Video der Woche – Wahlwerbespot

Drüben auf der Privatsprache hatte ich mal eine Rubrik, die hieß „das Video der Woche“. Leider schlief die ein, weil ich schon ewig mal das CMS auf Privatsprache wechseln wollte. Aber ich komme nicht dazu. Deshalb wird sie jetzt einfach mal hierhin ausgelagert…

Und da ihr demnächst mal wieder wählen gehen sollt, kommt hier die Motivationsspritze! Wahrscheinlich kennt ihr ihn alle schon, aber er ist so schön, dass man ihn ruhig öfter sehen kann: Der Wahlmotivationsspot der IG Metall. Ich habe übrigens schon gewählt… Per Post. Übrigens habe ich erst zum zweiten Mal in meiner 15 jährigen Karriere als Wähler per Briefwahl gewählt. Das ist mir sonst irgendwie nicht feierlich genug…

 

Online-Pranger

Im Internet prangert man gerne an. Aber noch lieber wird der Pranger als Totschlagsargument benutzt. Im digitalen Raum, wo wir alle anonym sind, ist es ein Sakrileg uns jenseits unserer selbstgewählten Pseudonyme zu benennen. Uns hinter unseren Avataren hervorzuziehen und ins grelle unbarmherzige Licht der Online-Öffentlichkeit zu stellen, das ist eine Sünde, das ist unzivilisiert.

Allein die Frage ist: ist auch alles Pranger, was Pranger genannt wird?

Die Wikipedia nennt in ihrer Definition des Prangers vier, mir wichtig erscheinende Kriterien:

  1. Der Pranger ist ein Strafwerkzeug
  2. Der Pranger dient der öffentlichen Vorführung
  3. der Angeprangerte ist an den Pranger angekettet
  4. Der Pranger ist eine „Ehrenstrafe“, die angeprangerte Person wird also als ehrlos dargestellt, sie soll sich schämen

Soweit die Wikipedia. Ich möchte dem mit Blick auf die zeitgenössische Verwendung hinzufügen:

5. Es ist für das Anprangern wesentlich, dass eine Person oder ein Sachverhalt in den öffentlichen Raum gezerrt wird, der zuvor nicht dort war.

Mit dem Internet haben wir einen riesigen ‚Athener Marktplatz‘ geschaffen, auf dem jeder reden kann. Menschen, die dort sprechen, können für diese Rede, die sie freiwillig in den öffentlichen Raum stellen, nicht angeprangert werden.
Sie können freilich in anderen Aspekten ihrer Persönlichkeit oder mit nicht-öffentlichen Aussagen und/oder Handlungen angeprangert werden. Außerdem können andere Formen der Bezugnahme auf ihre Aussagen stattfinden: Empörung, Verurteilung etc. Aber eben nicht das Anprangern, den dem ist wesentlich, dass etwas aus dem Privaten oder Geheimen herausgeholt wird.

Einen Paradefall eines solchen Online-Prangers berichtet Udo Vetter in „Blackbox Urheberrecht“ (Ja, ich höre nicht auf mit der schamlosen Eigenwerbung.) Indem er darüber schreibt, dass eine Abmahnkanzlei die Klarnamen und Adressen von Filesharern, die Pornos geteilt hatten, veröffentlichen wollte. Erst ein Gericht stoppte das Vorhaben der Kanzlei, um die Persönlichkeitsrechte der Sharer zu schützen.

Auf diesen Fall treffen alle fünf oben genannten Aspekte zu:

1. Die Kanzlei wollte die Sharer mit dem Online-Pranger bestrafen.
2. Die Sharer sollten öffentlich dargestellt werden.
3. Metaphorisch wären sie angekettet gewesen, da der Pranger auf einer Webseite stattgefunden hätte, die sie selbst nicht hätten editieren können.
4. Gerade weil es sich gezielt um Pornoliebhaber handelte, war dies ganz klar eine Ehrstrafe
5. Und es sollten Daten über die Filesharer veröffentlicht werden, die die Kanzlei erst von den Providern der Angeprangerten in Erfahrung bringen musste. Fraglos also Daten, die zuvor nicht im öffentlichen Raum standen.

Lasst uns mal wieder etwas abschweifen…

Ihr fragt euch vielleicht, worauf ich hinaus will. Aber sicher ahnen es viele von euch schon: das sogenannte #om13gate. Die Piratenpartei hat eine jährlich Konferenz: die Open Mind. Auf dieser hielt dieses Jahr Jasna Lisha Strick alias @Faserpiratin einen Vortrag über Hatespeech gegenüber FeministInnen.

Um diesen Vortrag brach sodann eine Kontroverse aus, in der Strick von Seiten ihrer Gegner immer wieder vorgeworfen bekam, sie hätte die pöbelnden AntifeministInnen an den Online-Pranger gestellt. Das ganz kulminierte darin, dass eine vermeintliche 19jährige namens @ochdomino (Account mitlerweile gelöscht; 28.11.13) sich von den AnhängerInnen der FeministInnen so sehr angegriffen fühlte, dass die vermeintliche „Sie“ ihren Blog löschte und ihren  angeblichen Vater ein Statement schreiben ließ, worin er sich empörte, dass @ochdomino von den gemeinen FeministInnen fertiggemacht worden sei.
Mittlerweile hat der Blogger, Autor und Kolumnist Malte Welding die Behauptung in den Raum gestellt, besagte @ochdomino und alles drumherum seien der Fake einer PR-Agentur. Welding hat dafür keine Beweise vorgelegt, aber er tauchte auf meinem Radar in der Vergangenheit stets als glaubwürdig auf, zumal er sich gelegentlich selbst moderat feminismuskritisch gezeigt hat.
Interessant wie hervorsehbar ist, dass die Geschichte vom Augenblick der Enthüllung des Fakes dahingehend umgedeutet wurde, dass es von nun an gar nicht mehr wichtig sei, ob @ochdomino echt gewesen ist, denn schließlich habe es ja die Angriffe und vor allem den Pranger der Feministinnen gegeben. Anlass genug für mich den langen Bogen zurückzuschlagen…

Treffen die fünf Kriterien für einen Online-Pranger auf den Vortrag von Jasna Lisha Strick zu?

