Ich dachte, ich wäre durch mit Sokrates. Aber dann brachte meine Tochter (8) auf etwas Aufmerksam. Daher gibt es noch diesen Epilog. Noch einmal zur Zusammenfassung, dies waren die anderen Teile, der Sokrates-Staffel:
Und diesmal geht es also um den Satz vom Widerspruch. Wie immer folgt unter dem Video das Transkript für alle Suchmaschinen und Menschen, die lieber lesen, als Videos gucken, danach kommen Literaturtipps und die Bilderquellen-Angaben zum Video. Viel Spaß!
Ich steckte mitten in dieser Staffel zu Sokrates, da machte mich meine achtjährige Tochter auf etwas aufmerksam. Einerseits bin ich sehr stolz darauf, dass sie mit ihren acht Jahren schon so logisch denken kann, andererseits war es mir auch superpeinlich, dass ich nicht selbst darauf gekommen war. Und wenn ich superpeinlich sage, dann meine ich superpeinlich: So peinlich, als wäre „das Sommermärchen“ gekauft gewesen. So peinlich, als würden deutsche Polizisten fordern, einen Zaun zwischen Deutschland und Österreich zu bauen. Auf den Berggipfeln der Alpen. So peinlich, als würden die amerikanischen Republikaner versuchen, jemanden zum Präsidentschaftskandidaten zu machen, der immer einen toten Hamster auf dem Kopf trägt. Aber so ist das manchmal in der Philosophie: Man sieht die Wahrheit vor lauter Wissen nicht.
Es geht um den Satz „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Die Erkenntnis, dass Sokrates weiser ist als alle anderen, da er sich im Gegensatz zu ihnen nicht einbildet, etwas zu wissen, kommt in Platons Apologie des Sokrates in vielen verschiedenen Formulierungen vor. Aber eine Formulierung kommt nicht vor: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Warum ist das so? Nun, wie es meine Tochter ausdrückte:
„Aber wenn er weiß, dass er nichts weiß, dann weiß er doch etwas und nicht nichts.“
In der Philosophie suchen wir nach Gewissheiten. Und je genauer diese Suche wird, desto mehr brechen uns diese Gewissheiten weg. Aber es gibt einige Tatsachen, die so fest sind, wie der Fels in der Brandung. Und eine dieser Tatsachen, eine absolute Gewissheit ist der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch, oder einfach: der Satz vom Widerspruch.
Der Satz vom Widerspruch besagt, dass nichts zugleich der Fall sein kann und nicht der Fall sein kann. Es kann zum Beispiel nie wahr sein, dass es regnet und nicht regnet. Entweder passt Jack noch auf die Tür oder nicht, aber nicht beides zusammen. Entweder gibt es die Matrix oder nicht. Aber beides gleichzeitig geht nicht. Entweder fällt mir beim Döneressen die Häfte auf die Schuhe oder … Okay, vergesst den letzten Punkt. Denn der Punkt ist, das macht uns Aristoteles klar: Jede, die den Mund aufmacht, muss automatisch den Satz vom Widerspruch akzeptieren. Denn ihn nicht zu akzeptieren, heißt letztlich nichts zu sagen. Wenn ich sage, es regnet aber es regnet nicht. Dann sage ich nichts anderes als +1 -1 und das ist bekanntlich null.
Wenn jetzt also Sokrates gesagt hätte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, so hätte er einen Widerspruch erzeugt. Denn er weiß ja etwas: Eben, dass er nichts weiß.
