Heute möchte ich mich einem Capoeira-Lied widmen.
Por favor não maltraté esse nego
Por favor não maltraté esse nego
Esse nego foi quem me ensinou
Esse nego na calça rasgada, camisa furada
Ele e meu proféssór
Es ist ein kleines Lied, vier Zeilen, nichts besonderes. Keine ausufernde Ballade und dennoch erzählt es viel. Grob von mir übersetzt, bedeutet es:
Bitte misshandelt nicht diesen Schwarzen
Diesen Schwarzen, der mir alles beigebracht hat
Dieser Schwarze mit zerrissener Hose und löchrigem Hemd
Er ist mein Lehrer
Mein Capoeira-Lehrer singt es gerne, wenn sein Lehrer in der Roda spielt. Also dem eigentlichen Spiel der Capoeira, wenn alle im Kreis stehen, singen und klatschen, während in der Mitte zwei Capoeirista den Kampftanz ausführen. Gesungen wird es dann klassisch, wenn der Lehrer einen „auf die Fresse“ bekommen hat“ Das muss nicht buchstäblich sein. Wenn du Capoeira ein Weilchen machst, siehst du, wer in der Roda dominiert, auch wenn beide sich nicht berühren. In diesem Kontext ist das Lied ein ironischer Kommentar des Sängers auf das Geschehen in der Roda: „Hey du, sei nett zu dem Typen da, der hat mir alles beigebracht!“
Was das Lied für mich gerade schön macht, ist der doppelte Boden, der oft in Capoeira-Liedern steckt. Denn es ist ja der Kampfsport der brasilianischen Sklaven. Und mit diesem Wissen bekommt das Lied etwas tragisch Schönes:
Jemand nicht weiter benanntes wird gebeten, einen Schwarzen nicht zu misshandeln. Dass der Sklaventreiber angesprochen wird, ist eine nicht zu fern liegende Interpretation. Mit ihm wird sich aber nicht lange aufgehalten. Stattdessen wendet sich das Lied „diesem Schwarzen“ zu:
Er hat mir alles beigebracht, wird da gesagt. Er mag nicht nach viel aussehen, da seine Kleidung zerschlissen ist. Die Assoziations-Tür zur täglichen Sklavenarbeit auf der Plantage wird mit dieser einen Zeile weit aufgerissen: „Dieser Schwarze mit zerrissener Hose und löchrigem Hemd„. Aber, egal, wie er aussieht, er ist mein Lehrer. Er ist jemand, der Respekt verdient. Bitte misshandle ihn nicht.
Dass das Lied also im Ritual der Capoeira eher in einem locker-ironischen Kontext gesungen wird und zugleich den Jahrhunderte alten Schmerz eines unterdrückten Volks transportiert, verleiht ihm etwas bittersüß Wunderschönes.
Abschließend möchte ich noch als „Warnung“ ausgeben, dass ich Capoeira zwar schon ein paar Jahre mache, aber nur ein kleiner Aluno (ein Schüler) bin. Da draußen gibt es unzählige Menschen, die viel mehr als ich wissen und vielleicht etwas ganz anderes über dieses Lied erzählen können. Wenn du einer von ihnen bist, würde ich mich über einen Kommentar sehr freuen.