1. Es handelte sich um einen Vortrag auf einer recht kleinen Konferenz. Die Vorträge sind auf YouTube zu finden und haben allesamt Abrufzahlen im zweistelligen oder dreistelligen Bereich. Und sogar der Vortrag von Strick kommt zum jetzigen Zeitpunkt nicht über 2500 Klicks hinaus. Das Thema des Vortrags war, empirische Beweise für derartige Hatespeech zu zeigen. Man kann dem Vortrag vorwerfen, dass er inhaltlich recht schwach ist, da er über eine reine Phänomenbestimmung anhand von etlichen Stichproben nicht hinauskommt. Ich hätte mir weniger Fallbesispiele und mehr Analyse gewünscht, aber das alles ist doch von einer Bestrafung wirklich sehr weit entfernt.

2. Der Vortrag wurde auf einer öffentlichen Konferenz gehalten und ist auf YouTube abrufbar. Die Anfeindungen von Stricks Gegnern werden, wie in 1. bereits erwähnt ausführlich präsentiert. Entsprechend ist das Kriterium der Öffentlichkeit gegeben.

3. Die vermeintlich angeprangerten hatten keine Möglichkeit, nicht in dem Vortrag zu erscheinen, außerdem fehlt ihnen die Möglichkeit, sich aus diesem wieder herauszunehmen. Metaphorisch gesprochen sind sie an diesen gekettet.

4. Von einer „Ehrenstrafe“ könnte hingegen nur dann die Rede sein, wenn den präsentierten AntifeministInnen ihre Aussagen peinlich wären, wenn sie sich ihrer schämen würden. Aus den Statements, die ich so gelesen habe, konnte ich das nicht entnehmen.

5. Aber, und das ist der wichtigste Punkt: Alle Beispiele stammten aus dem öffentlichen Raum: von Twitter, aus Blogs und Kommentarspalten. Von einem Pranger kann aber schlichtweg nicht die Rede sein, wenn nur etwas wiederöffentlicht  wird, das der Angeprangerte selbst in die Öffentlichkeit gestellt hat.

Formen der Referenz

Ein Pranger ist eine Form der Referenz: er nimmt auf eine Sache Bezug, die der Öffentlichkeit bislang unbekannt war und referenziert diese gegen des Willen des Urhebers.

Wir haben im Falle des #om13gate aber mit einer ganz anderen Form der Referenz zu tun als mit einem Pranger: mit einem Zitat. Strick referenziert auf öffentliche Aussagen unter Angabe der Quelle. Das ist nichts Ehrenrühriges, das ist im Gegenteil einzig korrekte Weg zu zitieren.

Und hier muss ich noch einmal ganz schamlos Werbung machen und Jürgen Schönstein zitieren:

Wenn ich als Wissenschaftler die Ideen anderer in meinen Arbeiten verwende, dann bediene ich mich an deren geistigem Eigentum. Wenn ich die Zeilen aus einem Heinrich-Heine-Gedicht rezitiere, dann leihe ich mir dessen geistiges Eigentum. Wenn ich ein Creative-Commons-Foto, das ich auf Flickr gefunden habe, in mein Blog stelle, dann nehme ich mir ein Stück fremden geistigen Eigentums. Und bezahle dafür mit dem Hinweis, wessen Forschungsbericht, wessen Gedicht, wessen fotografisches Werk ich hier verwende. Und umgekehrt verpflichte ich mich, dieses Eigentum dahingehend zu respektieren, dass ich es schonend und korrekt behandle: dass ich die Fakten und Erkenntnisse des Wissenschaftlers nicht verfälsche (und beispielsweise behaupte, Darwin habe die Existenz eines intelligenten Designers postuliert) oder ein Heine-Gedicht nicht für antisemitische Propaganda verwende und das Foto nicht in einem verfälschenden und verzerrenden Zusammenhang verwende.

Jürgen Schönstein: Geistiges, Eigentümliches … und Walderdbeeren. In: Daniel Brockmeier (Hrsg.):Blackbox Urheberrecht. Frankfurt 2013.

Die wirklich spannende Frage ist also, hat Jasna Lisha Strick korrekt zitiert? Und dagegen habe ich erstaunlicherweise keine Einwände gehört oder gelesen. Allenortes war nur die Empörung groß, dass sie Pseudonyme und Avatare nicht geschwärzt habe, aber nirgendwo habe ich gelesen, dass sie die Hater falsch zitiert habe. Das aber heißt, dass die Zitierten wohl durchaus zu ihren menschenverachtenden Aussagen stehen.

Das war es von mir zum Online-Pranger. Schalten Sie auch beim nächsten Mal wieder ein, wenn ich jenseits der Aufregung mal logisch an die Sachen rangehe… 😉

Ich bin raus!

Die Idee zu Blackbox Urheberrecht I

… noch 25 Tage.

Am 15 September erscheint Blackbox Urheberrecht auch auf Papier im JMB Verlag. Übrigens könnt ihr es schon jetzt vorbestellen. Um euch und mir die Wartezeit zu verkürzen, wollte ich ein paar Geschichten rund um das Buch, das Urheberrecht und die Autoren erzählen. Und heute fange ich an mit der Geschichte, wie ich auf die Idee kam, das Buch herauszugeben.

Guy Fawkes Mask (Brian Chan)

Bild: Guy Fawkes Mask (Brian Chan) von Gabe Rosiak. Lizenz: CC-BY 2.0.

