„Die Beschreibung des Unsichtbaren“ – Eine Rezension

Ein gewisser Reinhard Blew schrieb mich unvermittelt auf Facebook an, ich sei doch an Sprache interessiert, da solle ich mal sein Buch lesen:

„Die Beschreibung des Unsichtbaren
Über die Grenzen empirischer Forschung“

Ich antwortete Blew, dass ich sein Buch bespreche, wenn er mir ein kostenloses Rezensionsexemplar zukommen ließe. Das will ich hiermit einlösen. Und da so eine Rezension eine ernste und seriöse Angelegenheit ist, möchte ich auf das übliche „du“ verzichten und Sie diesmal Siezen, werte Leser…

Zunächst möchte ich mich aber an Sie direkt wenden, Herr Blew. Dies wird keine positive Besprechung werden. Ich weiß, Sie haben sich etwas anderes erhofft und ich weiß auch wie sehr Kritik an etwas, das einem am Herzen liegt, schmerzt. Ich bin sehr geschmeichelt, dass Sie mich als Rezensenten auserkoren haben, aber ich bin zunächst einmal meinen Lesern „verpflichtet“ und vielleicht sollten Sie einfach in Betracht ziehen, noch etwas länger über die Sache nachzudenken, über die Sie hier schreiben.

Die Form

Los geht’s! Zunächst etwas zur Form: Blew bietet sein Buch im Grin-Verlag an, der besonders für seine Seite Hausarbeiten.de bekannt ist. Das ist nichts ehrenrühriges und ausgerechnet ich werde bestimmt keine Kritik an unkonventionellen Formen des Publizierens äußern. Hingegen muss ich Kritik am Preis äußern: 9,99€ sind für knapp 30 Seiten ein stolzer Preis. Aber auch das ist nicht Blews Fehler, ich verdiene selbst mit einer Hand voll alter Hausarbeiten ein paar Euro über den Grin-Verlag und weiß daher, dass der Verlag den Preis nach eigenem Ermessen festlegt.

Was allerdings Blews Fehler ist, ist das Layout des Textes. Blew versteigt sich geradezu in Absatzorgien. Setzt teilweise in Sätzen mehrere Absätze:

… Nur …

… ob ihre Katze „träumt“ …

… was sie „denkt“ und ob sie überhaupt „denkt“ …

… das wissen sie immer noch nicht …

… Warum eigentlich nicht???

Das bläht den Text künstlich auf, sodass auch die optimistische Aussage „knapp 30 Seiten“ eine schamlose Übertreibung wäre, würde sich ein professioneller Mediengestalter den Text noch einmal vornehmen. Eine andere Formalität, die mich beim Lesen massiv gestört hat und die man auch im Zitat oben schon sieht, ist Blews exzessiver und vor allem vollkommen unsystematischer Einsatz von Anführungszeichen. Ich weiß beileibe nicht, was uns er Autor damit sagen will. Will er seine eigenen Aussagen dadurch relativieren oder weiß er schlicht nicht, wie man Anführungszeichen verwendet? Beispielsweise verwendet Blew das Wort „Wissenschaftler“ nicht ein einziges Mal ohne Anführungszeichen, obwohl er sich ganz fraglos mit echten, ernstzunehmenden Wissenschaftlern auseinandersetzt…

Bedeutung als Vorstellung

Jetzt aber zum Inhalt! Blew macht auf seinen knapp 30 Seiten ein weites Feld auf. Ein allzu weites: Er beginnt mit einer Bedeutungstheorie, geht über Wissenschaftstheorie zu einer allgemeinen Erkenntnistheorie über und würzt das ganze jederzeit kräftig mit Aphorismen. Manchmal kratzt er ansatzweise an relevanten Theorien: hier schimmert ein bisschen radikaler Konstruktivismus durch, dort lässt sich Quines Übersetzungsproblem erahnen und könnte er mit jenem Absatz nicht Grice‘ Kommunikationstheorie andeuten? Aber insgesamt macht das mehr den Eindruck als schösse Blew mit mehr oder weniger feinem Schrott in den Wald um erst im Nachhinein zu gucken, welches Tier dann tot am Boden liegt. Leider muss ich das Fazit ziehen, dass Blew sich in dem Sujet, über das er schreibt, nicht sonderlich gut auskennt.

