Wirklich crazy shit!

Gestern hatte ich ein kafkaeskes Erlebnis: Auf der Fahrt zur Arbeit hörte ich Logbuch Netzpolitik, in der natürlich die Vorratsdatenspeicherung ausführlich besprochen wurde. Unter anderem bezogen sich Tim Pritlove und Linus Neumann dabei auf diese Übersicht von Bundesjustizminister Heiko Maas:

Und gleich der erste Punkt hat es in sich. Denn was da so schön zusammen gefasst ist mit …

4 Wochen Speicherfrist für Mobiltelefone
Funkzelle, in der sich das Mobiltelefon befindet
Zeitpunkt des Aufenthalts in der Funkzelle

… bedeutet im Klartext nichts anderes, dass der Deutsche Staat in Zukunft ein Bewegungsprofil für die Gesamtbevölkerung haben wird. Sie. Werden. Von. Jedem. Einzelnen. Menschen. In. Diesem. Land. Zu. Jeder. Zeit. Wissen. Wo. Er. Sich. Aufhält! Das ist der feuchte Traum jedes kontrollsüchtigen „Law & Order“-Fans.

Doch das war noch nicht einmal der kafkaeske Teil meines gestrigen Tages. Der kam am Nachmittag. Direkt nach der Arbeit gingen wir nämlich als komplette Familie zu „FUN – Familie und Nachbarschaft“. Die Grundschule meiner Tochter (7) hatte uns eingeladen an diesem Programm der Stadt teilzunehmen. Und prinzipiell erschien mir die Idee, andere Eltern und Kinder aus unserem Viertel kennenzulernen, durchaus erstrebenswert. Das, was aber hinten rauskommt, wenn man diese Veranstaltung von Grundschullehrern und -lehrerinnen organisieren lässt, ähnelt dann eher einer schrägen Gruppentherapiesitzung. Wirklich crazy shit!

Aber auch das war noch nicht der kafkaeske Teil, der kommt jetzt: Denn einer der ersten Tagesordnungspunkte und noch ganz bodenständig, war unsere schriftliche Einverständniserklärung, dass die Lehrer und Lehrerinnen Fotos von uns und vor allem von unseren Kindern machen dürfen.

Wir leben also in einem Land, in dem der Staat Fotos für einwilligungspflichtig hält, aber Totalüberwachung des Aufenthaltsortes der absolut okay ist keiner zusätzlichen Legitimation bedarf …

Vorrats-WTF? – Eine Geschichte, absurder als Warten auf Godot

Unsere Bundesregierung hat jetzt beschlossen, dass wir wieder eine Vorratsdatenspeicherung bekommen sollen. Ich weiß, das klingt voll öde, aber das ist es nicht. Macht euch eine Schüssel Popcorn, öffnet ein Bier und dann lest die Geschichte zu diesem Gesetz, das da jetzt auf uns zukommt, die ist so bekloppt, dass man eigentlich nur noch darüber lachen kann.

Denn zunächsteinmal: Was heißt das eigentlich? Vorrats-Dingens … ? Das heißt, dass die Regierung, beziehungsweise die Polizei und wahrscheinlich auch die Geheimdienste alle unsere Telefonverbindungen und Internetverbindungen für zehn Wochen speichern darf. Und zwar, und das ist die Kirsche auf der Sahne auf dem Eisbecher für die Überwacher: Ohne dass es einen Anlass dafür gibt. Es muss also nicht erst ein Ermittlungsverfahren gegen dich eingeleitet worden sein, bevor abgespeichert werden darf, wann und wie oft du irgendeine Webseite – YouPorn – angesurft hast, oder mit wem du telefoniert hast – deiner Affäre – beziehungsweise wem du eine E-Mail geschickt hast – dem Tierheim, in das du das „entlaufene“ Kaninchen gebracht hast.