Das E-Book

Eigentlich sind das zwei Geschichten. Die erste ist die, wie ich auf die Idee kam ein E-Book zu veröffentlichen und die zweite ist jene, wie ich auf das Thema kam. Die Idee mit dem E-Book ist schnell erzählt: Von 2010 bis 2012 machte ich ein Volontariat im m.w. VERLAG hier in Frankfurt. Dort habe ich dann ab 2011 gelernt, wie man E-Books layoutet und vertreibt. Dabei habe ich auch gelernt, dass E-Books keinen Verlag mehr voraussetzen. So entstand die Idee, das auch zu versuchen. Und da es schon eine ganze Menge gelungener Experimente von Menschen gab, die ihr eigenes Buch über Amazon und Co. verkauft hatten, wollte ich eben mal etwas anderes versuchen, nämlich, ob ich nicht auch eine Anthologie ganz ohne Verlag herausbringen kann. Wie das geht, beschreibe ich ausführlich auf meinem anderen Blog.

Das Urheberrecht

Doch wie kam ich auf die Idee mit dem Urheberrecht? Nun, das lag 2012 irgendwie in der Luft… Fast im Wochentakt kamen neue provokante Texte oder Ereignisse rund ums Urheberrecht aufs Tapet. Ich habe das in „Blackbox Urheberrecht“ in einer Zeitleiste alles aufgelistet. Aber ich will hier zumindest mal ein paar der zentralen Ereignisse wiedergeben. Der erste Höhepunkt ereignete sich bereits im Dezember 2011. Anonymous griff die Webseite der Gema mit sogenannten DDoS Attacken an.

DDoS Atacken sind „distributed denial of service“-Attacken. Grob gesprochen wird dabei durch ein Computerprogramm, das auf möglichst vielen Rechnern gleichzeitig ausgeführt wird, die Webseite in möglichst kurzer Zeit möglichst oft aufgerufen. Das erfolgt so lange, bis der Server, auf dem die Webseite liegt, die Anfragen nicht mehr verarbeiten kann und abstürzt. Im kleinen, alltäglichen Umfang kann man sich das Prinzip auf eBay angucken. Ihr habt euch vielleicht schon einmal gefragt, warum diese Millionen Euro schwere Seite so langsam ist. Man sollte doch meinen, dass eBay genug Kohle haben müsste um ein paar flotte Server aufzustellen. Wahrscheinlich könnte eBay auch tatsächlich noch so manches an Performance herauskitzeln, aber es hat auch ein großes Problem: tausende Nutzer sitzen vor ihren heimischen Computern und aktualisieren unentwegt die Webseite, um zu prüfen, ob sie bei einer Auktion überboten wurden. Das heißt: der Server muss rund um die Uhr kleine DDoS-Attacken verkraften… Doch zurück zu Anonymous.

Es ist kompliziert, Anonymous irgendetwas zuzuschreiben, da jeder, der sich mit den Zielen von Anonymous identifiziert, im Namen von Anonymous Aktionen durchführen kann. Diese Barrierefreiheit wurde so manchem zum Verhängnis, der sich an den DDoS-Attacken beteiligte, weil er wohl nicht damit rechnete, dass ihm irgendetwas passieren könnte, als er die Gema angriff, „ohne den elterlichen Keller zu verlassen“, wie es ein Anon im Interview mit mir nannte. Ich habe Anonymous nämlich für Blackbox Urheberrecht interviewt. Was mich natürlch vor einige Schwierigkeiten gestellt hat, aber davon berichte ich ein anderes Mal. Im Interview habe ich sie auch gefragt, warum sie die GEMA angegriffen haben. Und die Antwort der Anons lautete, dass der Grund die Sperrung von Internetinhalten durch die GE sei:

„Die Sperrung von Internetinhalten ist ein ganz großes NO GO. Gerade Sperrung von Internetinhalten aus Copyrightgründen sind ein noch größeres NO GO. Solche Methoden werden mit großer Vorliebe von Extremisten benutzt, denen die Argumente für die eigene Position/Existenz ausgegangen sind: Sekten und Kulte, Kreationisten, totalitäre Organisationen und Regime und die GEMA.“

Anonymous: Es ist nicht einzusehen, dass man einmal einen Hit schreibt und hinfort sorgenfrei im Reichtum lebt. In: Daniel Brockmeier (Hrsg.): Blackbox Urheberrecht.

Das nächste Ereignis im Januar 2012, das mich zu meiner Themenwahl führt war die spektakuläre Abschaltung von Megaupload, aber von der erzähle ich euch das nächste Mal…

Unsere Gleichgültigkeit kotzt mich an

Da wird die größte Grundrechtsverletzung seit 1989 aufgedeckt und alles, was wir machen, ist zynische Witze zu reißen.

 

Von wegen: War doch schon immer klar, dass meine E-Mails mitgelesen werden, darf ich halt nichts sensibles schreiben.

Mal ganz abgesehen davon, dass sich das gar nicht umsetzen lässt, ist das gar nicht der Punkt, sondern die gleiche fucking Argumentation, die mir Konservative in Sachen Videoüberwachung entgegnen: wenn du nichts zu verbergen hast, hast du auch nichts zu befürchten.

Aber dabei geht es bei Grundrechten nicht. Meine Grundrechte sollen mich vor staatlicher Willkür schützen und sie aufzugeben, heißt nichts anderes, als dem Totalitarismus die Tür aufzuhalten. Klar kann man jetzt sagen, dass ich übertreibe, weil unser System im großen und ganzen noch demokratisch funktioniert, aber Fakt ist auch: Seit 2001 werden unsere Grundrechte Stück für Stück eingeschränkt, immer nur in ganz kleinen Schritten und wir machen nichts weiter, als jedes Mal zurückweichen und zynische Sprüche zu klopfen. Und uns hier und da mal ein bisschen aufzuregen.

Und nur, weil jetzt noch nicht alles am Arsch ist, heißt das nicht, dass es immer so sein wird. Unsere Grundrechte sollen uns vor dem nächsten Hitler schützen, und nur weil der noch nicht vor der Tür steht, heißt das nicht, dass er nicht in 10, 20 oder 50 Jahren anklopft.