Doch das will ich nicht einfach haltlos in den digitalen Raum stellen, sondern argumentativ untermauern. Das zentrale Problem Blews ist, dass die Prämisse all seiner Ausführungen ein absolut unadequater Bedeutungsbegriff ist. Blew versteht den Begriff der Bedeutung als ein zum Wort gehörendes Vorstellungsbild:

Ob aber die Menschen, die „ähnliche“ Geräusche erzeugen, mit diesen Geräuschen auch „gleiche“ oder zumindest „ähnliche“ „Bedeutungen“ verbinden, lässt sich „durch Beobachtung“, also „empirisch“, nicht feststellen.

Wir „sehen“ ja die „Bedeutung“ der Worte nicht!

Wie bitte???

Wenn ich „Tomate“ sage – dann …

… dann kann man doch …

… richtig …

… Tomaten kann man …

… aber …

… Ihre „Vorstellung“ von einer „Tomate“ …

… kann man eben nicht …

… sehen.

Das ist so antiquiert wie es falsch ist und zeigt, dass wenigstens 100 Jahre Bedeutungstheorie an Blew vorbeigegangen sind. Und geradezu ironisch ist, dass Blew sein Werk einer Person zur Rezension vorlegt, die als „Privatsprache“ durch das Netz surft. Denn das zeigt, dass er sich entweder nicht angeguckt habe, was ich so schreibe, oder es nicht verstanden hat. Es ist mir ja schon fast unangenehm, schon wieder mit Wittgenstein daherzukommen, wo es doch viel elaboriertere Bedeutungstheorien gibt. Aber wo so Grundlegendes schief läuft, wie bei Blew, da muss man es mit den Grundlagen wieder geraderücken. Denn Blews Vorstellungsbild der Bedeutung ist natürlich der „Käfer in der Schachtel“:

293. Wenn ich von mir selbst sage, ich wisse nur vom eigenen Fall, was “Schmerz” bedeutet, – muß ich das nicht auch von den Anderen sagen? Und wie kann ich denn den einen Fall in so unverantwortlicher Weise verallgemeinern?Nun, ein Jeder sagt es mir von sich, er wisse nur von sich selbst, was Schmerzen seien! – Angenommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir “Käfer” nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. – Da könnte es ja sein, daß Jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, daß sich ein solches Ding fortwährend veränderte. – Aber wenn nun das Wort “Käfer” dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? – So wäre er nicht der der Bezeichnung eines Dings. Das Ding in der Schachtel gehört überhaupt nicht zum Sprachspiel; auch nicht einmal als ein Etwas; denn die Schachtel könnte auch leer sein. – Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann >gekürzt werden<; es hebt sich weg, was immer es ist.Das heißt: Wenn man die Grammatik des Ausdrucks der Empfindung nach dem Muster von >Gegenstand und Bezeichnung< konstruiert, dann fällt der Gegenstand als irrelevant aus der Betrachtung heraus.

Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen I; § 293.

Um bei Blews Beispiel zu bleiben: Es ist für das Sprachspiel vollkommen irrelevant, ob ich mir die gleiche Vorstellung vor mein inneres Auge rufe wie Sie. Die Tomate kürzt sich weg. Wir sind nicht isolierte egos auf der Suche nach einem cogito. Wir handeln. Ich sage: „Reichen Sie mir bitte eine Tomate?“ und aus Ihrer nun folgenden Handlung, sehe ich ganz praktisch, ob wir dem Wort „Tomate“ die gleiche Bedeutung zuschreiben. „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache„. Doch vor allem endet das Sprachspiel nicht beim Missverständnis, falls wir wirklich einen verschiedenen Tomatenbegriff haben sollten. Denn wir können mit einander reden, kommunizieren und so unsere Irrtümer ausräumen. Und wissen Sie was? DAS MACHEN WIR JEDEN TAG!

Blews Problem ist nun, dass er an diesem augustinischen Bedeutungsbegriff sämtliche seiner folgenden Theorien messen muss. So muss zwangsläufig ein positivistischer Wissenschaftsbegriff folgen, der sogleich in Probleme gerät, seine Theorien mit der Welt zu vergleichen. Dieser Abschnitt des Textes zeigt, dass Blew den Positivismusstreit nicht kennt, so wie seine Gleichsetzung von „wahrnehmen“ und „sehen“ zeigt, dass er Ryles „Der Begriff des Geistes“ nicht kennt und promt in die Falle tappt, die Metapher vom Vorstellungsbild wörtlich zu nehmen:

Und …

… wann haben sie das letztemal ein „Elektron“ gesehen? Welche „Farbe“ und welche „Form“ hatte es? War es grün oder blau? War es eher rund oder eckig?