Du musst also nicht einmal Scheiße bauen, bevor dich der Staat durchleuchten darf. Aber so richtig drollig wird dieser Beschluss erst, wenn wir uns mal die Geschichte der Vorratsdatenspeicherung angucken. Denn, die Älteren unter uns werden sich erinnern: wir hatte sie schon einmal, die Vorratsdatenspeicherung. Als wir das letzte Mal die GroKo hatten, hat diese uns schon einmal die bittere Suppe mit Namen Vorratsdatenspeicherung eingebrockt. Das war im Jahr 2007.

Dazu ist noch wichtig zu sagen, dass die EU im Rahmen der Post-11.-September-Panik die Vorratsdatenspeicherung 2005 in eine Richtline gegossen hatte. So eine Richtlinie müssen die Mitgliedsstaaten der EU in eigene Gesetze umwandeln, sonst gibbets Haue aus Brüssel!

Hä? Warum muss die Regierung das jetzt dann noch einmal beschließen, wenn sie es doch schon 2007 getan hat?

Weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2010 gesagt hat: Vorratsdatenspeicherung? Läuft nicht, Jungs und Mädels! Ihr wisst schon, das Bundesverfassungsgericht, das sind diese Leutchen mit den lustigen roten Roben.

Q

Na ja, fast richtig….

Das Bundesverfassungsgericht, das sagt ja schon der Name, hat die Aufgabe, zu prüfen, ob ein Gesetz mit der Verfassung – unserem Grundgesetz – in Einklang steht. Und das war die Vorratsdatenspeicherung nun einmal nicht. Sie verstieß gegen Paragraph 10 der Grundrechte, also der höchsten Rechte, die die Menschen in Deutschland haben. Nach Paragraph 10 sind nämlich Briefe, Telefonate und andere Kommunikation mittels technischer Medien „unverletztlich“, also um jeden Preis zu schützen. Und die Vorratsdatenspeicherung macht eben so ziemlich das genaue Gegenteil. Tja, das hätte eigentlich das Ende der Vorratsdatenspeicherung sein sollen. War es aber nicht, weil das Gericht das Gesetz nur „in dieser Form“ kritisierte, machten sich viele aufrechte Grundrechtskritiker aus CDU und SPD daran, uns die Vorratsdatenspeicherung auf Biegen und Brechen wieder reinzuwürgen. Dieses Konstrukt scheint so etwas wie der heilige Gral der Überwachung zu sein.

Die Rolle der EU

Als gutes Argument hatten sie immer in der Hinterhand: „Wir würden ja gerne darauf verzichten, aber leider zwingt uns Brüssel dazu!“. Dieses Argument trugen die Law-And-Orderisten wie ein Banner vor sich her … bis … ja bis, die EU sie nicht mehr dazu zwang.

Denn 2014 sagte dann auch der Europäische Gerichtshof: „Hallo Leute, also irgendwie ist das nicht sooo die gute Idee mit dieser Vorratsdatenspeicherung.“

Dann änderte sich schlagartig die Argumentation. Jetzt hieß es aus Berlin auf einmal: „Tja, wenn die EU die nicht will, dann machen wir das eben ohne die EU.“

Hä?

Der lange Weg zurück auf den Olymp der Überwachung

Was in den vergangenen 12 Monaten auf das EuGH-Urteil folgte war eine Kaskade an Hirnficks, bei der sich diverse übliche Verdächtige in geschmacklosen wie zusammengelogenen Argumenten für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung überboten.

Ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die Bürgerrechte einzuschränken, ist ja immer die Gewerkschaft der Polizei. Die quängelte bereits im August 2014: „Och menno, wir wollen sie aber zurück!“ Wobei das Zauberwort bei dieser wie aller kommender Forderungen lautete: diesmal solle die Vorratsdatenspeicherung aber wirklich „verfassungskonform“ sein! Wie? Who cares …

Spannend ist auch, das im gleichen Zeitraum das Max-Planck-Institut eine Studie veröffentlichte, die belegte, dass die Vorratsdatenspeicherung auch noch NUTZLOS IST!

