia Commons
  • Nina Hagen von Dirk Herbert (Dirk Herbert) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
  • Isabel Allende von Mutari (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons
  • Freddie Mercury von FreddieMercurySinging21978.jpg: Carl Lender derivative work: Lošmi (FreddieMercurySinging21978.jpg) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
  • Dalai Lama von VOA [Public domain], via Wikimedia Commons
  • Dieter Hallervorden von Der Sascha (Own work) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
  • Charlie Chaplin von P.D Jankens (Fred Chess) [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons
  • Günter Grass von Marcel Antonisse, Anefo [CC BY-SA 3.0 ], via Wikimedia Commons
  • Sigmund Freud von David Webb from Alicante, Spain (Sigmund Freud Uploaded by Viejo sabio) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
  • Ludwig Wittgenstein von phil.uu.nl [CC0], via Wikimedia Commons
  • Karl Popper von Lucinda Douglas-Menzies link [No restrictions], via Wikimedia Commons
  • Theodor W. Adorno von Jeremy J. Shapiro [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
  • Willy Brandt von Bundesarchiv, B 145 Bild-F057884-0009 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
  • Thomas Mann von Nobel Foundation [Public domain], via Wikimedia Commons
  • Billy Wilder von Billy_Wilder_-_Kamerablick_-_Boulevard_der_Stars.jpg: Times derivative work: Johannes Vogel [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
  • Bertold Brecht von Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
  • Albert Einstein von John D. Schiff [Public domain], via Wikimedia Commons
  • Marlene Dietrich von Bundesarchiv, Bild 102-14627 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
  • Kurt Tucholsky von Sonja Thomassen (Sonja Thomassen) [GFDL 1.2], via Wikimedia Commons
  • Heinrich Heine von Sonja Thomassen (Sonja Thomassen) [GFDL 1.2], via Wikimedia Commons
  • René Descartes nach Frans Hals (1582/1583–1666) [Public domain], via Wikimedia Commons

Zur jeweiligen Wikimedia-Commons-Seite des Bildes kommt ihr mit einem Klick auf die Datei.

Wirklich crazy shit!

Gestern hatte ich ein kafkaeskes Erlebnis: Auf der Fahrt zur Arbeit hörte ich Logbuch Netzpolitik, in der natürlich die Vorratsdatenspeicherung ausführlich besprochen wurde. Unter anderem bezogen sich Tim Pritlove und Linus Neumann dabei auf diese Übersicht von Bundesjustizminister Heiko Maas:

Und gleich der erste Punkt hat es in sich. Denn was da so schön zusammen gefasst ist mit …

4 Wochen Speicherfrist für Mobiltelefone
Funkzelle, in der sich das Mobiltelefon befindet
Zeitpunkt des Aufenthalts in der Funkzelle

… bedeutet im Klartext nichts anderes, dass der Deutsche Staat in Zukunft ein Bewegungsprofil für die Gesamtbevölkerung haben wird. Sie. Werden. Von. Jedem. Einzelnen. Menschen. In. Diesem. Land. Zu. Jeder. Zeit. Wissen. Wo. Er. Sich. Aufhält! Das ist der feuchte Traum jedes kontrollsüchtigen „Law & Order“-Fans.

Doch das war noch nicht einmal der kafkaeske Teil meines gestrigen Tages. Der kam am Nachmittag. Direkt nach der Arbeit gingen wir nämlich als komplette Familie zu „FUN – Familie und Nachbarschaft“. Die Grundschule meiner Tochter (7) hatte uns eingeladen an diesem Programm der Stadt teilzunehmen. Und prinzipiell erschien mir die Idee, andere Eltern und Kinder aus unserem Viertel kennenzulernen, durchaus erstrebenswert. Das, was aber hinten rauskommt, wenn man diese Veranstaltung von Grundschullehrern und -lehrerinnen organisieren lässt, ähnelt dann eher einer schrägen Gruppentherapiesitzung. Wirklich crazy shit!

Aber auch das war noch nicht der kafkaeske Teil, der kommt jetzt: Denn einer der ersten Tagesordnungspunkte und noch ganz bodenständig, war unsere schriftliche Einverständniserklärung, dass die Lehrer und Lehrerinnen Fotos von uns und vor allem von unseren Kindern machen dürfen.

Wir leben also in einem Land, in dem der Staat Fotos für einwilligungspflichtig hält, aber Totalüberwachung des Aufenthaltsortes der absolut okay ist keiner zusätzlichen Legitimation bedarf …

Waffen töten keine Menschen, oder?

