Die 8 – ich sag mal: „am wenigsten plausiblen“ – Irrglauben

Wir alle sind nicht durch und durch rational. Und das ist auch gut so. Es macht uns zu Menschen, dass wir mal Blödsinn machen, mal über die Stränge schlagen. Ich persönlich habe mich gestern beim „auf Holz klopfen“ erwischt, obwohl ich bei Leibe nicht verstehe, wie ein dumpfes Geräusch Pech abwenden soll. Genauso wünsche ich mir bei jeder Sternschnuppe und jeder ausgefallenen Wimper etwas. ABER ICH HAB DIESES SCHEISSPONY NOCH NIE BEKOMMEN!!!!!! Das Leben wäre ziemlich trist, wenn wir immer rational handeln würden, wenn wir nie zu viel trinken, zu fettig oder zu süß essen, zu lange wach bleiben oder vier Staffeln Louie am Stück gucken würden.

Hufeisen bringen Glück, oder?
Hufeisen bringen Glück, oder?

Aber dann gibt es neben unserem alltäglichen Aberglauben auch noch Irrglauben, die mir so absurd erscheinen, dass mir einfach nicht in den Kopf will, wie Menschen daran wirklich glauben können. Daher habe ich mal wieder eine kleine Liste mit den acht absurdesten Irrglauben erstellt.

Auf Platz 8: Astrologie und Horoskope

Ich meine: WTF? Sterne, die unzählige Lichtjahre weit entfernt sind, sollen Einfluss darauf haben, ob ich heute im Lotto gewinne? Warum? Das geht mir nicht in den Kopf. Gasbälle, die so gigantisch sind, dass ihnen einzelne Menschen auf einem unscheinbaren Planeten in einem „aus der Mode gekommenen“ Spiralarm der Galaxie eigentlich vollkommen sternschnuppe sein müssten, sollen sich darum kümmern ob „Stiere“ besser mit „Waagen“ auskommen oder „Wassermänner“ lieber „Fische“ heiraten sollten? Am beklopptesten finde ich noch, dass ich manchmal angeguckt werde, als wäre ich ein schlechter Vater, wenn ich auf die Frage nach dem Sternzeichen meiner Tochter (6) mit „Keine Ahnung“ antworte…

Platz 7: Scientology

Laut Scientology haben wir unsterbliche Wesen in uns, die sich „Thetane“ nennen. Diese Thetane wurden von einem intergalaktischen Herrscher

„von weit entfernten Planeten auf die Erde verschleppt […] und dort durch gewaltsame Verfahren so schwer traumatisiert[], dass sie nun als körperlose Cluster (Körper-Thetanen genannt) anderen Menschen anhängen und sie in ihren Möglichkeiten beeinträchtigen.“

Quelle: Wikipedia.

Ob du und dein Thetan Buddies sind, kannst du mit einem Gerät, namens E-Meter messen, das im Wesentlichen elektrische Widerstände misst. Und um mit deinem Thetan dufte auszukommen, musst du schweineteure Kurse belegen.

Scientology e meter blue.jpg
Scientology e meter blue“. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Das ganze geht auf L. Ron Hubbard zurück, von dem böse Zungen sagen, er hätte bloß festgestellt, dass er seine Science-Fiction-Bücher besser verkaufen kann, wenn die Leute glauben, es wäre Religion. Ich für meinen Teil finde das alles so krude zusammengekleistert, dass ich es schlichtweg nicht ernst nehmen kann. Daher landet Scientology auf einem ehrenvollen siebten Platz und wer es freiwillig macht und Spaß daran hat, soll diesen meinetwegen weiterhin haben…

Platz 6: Die wörtliche Bibelauslegung

Ich habe nichts gegen Religiosität, denn man kann sowieso nie abschließend entscheiden, ob Gott existiert oder nicht. Aber was ich absurd finde? Wenn Menschen die Bibel beim Wort nehmen.

Fassen wir doch mal zusammen: Gott hat die Erde vor ca. 6.000 Jahren in sieben Tagen geschaffen. Also nur kurz vor den Pyramiden. Dann hat er den Mann aus Lehm zusammengematscht und die Frau aus der Rippe des Mannes. Warum? War der Lehm alle?

Oder nehmen wir mal die Nummer mit der Vertreibung aus dem Paradies: Ja klar, da wurde irgendwie das Vertrauen verletzt und deswegen wurde Adam und Eva Hausverbot erteilt. Aber warum wurde die Schlange bestraft? Die hat doch eigentlich Eva nur die Wahrheit über den Baum der Erkenntnis erzählt. Die Schlange war quasi der Snowden des Paradies‘!

Auch komisch ist, dass Gott in den ersten 4.000 Jahren ziemlich viel mit den Menschen interagiert hat aber seit 2.000 Jahren ist plötzlich Funkstille. Ist Gott noch immer eingeschnappt wegen dieser Kreuzigungsnummer? Und was war das eigentlich für eine arschige Aktion mit der vorgetäuschten Opferung von Abrahams Sohn? Was hat sich der „liebe“ Gott dabei gedacht?