Und da die CDU niemanden vorpreschen lassen möchte, wenn es darum geht die freiheitsfeindlichste Frieda im ganzen Land zu sein, beschloss sie eben – zugegeben nach einer kleinen Anstandsfrist – im Dezember 04 auf ihrem Parteitag, dass die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt werden soll. Scheiß doch auf die Urteile der beiden höchsten Gerichte!

Gleich Anfang Januar legte dann die CSU nach, indem sie sich nicht lange mit Scham oder Taktgefühl aufhielt, sondern über den Opfern der Anschläge auf Charlie Hebdo nach einer neuen Vorratsdatenspeicherung krakelte. Dass Frankreich zum Zeitpunkt der Anschläge über genau so eine Maßnahme verfügte, war da ja nur ein kleines Detail am Rande, das man wirklich vernachlässigen kann.

Siggis Mission

Und hier beginnt nun eine der erstaunlichsten Abenteuerreisen seit Odysseus. Denn was CDU und CSU recht ist, das ist Sigmar Gabriel nur billig. Der Mann hat ein Mission: Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und dafür ist ihm keine Lüge zu weit hergeholt. Mitte Januar begann er aber noch zurückhaltend, indem er dieses Gesetz erst einmal nur forderte.

Am 17. März machte sich Gabriel dann aber daran, die Wahrheit zu verbiegen, solange es nur seinem Zweck diente: Siener Darstellung nach war nämlich der Terrorist Anders Breivik wäre 2011 in Norwegen nur wegen der Vorratsdatenspeicherung überführt worden. Das Breivik auf frischer Tat ertappt wurde und die VDS in Norwegen zum Tatzeitpunkt auch noch gar nicht in Kraft war, tja, das sind so Details, die kann Herr Gabriel doch vernachlässigen, wenn es um die gute Sache geht.

Eine Woche später meinte Gabriel dann, dass die Vorratsdatenspeicherung beim letzten Mal sowieso nur gekippt sei, weil Schwarz-Gelb das damals verbockt habe. Äääähm, Moment mal, da muss ich noch mal kurz nach oben scrollen … Aber da steht doch, dass die GroKo die damals eingeführt hat … Tja, das ist so egal wie für Herrn Gabriel die Wahrheit.

Aber vergangene Woche, am 8.4. toppte Gabriel noch alles, was er und seine Gesinnungsgenossen bis dato an Geschmacklosigkeiten von sich gegeben hatten und behauptete allen Ernstes, mit der VDS wären die NSU-Morde verhindert worden.

facepalm

Ja klar, ein Mangel an Informationen war genau das, was den NSU nicht aufhalten konnte. Ich verweise ohne weitere Worte einfach nur auf den Abschnitt „Rolle der Verfassungsschutzbehörden“ im Wikipedia-Artikel zum NSU.

Tja, aber wie es aussieht, war Gabriel erfolgreich, denn heute hat er seine Mission im Bundekabinett erfolgreich zum Abschluss gebracht. Gratulation, uns allen!

Happy Clap!

Von einem, der auszog, ein Auto zurückzugeben

Wir hatten uns am Wochenende ein Auto ausgeliehen, um mit Sack und Pack die Verwandtschaft zu besuchen. Das klappte auch erstaunlich gut. Meine Tochter (7) schaute auf der Hinfahrt „Frozen“ und auf der Rückfahrt „Ice Age“, meine Tochter (0) amüsierte sich erst köstlich, ob der neuen Lebenssituation im Babysafe, schlief dann schön und erst nach drei Stunden wurde sie motzig. Die Dame, die noch vor Fahrtantritt hoffte, dass wir keinen Mercedes bekommen, erfreute sich am Fahrkomfort der B-Klasse und will sie jetzt – falls wir unerwartet zu einer Geldschwämme kommen sollten – sofort kaufen. Sonntagabend haben wir Kinder und Gepäck schnell ausgeladen, bevor ich zur Tanke und dann zur Rückgabe fuhr. Zumindest war das der Plan …