Ich hoffe, wir sind uns einig – die „Dinger“ kann man nicht sehen!

Beim „Elektron“ handelt es sich um etwas „Vorgestelltes“ – nicht um etwas „Beobachtetes“!

Es „gibt“ keine „Elektronen“ – so wie es etwa „Radieschen“ „gibt“!

Die falsche Prämisse, dass die Bedeutung ein Vorstellungsbild ist, das wir in unserem Inneren sehen, treibt dabei geradezu absurde Blüten in Blews Text:

… wir können es nicht sehen …

… und damit auch nicht „empirisch“, mittels „Beobachtung“ erforschen!

Die Konsequenz seiner Theorie der Bedeutung als Vorstellung zu der hinzukommt, dass er sich Vorstellung als inneres Bild vorstellt, ist, dass er „empirisch“ mit „sehen“ gleichsetzt. Wäre Blew nur für einen Moment aus dem Elfenbeinturm herabgestiegen, wäre ihm bewusst geworden, dass in seiner Theorie, blinde Menschen keine Erfahrungen machen können.

Natürlich kann ich Sachverhalte empirisch erforschen, die ich nicht sehen kann! Fragen Sie einfach mal einen Chemiker oder Mikrobiologen…

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von Blews Text, aber der gesamte folgende Text krankt an diesen flaschen Prämissen. Daher möchte ich meinen Lesern ganz klar abraten, Blews Text zu kaufen, der nie über das Niveau einer mittelprächtigen Proseminararbeit hinauskommt. Und dem Autor möchte ich raten, seinerseits noch etwas mehr zu lesen, und dann seine Theorien im Diskurs zu erproben, bevor er das, was er schreib,t für Geld anbietet. So leid mir dieses Urteil tut.

Ich hoffe, ich habe Sie nicht verschreckt, denn wenn Sie einen Text über Sprache oder Philosophie haben, den Sie gerne rezensiert haben würden, dann würde ich mich über eine Mail an info@privatsprache.de freuen.

Service-, na ja, „Wüste“ würde ich es nicht nennen, es ist eher so die Tundra

Ich brauche gebügelte Hemden, wegen eines wichtigen Termins, wegen der Karriere und so. Leider gehöre ich noch immer zur Fraktion der poststudentischen Amateurwäscher mit anhaltendem Bügelverweigerungshintergrund. In meinem letzten Job spielte das zum Glück keine Rolle. Wenn man mal von der einmaligen Situation absieht, als ich von meinem ‚Sonst stört mich das ja nicht’-Chef dazu aufgefordert wurde, ob des Auftritts diverser Bewerber zu einem nämlichen Gespräch, dann doch mal auf meine Kleidung zu achten. Aber man weiß ja nicht, ob das alle so sehen und wenn irgendwie Geld im Hintergrund ist, will man ja auch nicht den schlechtesten Eindruck hinterlassen.

Genossenschaftsmitglied Anna Einfinger an der Schleuder. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst - Zentralbild. Urheber unbekannt. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE.
Genossenschaftsmitglied Anna Einfinger an der Schleuder. Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild. Urheber unbekannt. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE.

Zum Glück gibt es für solche Fälle Wäschereien.

Es ist schon erstaunlich, wie tunnelartig, selektiv unser nach Mustern suchendes Gehirn Uninteressantes einfach ausblendet. Würdet ihr mich jetzt nach dem nächsten Versicherungsbüro fragen, so müsste ich euch eine Antwort schuldig bleiben, hingegen ich sämtliche Bäckereien, Möglichkeiten nach 20 Uhr noch Bier zu kaufen oder Spielplätze im Umkreis von locker 2 Kilometern aus dem Stehgreif aufsagen könnte. In alphabetischer Reihenfolge oder gereimt, wie ihr wünscht.

Zu meinem Glück selektierte ein bekanntes Gehirn nach anderen Mustern, sodass es mir sagen konnte, wo denn in der Nähe ein Etablissement zur professionellen Reinigung von Textilien ist. Ich also drei Hemden eingepackt – man will schließlich auch wählen können – und hingedackelt.

Am Orte meiner putzteuflischen Sehnsucht angekommen, betrat ich das Ladenlokal. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Ständer hinter Ständer reihten sich die frisch gewaschenen und gebügelten Stoffe von seifenblasenleichtem, durchsichtigem Plastik umhüllt und auf glänzenden, durch eleganten Schwung grazil geformten Einwegkleiderbügeln. Hatte man diese Galerie der vollbrachten Leistung durchschritten, kam man zu einer Ladentheke wohinter in großen Wäschekörben sich die verwahrlosten, unzüchtigen Textilverwandten lümmelten und noch nicht ahnten durch welche Mangel sie alsbald gedreht würden.