In der siebten Klasse hatten wir im Klassenzimmer hinter der Tafel eine große Leinwand sowie eine kleine Projektorkabine an der hinteren Wand. Erstaunlicherweise kann ich mich aber nicht erinnern, dass darauf je ein Film gezeigt wurde. Wenn wir Filme im Unterricht sahen, dann auf einem Röhrenfernseher, der auf einem eigenen Wagen durchs Schulgebäude gerollt wurde. Aber ich schweife ab…

Zum Leinwandensemble gehörte nämlich auch ein langer Zeigestab aus Fiberglas. Und dieser Zeigestab geriet bald ins Fadenkreuz unserer Klassenkonferenz. Der Stab wurde nämlich im jugendlichen Überschwang von den wilderen Jungs und Mädchen manchmal dazu benutzt, jemand anderen zu schlagen. Im Spiel war da keine böse Absicht dahinter, einfach nur Unbedachtheit. Jetzt ist so ein Fiberglasstab allerdings elastisch und bei einem etwa 1,50 Meter langen, schwingenden Stab ist der Schmerz des Schlages schon nicht ohne, auch wenn der Angreifer gar nicht so fest zuschlagen wollte.

Auf einer Klassenkonferenz jedenfalls sprach sich die Mehrheit dafür aus, den Stab in die Projektorkabine zu sperren, damit er nicht mehr als Waffe benutzt werden könnte. Ich war dagegen. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass wir in der Klassengemeinschaft anscheinend zwar zu dem Konsens kommen konnten, dass das Schlagen mit dem Stab scheiße ist, wir uns aber nicht darauf einigen konnten, es einfach zu lassen. Als ginge eine magische Kraft von diesem Gegenstand aus, die den Träger zwingt, ihn als Waffe zu gebrauchen. Quasi ein tolkienscher Herrscherstab.

Bis heute vertrete ich die extrem liberale Position, dass Probleme im menschlichen Miteinander durch Kommunikation und nicht durch Verbote gelöst werden sollten. So ließ mich ein Update von Watchever unlängst entscheiden, ob ich eine maximale Fernsehdauer für meine Tochter (7) einstellen wolle. Ich entschied mich dagegen, übrigens wie gegen die Option in der Fritzbox jugendgefährdende Webseiten automatisch zu blockieren. Es wäre bequem für mich, per Knopfdruck meiner Tochter diese Verbote auszusprechen, hingegen wähle ich den komplizierten Weg, mit ihr zu diskutieren, warum sie nicht noch eine Folge von „Barbar, der Elefant“ sehen darf und den komplizierten Weg, ihr zu erklären, wie sie sich im Internet bewegen muss, ohne ungewollt auf Pornos oder gar Gewalt zu stoßen.

Allerdings ist diese Position nicht nur unbequemer, sie ist auch nicht ganz unproblematisch. Es ist – meine Überschrift deutete es an – der Slogan der amerikanischen Waffenlobby: Waffen töten keine Menschen, Menschen töten Menschen. Allein, alle Statistiken sagen das Gegenteil. In Europa haben wir viel strengere Waffengesetze und mit ihnen viel weniger Morde. Nun denke ich trotzdem, dass die amerikanische Waffenlobby mit ihrem Slogan im Grunde Recht hat. Allerdings ist ihre Lösung: dem Bad Guy mit einer Knarre einen Good Guy mit einer Knarre entgegenzusetzen, falsch. Die Probleme der amerikanischen Gesellschaft mit Gewalt haben so komplexe Ursachen (soziale Ungleichheit, mangelnde Bildung, Tradition, Sozialisation), dass letztlich wohl nur ein Verbot hier helfen kann. Auch wenn es den USA sicher gut tun würde, die Ursachen und nicht die Mittel zum Zweck zu bekämpfen.

Warum schreibst du das alles, Privatsprache?

Weil Caspar Clemens Mierau Tor verbieten will„, könnte ich sagen, tue ich aber nicht. Stattdessen sage ich: Leitmedium hat den Finger in einer dreckige, eitrige Wunde gelegt und bohrt darin herum. Und das kann er ziemlich gut. Was ist die Wunde in meiner Metapher? Wir haben in der Netzgemeinde ein Problem mit Hatern, mit der Kommentarkultur oder ganz generell mit unseren Umgangsformen.

Kleine Abschweifung: Ich lehne es – ähnlich wie Das Nuf – ab, in diesem Kontext von "Trollen" zu sprechen, da ich finde, dass das Wort Täter verniedlicht. Ein Troll ist jemand, der oder die in einer politischen Diskussion ein Katzenbild postet beziehungsweise der oder die in einem Supportforum jemanden rickrolled. Menschen, die andere Menschen systematisch fertigmachen, die Frauen mit Vergewaltigung drohen oder intime Details des Privatlebens ihrer Opponenten veröffentlichen, sind keine Trolle sondern soziopatische Arschlöcher oder eben Hater.