Wenn ihr nicht gerade Philosophen seid, dann solltet ihr an dieser Stelle laut aufschreien: „ABER SO HAT ER DAS DOCH NICHT GEMEINT! Er meinte doch bloß, dass er sehr wenig weiß.“ Und da habt ihr vollkommen Recht. Und wir werden uns ausführlich mit dem Verhältnis von Sagen und Meinen beschäftigen, wenn wir eines fernen Tages zur Analytischen Philosophie kommen. In der Mathematik könnt ihr auch nicht sagen: „So habe ich es doch nicht gemeint!“, wenn ihr behauptet Pi wäre genau 3,14 und nicht, ähm ja, also diese andere superlange Zahl, die nie endet. Und genauso müsst ihr in der Philosophie genau auf eure Worte achten, denn die Sprache ist euer Teleskop, euer Elektronenmikroskop, euer Lackmustest, euer Jedischwert, euer Fluxkompensator, eure Tardis. Und die meisten Widersprüche oder gar Paradoxien kommen nicht so banal daher wie „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, sondern sind komplizierter, zum Beispiel:
- Ich Lüge euch jetzt gerade an.
- Ich behaupte, dass es keine absolute Wahrheit gibt.
- Es regnet, aber ich glaube es nicht.
- Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig
- Der Friseur rasiert alle Männer, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert der Friseur sich selbst?
So, das war es jetzt aber endgültig von mir zu Sokrates. Die nächste Staffel wird sich um Platon, den Philosophenkönig, drehen. Haltet mir die Treue, denn ich werde mich für eine ganze Zeit in mein Kämmerchen verziehen und Texte wälzen, damit ich euch keinen Blödsinn erzähle. Ich habe auch schon eine ganze Reihe an Ideen, aber die muss ich jetzt noch ausarbeiten:
- Platonische Liebe
- Das Höhlengleichnis
- Die Ideenlehre
- Das Universalienproblem
- Der Staat
- Platons Schriftkritik
- Platons Apfelkuchenrezept
Vielen Dank, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt und bis zum nächsten Mal.
Literatur
- Die gesammelten Werke Platons gibt es bei Zeno.org, ich beziehe mich auf die Apologie des Sokrates.
- Das Standardwerk für alle, die sich mit den Grundlagen der Logik auseinandersetzen wollen, ist: Ernst Tugendhat, Ursula Wolf: Logisch-semantische Propädeutik*.
- Aristoteles‘ Auslassungen zum Satz vom Widerspruch findet ihr in der Metaphysik IV, 3-4. Die gibt es auch bei Zeno.org.
Bilderquellen
- taken by me: Bosna (Hietzing). Lizenz: CC BY-SA 4.0.
- Harald Lordick: Madeira-Brandung an der Nordkueste. Lizenz: CC BY-SA 3.0.
- Hydro: Carl Zeiss Elektronenmikroskop Marburg. Lizenz: CC BY-SA 4.0.
- Gordini60 at de.wikipedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0.
- Screenshot aus Futurama von David X. Cohen und Matt Groening. Copyright: 20th Century Fox (glaube ich).
- James L. Brooks, Matt Groening, Sam Simon: The Simpsons. Copyright: 20th Century Fox.
- Screenshot aus David Fincher: The Social Network. Copyright: Columbia (glaube ich).
- 2 Screenshots aus Pulp Fiction von Quentin Tarantino. Copyright: Miramax (glaube ich).
- Screenshot aus Lord of the Rings – The Return of the King von Peter Jackson. Copyright: New Line Cinema (glaube ich).
- Andy Wachowski, Lana Wachowski: The Matrix. Copyright: Warner Bros.
- Screenshot aus der Serie Doctor Who von Sydney Newman. Copyright: BBC.
- Francis Ford Coppola: The Godfather. Copyright: Paramount (glaube ich).
- Trailer zu Star Wars VII – The Force Awakens. Copyright: Disney.
- Richard Donner: Superman. Copyright: Warner Bros. (glaube ich).
- Chuck Lorre, Bill Prady: The Big Bang Theory. Copyright: Warner Bros. (glaube ich).
- Ed Wood: Plan 9 from Outer Space. (scheint gemeinfrei zu sein).
- James Cameron: Titanic. Copyright: 20th Century Fox.
Weitere Bilderquellen folgen, das Baby schreit.
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