Dahinter nun wieder eröffnete sich dem Blick durch eine lukenartige Tür ein Raum, erhellt nur durch schummeriges Licht, wo man Walken sich balgen hörte, Dämpfe aufstiegen, es zischte und raschelte. Links und rechts rahmten die Flucht des Blickes Maschinen, Ständer und Wäscheberge ein bis sie im hintersten Winkel, am Fluchtpunkt, im Schein glänzenden Lichtes stand: die Wäscherin.

Eine kleine, dicke Frau mit Kittel, die bügelt.

Nun hatte bei meinem eintreten das elektronisch virtualisierte Glöckchen herzallerliebst ‚Ding-Dong’ geläutet, jedoch die feiste Wäscherin – und dies war die einzige Eigenschaft, die sie mit des Werten Kollegens @Naumburger Herzdame teilte – zeigte keinerlei Regung. Nun gut, wahrscheinlich war die Marschmusik des Waschmaschineraums lauter gewesen als das engelsgleiche Tönelein der Tür. Daher entfleuchte meiner Kehle ein zaghaftes ‚Hallo‘. Doch die bügelnde Waschexpertin deutete mit keinem Fingerzeig an, dass sie mich gehört haben könnte.

„Wahrscheinlich ist sie in einer schweren Operation, verpasst einer Anzugshose eine Präzisionsfalte oder entknittert gerade einen Crinkle-Optik-Look.“, so dachte ich bei mir und wartete geduldig am Tresen. Mein Auge wich nicht von der – so maße ich mir an zu Urteilen – wenig begeisterten, bügelnden Wäscherin. Schließlich stellte diese ihr heißes Eisen beiseite und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Doch anstatt nun zu mir in die Verkaufsstube zu treten, nahm sie in einer Seelenruhe mit der sie Papst Benedikt harte Konkurrenz machen würde, das nächste Stück Gewebe um es zu eisenglätten. Und ich gestehe ein, dass ich nun durchaus etwas erzürnt bei mir dachte: „Aber sie muss mich doch gehört haben!“

Meine Augen wanderten zu dem Schilde über der Theke, das in Majuskeln liebreizend erklärte: ‚UM VORKASSE WIRD GEBETEN!!!’ Im Gegenzug bäte ich dann aber auch um Vorzug gegenüber irgendeinem Stück Stoff. Doch der Gram in meinem Herzen wandelte sich alsbald wieder in Zweifel: im Maschinenraum war es fraglos lauter als hier vorne, auch hatte ich schon von widrigen akustischen Umständen gehört, die menschliche Stimmen mitunter im Gewirr derer der Apparate untergehen ließen. Also versuchte ich es noch einmal, ein Fünkchen lauter: „Guten Ta-hag!“ Hatte sich da eventuell kurz eine der buschigen Augenbrauen gehoben, oder hatte mir meine von Hoffnung getragene Phantasie bloß einen Streich gespielt? Sicher hatte die gute Dame, am Ende ihres Arbeitslebens, der Rente nicht mehr fern, einen Großteil ihres Hörvermögens dem Schleudergang geopfert, weshalb ich ein energisches „ENTSCHULDIGUNG?!“ hinterher schob wie sie das Eisen über den Stoff.

In senkrechter Habachtstellung

Schließlich und endlich brachte sie das Plätteisen wieder in senkrechte Habachtstellung, stöhnte sachte, die Hände in den Rücken gestemmt und setzte sich dampfend wie eine Walze und zugleich schwankend wie ein Kahn auf dem unweiten Main in Bewegung. In meine Richtung! Heureka! Nun gut, sie ließ es sich nicht nehmen, über diesen Stoff noch einmal liebenswürdig zu streicheln und jener Apparatur noch einmal ein paar Befehle einzugeben, während sie sich mir so langsam aber beständig näherte wie uns allen der Tag im Kalender, an dem uns wieder auffällt, dass wir ja noch immer keine Weihnachtsgeschenke haben.