Aber was genau hat Mierau denn nun gesagt? Er hat darauf hingewiesen, dass der Anonymisierungsdienst Tor von Hatern genutzt werden kann, um sich – etwa im Falle einer Morddrohung – vor der Strafverfolgung zu verbergen. In den Kommentaren des Leitmediums wird noch darauf hingewiesen, dass Tor und ähnliche Anonymisierungsdienste noch zu ganz anderen Straftaten verwendet werden. Das berühmtesten Beispiel ist sicherlich Silk Road, eine Art ebay (auch) für schwere Drogen und sogar ekelige Sachen wie Auftragsmord. Ein Ort, den du tunlichst nur anonym aufsuchen solltest. Also ist ein Verbot von Tor eine logische Sache, wie der Verbot von Waffen, oder? Nun, es ist ein typischer Fall von Liberty Valence (Englisch für Valenz oder Wertigkeit der Freiheit).

Screenshot: The Man Who Shot Liberty Valance
Screenshot: The Man Who Shot Liberty Valance. Copyright: Paramount. Hier als Blueray bei Amazon*.

Noch eine kleine Abschweifung: Im Jahr 1962 drehte John Ford mit "Der Mann der Liberty Valance erschoss" ein Schlusskapitel zum Western. Ein großartiger Film, der schon mit epischen Vorausdeutungen wie der Eisenbahn und dem Automobil beginnt und damit endet, dass John Wayne an Altersschwäche stirbt. John Wayne! Im Bett! Ohne Schuhe! Im Film wird verhandelt, dass die Zeit der Outlaws vorbei ist und die Epoche der Anwälte und Politiker beginnt. Und es wird darauf verwiesen, dass mit der aufkommenden Sicherheit vor Gangstern eben auch ein Stück Freiheit dahin geht und kein Westernheld mehr am Ende in den Sonnenuntergang reitet. Freiheit ist eben ambivalent, verstehta?!

Freiheit und Sicherheit sind zwei widerstreitende Werte. Du kannst den einen nicht im gleichen Maße wie den anderen haben. Sie müssen stets in Balance gehalten werden. Absolute Freiheit ist Anarchie. Und das ist letztlich nur ein Naturzustand ohne Leviathan, in dem das Recht des Stärkeren gilt. Auf der anderen Seite pervertiert absolute Sicherheit zu Staatssicherheit und damit zum Totalitarismus. Denn wenn alles geregelt ist, brauchst du auch eine totale Überwachung um die Einhaltung dieser Regeln zu gewährleisten und drakonische Strafen, um Regelübertritte zu verhindern.

Nun hat sich seit 2001 die Balance in der Gesellschaft immer mehr in Richtung Sicherheit verschoben. In der gleichen Zeit jedoch wurde das Internet zum Massenmedium und hat sich seinen freiheitlichen Charakter noch weitgehend bewahrt. Und in diesem Spannungsfeld steht nun Mieraus Gedankenspiel zu einer Reglementierung von Tor. Er selbst spricht auch den Dual Use von Tor an, ohne jedoch auszusprechen, worin denn die zweite Seite besteht. Das möchte ich gerne nachholen: Im Schatten der Totalüberwachung durch Geheimdienste ist ein Mittel, um sich vor dieser zu schützen, vielleicht keine so schlechte Idee. Zwar weist CCM richtig darauf hin, dass die NSA keine Vergewaltigungsdruhungen verschickt und auch unsere Demokratie macht einen recht stabilen Eindruck, aber wir sollten nie vergessen, dass die zukünftige Geschichte noch nicht geschrieben ist, dass es keine Regeln oder Gesetze im Weltgeschehen gibt, aus denen abzuleiten wäre, dass unser Rechtsstaat auch morgen noch da ist: Improbable things happen. Vielleicht sehen wir uns in Kürze schon wieder mit einem Totalitarismus konfrontiert, der obendrein auch noch eine perfekte Überwachungsinfrastruktur vorfinden wird. Wollen wir da wirklich unsere Mittel zur Abwehr aus der Hand geben? Zudem gibt es auf dieser Welt schon heute viele totalitäre Regime, in denen Dissidenten, Widerstandskämpferinnen oder sogar komplette Zivilgesellschaften auf die Nutzung von Tor angewiesen sind, da sie ansonsten in Lebensgefahr sind.

Ich will hier nicht die psychische Unversehrtheit der einen gegen die physische der anderen aufwiegen, sondern den guten Usecase von Tor ausformulieren. Abschließend möchte ich zu bedenken geben, dass ich nicht glaube, dass ein Verbot oder eine Reglementierung von Tor einen gewünschten Effekt auf den Anstand der Hater hätte. Wäre es so, dann müsste das in seinen Klarnamenzwängen gefangene Facebook ein Hort der glücklichen Einhörner sein, doch auch dort sind Hass, Bedrohungen und psychische Gewalt an der Tagesordnung. Genauso wenig glaube ich, dass sich Menschen, wie der erst kürzlich von der FAZ portraitierte Uwe Ostertag überhaupt für Tor interessieren. Sie predigen ihre menschenverachtenden Botschaften auch trotz langer Features inklusive Klarnamennennungen.