Wir haben einen Verfassungsschutz, der zumindest seinem Namen nach meine Grundrechte schützen sollte. Und: nein, ich habe keine Ahnung, ob der im aktuellen Fall überhaupt zuständig wäre, wegen Auslandsspionage und so. Aber er würde ja eh nichts unternehmen, weil er stattdessen lieber Neonazis alimentiert und die Linkspartei überwacht, nur weil die der scheiß DDR hinterhertrauern.

Und es ist auch total egal, was ich wähle! Weil alle Parteien, die jetzt ins liberale Horn blasen, am Ende doch wieder mit CDU oder SPD koalieren müssen und wir dann eh wieder den nächsten Innenminister à la Schily haben. Und beim nächsten Überwachungsplan werden wegen des Burgfriedens Koalitionsfriedens wieder unsere Grundrechte geopfert. Und natürlich schreit die SPD jetzt wieder am lautesten! Aber das ist doch auch nichts anderes, als das Lippenbekenntnis eines Alkoholikers, dass er nie wieder trinken wird.

Und auch der ganze Antiamerikanismus in der aktuellen Debatte ist voll für den Arsch, weil in Sachsen eben auch einfach mal, wegen einer ANTI-NAZI-DEMO(!) ALLE Handydaten ausspioniert werden, wenn es irgendeinem reaktionären Polizeipräsidenten in den Kram passt. Und danach kommt ein Richter und sagt: „Du, du, du …. Das war aber nicht okay von dir“. Und das Arschloch senkt mal kurz das Haupt, nur um es in der nächsten Situation wieder genauso zu machen.

Also, falls ihr es nicht gemerkt habt: ich bin sauer! Und zwar auf uns! Unsere Gleichgültigkeit kotzt mich einfach an!

Wie du nicht willst, dass man dich nervt…

mspr0 schrieb im Rahmen der Debatte um den Adblocker am 24.05.2013 dass Werbung sozial sei, weil damit ärmere User von Reicheren, auf die die Werbung abzielt, mitgetragen werden und so ein kostenloses Internet ermöglicht wird. Hingegen hierarchisieren Paywalls Informationen und halten die Armen außen vor. Ich kommentierte dort lapidar:

Wenn ich deinen Ansatz weiterdenke, solltest du dann nicht entweder auf den Adblocker verzichten, um das freie Netz zu unterstützen, das dich quersubventioniert. Oder aber den Reichen ihre Paywalls und Premiumaccounts als eine andere Spielart der Filtersouveränität zugestehen?

Diesen Gedanken möchte ich hier etwas weiter ausführen. Dahinter steht natürlich wieder einmal Kant mit dem kategorischen Imperativ:

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten.

Das Prinzip ist ganz einfach… Du sollst deine eigene Handlungsweise verallgemeinern und schauen, ob sie dann noch funktioniert. Im Falle des Adblockers bedeutet das: wenn alle die Werbung blockieren, lohnt es sich nicht mehr, auf Webseiten Werbung zu schalten und den Webseiten wird nichts anderes übrigbleiben, als andere Finanzierungsmodelle wie etwa Paywalls einzuführen.

Allerdings ist dieser Gedanke etwas zu kurz gefasst. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Adblocker seinerseits nicht Ursache, sondern Wirkung war. Mittel meiner Filtersouveränität, wie mspr0 es nennt. Denn zuerst war da nicht der Wille der User, jegliche Werbung auszublenden, sondern zuerst war da Werbung, die sich bewegte und blinkte, um meine Augen vom Text weg hin zur Reklame zu ziehen. Werbung, die Geräusche machte, damit ich die Tabs durchsuchen musste, welcher denn derjenige ist, der da nervt. Und die Höhe der Dreistigkeit: Werbung, die sich über meinen Text schob, mich also aktiv daran hinderte, die Informationen zu erlangen, um derentwegen ich überhaupt auf die Seite kam. Gekrönt manchmal noch dadurch, dass die Ikonographie des Kreuzes, die im Digitalen IMMER „schließen“ bedeutet, zum Öffnen der Seite missbraucht wurde.

Diese Werbeformen sind natürlich ihrerseits dem kategorischen Imperativ unterworfen. Wenn wir diese Methoden zum allgemeinen Gesetz erheben, dann haben wir ein lärmendes, blinkendes Netz, das mich aktiv daran hindert, dass ich es zum Medium für meine Botschaft nutzen kann. Und die Pointe ist: genau das war die Ausgangssituation, in der Adblock Plus 2006 seinen Siegeszug antrat.

Es waren nicht wir User, die bösartig die Webseiten daran hindern wollten, Geld zu verdienen (Eine Legende rund um die Kostenloskultur, die im Zusammenhang mit Leistungsschutz- und Urheberrecht allzu gerne gepflegt wird), es waren die Webseiten, die uns belästigten. Jetzt ist es aber so, dass bei Internetwerbung im Gegensatz zur Werbung in anderen Medien, das Risiko vom Werbenden auf den Werbeplatzanbieter übertragen wurde. Während ich für eine einseitige Anzeige im Spiegel 64.078 Euro zahlen muss, ohne vorher zu wissen, wie viele Leser die Seite überhaupt aufschlagen oder gar am Ende meine Dienstleistung nutzen, muss ich als Werbende auf Webseiten oft nur pro Klick auf die Anzeige zahlen oder gar, wie bei den Amazon-Affili-Links (die ich hier übrigens auch gelegentlich nutze, ihr erkennt das dann am Rollovertext) nur bezahlt werde, wenn es beim Werbenden tatsächlich zu einem Kaufabschluss kam. Die vorherrschende Meinung ist daher, dass Werbung möglichst aufdringlich zu sein habe, damit sie Wirkung erzielt, im schlimmsten Fall sogar so sein müsse, dass die Klicks gar nicht gewollt, sondern gegen den Willen des Users zustande kommen. Werbung, die nicht stört, sei nutzlose Werbung, da sie ja schließlich vom User nicht bemerkt würde. Dazu kann ich nur eines sagen:

Seid ihr wirklich so einfallslos?