Aber am absurdesten ist, dass Gott von Sex besessen ist! Kein Sex vor der Ehe, keine Homosexualität, keine Masturbation? Hat der keine anderen Sorgen? Wie wäre es mal mit Weltfrieden oder Hunger der Welt stillen? Klingt alles ziemlich absurd, wenn ihr mich fragt…

Platz 5: Die animistische Evolution

Was hat sich die Natur nur dabei gedacht? Nix! Die Natur denkt nichts, genauso wenig wie die Evolution. Dennoch sprechen wir von ihr im Alltag oft wie von einem lebendigen Wesen mit einem eigenen Willen. Eine Hebamme sagte kürzlich im Gespräch zu mir, dass die Evolution die menschliche Geburt schon gut eingerichtet habe. Und in einem linguistischen Fachbuch zum Spracherwerb las ich einst sogar über das Absenken des Kehlkopfs (das den Spracherwerb ermöglicht, aber zugleich die Erstickungsgefahr für den Säugling erhöht), dass man daran sehe, welch hohen Stellenwert die Evolution der Sprache eingeräumt habe. Die Sache ist aber: Stimmt halt nicht. Die Natur oder die Evolution denkt sich nichts, sie richtet nichts ein und hat erst recht keinen Sinn für irgendeinen Stellenwert.

Evolution ist auf zwei minimalistische und komplett unintelligente Prinzipien zurückzuführen: 1. Mutation – Bei der Vererbung entstehen Fehler. 2. Survival of the fittest – Von zwei Varianten eines Lebewesens überlebt diejenige am wahrscheinlichsten, die besser an seine Umwelt angepasst ist. Das Ding ist aber, dass nicht jede Mutation immer zum Vorteil oder zielgerichtet ist. Mein Lieblingsbeispiel für sinnlose Natürlichkeit ist, dass die Speiseröhre direkt neben der Luftröhre liegt. Nur deshalb können wir uns verschlucken. Aber das hat überhaupt keinen Nutzen. Das ist vollkommen sinnlos, die Natur hat sich eben nichts dabei gedacht.

Ein anderes Beispiel: Als vor Milliarden von Jahren kleine Zellklumpen durch den Ozean paddelten, hatten die einen Überlebensvorteil, die zufällig lichtempfindliche Zellen ausbildeten. Dass es aber auch unzählige sinnlose Mutationen gab und etwa diejenigen Zellklumpen starben, die einen Sinn für Karomuster ausbildeten, das wird immer vergessen, wenn wir sagen, da hat sich die Natur schon was bei gedacht. Das ganze geht übrigens auf unseren Wunsch zurück, uns die Welt teleologisch zu erklären

Platz 4: Homöopathie

Die Homöopathie ist quasi für Deutschland das, was Scientology für Amerika: die nicht wirklich zu Ende gedachte Küchenreligion des kleinen Unlogikers. Ich fasse das Konzept der Homöopathie mal mit eigenen Worten zusammen. Gleiches soll mit gleichem geheilt werden. Die Ärztin soll der Patientin Mittel geben, die bei einer gesunden Person eigentlich genau die Symptome erzeugen, die sie jetzt heilen sollen. Mit anderen Worten: Patienten wird Gift verabreicht. Als sich Samuel Hahnemann diesen Mumpitz ausgedacht hat, gab es nur ein Problem: Seine Patienten starben wie die Fliegen. Daher fing er an, die Gifte immer weiter zu verdünnen. Die besten Ergebnisse erzielte er dann logischerweise, wenn er ein Gift so weit verdünnt hatte, dass es im Wasser oder im Zucker, in dem es gelöst war, nicht mehr nachzuweisen war. Das war jetzt aber auch irgendwie suboptimal… Patienten Wasser oder Zucker zu geben und zu behaupten, das sei Medizin, war unglaubwürdig. Denn beides nimmt schließlich jeder Mensch täglich in rauen Mengen auf. Daher kam Hahnemann auf die grandiose Idee, zu behaupten, das Wasser erinnere sich an die Substanz. Und wer hier jetzt nicht die Frage stellt, mit welchem Gehirn sich das Wasser erinnern soll und warum es sich zwar an Homöopathie aber nicht an den letzten Toilettengang erinnert, dem verordne ich eine Überdosis Globoli…

Platz 3: Lichtnahrung

Aufs Treppchen schafft es letztendlich die Lichtnahrung. Denn wo die Homöopathie nur mehr oder weniger harmloses Placebospinnerei ist, da ist Lichtnahrung Darwin-Award-verdächtige Idiotie. Ich gebe das Wort ab an die Wikipedia:

„Lichtnahrung oder auch Breatharianismus bezeichnet eine esoterische Methode, bei der nach Vorstellung ihrer Anhänger die für das Leben notwendige Energie aus feinstofflicher Energie („Licht“; siehe „Prana“ als universelle Lebensenergie) gewonnen werden soll. Dadurch soll man imstande sein, ohne feste und flüssige Nahrung auszukommen, die sonst zum Überleben notwendig ist.“

Ja, nee, is klar.

Platz 2: Impfskepsis

Silber geht an die Impfskepsis. Denn wo sich ein Lichtfresser nur selbst schädigt, schädigt eine Impfgegnerin ihre Kinder! Mal vom ethischen Aspekt abgesehen (Impfgegner sind Schmarotzer, die nur überleben, weil sie sich auf den Herdenschutz der anderen verlassen können), haben Impfskeptiker sogar einen Funken Wahrheit gefunden: Impfungen haben Nebenwirkungen. Meine Tochter (6) musste eine solche Nebenwirkung kürzlich ertragen. Nach der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten war ihr Arm fast eine Woche lang geschwollen und tat weh. Das ist Kacke, man will ja nicht, dass das eigene Kind leidet. Allerdings sind Impfungen eben Risikoabschätzungen. Denn dem schmerzenden Arm steht beispielsweise das gegenüber:

„Tetanus, auch Wundstarrkrampf genannt, ist eine häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit, welche die muskelsteuernden Nervenzellen befällt und durch das Bakterium Clostridium tetani ausgelöst wird. Die resistenten Sporen des Bakteriums kommen nahezu überall vor, auch im Straßenstaub oder in der Gartenerde. Die Infektion erfolgt durch das Eindringen der Sporen in Wunden.“

Wikipedia: Tetanus.