Ich glaube auch im Fall der Hater ist die Antwort kein Knopf zum Abschalten und kein Projektorraum zum Wegsperren, sondern der komplizierte Weg der Kommunikation. Wir müssen die aufklären und überzeugen, dass wir einen anderen Umgangston im Netz brauchen, die mit sich reden lassen und wir müssen denen die Plattformen und die Toleranz vorenthalten, die lernresistent sind. Das ist schwer! Das ist nichts, was sich von heute auf morgen ändern wird! Das ist nervenaufreibend! Aber das ist möglich!

Gesellschaftliche Änderungen sind schon früher eingetreten und sie werden sich auch in Zukunft erkämpfen lassen…

Warum ich beim Autofahren keinen Sicherheitsgurt anlege

Angeschnallt Auto fahren ist zur Zeit voll in Mode. An jeder Autobahn stehen Schilder, dass man sich anschnallen soll und es gibt Leute, die sogar angeschnallt zum Becker fahren. Ich mache das nicht, und habe dafür meine Gründe.

„Zunächst:  In jeder Sicherheitsdiskussion muss abgewogen werden, gegen welches Risiko man sich schützen möchte.  Es gibt – insbesondere in technischen Systemen – keine allumfassende Sicherheit gegen alle Risiken.  Wirksame  Sicherheitsmassnahmen erfordern stets die Identifikation des Risikos, und sie lassen sich in ihrer Wirksamkeit auch überprüfen.“*

Ein Beispiel für eine spezifische Sicherheitsmaßnahme ist der Schuh: Er kann verhindern, dass man in Scherben tritt. Wenn man durch ein Dornengestrüpp läuft, können die Beine dennoch zerkratzt werden. Der Schuh kann im schlimmsten Fall sogar dafür sorgen, dass ihr mit dem Fuß in einer Bahnschiene steckenbleibt! Die Wirksamkeit von Schuhe lässt sich gut statistisch belegen, entweder verletzten sich die Menschen seltener an Scherben oder nicht.

„Allgemeine Sicherheitsmassnahmen hingegen sind Sicherheitstheater.  Sie dienen nicht dazu, einen bestimmten Schadenfall zu verhindern, sondern sie dienen der Beruhigung von Menschen, die Angst haben.  Das typische Beispiel für Sicherheitstheater ist das seit einigen Jahren erforderliche Ausziehen der Schuhe bei der Sicherheitskontrolle in Flughäfen.  Abgesehen davon, dass die Anzahl der Terrorschläge auf Flugzeuge gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen extrem gering ist, ist auch die Möglichkeit, Sprengstoff in Schuhen zu verstecken, nur durch einen erfolglosen Versuch verbürgt.“*

Das Anschnallen sogar bei kurzen Fahrten, wie zum Bäcker oder zum Kippenautomaten fällt für mich in den Bereich von Sicherheitstheater.

Hier ein paar Argumente:

Die Autos mit denen wir im Straßenverkehr unterwegs sind sind komplexe Maschinen bieten keinerlei Gewährleistung für Fehlerfreiheit. Autos können jederzeit kaputt gehen und dadurch Unfälle bauen und tun es auch. Ein kleiner technischer Defekt lässt sich für mich als Laien nicht feststellen und kann auf meiner nächsten Autofahrt zum Unfalltod führen.

Der Glaube, durch einen Sicherheitsgurt könne man sich „vor Unfällen“ „schützen“, ist irrig.  Anschnallen ist ein esoterisches Thema. Zu glauben, dass ein Autofahrer sich immer anschnallen würde oder auch nur bei einem nennenswerten Teil seiner Autofahrten Sicherheitsgurte anlegen werde, ist komplett unrealistisch. Mit gelegentlichen Anschnallen begibt sich der Einzelne einfach in die Gruppe derjenigen, die Sicherheitsgurte anlegen. Dann ist er zwar beim Frontalunfall geschützt, im Zweifelsfall rammt aber ein Auto sein Auto von der Seite.

Anschnallen wiegt diejenigen, die es tun, in falscher Sicherheit. Sichere Autos gibt es nicht, und wenn man ein mal in einen Auto sitzt, das am Straßenverkehr teilnimmt, besteht eine potenzielle Unfallgefahr. Das gilt kurze Fahrten, und das gilt erst recht auf der Autobahn.

Auch, wenn Sicherheitsgurt-Befürworter stets die Wirksamkeit Ihrer Gurte behaupten, und auf die Ingenieurkunst verweisen, bleibe ich skeptisch.  Zum Einen, weil ich nicht überprüfen kann, ob der Sicherheitsgurt im Ernstfall nicht doch reist, zum Anderen, weil immer wieder Unfälle stattfinden, bei denen die Menschen trotz Sicherheitsgurt sterben. Dabei ist für mich die fehlende praktische Verfikationsmöglichkeit ausschlaggebend.

Meine Konsequenz ist, dass ich keinen gesonderten Aufwand treibe, um mich gegen einen Unfall zu schützen,von dem ich nicht weiß, ob er eintreten wird. Wer mit mir Autofahren will, kann unangeschnallt mitfahren oder mit dem Rad kommen. Er kann mit der Bahn fahren oder zu mir zu Fuß laufen  Mir ist wichtig, dass ich erreichbar bin und dass ich Leute erreichen kann.