In diesem Land fließen jährlich Millionen Euro in Werbung. Werbung, wie wir sie kennen, gibt es seit über 150 Jahren, Internetwerbung seit etwa 20 Jahren. Ihr habt eure eigene Kulturform, euer eigenes Sprachspiel geschaffen und dennoch fällt euch nichts besseres ein, als zu nerven? Belästigung ist für euch die Spitze der Kulturtechnik? Ich bitte euch, liebe Werberinnen und Webseitenbetreiberinnen, das ist nur armselig.

Szenenwechsel

In einem Youtube-Clip sitzt ein Zeichner vor einer Leinwand, man hört Interviewfetzen von Frauen, die erzählen, dass es sich um einen Phantombildzeichner der Polizei handelt. Diese Werbung der Marke Dove kennt mittlerweile fast jeder, sie wurde mir auf sämtlichen sozialen Medien etliche Male in jede Form von Timeline gespült. Bald schon wurde sie variiert, zitiert und parodiert. Kurz: zu einem Mem. Der kurze Clip hat es in den Olymp der Werbespots geschafft, er wurde viral. Warum? Weil er nervte? Gut, er nervte in seiner Omnipräsenz bestimmt den einen oder anderen. Aber er nervte nicht, weil der Werber ihn absichtlich nervig erstellt hat. Im Gegenteil: sehr viele Menschen schauten sich den Spot an, weil sie es wollten. Weil sie ihn gut fanden, teilten sie ihn. Also erzählt mir bitte nicht, dass Werbung aufdringlich sein muss!

 

 

Und bevor ihr jetzt jammert: „Okay, im Video geht das, das ist etwas anderes, aber Bannerwerbung oder gar Textwerbung, die hat doch gar keine Chance so zu wirken!“ Sage ich nur: Deine Mutter liest SpOn ohne Adblocker!

Oh! Was ist das? Ja, in der Tat: ein textbasiertes Mem. Also schiebt bitte nicht eure Ideenlosigkeit auf das Medium. Wer wissen will, wie man kreativ mit Texten und Bildern arbeitet, so dass es ansprechend ist, dem empfehle ich: setzt euch einfach mal eine oder zwei Stunden vor Tumblr. Dort zeigen euch eure Kinder, wie das geht.

Aber bevor ich jetzt gehe und mit dem Rant ende, werde ich den Bogen zurückschlagen und dem kategorischen Imperativ folgend nicht mehr tit for tat geben, sondern im Sinne Herrn Gigerenzers euch ein tit Vorsprung einräumen und Ausnahmen in meinem Adblocker definieren: auf allen Seiten, die ich regelmäßig besuche, werde ich mir wieder Werbung anzeigen lassen. Aber ich warne euch: beim ersten Mal, da ich wieder von euch genervt sein werde…..

 

Seid ihr raus!

Literatur:

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Gerd Gigerenzer: Bauchentscheidungen

Ins Internet schreiben

Ich habe die Perspektiefe – den Blog der Privatsprache – hierhin ausgegliedert. Warum? Na ja, wie man leicht sieht, bin ich doch zu WordPress zurückgekehrt. Die Domain läuft mit typo3, doch nachdem ich in den vergangenen Wochen vergeblich daran gebastelt habe, die Kommentar-Funktion zum Laufen zu bringen, und obendrein steht mein E-Book-Blog im Suchmaschinenranking mittlerweile besser da als die Domain – was zwar einerseits am Thema aber andererseits sicher auch am saubereren Code liegt.

Dennoch bin ich nicht ganz bereit, mein typo3-Experiment aufzugeben, denn ich sehe durchaus, dass typo3 wesentlich leistungsfähiger ist als WordPress, wenn es nur nicht so kompliziert wäre…

2011 bin ich zu typo3 gekommen, wie das kam, möchte ich kurz berichten. 2005 zog ich in eine WG und konnte mir erstmals DSL leisten. Damals begann meine Textproduktion im Internet. Wir hatten im Freundeskreis ein erstes Blog bei Twoday. Das viel länger lief, als ich es in Erinnerung hatte, die letzten Posts sind von 2010. Allerdings war mir dieses Blog schnell zu unflexibel. Daraufhin landete ich zuerst in einer ganz anderen Ecke: ich trieb mich zwischen 2005 und 2008 sehr viel in Foren rum und schrieb dort meine Texte. Das war auch der Grund, warum ich lange keinen Zugang zu sozialen Netzwerken fand. Denn nachdem ich mich – wie alle – bei StudiVZ angemeldet hatte, fand ich das alles viel zu statisch. Es ging da nur um Selbstdarstellung und es fanden quasi keine Dialoge statt. Jeder aktualisierte nur seine Profile und gründete Gruppen mit doofen Namen, aber wenn ich mal versuchte, etwas in die Gruppen zu schreiben, blieb schlichtweg das Feedback aus. Während man in einem Forum auf eine einfache Frage binnen Minunten zwar keine Antwort aber mindestens fünf Beschimpfungen und 13 Spamkommentare erhielt.

2010 startete ich dann mein nächstes Blog-Experiment. Damals bereits unter dem Namen Perspektiefe. Ich plante über die kognitive Entwicklung von Kindern zu promovieren, weshalb ich diesen Themenkomplex aufgriff. Allerdings wollte ich auch so etwas wie ein Online-Enzyklopädie mit dem Timestream und dem p.Lex (mittlerweile offline; 28.11.13 -db) zum Thema schaffen und nicht „nur“ bloggen. Und für genau diesen Zweck war und ist mir WordPress nicht flexibel genug, das funktioniert mit typo3 einfach besser.