Klingt scheiße, ist es auch! Ich will auch nicht verschweigen, dass es manchmal schlimmere Impfnebenwirkungen geben kann. Allerdings sind die seeehr unwahrscheinlich und fast ausschließlich nicht so schlimm wie die Krankheiten, gegen die geimpft wird. Aber Silber gibt es vor allem für die Behauptung, dass Impfen Autismus auslösen kann. Denn das ist schlichtweg gelogen. Genauso kann ich mich jetzt hier hinstellen und behaupten, dass Schokoeis Krebs erregt. Oder dass Sex vor der Ehe ins Fegefeuer führt. Oh…

Platz 1: „Miracle Mineral Supplement“

Gewinner der Goldmedaille, auf Platz 1 und damit auf dem Gipfel der Idiotie ist MMS – „Miracle Mineral Supplement“. Wenn dein Kind dann nämlich durch die Impfung zum Autisten wurde, dann kannst du es wieder „gesund“ machen, indem du ihm Natriumchlorit in den Arsch bläst. Oh, das klingt aber schmerzhaft! Und wissta was? Das ist es auch!

„Bei dieser umstrittenen Therapiemethode wird Natriumchloritlösung verabreicht, in welcher durch Zumischen von Citronensäure das hochreaktive giftige Chlordioxid freigesetzt wird, das normalerweise zu Desinfektionszwecken oder zum Bleichen verwendet wird.“

Wikipedia: MMS.

Das Gift wird auch gerne gegen Krebs, AIDS, ADHS und Demenz verabreicht. Eben wenn Patienten oder Eltern verzweifelt genug sind, um ihnen noch etwas Geld aus der Tasche zu leiern. Ähnlich wie bei Hahnemanns Quacksalberei tritt hier natürlich das Problem auf, dass die Patienten merken, dass die vermeintliche Medizin ihren Gesundheitszustand verschlechtert. Daher interpretieren die Anhänger dieser Körperverletzung einfach die Ergebnisse um. Aus Tag wird Nacht, aus Nord wird Süd und ein Patient, der sich kranker fühlt, ist eigentlich auf dem Weg der Besserung, da sein Körper jetzt gegen die Krankheit ankämpfe, gegen die MMS gegeben wurde. O.o

So das war sie, meine Liste der „am wenigsten plausiblen“ Irrglauben. Ich wette, ihr habt auch noch den einen oder anderen Kandidaten in der Hinterhand. Ich würde mich über Anregungen in den Kommentaren freuen!

Ich will auch mal ein paar Lieblingstweets posten

Damit ihr seht, wie toll Twitter ist. Ach ja, ich bin betrunken…

Das ist voll lustig, oder? Weil es ja so selbstverständlich ist und wir uns alle den Verpeiler vorstellen können…

Auch mörderlustig, weil Schokoladen“schale“ ja gar nicht essbar ist und alle immer so meinen, dass ekelige Schale wegen irgendwelcher Vitaminen wertvoll wäre.

Wirklich irritierend…

Sie wissen schon, der Suarez hat einen anderen Spieler gebissen…

Empfängnisverhütung, hihi, verstehta?

Das ist doch gar keine Skulptur, das ist Überwachung!

Erwähnte ich, dass ich betrunken bin? Morgen ist mir dieser Post bestimmt voll peinlich. Oder er wird total oft gelesen, dann muss ich immer betrunken bloggen. EIN TEUFELSKREIS! Äh Dilemma?

Es gibt die selbstlose gute Tat!

Es gibt einen Mythos in unserer Gesellschaft, den uns, soweit ich das sehe, Immanuel Kant eingebrockt hat.

Ein Mythos sickert ins abschließende Vokabular

Vor 229 Jahren, im Jahr 1785 erschien Immanuel Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Und mit dem Einsickern der Grundlegung ins abschließende Vokabular kam ein Irrtum in die Welt, der seit dem Millionenfach wiederholt wurde und dadurch doch nicht richtiger wird: Die Vorstellung, dass es keine selbstlose gute Tat gäbe.

Die Argumentation geht folgendermaßen: Du tust etwas gutes, das zwar vordergründig selbstlos ist, aus dem du also keinen Nutzen ziehst. Du wirfst etwa einem Obdachlosen etwas Geld in den Hut. Doch durch eben diese Handlung fühlst du dich gut, weshalb du letztlich doch davon profitierst – die Tat ist also nicht selbstlos. Auf die Spitze wird die Argumentation dann oft noch dadurch getrieben, dass hinzugefügt wird, dass du die gute Tat nur deshalb getan hast, weil du dich gut fühlen wolltest. Das bedeutet, dass wir alle letztendlich immer egoistisch handeln. Denn selbst, wenn wir dies anscheinend nicht tun, machen wir es immer in Wahrheit nur, weil wir uns gut fühlen wollen. Es gibt also keinen Altruismus.

Der von Gram umwölkte Menschenfreund

Bevor ich dieses Argument widerlege, möchte ich mal wieder ein bisschen philosophische Grundlagenarbeit leisten und zeigen, in welchem Kontext Kant – dem ich ja alles in die Schuhe geschoben habe – die selbstlose gute Tat ins Spiel bringt.

Zu Beginn der Grundlegung legt Kant dar, dass „der gute Wille“ der höchste Wert der Ethik ist. Ob dies so ist, ist eine andere Geschichte, der ich mich ein anderes Mal widmen werde. Es geht mir heute um einen anderen Punkt, nämlich den nämlichen: Nach dem Abschnitt mit dem guten Willen führt Kant den Begriff der Pflicht ein, denn Kant will auf eine „Pflichtenethik“ hinaus (GMS 397). Der Begriff der Pflicht enthalte den Begriff des guten Willens, so Kant. Fortan interessiert sich Kant besonders für Handlungen, die aus Pflicht vollzogen werden, zu denen aber zugleich die Handelnde eine unmittelbare Neigung habe.