Klingt absurd? Ist es auch! Aber genau das schreibt Hans Hübner in Bezug auf Verschlüsselung und alle jubeln. Wo ich von Schuhen schreibe, bemühte Hübner den Sicherheitsgurt, weswegen ich das Beispiel übernahm um zu zeigen wie absurd seine Argumente sind.

Und wisst ihr was? Diese Diskussion mit genau diesen Argumenten wurde geführt, als die Gurtpflicht in Deutschland eingeführt wurde. Auch ich musste noch so Diskussionen führen, als wir als 18 Jährige mit dem Autofahren anfingen. Klar ist Verschlüsselung nicht der Weisheit letzter Schluss und klar sind unsere Computer, Handys und Co. auch anfällig, wenn wir Mails verschlüsseln. Es ist halt ein Anfang. So wie der Sicherheitsgurt ein Anfang war. Dann kam der Airback, der Seitenairback, ABS, die verbesserte Knautschzone, Radstabilisation, …

* Dies sind direkte Zitate von Hübner.

pauschalisieren und ablenken

Ich habe ein paar Sätze zu mspros Artikel „Wie aus der Spähaffäre so langsam eine Googleaffäre wird“ zu sagen.

Obwohl in mspros Blogpost viel Wahrheit steckt, so ist er dennoch schlecht vorgetragen, da er zu sehr pauschalisiert. Und das ist schade, denn der Punkt, den mspro macht, ist richtig und so ungeheuer wichtig, dass er ihn nicht durch Pauschalisieren und Schattenboxen verwässern sollte. Ja, die Regierung versucht, Google als Sündenbock hinzustellen, um von der Totalüberwachung abzulenken. Und ich bin mspro sehr dankbar, dass er das anprangert und die Regierung nicht mit dieser Ablenkung durchkommen lassen. Aber er pauschalisiert und konstruiert ein zu simples Bild von den Politikern ™ und ihren Freunden.

Was mspro zum Beispiel über den Untersuchungsausschuss schreibt, stimmt so einfach nicht. Der Ausschuss ist ein Instrument der Legislative, um die Exekutive zu kontrollieren, das lässt er komplett unter den Tisch fallen. mspro schreibt:

Der Untersuchungsausschuß zur Spähaffaire lädt nun also die Chefs der großen Internetkonzerne vor. Eric Schmidt, Mark Zuckerberg, etc. Sie sollen jetzt helfen die Machenschaffen der NSA aufzuklären. Aha.

Zur Erinnerung: es ist eben jener Untersuchungsausschuß, der sich weigert, Edward Snowden nach Deutschland einzuladen und zu befragen. Also derjenige, von dem wir all die Informationen haben, die wir haben. Stattdessen also jetzt Zuckerberg und Co.

Michael Seemann: Wie aus der Spähaffäre so langsam eine Googleaffäre wird

Das ist schlichtweg falsch. Der Ausschuss weigerte sich nicht, Snowden einzuladen, er wurde offen und offensiv von der Exekutive bedroht, dass Snowden an die USA ausgeliefert würde, sobald er nach Deutschland kommt.

Auf eben jener Zeugenliste, die mspro so sehr kritisiert, steht Snowden an erster Stelle! Als wichtigster Zeuge! Der Untersuchungsausschuss will ihn befragen, obwohl die Bundesregierung die Ausschussmitglieder mit strafrechtlichen Konsequenzen bedroht! Das ist ein so unglaublich undemokratischer Vorgang der Bundesregierung, dass wir uns lieber darüber aufregen sollten, als dass der Ausschuss auch (sicher auch aus PR-Gründen) halb Silikon Valley vorladen will. Doch auch die Einladung von Zuckerberg und Co. ist durchaus legitim, denn nach allem, was wir wissen, sind sie wichtige Zeugen, die helfen können, die Geheimdienstmachenschaften aufzuklären. Und das ist der nächste wichtige Punkt, den mspro unterschlägt: die CEOs stehen hier nicht vor Gericht, sie sollen Zeugen sein! Der Untersuchungsausschuss ist ein Mittel der parlamentarischen Kontrolle. Aber dieser Kontrolle unterliegt nicht Google oder Facebook, sondern die Bundesregierung! Die Bundesregierung sitzt gewissermaßen auf der Anklagebank und deshalb versucht auch die Bundesregierung in Person von Sigmar Gabriel ein Ablenkungsmanöver, nicht die Politiker ™!