Die Tankstelle ist brechend voll und als ich schließlich an eine Säule rollen darf, stelle ich fest, dass der Dieselzapfhahn defekt ist. Da die Tanke aber keine Möglichkeit bietet, dass ich wende, um mich wieder hinten anzustellen, muss ich folgendes Fahrmanöver anstellen, UM ZU TANKEN:

Der Weg zur Tanke, Screenshot von Open Street Maps. Lizenz: CC BY-SA 2.0.
Der Weg zur Tanke, Screenshot von OpenStreetMap. Lizenz: CC BY-SA 2.0.

Nun gut, nachdem ich das endlich geschafft hatte, konnte ich das Auto endlich zur Vermietung zurückbringen. Ich also Auto da abgestellt, ganz fachmännisch noch alle Fächer kontrolliert, auch unter die Sitze geguckt und dann den Schlüssel in den dafür vorgesehenen Briefkasten geworfen.

Als ich fünf Minuten später wieder zuhause ankomme, durchsuche ich meine Taschen vergeblich nach meinem Schlüssel. Schlüssel! Ja, Pustekuchen, wie Tekla sagen würde. Anscheinend habe ich den in der Wohnung liegen lassen, als ich vorhin das Gepäck hochgetragen habe. Also klingel ich und die Dame fragt mich an der Gegensprechanlage, warum ich denn schellen muss.

Ich so: „Ich habe meinen Schlüssel vergessen.“
Die Dame so: „Ja, Pustekuchen, wie Tekla sagen würde, dein Schlüssel hängt nicht am Brett.“

Nach einer geschickten Verhandlung bringe ich die Dame schließlich dazu, gnädigerweise auf den Summer zu drücken und mich einzulassen. Oben kontrolliere ich dann alle Orte, an denen ich gewöhnlich meinen Schlüsselbund ablege: auf dem Küchentisch, Couchtisch, Schreibtisch, Schuhschrank, im Kühlschrank, unter der Fußmatte, an der Türklinke und im Windeleimer. Aber: Ja, Pustekuchen, wie Tekla sagen würde.

Anscheinend habe ich trotz fachmännischer Kontrolle, den Schlüssel ganz fachmännisch im Leihwagen vergessen. Nun ist es so, dass ich normalerweise und in 90% aller Fälle, die Sache einfach auf sich hätte beruhen lassen. Ich hätte mich aufs Sofa geflackt, die Timeline gecheckt, eine Folge 30 Rock gesehen und wäre am Montag nach der Arbeit zur Autovermietung, um mich dort nach meinem Schlüssel zu erkundigen.

Aber an nämlichen Sonntag ließ mir das dann doch keine Ruhe. Ich also wieder zurückgetigert zur Autovermietung und nach einem fachmännischen Blick durchs Fenster des Autos sehe ich meinen Schlüsselbund auf dem Beifahrersitz liegen. Und nach einem zweiten fachmännischen Blick sehe ich, dass ich Vollprofi den Leihwagen ganz fachmännisch NICHT ABGESCHLOSSEN HABE, bevor ich den Schlüssel in den dafür vorgesehenen Briefkasten warf. -.-

Ich habe dann alle Knöpfe an den Türen runtergedrückt, um diese zu verriegeln und den restlichen Sonntag über inbrünstig dafür gebetet, dass kein Spaßvogel aus Spaß mal versucht, ob sich der Kofferraum des Leihwagens öffnen lässt und ob er oder sie nicht dadurch in den Wagen einsteigen und den Bordcomputer klauen kann.

Heute ist Dienstag, bislang habe ich noch keinen Beschwerdeanruf von der Autovermietung bekommen. Ich warte … Aber zumindest habe ich meine Schlüssel wieder.