Kants erstes Beispiel ist ein Händler, der faire Preise hat. Kant diagnostiziert, dass dieser Händler weder aus Pflichtbewusstsein, noch aus unmittelbarer Neigung faire Preise hat, sondern aus schnödem Eigeninteresse, um auf dem Markt zu bestehen. Na? Merkta was?

Kants nächstes Beispiel ist der Erhalt des eigenen Lebens. Dem Christentum folgend behauptet Kant ohne weitere Begründung, dass dies eine Pflicht sei und zugleich hat jeder eine Neigung dazu. In diesem Fall verhält man sich zwar „pflichtmäßig“, also der Pflicht entsprechend, aber nicht aus Pflicht.

„Dagegen, wenn Widerwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack am Leben gänzlich weggenommen haben, wenn der Unglückliche, stark an Seele, über sein Schicksal mehr entrüstet als kleinmütig oder niedergeschlagen, den Tod wünscht und sein Leben doch erhält, ohne es zu lieben, nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: alsdann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt.“

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 398.

Der Suizid ist auch ein spannendes Thema und einem eigenen Blogpost würdig, aber auch auf diesen, und ob er moralisch verwerflich ist, will ich nicht hinaus. Sondern klarmachen, wie Kant den Begriff „aus Pflicht“ verwendet. Moralisch ist eine Handlung nach Kant nämlich nur, wenn man sie aus Pflicht vollzieht und das bedeutet für ihn immer, dass man sie gegen seine eigenen Neigungen vollführt. Kant fährt entsprechend auch fort, indem er nun endgültig die weitverbreitete Argumentation aufgreift: Es gibt viele Menschen, denen es Freude bereitet, Gutes zu tun. Aber wenngleich deren Handlungen dann pflichtgemäß sind, so geschehen sie dennoch nicht aus Pflicht und haben somit „keinen wahren sittlichen Wert“ (398).

„Gesetzt also, das Gemüt jenes Menschenfreundes wäre von eigenem Gram umwölkt, der alle Teilnehmungen an anderer Schicksal auslöscht, er hätte immer noch Vermögen, den Notleidenden wohlzutun, aber fremde Not rührte ihn nicht, weil er mit seiner eigenen genug beschäftigt ist, und dann, da keine Neigung ihn mehr dazu anreizt, risse er sich doch aus dieser tödlichen Unempfindlichkeit heraus und täte die Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdenn hat sie allererst ihren echten moralischen Wert.“

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 398.

Wie wir sehen, vertritt Kant die These „Es gibt keine selbstlose gute Tat“ – in Kants Terminologie: Tat aus Pflicht – nur in abgeschwächter Form und räumt ein, dass man im Falle einer ernsten Depression doch mal gut, da aus Pflicht, handeln kann. Da dieser Fall so konstruiert ist, hat der Volksmund wohl ganz zu Recht daraus gemacht, dass es keine selbstlose gute Tat gibt.

Gesinnungsethik und Handlungsethik

Nein! Stopp! Es ist eben nicht zu Recht, sondern vollkommen falsch! Kant hat viele kluge Dinge geschrieben, aber dies hier gehört nicht dazu. Und das Schlimme ist, dass dieses Argument Kants so wirkungsmächtig war, weil sich damit ganz hervorragend der eigene Egoismus rechtfertigen lässt: „Warum soll ich dem Penner einen Euro geben? Wenn ich es tue, dann doch nur, weil ich mich gut fühlen will, dann kann ich es doch gleich lassen und mich um meinen eigenen Scheiß kümmern.“

Das Problem ist, dass Kant eine „Gesinnungsethik“ etabliert. Das wird schon an Kants höchstem Wert, dem guten Willen deutlich. Nicht eine moralisch gute Handlung kommt für Kant als höchster Wert in Frage sondern eine innere Einstellung. Und ich möchte hier behaupten, dass das falsch ist. Auch wenn es streng genommen kein Falsch (zumindest in diesem Sinn) in der Ethik gibt. Ich bin der Überzeugung, dass allein Handlungen einen moralischen Wert haben, will also im Gegensatz zur Gesinnungsethik eine Handlungsethik verteidigen. Und ich gehe noch weiter, indem ich sage, dass wir gewöhnlich alle nur Handlungen und nicht Gesinnungen moralischen Urteilen unterwerfen. Und diese Argumentation, wonach es keine selsbtlose gute Tat gibt, somit vom normalen Sprachgebrauch von „selbstlos“ abweicht. Das werde ich im Folgenden doppelt beweisen.

Gott als Game-Changer

Mein erster Beweis werde ich anhand eines unserer ältesten ethischen Dokumente vollziehen: den zehn Geboten. Das ist tricky, denn die zehn Gebote sind genau wie Kants Ethik eigentlich eine Gesinnungsethik, das wird gleich am ersten Gebot klar:

1. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Die Zehn Gebote nach Martin Luthers Kleinem Katechismus

Genauso verhält es sich mit den Geboten 9 und 10:

9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

Die Zehn Gebote nach Martin Luthers Kleinem Katechismus

BTW: Auch interessant, dass das Haus ein eigenes Gebot hat, aber das Weib mit dem restlichen Kladderadatsch zusammengeschmissen wird. Ferner wird die männliche Zielgruppe der 10 Gebote klar…

Ich kann ja ausschließlich in Gedanken einen anderen Gott haben und ich kann nur in Gedanken begehren. Das würde Gott nicht gefallen. Also haben Kant und die Bibel doch Recht mit ihrer Gesinnungsethik? Ich glaube nicht und der entscheidende Punkt hier ist, dass Gott als Game-Changer ins Spiel gebracht wird. Denn der Allmächtige kann unsere Gedanken lesen und somit werden aus diesen inneren Zuständen Handlungen. Im Katholizismus wird das zum Beispiel im Akt der Beichte symbolisiert. Erst durch das Geständnis dem Pfarrer gegenüber wird aus dem Gedanken eine Handlung, die moralisch verwerflich wird.