Eine Allianz aus den Politikern ™, FAZ und Springer (die, da hat mspro ganz recht, aus wirtschaftlichen Gründen nach der tief hängenden Frucht Google greifen) und den datenschutz- und regulierungsfreundlichen Teilen der Netzgemeinde zu konstruieren, schießt über das Ziel hinaus und spielt letztlich nur dem Ablenkungsmanöver in die Hände…

 

Ich bin raus…

Neue Narrative setzen und alte Narrative brechen

Ich wollte schon seit längerem ein Stück über Narrative schreiben, da ich den Begriff und seine derzeitige Verwendung sehr spannend finde. Ohne das irgendwie empirisch belegen zu können, habe ich das Gefühl, dass „Der Diskurs“ als zentrales akademisches Leitmotiv vom „Narrativ“ abgelöst wurde.

Ein Rabe hinter Gittern. Wenn ihr die Metapher verstanden habt, erklärt sie mir bitte...
Ein Rabe hinter Gittern. Wenn ihr die Metapher verstanden habt, erklärt sie mir bitte…

Während meines Studiums in den Nullerjahren schien sich noch alles um Dikurse zu drehen. Der öffentliche Diskurs wurde geführt, Diskurse lösten sich ab und uns wurden Diskurse aufgezwungen. Ich habe den Begriff im Rahmen von Habermas’ Diskursethik kennengelernt, weiß aber nicht ob er von Habermas auch im Original stammt, oder ob er schon zuvor in der Soziologie gebräuchlich war. Über Hinweise wäre ich sehr dankbar. Soziologisch ist der öffentliche Diskurs eine über Zeit und Raum sich erstreckende Diskussion zu einem Thema, das in der Gesellschaft strittig ist. Beispielsweise sind zwei seit Jahren aktuelle Diskurse der richtige Umgang mit der Eurokrise und der Atomausstieg. Politiker, Zeitungen und andere Massenmedien melden sich in so einem Diskurs genauso zu Wort wie Wissenschaftlerinnen und die kleine Bürgerin, wenn sie zum Demonstrieren auf die Straße geht oder eben blogt.

Diese Diskurse, so mein ganz persönlicher Eindruck, wurden mittlerweile von Narrativen als Buzzword abgelöst. Die Diskurse selbst bleiben ja bestehen, wie ich an den beiden Beispielen oben vorführen wollte, aber die Intellektuellen reden im Metadiskurs weniger über sie und ihre Existenzbedingungen. Stattdessen ist man in der Metabetrachtung vom Diskutieren zum Erzählen übergegangen. Kulturpessimisten könnten das als Symptom dafür ansehen, dass heutzutage weniger miteinander gesprochen oder sich weniger zugehört wird. Stattdessen erzählen alle ihre eigene Geschichte. Aber ganz sachlich betrachtet, liegt der Wechsel des Buzzwords wohl daran, dass Diskurse nur existieren können, wenn es ein Narrativ gibt. Juna im Netz liefert uns hierfür eine knackige Definition:

„Narrative: Meme, die den Diskurs eröffnen und in der Lage sind, auch die Menschen zu erreichen, die bisher nicht daran teilnehmen.“

Wir brauchen also erst einmal eine Erzählung, die geeignete Sprache, um einen Diskurs zu eröffnen. Ich finde eines der eindrücklichsten Beispiele für ein sehr wirkungsmächtiges Narrativ waren die Frankfurter Prozesse. Dort wurden in den 1960er Jahren die Verbrechen von Auschwitz verhandelt und vor allem: weitgehend zum ersten Mal erzählt. Der deutschen Öffentlichkeit wurde von dem Grauen erzählt, das die Nazis in Auschwitz errichtet hatten. Und erst mit dieser öffentlichen Erzählung wurde der öffentliche Diskurs angestoßen. Das Narrativ „Man hat es ja nicht gewusst“ wurde gebrochen. So wurde der gesellschaftliche Wandel eingeleitet, der in die 68er-Generation mündete.

Wenn Blogger Geschichten erzählen

Heute, so wird es sich im Internet erzählt, brauchen wir wieder ein solches Narrativ um einen Diskurs anzustoßen, von dem wir alle hoffen, dass er uns in eine bessere Gesellschaft geleitet.

Es soll dahinten in der Ecke ja noch jemanden geben, der oder die die letzte Woche unter einem Stein gelebt und noch nichts von der re:publica mitbekommen hat. Die re:publica ist diese „Bloggerkonferenz“, wie sie in großen Medien noch immer oft genannt wird. Und eines der ganz großen Themen dort war eben die Suche nach neuen Narrativen gegen die Totalüberwachung. Damit wir endlich erfolgreich einen Diskurs anstoßen können.

Am meisten Aufmerksamkeit erhielt Sascha Lobo mit seiner Rede „zur Lage der Nation“, in der er einige streitbare These präsentierte, über die seither — wie jedes Jahr über die Vorträge von Lobo — auch tatsächlich gestritten wird.