Jetzt hat sich meine „Karriere“ *hüstel* aber in eine andere Richtung entwickelt und ich bin – vorerst – etwas von der kindlichen Entwicklung abgekommen und schreibe wieder vermehrt einfach meine Gedanken in dieses Internet, und das will ich schnell und ohne hohe technische Hürden machen. Daher bin ich wieder hier. Mit WordPress.

 

Ich bin raus.

Deiner Mutter ihre Geschichte!

 

Es war ein Tweet – wie so oft – der Stern.de-Redaktion – eher selten – der im Hause Privatsprache die Frage aufwarf, woher sie eigentlich stammen, die „Deine Mutter“-Witze. Artikuliert wurde die Frage von der Dame und zu ihrem Glück wusste meiner einer eine ausführlichere Antwort zu geben, als die Wikipedia, die sich weitgehend auf die frühesten Anfänge vermutlich in den 60er-Jahren auf US-amerikanischen Schulhöfen, das „Playing the dozens“ beschränkt.

Doch wie fand „Deine Mudder“ von amerikanischen Schulhöfen den Weg auf deutsche Facebookseiten, in deutsche Tweets und deutsche Redaktionen?

Ich habe mich ein wenig umgeschaut und die Erklärungen sind allesamt recht dürftig. Deshalb hier mein Versuch der Einordnung:

Gehen auch wir ein Stückchen zurück und wechseln dabei über den großen Teich auf den amerikanischen Kontinent, nähern uns den USA, der Stadt New York, dem Stadtteil Bronx. Wir befinden uns in den späten 70er und frühen 80er Jahren. Damals waren die Bronx wohl einer der am wenigsten attraktivsten Orte der westlichen Hemisphäre. Gangs bekämpften sich und Gewalt war allgegenwärtig. In dieser Zeit wurde eine neue Musik geboren, die sich schnell zu einer eigenen Kultur entwickelte: Hip Hop. Und um „Die Kinners von der Straße zu holen“ kamen die ersten Stars der Szene auf eine Idee, die sie „Battle“ nannten. Es waren Leute wie Grandmaster Flash und Afrika Bambaataa, die die ersten Battles veranstalteten. Die Idee war einfach und gut: statt mit Gewalt sollten Konflikte in Wettbewerben ausgetragen werden. DJs traten im Cutting und Backspinning gegeneinander an, B-Boys überboten sich im Breakdance und die ersten Rapper traten im Battle Rap gegeneinander an.

Diese letzte Disziplin, der Battle Rap geht nun seinerseits aus dem oben erwähnten „Playing the dozens“ hervor. Dabei geht es um eine testosteronschwangere Selbstbeweiräucherung bei zeitgleicher Herabwürdigung des Gegners. Leidlich bekannt wurde das Prinzip durch den Film 8 Mile. Nun ist es kein Geheimnis, dass Hip Hop oft und insbesondere Battle Rap hochgradig sexistisch sind. In seinen patriarchischen Strukturen wird der Mythos vom starken Mann gepflegt, der seinen Konkurrenten in allen Aspekten seiner Männlichkeit überlegen ist. Frauen hingegen sind „alles Bitches außer Muddi“.

 

 

In der Tat findet im Rap eine oft schon ödipal anmutende Beweihräucherung der eigenen Mutter statt. Und vor diesem Hintergrund wird im Spiel des Battle Raps, wo es ja gerade um nichts anderes geht, als den Gegner fertigzumachen eben der Diss seiner Mudder zum größtmöglichen, den man sich vorstellen kann.

Kleine Randnotiz: der oftmals wegen seiner Homophobie geschmähte Eminem hat durchaus seine Verdienste für den Hip Hop, indem er immer wieder die Traditionen und Rituale der Kultur durchschaute und ironisierte. So auch in seiner eigenen Hymne an die Mutter.

 


EMINEM – Cleaning out my closet von garyvanderlinden

Doch wie kam nun deine Mutter nach Deutschland?

In den 90ern fand Hip Hop seinen Weg endgültig in unsere Breitengrade und mit ihm all seine Codes und Symbole. Nun traf der Hip Hop, eine Kultur der afroamerikanischen Unterschicht in Deutschland auf eine reiche Gesellschaft und eine gebildete Mittelschicht, die sich seiner bediente aber ihn zugleich ironisierte — zumindest in der ersten und zweiten Generation kommerziell erfolgreicher Rapper Stuttgarter und Hamburger Prägung. Aus dem im amerikanischen Hip Hop allgegenwärtigen „Nigga“ wurde hamburgerisch eingefärbt „Digga“ und auch der „Deine Mudder“-Diss wurde mit weniger Feindseligkeit etabliert, als es im US-Rap noch der Fall gewesen war.

Und so kam es, dass „in Hamburg, zwischen Sam und Tocotronic“ Ende der 90er, Anfang der 2000er irgendwo sich wohl die ersten Sprüche an den Kopf geworfen wurden. Wie und wann das genau geschah kann ich nicht rekonstruieren, nur dass Fünf Sterne Deluxe daraus dann einen ihrer größten Hits formten.

 

Die Geburt des Mems

So wurde die Stilfigur auf einem Schlag prominent und fand sich in vielen deutschen Kinderzimmern wieder. Während der Hip Hop in Deutschland mit dem Boom um die Jahrtausendwende seine Ironie einbüßte und fortan auch hierzulande mehr und mehr das Harter-Mann-Image pflegte, wurde „deine Mudder“ konserviert. In der gleichen Zeit, in der aus den Kindern der Jahrtausendwende Leute wurden, etablierte sich in Deutschland auch ein neues Medium: dieses ominöse Internet.

Und spätestens seit dieses Internet ums Jahr 2005 herum durch den Boom von MySpace und den Verzeichnissen, die später von Twitter, Facebook und Google+ abgelöst wurden, zum „Web 2.0“ erklärt wurde, etablierte sich in diesem ein Spiel, das sich „Mem“ oder „Meme“ nannte.