Dass Ethik immer Handlungsethik ist, wird dann aber bei den anderen sieben Geboten klar:

2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.
3. Du sollst den Feiertag heiligen.
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.
5. Du sollst nicht töten.
6. Du sollst nicht ehebrechen.
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Die Zehn Gebote nach Martin Luthers Kleinem Katechismus

Das sind alles Handlungsanweisungen. Selbst wenn „heiligen“ oder „ehren“ sicher interpretationsbedürftige Begriffe sind, so zeigt sich ein ehren oder heiligen meines Erachtens erst in einer Handlung. Glaubt ihr nicht? Dann machen wir doch einmal die Gegenprobe: Kannst du deine Mutter in Gedanken ehren, wenn du sie wie Scheiße behandelst? Kannst du geistig den Feiertag heiligen, wenn du zugleich deine Angestellten zur Sonntagsarbeit verpflichtest? Ich denke nicht…

Hordenmoral

Aber lassen wir diese tausende Jahre alte Beispiel hinter uns und widmen wir uns meinem zweiten Beweis. Dafür möchte ich einen Blick in den heutigen Panoramateil von Spiegel Online werfen, denn Boulevardmedien haben immer die Aufgabe (in ihrem Selbstverständnis), den Lesern zu sagen, wie sie sich fühlen sollen. Sie schreiben nieder, was sittlich ist. „Hordenmoral“ in Hayeks Worten. Ich lasse mal die ganzen Promi-News außer acht und beschränke mich auf einige Artikel mit moralischem Gehalt:

„Nach Schüssen vor einem Luxushotel in Caracas ist ein Deutscher gestorben.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Bedeutet: Mord ist doof.

„In Kürze soll die Rettung des verletzten Forschers aus der Riesending-Schachthöhle abgeschlossen sein.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Bedeutet: Retter sind Helden.

„Weil ein dreister Nager ihrem Beet zusetzte, griff Schriftstellerin Jeanette Winterson zu einem drastischen Mittel. Sie zog dem Karnickel das Fell über die Ohren – zum Zorn ihrer Internetfans.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Das ist spannend, denn hier wird ein Wert ausgehandelt: Darfst du ein Kaninchen töten, das dir Schaden zugefügt hat?

„Nach dem qualvollen Sterben eines Todeskandidaten hatten manche US-Staaten Hinrichtungen gestoppt. Nun sind binnen 24 Stunden gleich drei Menschen exekutiert worden.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Bedeutet: Die Todesstrafe gehört abgeschafft.

„Johann Breyer lebt in Philadelphia, der 89-Jährige soll im KZ Auschwitz Beihilfe zum hunderttausendfachen Mord geleistet haben. Jetzt ist er verhaftet worden, die USA müssen über eine Auslieferung entscheiden.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Bedeutet: Fuck you Nazi!

„Ein Rentner erschießt einen jungen Räuber auf der Flucht – Totschlag oder Notwehr?“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Auch hier wird wieder ein Wert ausgehandelt, eben: Totschlag oder Notwehr?

„Freida Pinto hat in einem Interview sexuelle Gewalt gegen Frauen in ihrem Heimatland Indien beklagt. Belästigungen seien dort Alltag, sagte die Schauspielerin.“

Spiegel Online: Panorama Teil.

Bedeutet: Sexuelle Gewalt ist verwerflich.

Ich bin mir bewusst, dass neben meinen Allzu-Kurzanalysen noch mehr in diesen Artikeln steckt. Zum Beispiel: Warum wird das Alter des mutmaßlichen Naziverbrechers genannt? Soll hier eine Verjährung des Holocausts angedacht werden? Und warum wird sexuelle Gewalt mal wieder am Beispiel Indien durchdekliniert? Weil es so schön weit weg ist?

Es gibt die selbstlose gute Tat

Aber der entscheidende Punkt ist: Hier werden ausschließlich Handlungen gemeldet. Da steht nirgends: Weil die Höhlenretter sich gut fühlten, handelten sie nicht selbstlos. Genausowenig wird gefragt, wie sich die Todesschützen in Caracas fühlten oder was sie dachten. Oder ob die Ermordung des Kaninchens nun pflichtgemäß oder aus Pflicht geschah.

Und das ist der springende Punkt: Es ist scheißegal, wie du dich nach einer guten Handlung fühlst. Ob du Spaß beim Helfen hast oder es widerwillig machst, ist schnurzpiepsegal. Wir sollten Handlungen immer auf ihre weltlichen Konsequenzen hin beurteilen nicht auf ihre Auswirkung auf eigene innere Zustände. Daher gibt es selbstverständlich auch die selbstlose gute Tat.

Eine selbstlose gute Tat ist eine Tat, die für mich persönlich in der Welt keine Vorteile einbringt. Wenn ich ein fremdes weinendes Kind tröste, dann mag das aus einem Vaterinstinkt heraus geschehen, aber im Endeffekt habe ich keinen Nutzen davon, daher ist es eine selbstlose gute Tat. Wenn ich einer alten Frau ihre Einkäufe die Treppen rauftrage, dann mag das vielleicht nur pflichtgemäß im Sinne Kants sein, es ist dennoch eine verfickte gute Tat und da ich keinen Vorteil dadurch habe, ist sie selbstlos. Und jeder, der etwas anderes erzählt, will nur seinen eigenen Egoismus rechtfertigen.