Ein Aspekt ist dabei nicht bloß von mir als der wichtigste erkannt worden: Lobo griff das Thema auf, dass wir eine neue Sprache für und über die „Totalüberwachung“ brauchen. Er schlug vor dass wir nicht mehr von „Spähskandal“ oder „Geheimdienstaffäre“ sprechen, weil Affären und Skandale vorübergehen, die Totalüberwachung aber bleibt. Statt dessen wollte Lobo, dass wir andere Begriffe verwenden, die die Situation besser beschreiben: „Spähangriff“, „Spitzelattacke“ oder eben „Totalüberwachung“. Lobo schlägt vor, dass wir Geheimdienste „Spähradikale“ nennen. Wir sollen sie als „antidemokratisch“, „grundrechtsfeindlich“ und „sicherheitsfeindlich“ brandmarken. Geheimdienste „leiden an Kontrollsucht“ und „Spähfanatismus“. Und die unbewiesene, wenn nicht gar widerlegte Wirkung von Überwachung sollen wir als „Sicherheitsesotherik“ entlarven.

Den wichtigsten Talk zu neuen Narrativen hielt allerdings Friedemann Karig, dessen Vortrag mir in der Nacharbeitung neben Lobos so oft wie kein anderer in die Filterblase gepustet wurde.

Karig kritisierte, dass wir die Totalüberwachung noch immer mit veralteten Symbolen wie „1984“, „Stasi“ oder „Gläserner Bürger“ anprangern. Weiterhin hebt Karig hervor, wie wichtig es ist, auch die anscheinend viel wirkvolleren Narrative unserer Gegner zu brechen: „Ich habe doch nichts zu verbergen“, „Supergrundrecht“, „wir sammeln doch nur Metadaten“, „Google, Facebook und Co. sind der Feind“ und „man kann eh nichts tun“.

Das ist ein spannender Punkt aber vielleicht noch wichtiger ist, dass Karig als einer der ganz wenigen mal mit empirischen Studien auf die Frage eingeht, warum Überwachung schlecht ist. Die meisten von uns sprechen immer davon, dass Überwachung schlecht ist. Für uns ist das klar, wir sind davon überzeugt und brauchen das gar nicht weiter zu begründen. Aber für die Bürger da draußen ist das nicht so klar, wie ich in der Vergangenheit schon einmal geschrieben habe. Daher sind die Antworten von Karig auf das
„Warum ist Überwachung schlecht?“ so wichtig:

  • Überwachung macht krank
  • Überwachung macht verletzlich (das Individuum und die Gesellschaft)
  • Überwachung macht unsere Demokratie kaputt
  • Überwachung macht dumm
  • Überwachung macht primitiv
  • Überwachung macht ohnmächtig aka. Überwachung macht impotent
  • Überwachung klaut
  • Überwachung ist unmenschlich

 

Für die ausführliche Begründung dieser Thesen lege ich euch ganz dringend ans Herz, den Vortrag Karigs anzuhören!

Der von mir sehr verehrte Felix Schwenzel läutete dann noch während der re:publica die Nachbearbeitung ein und griff in seinem sehr aktuellen Beitrag beide oben genannten Vorträge auf:

Hier gibt es den Vortrag auch zum Nachlesen.

Er machte noch einmal klar, dass eines der wichtigsten aktuellen Narrativen „Angst“ ist. Der Staat hat Angst vor Terror, die Sicherheitsbehörden haben Angst vor Versagen und wir haben Angst vorm Staat. Schwenzel sagt, dass niemand den Satz: „Überwachung gefährdet die Demokratie“ mehr hören will, da die Menschen nicht daran glauben. Wir sehen doch, dass die Demokratie läuft, obwohl es die Totalüberwachung gibt.

Als Gegenentwurf präsentiert Schwenzel die Macht der Bilder am Beispiel der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und verwies auf vier parallelen zwischen der Bürgerrechtsbewegung und der Antiüberwachungsbewegung:

  • Wenig gesellschaftlicher Rückhalt
  • Wenig politische Unterstützung
  • Viel Kritik aus den eigenen Reihen
  • Und die These: Wer nicht schwarz ist, hat auch nichts zu befürchten

Weiter sieht Schwenzel ein Problem darin, dass wir die Überwachung zu sehr aufbauschen, also gewissermaßen zu starke Narrative beschwören, dass wir nicht klar genug definiert haben, wer unsere Gegner sind und dass uns drittens die geeigneten Symbole fehlen. Gegen die Wirkungsmächtigen Bilder vom „Kampf gegen den Terror“ kommen wir mit angestaubten Begriffen wie „Datenschutz“, „Privatsphäre“ und erneut „Gläserner Bürger“ nicht an. Schwenzel fährt fort, dass wir auch umdenken müssen und die Konzepte von Privatsphäre und Freiheit neu denken müssen. Wir sollten weniger schwarz malen, sondern mehr Pragmatismus an den Tag legen. Wir sollen das System bespielen.
Schwenzels Forderung sind der Dreiklang:

  • provozieren
  • (Täter) benennen
  • und verspotten

Go, tell it on the mountain…

Die Nachbearbeitung der re:publica griff sodann Anatol Stefanowitsch auf, indem er sich mit Sascha Lobos Suche nach neuen Begriffen auseinandersetzte. Stefanowitsch hält die Angriffsmetaphern, die Lobo vorschlug, für ungeeignet und betont, dass das Besondere der Gefahr ist, dass sie unsichtbar ist, dass wir sie nicht bemerken.