Die Dame möge entschuldigen, ob sie mir denn sagen könne, was die Reinigung eines Hemdes in diesem, ihrem werten Etablissement kosten würde, so begann ich die Feilscherei geschickt, wie ich gedacht hatte. Es war jedoch taktisch vollkommen unklug, wie sich alsbald herausstellen sollte. Denn an die Preisauskunft von 2,50€ pro Hemd – was ich für einen durchaus nicht unvernünftigen Preis hielt und halte – schloss die Dame in wenig eloquenter Art und Weise einen dennoch recht langen Vortrag an, dass es sich bei ihrem Service um Handarbeit handele und „nix Billigwäscherei“. Dass überhaupt diese Billigwäschereien den Markt kaputt machen würden und sie auch sehen müsse, wo sie bleibe.

Derweil sie weiter zum besten gab, was sie vom Markt, der Konkurrenz und sich selbst hielt, entglitt mir meine Aufmerksamkeit und meine Gedanken wanderten, zunächst zu jenem seltsamen Geschick, dass zwar immer irgendwo irgendwer den Markt kaputt macht, er zugleich aber irgendwie auch nicht totzukriegen ist. Dann eilten meine Gedanken weiter und folgten meinen Augen zu einem zweiten Schild über der Theke, das die Qualitätsarbeit der Wäscherin wohl mit einem markanten Statement untermauern sollte: ‚FÜR VERLORENE KNÖPFE KANN NICHT GEHAFTET WERDEN!!!’

ZWEIFUFZIG ODER RAUS!

Schließlich fiel mir auf, dass die Frau geendet hatte und mich mit leisem Knurren anstarrte. Verlegen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was nun folgen sollte, da ich outgezoned war, als hätte ich während eines Gesprächs ’nur mal schnell‘ die Timeline gecheckt, versuchte ich es mit einem Scherz: „Also Sie sollten an Ihrem Stil arbeiten, sonst schaffen Sie es nie in die Twitterelite“. Ein Fehler. Viel zu jovial, das sah ich schon ein. So entgegnete mir die Dame nur mit einer gewissen Röte im Gesicht, die schon shades of blue annahm: „ZWEIFUFZIG ODER RAUS!“. Ich willigte ein und gab sogar zu verstehen, dass ich sogar drei Hemden in ihre fürsorglichen Hände übergeben würde. Schließlich hatte ich ja nie gehadert mit dem Preis, dem Service oder der Existenz der Wäscherin und wollte auch pflichtschuldig wie „GEBETEN“, „VORKASSE“ leisten, jedoch mein Geldschein war dem Pitbull unter den Textilreinigungskräften dann doch zu groß. Weshalb sie, während eine potente Ader auf ihrer Stirn bedrohlich für uns beide pulsierte, mir einen Zettel ausfüllte, um anschließend offenbar in Parsel zu zischen, ich könne die Hemden am Dienstagabend abholen.

Ich musste wirklich meinen letzten Rest Mut aufbringen, als ich entgegnete: „Ich bitte um Verzeihung, aber das ist zu spät. Ich hatte nicht erwartet, dass diese doch wohl recht simple Operation eine ganze Woche dauern würde.“

„Nix ganze Woche! Heute ist schon Donnerstagabend! Dienstagmittag! Früher geht nicht!“ – erst Stunden später, als ich mein Herz meiner Dame ausschüttete, machte sie mich darauf aufmerksam, dass es eigentlich Mittwoch am frühen Nachmittag gewesen war.

„Nun werte Dame, ich bitte gnädigst um Verzeihung, aber ich habe am Montagmittag einen Termin zu dem ich eigentlich ein gebügeltes Hemd tragen müsste. Zumindest aber ein Hemd, ob nun gebügelt oder nicht, das müssen Sie doch einsehen. Ich kann doch nicht zu einem Gespräch, das über das täglich Brot für meine Tochter entscheidet barbusig erscheinen. Daher bitte ich um Verzeihung, muss ich leider vom Vertrage zurücktreten und bitte um die Rückerstattung meiner gar schmutzigen Hemden…“

„Nix verstehen müssen! Nix Montag Mittag!“, sprach – nein, ich muss es gestehen – schrie sie und der Geifer spritze auf – zum Glück – durch Plastik geschütztes frisch Gereinigtes und – zum Unglück – ungeschütztes mich, warf mir meine Hemden zu, lies den Beleg durch einen Fluch zu Asche zerfallen und verwies mich des Ladens mit weiteren Flüchen, die ich mich nicht getraue wiederzugeben, unter denen aber wenigstens einmal der Cruciatus klar herauszuhören war.

Ich nahm meine Hemden, ging traurig nach Hause und griff selbst zu Maschine und Eisen in der Hoffnung, dass man es mir am Montag zwar vielleicht an- jedoch auch nachsehen werde.

 

Ich bin raus.