Literatur

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Umsonst im Volltext bei Zeno oder auf Papier bei Amazon*).

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Zeitreisenethik

Ein viel zu wenig beachteter Zweig der Ethik ist die Zeitreisenethik. Das möchte ich ändern und hier einmal die grundlegenden Probleme und Konzepte zur Lösung aufzeigen.

Das Hauptproblem in der Zeitreisenethik ist natürlich – das sagt ja schon der Name -, dass du in der Zeit rumpfuschst und wenn du was falsches machst, kommst du irgendwann nachhause, also in deine Zeit, und stellst fest, dass du aus Versehen dafür gesorgt hast, dass im 21. Jahrhundert die Frauen Leggins in Lederoptik und die Männer Vollbärte und V-Ausschnitte bis zum Bauchnabel tragen. Das kann ja keiner wollen! Allerdings streiten die Experten noch, was passiert, wenn du die Vergangenheit änderst. Vier verschiedene Konzepte existieren:

  1. Der Geschichte-schreiben-wir-Ansatz: Du kannst die Geschichte gar nicht ändern, das siehst du ja an der Geschichte
  2. Der Alternative-Zeitlinien-Ansatz: Deine Interaktion mit der Vergangenheit führt dazu, dass es eine alternative Zeitlinie gibt, die dann parallel zu unserer existiert. Du schaffst dann also ein Paralleluniversum
  3. Der Fixpunkte-Ansatz: Du kannst fast alles ändern, bis auf eine Reihe von Fixpunkten in der Geschichte, die unveränderlich sind (Auch der Wir-brauchten-eine-Erklärung-warum-Doctor-Who-nicht-Hitler-töten-kann-Ansatz genannt)
  4. Der Common-Sense-Ansatz: Die Geschichte verändert sich halt

Wenn die Anhänger des Geschichte-schreiben-wir-Ansatzes recht haben, dann brauchen wir gar keine Zeitreisen-Ethik, denn wo kein Missstand, da bedarf es keiner Regel. Du solltest es aus Eigeninteresse lediglich vermeiden, zu verraten, dass du durch die Zeit reist, denn es könnte dein Ansehen unter deinen Nichtzeitgenossen schmälern. Dies zu verraten sollte natürlich auch bei den anderen drei Ansätzen aus ganz verschiedenen Gründen tunlichst vermieden werden.

Fein raus bist du ansonsten beim Fixpunkte-Ansatz: Wenn große Geschichtsereignisse – wie die Erfindung der Currywurst – unveränderlich sind. Dann brauchst du dir schon mal keine Sorgen zu machen, dass du aus Versehen das Leben erschaffst weil dein Sandwich in die Ursuppe fiel. Dann musst du dich nur um deine eigene Geschichte sorgen. Dabei gilt, dass das oberste Gebot lautet: Kein Sex vor deiner Geburt! Denn sonst pimperst du als Mann am Ende noch aus versehen deine Großmutter und wirst dein eigener Großvater. Das Äquivalent für Frauen wären dem Nachwuchs schwer zu erklärende Doppelrollen von Großvätern und Vätern. Einzig homosexuelle Menschen sind in diesem Fall mal im Vorteil.

Darüber hinaus gibt es ein paar sekundäre moralische Regeln, die du beachten solltest. So ist moralisch zumindest fragwürdig die Lottozahlen zu spicken und in einer Gesellschaft, in der sich alle schon aufregen, wenn du spoilerst, dass in Folge 10 der vierten Game-of-Thrones-Staffel Tyrion Lannister seinen Vater umbringen wird, wird man nicht amüsiert sein, wenn du die echte Zukunft spoilerst…

Wenn wir Egoisten sind, dann brauchen wir uns auch keine Sorgen beim Alternative-Zeitlinien-Ansatz machen, denn unsere Zeitlinie bleibt ja unverändert, wir pfuschen halt nur in anderen herum. Dumm wird das nur, wenn du dir einen Sohn aus einem Alternativuniversum klaust und dadurch einen interuniversalen Krieg auslöst.

Sind wir hingegen keine Egoisten, stellt sich natürlich die Frage nach den Konsequenzen: Vielleicht erschaffen wir ein Universum mit unsagbar viel Leid. Und dürfen wir das? Oder müssen wir das vielleicht sogar um jeden Preis verhindern

Das führt uns zum Problem der generellen Ungewissheit, welche Konsequenzen unsere Einmischung hat. Dieses Problem ist natürlich für alle Ansätze außer dem ersten von Bedeutung. Ihr wisst schon: Der Butterfly-Effect. In Deutschland schlägt ein Schmetterling mit den Flügeln und in China fällt dann ein Sack Reis um. Oder so ähnlich… Vielleicht heißt du Rainer, reist ins Jahr 1989 um dir als unbeteiligter Dritter den Mauerfall anzusehen, dann trinkst du ein paar Kristallweizen zu viel und einige Jahre später schreibt plötzlich so ein Sven Regener einen Bestseller, der zu einem Universum führt, in dem selbiger Herr Regener als erfolgreicher Schriftsteller gefeiert wird!

Das Problem ist: Du kannst eben nicht wissen, welche deiner Interventionen zu einer Veränderung führt, was bedeutet, dass die Integrität der Zeitlinie einen Wert an sich darstellen würde und das Prinzip der Nichteinmischung oberste Priorität hat. Zeitreisen müssten verboten werden und wenn sie doch stattfinden, dann müssten sie minimalinvasiv gehalten werden. Es gibt in diesem Fall dann unveräußerliche Zeitrechte, so wie es unveräußerliche Menschenrechte gibt.