Denn dieses Internet tendiert dazu, sich die komischsten Dinge einzuverleiben.

Seien es Katzen…

Unnamed Kitty - lolcats.com

 

…Mario Balotelli…


See more on Know Your Meme

 

… Kim Jong Il …


See more on Know Your Meme

 

…oder eben „Deine Mudder“. In  Mems werden sie weitergetragen und vervielfacht. Warum es nun ausgerechnet „Deine Mudder“-traf, kann ich nicht sagen, kann vielleicht keiner und wenn doch, dann nur her damit!

So jedenfalls kam deine Mutter von amerikanischen Schulhöfen in deinen Computer.

 

 

Ich bin raus.

Das Rezeptionsverhalten intellektuell überreifer Großstädter

Ich schmökerte kürzlich in Christoph Kochs Medienspeisekarte, wo Menschen erzählen, welche Medien sie wie rezipieren. Und weil ich aufgrund meiner netzweiten Bedeutungslosigkeit wohl nie dazu eingeladen werde, ich zugleich aber mein eigenes CMS habe, dachte ich mir, ich schreib das selbst mal auf.

Arbeiter beim Lesen einer Zeitung. 1952. Urheber: Roger Rössing. Deutsche Fotothek. Lizenz: CC-BY-SA-3.0-DE.
Arbeiter beim Lesen einer Zeitung. 1952. Urheber: Roger Rössing. Deutsche Fotothek. Lizenz: CC-BY-SA-3.0-DE.

Morgens beginne ich meinen Tag meist mit der Lektüre in der App der Frankfurter Rundschau und damit zeigt sich auch gleich der gewaltige Medienwandel in meinem Haus, denn eine Zeitung habe ich abonniert, seit ich bei meinen Eltern auszog, ausgenommen nur die Zeit, da ich sie abbestellen musste, weil ein freundlicher Nachbar sie mir immer klaute. Doch seit einem halben Jahr bin ich auf die App der FR umgestiegen, ganz einfach, weil wir eine der Frankfurter Zeitungen haben wollten und das Abo der FR inklusive des Tablets genauso viel kostet wie das Abo der Printausgabe. Meine Tochter besteht immer auf eine ausführliche Präsentation der „Bilder des Tages“ am Frühstückstisch. In der Regel checke ich dann noch kurz, was „meine Barbaren“ so machen, ein Strategiespiel und zugleich das einzige Spiel auf dem Tablet, das mich bislang länger binden konnte. Anschließend nimmt die Dame das Brett mit zur Arbeit.

Bücherwand
Bücherwand

Während ich morgens auf meine Tochter warte – und ich muss viel warten: Anziehen, fertig Frühstücken, Badezimmerspaß und Weg zum Kindergarten absolviert sie in einer Seelenruhe, die ich mir nur wünschen kann – checke ich das erste Mal meine Twitter-Timeline, da zur früher Stunde meist noch nicht so viel los ist, lese ich also nach, was die Nachtschicht so schrieb. Dabei, wie überhaupt den ganzen Tag lang schiebe ich spannende Links in meine Systemübergreifende Später-Lese-App Pocket.

Nachdem ich meine Tochter im Kindergarten abgegeben habe, höre ich seit geraumer Zeit bei eintönigen Tätigkeiten wie Einkaufen Podcasts. Ich habe sehr viele mir mal mit der Zufallsfunktion meiner Podcastapp abonniert und bin noch immer am ausmisten. Was ich regelmäßig und gerne höre ist: Erlebte Geschichte von WDR5, das WDR5-Zeitzeichen, ARD-Radiofeatures (also Reportagen), CRE, wir.müssen reden, Hoaxilla und Braincast. Ach ja, und seit kurzem auch Medienradio.

Danach setze ich mich zuhause an meinen PC und produziere erst einmal selbst anstatt zu rezipieren. Erst am Nachmittag, wenn die Dame von der Arbeit kommt, beginnt die Rezeption wieder. Dann lese ich auf dem Tablet die spannendsten Artikel, die ich in Pocket geschoben habe, checke wieder die Timeline und meine Barbaren.

In der Druckerei
In der Druckerei

Regelmäßig gehe ich mit meiner Tochter und der Dame in die Bibliothek, allerdings leihe ich für mich dort nur Hörbücher oder Filme aus, jedoch tonnenweise Bücher für meine Tochter. Das letzte Hörbuch, das ich mir lieh und hörte war von Sebastian Haffner: Anmerkungen zu Hitler. Brillant! So wie Haffner überhaupt immer. Der letzte aus der Bibliothek geliehene Film, den ich sah, war Martin Scorseses „Shutter Island“. Äußerst beklemmend aber genauso gut.

Radio höre ich ausschließlich zum Kochen und da ausschließlich hr info, weil ich Radiomusik nicht leiden kann. Leider ist hr info im 20-Minuten-Rhytmus sehr schnell getaktet, sodass ich beim Kochen jede Nachricht ungefähr drei Mal höre und mich zurücksehne nach der Qualität von WDR5. Wenn ich Auto fahre, was selten vorkommt, höre ich nur dann Radio, wenn ich alleine fahre, was noch seltener vorkommt. In der Regel fahre ich, wenn überhaupt, mit meiner Tochter im Wagen und dann müssen wir Kinderhörspiele und -bücher hören oder die Fahrt wird sehr anstrengend. Dabei habe ich gelernt, dass Benjamin Blümchen grenzdebil ist, Bibi Bloxberg hingegen durchaus lustig. Dass aber nach wie vor nichts über Astrid Lindgren geht.