„Stattdessen bräuchten wir einen Frame, der zu einer unsichtbaren Gefahr passt, die jahrelang unbemerkt und folgenlos bleiben und dann plötzlich akut werden kann. Mir fallen spontan zwei solche Frames ein, die beide gut in deutschen Angstdiskursen verankert sind: Der VERUNREINIGUNGS-Frame und der KRANKHEITS-Frame.“

Anatol Stefanowitsch: Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Stefanowitsch schlägt daher Begriffe wie „Spähgeschwür“ und „Spitzelparasiten“ vor. Die Verunreinigungsmetapher in Form von Radioaktivität bereitet ihm dann aber selbst in der Umsetzung einige Probleme:

„Allerdings ist Radioaktivität selbst nur schwer fassbar, und Wörter wie Spähradioaktivität oder Spitzelstrahlung klingen deshalb sehr konstruiert und unverständlich.“

Anatol Stefanowitsch: Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Als Nachtrag unterbreitet Anatol Stefanowitsch dann auch noch Dierk Haasis’ Vorschlag Raubtiermetaphern zu verwenden.

Einen habe ich noch: Michael Seemann geht diverse Talks durch und warnt vor allem vor unangebrachten Metaphern. Leider begründet er das insgesamt zu wenig, , wenn er etwa sagt, dass es geschmacklos ist, die Totalüberwachung mit der AIDS-Epedemie zu vergleichen. Besonders kann ich folgendes nicht nachvollziehen:

„Ebenso unpassend ist der Vergleich mit der rassistischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung im Amerika der 60er Jahre, den Felix Schwenzel bemüht.“

mspro: re:publica 2014 – Deutschland sucht das Supernarrativ

Denn Felix Schwenzel hatte die amerikanische Bürgerrechtsbewegung nicht in ihrer moralischen Tragweite oder in der Form der Unterdrückung mit der Totalüberwachung vergleichen, sondern sie ja lediglich als Beispiel für eine erfolgreiche Agenda verwendet, in der eine unbeachtete Bevölkerungsgruppe sich und ihrem Problem erfolgreich Aufmerksamkeit verschafft hat.

Seemann schließt damit, dass er nicht glaubt, dass fehlende Narrative das Problem sind, sondern dass unser Überwachungsbegriff kaputt ist und verweist auf seinen eigenen Beitrag für Deutschlandradio Kultur.

Das Warum und die alten Narrative

So, und was mache ich jetzt mit dieser vorläufigen Chronik? Mir Gedanken! Ich glaube schon, dass die Sache mit den Narrativen Teil des Problems ist. Klar ist Sprache nie die alleinige Lösung, aber ohne Sprache können wir unser Problem einfach nicht artikulieren.

Ich finde in den Vorträgen und Artikeln oben, kommen noch zwei Aspekte zu kurz. Auch wenn sie hier und dort anklingen. Zum einen, und damit hat Karig begonnen, aber wir müssen es weiterführen, müssen wir erklären, warum Überwachung doof ist. Wir versteifen uns fast immer zu sagen, dass es so ist. Aber, ich wiederhole es noch einmal, glaube ich nicht, dass die Mehrheit der Menschen unsere Ansicht teilt. Daher müssen wird erklären, warum es scheiße ist, wenn die Geheimdienste unsere Mails lesen und durch unsere Webcams gucken, auch wenn wir deshalb nicht mit einem Dronestrike zu rechnen haben.

Der zweite und noch wichtigere Punkt ist, dass wir nicht bloß neue Narrative setzen müssen, sondern auch eines brechen müssen. Wir müssen das Narrativ vom Kampf gegen den Terror zermürben. Denn mit dem Buzzword „Terror“ wird seit 2001 jede nationalstaatliche Sauerei gerechtfertigt.

Aus dem Buzzword „Terror“ ist noch nie etwas Gutes entstanden.

Daher müssen wir den Leuten klar machen, dass der Terror nicht unser Problem ist, dass fettiges Essen gefährlicher ist als Bomben und dass Geheimdienste Anschläge wie den in Boston eben trotz dem Backup all unser Passwörter nicht verhindern können. Als unglaublich wertvolles Lehrstück empfehle ich hier übrigens den Roman von Maj Sjöwall, Per Wahlöö: Die Terroristen*, in dem genau dieses Szenario aufgeführt wird: trotz massiver Polizeimaßnahmen kann dort ein Terroranschlag nicht verhindert werden. Warum, sag ich mal nicht, um nicht das Ende zu spoilern. Daher müssen wir den Kampf gegen den Terror beenden und mit dem Kampf für unsere Grundrechte beginnen, indem wir anfangen, die richtigen Geschichten zu erzählen…

 

Ich bin raus!

 

*hinterhältiger Affili-Link