Im vierten Ansatz ist es ferner verwerflich, Technologie aus der Zukunft in eine Vergangenheit zu bringen, die dafür noch nicht bereit ist. Stell dir vor, wir hätten eine riesige Energiequelle, aber weil wir zu früh an sie gelangten, haben wir keine Ahnung, wohin wir den Müll packen, den sie produziert und zudem geht alle 20-30 Jahre eines der Kraftwerke in die Luft und verseucht ganze Landstriche. Das wäre ja auch irgendwie scheiße…

Das führt uns dann aber zu den letzten und wichtigsten Fragen. Darfst du Hitler töten? Solltest du es gar? Und wenn ja, warum ist es dann noch nicht geschehen? In den Ansätzen 1 und 3 stellt sich die Frage nicht. Du kannst Hitler schlichtweg nicht töten. Im Ansatz 2 wurde Hitler bereits getötet, denn der Tyrannenmord scheint mir moralisch jederzeit gerechtfertigt zu sein. Allerdings haben wir das Pech, im falschen Universum festzusitzen. Mit Hitler. Und obendrein ohne Hoverboards.

Nur im Ansatz 4 stellt sich daher diese Frage wirklich. Ein Argument gegen den Tyrannenmord wäre wieder die Ungewissheit. Vielleicht wird alles noch viel schlimmer. Vielleicht ist bereits jemand in die Vergangenheit gereist und hat Hitler getötet, das führte aber zu einer Welt, der zwar der Holocaust erspart blieb, die aber noch Schlimmeres erleiden musste. Vielleicht tobt sogar ein temporärer Krieg zwischen der Fraktion die Hitler töten will und jener, die dies verhindern möchte und ständig reist jemand weiter in die Vergangenheit um die Handlungen der jeweils anderen Partei wider zu negieren. Und wir bekommen nichts davon mit. Am Ende können wir nur hoffen, dass die richtige Seite gewinnt, welche auch immer das sein mag und dass sie zudem dafür sorgt, dass wir 2015 auch tatsächlich keine Straßen mehr brauchen …

Frank Schirrmacher ist tot

Ich kannte Frank Schirrmacher nicht wirklich. Rund um meine Buchveröffentlichung haben wir eine Hand voll E-Mails gewechselt, eher weniger. Überwiegend Zweizeiler. Aber er fand mein Projekt spannend genug, um mir einen Text zur Verfügung zu stellen und gab mir den Vertrauensvorschuss, dass ich die Veröffentlichung auch würde stemmen können. Sein Name hat mir weitere Türen geöffnet, nicht zuletzt die des Justizministeriums. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Ich teilte nicht immer die streitbaren Meinungen, die Schirrmacher vertrat, aber ein Text ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Seine messerscharfe Analyse von Günther Grass’ Israel-Gedicht. Die Welt hat einen großen Denker verloren. Frank Schirrmacher starb gestern, am 12 Juni 2014 an den Folgen eines Herzinfarktes. Er wurde 54 Jahre alt.

Warum ich beim Autofahren keinen Sicherheitsgurt anlege

Angeschnallt Auto fahren ist zur Zeit voll in Mode. An jeder Autobahn stehen Schilder, dass man sich anschnallen soll und es gibt Leute, die sogar angeschnallt zum Becker fahren. Ich mache das nicht, und habe dafür meine Gründe.

„Zunächst:  In jeder Sicherheitsdiskussion muss abgewogen werden, gegen welches Risiko man sich schützen möchte.  Es gibt – insbesondere in technischen Systemen – keine allumfassende Sicherheit gegen alle Risiken.  Wirksame  Sicherheitsmassnahmen erfordern stets die Identifikation des Risikos, und sie lassen sich in ihrer Wirksamkeit auch überprüfen.“*

Ein Beispiel für eine spezifische Sicherheitsmaßnahme ist der Schuh: Er kann verhindern, dass man in Scherben tritt. Wenn man durch ein Dornengestrüpp läuft, können die Beine dennoch zerkratzt werden. Der Schuh kann im schlimmsten Fall sogar dafür sorgen, dass ihr mit dem Fuß in einer Bahnschiene steckenbleibt! Die Wirksamkeit von Schuhe lässt sich gut statistisch belegen, entweder verletzten sich die Menschen seltener an Scherben oder nicht.

„Allgemeine Sicherheitsmassnahmen hingegen sind Sicherheitstheater.  Sie dienen nicht dazu, einen bestimmten Schadenfall zu verhindern, sondern sie dienen der Beruhigung von Menschen, die Angst haben.  Das typische Beispiel für Sicherheitstheater ist das seit einigen Jahren erforderliche Ausziehen der Schuhe bei der Sicherheitskontrolle in Flughäfen.  Abgesehen davon, dass die Anzahl der Terrorschläge auf Flugzeuge gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen extrem gering ist, ist auch die Möglichkeit, Sprengstoff in Schuhen zu verstecken, nur durch einen erfolglosen Versuch verbürgt.“*

Das Anschnallen sogar bei kurzen Fahrten, wie zum Bäcker oder zum Kippenautomaten fällt für mich in den Bereich von Sicherheitstheater.

Hier ein paar Argumente:

Die Autos mit denen wir im Straßenverkehr unterwegs sind sind komplexe Maschinen bieten keinerlei Gewährleistung für Fehlerfreiheit. Autos können jederzeit kaputt gehen und dadurch Unfälle bauen und tun es auch. Ein kleiner technischer Defekt lässt sich für mich als Laien nicht feststellen und kann auf meiner nächsten Autofahrt zum Unfalltod führen.