Wenn ich alleine Bahn fahre, was ich öfter beruflich mache, lese ich meist Romane, seltener Sachbücher und das zumeist noch immer auf Papier. Auch wenn ich die elektronischen Bücher selbst mache. Zwar finde ich Bücher sehr dekorativ, aber natürlich mag ich auch E-Books sehr gerne, dass ich sie unterwegs nicht lese, hat den einfachen Grund, dass in meinem Haushalt nur ein Tablet vorhanden ist, welches die Dame – wie oben geschrieben – tagsüber nutzt. Allerdings werde ich nicht drum herum kommen, mir demnächst mal ein ganze Sammlung von verschiedenen E-Readern anzulegen, da die Darstellung von E-Books leider noch so stark variiert wie bei den Browsern in den 90ern und ich derzeit ja keinen Arbeitgeber habe, auf dessen Devices ich zurückgreifen könnte. Der letzte Roman, den ich las, respektive lese, denn ich quäle mich noch immer durch, ist einer aus der „Eis und Feuer“-Reihe von George R. R. Martin. Ich finde ihn schlecht, aber ich kann noch schlechter mitten in Romanen aufhören, ich muss sie immer zu Ende lesen, das ist meine persönliche Geißelung. Das letzte Sachbuch, das ich las, war „Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens“ von Michael Tomasello. Ein Superbuch, unbedingt lesen!

Wenn ich meine Tochter ins Bett bringe, lese ich ihr vor. Mal sucht sie das Buch aus, mal ich. Obwohl sie erst fünf ist, lesen wir schon Bücher für wesentlich ältere Kinder, da sie ein Talent dafür hat (hört sich komisch an, ist aber so) und am liebsten, den ganzen Tag nur vorgelesen bekommen möchte. Zur Zeit lesen wir ‚Alice im Wunderland‚.

Abends schaue ich öfter Filme oder Serien. Spiele oft Brettspiele und sehr selten Computerspiele. Letzteres finde ich schade, weil es wirklich großartige Computerspiele gibt, wenngleich die meisten in Sachen Storytelling Nachhilfe bei meiner fünfjährigen Tochter nehmen sollten. Aber ich habe kaum Zeit zum spielen und noch weniger Geduld. Vor wenigen Wochen habe ich mir Diablo 3 gekauft, weil ich in die ersten beiden Teile vernarrt war, es aber bislang kaum gespielt.

Neulich in der Bücherei
Neulich in der Bücherei

Ich habe eine große DVD-Sammlung und schaue Filme, wenn sie gut sind auch gerne öfter. Auch Serien sind in meinem Besitz. Ich habe erst sehr selten einen Spielfilm über maxdome oder iTunes ausgeliehen und noch nie gekauft, da ich das bisher noch sehr teuer und wenig komfortabel finde. Serien schaue ich manchmal im Stream. Dort zeige ich dann das Verhalten, das Filesharer immer als Apologie für sich behaupten. Ich gucke Serien anfangs online, wenn sie gut sind, kaufe ich sie auf DVD. Denn ich will sie dann auch besitzen. Ich fileshare darüber hinaus nicht. Nie. Ich habe es – wie wahrscheinlich jeder – früher manchmal gemacht, aber nie im großen Stil. Ich weiß noch wie ich ums Jahr 2000 herum im Kino „The Hurricane“ sah, das gleichnamige Lied von Bob Dylan unglaublich toll fand und es haben wollte. Sofort. Ich habe es dann mit meinem 56k Modem die halbe Nacht von Napster runtergeladen und es war dadurch viel teurer als es auf CD gewesen wäre. Aber das war mir egal, ich hätte auch online Geld dafür bezahlt, nur gab es damals die Möglichkeit noch nicht. Irgendwann habe ich für mich beschlossen, dass ich Filesharing nicht mag. Ich glaube, als ich mal ein Lied von Adam Green haben wollte und im Torrent nur das gesamte Lebenswerk angeboten wurde. Ich will nicht jedes Lied von einem Künstler klauen. Wenn ich ihn gut finde, will ich ihn auch unterstützen. Ich kaufe manchmal einzelne Lieder bei iTunes und Sonderangebote bei anderen Anbietern.

Das letzte Album, das ich erwarb, war Blunderbuss von Jack White. Als Download bei Amazon, was ebenfalls äußerst unkomfortabel war. In der Regel kaufe ich noch immer CDs. Die importiere ich zuhause zwar gleich in iTunes und höre sie hauptsächlich auf dem Handy beim Joggen oder Fahrradfahren und überhaupt immer, wenn es geht. Aber die CDs hebe ich gewissermaßen als Backup auf. Ich tausche Musik auch mit Freunden auf USB-Stick oder CD gebrannt, so wie ich früher Mixtapes getauscht habe. Die Dame und ich machen uns auch oft gegenseitig Playlists mit Liedern, die wir zur Zeit gut finden.

Ich lese oft Blogs, aber keinen regelmäßig, sondern allesamt aus meiner Twittertimeline heraus empfohlen. Wer mein Lieblingstwitterer ist, kann ich nicht sagen, das wechselt ständig. Kann man irgendwo sehen, wen man am häufigsten favorisiert hat? Ich bin maximal 10 Minuten am Tag auf Facebook und nur um dort Links zu verbreiten und kurz zu gucken, ob einer meiner Offlinefreunde mich angeschrieben hat. Andere Soziale Netzwerke nutze ich nicht, auch wenn ich noch den ein oder anderen Account habe. Ich lese regelmäßig SpOn (wer nicht?), SZ.de und FR online, seltener die Onlineauftritte von Zeit, TAZ und FAZ. Die Seiten des Springerverlags meide ich wie der Teufel das Weihwasser und bin sehr sauer, wenn jemand auf Twitter einen Bildlink postet ohne diesen als solchen zu kennzeichnen. Okay, als die Welt einen meiner Tweets abgedruckt hat, war ich dann doch auf ihrer Seite. Ich Opportunist. Ansonsten schaue ich noch regelmäßig die Spotschau auf Kress.

Das dürfte es gewesen sein. So sieht mein Rezeptionsverhalten aus. Und deines? Das fände ich spannend, zu erfahren. Schreib es doch in deinen Blog und sag mir bescheid, dann verlinke ich es hier. Oder du haust es in die Kommentare…