Der Glaube, durch einen Sicherheitsgurt könne man sich „vor Unfällen“ „schützen“, ist irrig.  Anschnallen ist ein esoterisches Thema. Zu glauben, dass ein Autofahrer sich immer anschnallen würde oder auch nur bei einem nennenswerten Teil seiner Autofahrten Sicherheitsgurte anlegen werde, ist komplett unrealistisch. Mit gelegentlichen Anschnallen begibt sich der Einzelne einfach in die Gruppe derjenigen, die Sicherheitsgurte anlegen. Dann ist er zwar beim Frontalunfall geschützt, im Zweifelsfall rammt aber ein Auto sein Auto von der Seite.

Anschnallen wiegt diejenigen, die es tun, in falscher Sicherheit. Sichere Autos gibt es nicht, und wenn man ein mal in einen Auto sitzt, das am Straßenverkehr teilnimmt, besteht eine potenzielle Unfallgefahr. Das gilt kurze Fahrten, und das gilt erst recht auf der Autobahn.

Auch, wenn Sicherheitsgurt-Befürworter stets die Wirksamkeit Ihrer Gurte behaupten, und auf die Ingenieurkunst verweisen, bleibe ich skeptisch.  Zum Einen, weil ich nicht überprüfen kann, ob der Sicherheitsgurt im Ernstfall nicht doch reist, zum Anderen, weil immer wieder Unfälle stattfinden, bei denen die Menschen trotz Sicherheitsgurt sterben. Dabei ist für mich die fehlende praktische Verfikationsmöglichkeit ausschlaggebend.

Meine Konsequenz ist, dass ich keinen gesonderten Aufwand treibe, um mich gegen einen Unfall zu schützen,von dem ich nicht weiß, ob er eintreten wird. Wer mit mir Autofahren will, kann unangeschnallt mitfahren oder mit dem Rad kommen. Er kann mit der Bahn fahren oder zu mir zu Fuß laufen  Mir ist wichtig, dass ich erreichbar bin und dass ich Leute erreichen kann.

Klingt absurd? Ist es auch! Aber genau das schreibt Hans Hübner in Bezug auf Verschlüsselung und alle jubeln. Wo ich von Schuhen schreibe, bemühte Hübner den Sicherheitsgurt, weswegen ich das Beispiel übernahm um zu zeigen wie absurd seine Argumente sind.

Und wisst ihr was? Diese Diskussion mit genau diesen Argumenten wurde geführt, als die Gurtpflicht in Deutschland eingeführt wurde. Auch ich musste noch so Diskussionen führen, als wir als 18 Jährige mit dem Autofahren anfingen. Klar ist Verschlüsselung nicht der Weisheit letzter Schluss und klar sind unsere Computer, Handys und Co. auch anfällig, wenn wir Mails verschlüsseln. Es ist halt ein Anfang. So wie der Sicherheitsgurt ein Anfang war. Dann kam der Airback, der Seitenairback, ABS, die verbesserte Knautschzone, Radstabilisation, …

* Dies sind direkte Zitate von Hübner.

Cosplay spielende Sprachnerds verschwören sich gegen Theorien

Neue Artikel empfiehlt jedes zweite Blog. Am letzten Wochenende ohne Internet habe ich mich hingegen mal einigen alten Artikeln, die mein Pocket seit teilweise über zwei Jahren gespeichert hatte, gewidmet. Hier eine kleine Leseempfehlung…

Ich als Alex (Sort of...)
Ich als Alex (Sort of…)

Verschwörungstheorien

Als Ergänzung zu meinem eigenen Artikel Verschwörungstheorien widerlegen empfehle ich diesen Text:

„…Eine Verschwörung gegen den Herrscher oder den Staat hat immer eine ausgeprägte zentrifugale Tendenz. Wer sich zuerst den Behörden offenbart, hat die Chance, mit einer geringen Strafe oder sogar einer Strafbefreiung davon zukommen. Allen anderen droht im Extremfall die Todesstrafe. Je länger also eine Verschwörung dauert, desto nervöser werden die Beteiligten und desto größer ist die Chance, dass sie sich unabsichtlich verraten oder einer zur Polizei geht. Daraus lässt sich auch eine weitere Regel ableiten:

‚Vor der Entdeckung einer Verschwörung kann man sich nicht schützen, wenn die Anzahl der Mitwisser drei oder vier übersteigt.‘…
Eine Jahrhunderte dauernde Verschwörung von Geheimgesellschaften wie den von Dan Brown geschilderten lluminaten ist also in der Realität nahezu ausgeschlossen…“

Thomas Grüter: Verschwörungen und ihre Theorien.

Sprachnerds

Worüber machen sich Sprachnerds Gedanken? Genau! Über so etwas:

„während meiner 1-Jährigen Abwesenheit habe ich mir Gedanken über eine kompakte und gleichzeitig auch eine komplexe Kunstsprache gemacht.“

maaskantje: Eine kompakte und komplexe Kunstsprache.

Cosplay

Und zum Schluss: Cosplay macht Spaß, oder?

P.S.: Der letzte Link wirft ein moralisches Dilemma auf. Einerseits ist die Seite nicht die Seite, die die Cosplay-Bilder zuerst postete (achtet auf das „via“ am Ende), andererseits ist die Originalseite eine verfickte Klickstrecke. Somit stand ich vor den widerstreitenden Werten: Belohne ich die Originalität und schicke meine Leser und Leserinnen auf eine SEO-Kackscheiße oder denke ich an das Wohl meiner Leserschaft und missachte stattdessen den Einfallsreichtum des ursprünglichen Bloggers. Nun, ihr seht ja, wie ich mich entschieden habe: für euer Wohl! <3