Erstmals ist mein Video der Woche ein Negativpreis. Und die Ehre diesen einzufahren, gebührt Matthew Frost, der in seinem Kurzfilm uns zeigt, was gute und was böse Handynutzung ist. Der Film beginnt mit einem Shot von Kirsten Dunst, von hinten, beim Telefonieren. Frau Dunst ist modern, sie besitzt ein Smartphone und benutzt es in der von Herrn Frost abgesegneten Form: Sie telefoniert mobil. Sie ist (wahrscheinlich) in ihrem parkgleichen Anwesen unterwegs zum Tor und teilt der Person am anderen Ende der Leitung mit, dass sie ein „Uber“ gerufen hat, wie gesagt, Frau Dunst ist modern.
Vor dem Tor gibt es eine kurze Irritation als eine Frau ihren Hund Gassi führt, dabei sich aber nicht für ebendiesen Hund interessiert, sondern nur auf ihr Handy starrt. Diese wird aber sofort dadurch gebrochen, dass ein Oldtimer in die entgegengesetzte Richtung fährt und munter hupt. Die Schauspielerin nutzt die Gelegenheit, um noch irgendetwas auf ihrem Handy zu checken. Ich nehme an, sie liest eine SMS, Whatsapp-Nachricht oder E-Mail, jedenfalls etwas, das in Hern Frosts Augen in Ordnung ist.
Doch dann tritt das Monster auf dem Plan in Form von zwei jungen Frauen, die in ihrem Auto in die gleiche Richtung fahren wie die ignorante Handybesitzerin. Die Mädels erkennen Kirsten Dunst als Star und halten kurzerhand an. Sie versichern sich noch einmal kurz, ob es sich tatsächlich um die Schauspielerin handelt, dann beginnen sie schamlos Selfies von sich und Frau Dunst zu schießen. Ohne um Erlaubnis zu fragen, ob das okay ist oder auch nur sonst irgendetwas zu sagen. Als Frau Dunst verwirrt fragt, ob die beiden sie nicht vielleicht irgendwelche Fragen an sie hätten, ist das einzige, was den Mädels einfällt, ob die Schauspielerin sie taggen könne – ich nehme an auf Facebook. Kirsten Dunst ist so entgeistert, dass sie den nicht einmal mehr antwortet. Macht auch nichts, denn die Zielstrebigen springen glücklich in ihren Wagen – wenn ich mich nicht täusche ist es einer dieser schrecklich modernen Hybridautos von Toyota – und während der Abspann läuft, erfahren wir noch aus Gesprächsfetzen, dass die jungen Dinger nicht einmal genau wissen, wer Frau Dunst ist.
So weit, so gut. Eine amüsante, kleine Anekdote über zwei Deppen, die nicht wissen was Anstand ist. Was das ganze jetzt aber spannend macht, ist, dass Matthew Frost seinen Film „Aspirational“ nennt, was man vielleicht mit „zielstrebig“ übersetzen könnte, vielleicht auch mit „erstrebenswert“. Ersteres ist ja unverfänglich, es denotiert einfach die Handlung der beiden Selfiejägerinnen, die zielstrebig nur eines wollen. Allerdings ist da dann noch die Konnotation von „erstrebenswert“. Und da wir die ganze Zeit Kirsten Dunsts Point of View innehaben, ihre Verwirrung und ihr Abscheu teilen, ist dieses „erstrebenswert“ definitiv ein ironisches Statement. Und somit sind wir wieder beim abendländischen Untergang, ich berichtete bereits in der Vergangenheit. Seht her: der Generation Selfie sind Werte und Anstand verloren gegangen, die Digital Natives interessieren sich nicht mehr für das wahre Leben sondern nur für das Digitale, welch ein Sittenverfall. Die Jugend von heute …
Und das ist letzten Endes der gleiche uralte Kulturpessimismus, den wir schon aus Keilschriften aus Babylon und Ur kennen. Deppen hat es schon immer gegeben und wird es immer geben. Jugendliche wissen obendrein einfach aufgrund mangelnder Lebenserfahrung nicht immer, was angemessenes Verhalten ist. Ob mit dem Handy, dem Ghettoblaster oder der Schiefertafel. Aber seht selbst:
ASPIRATIONAL from Matthew Frost on Vimeo.
Geffunden bei den Fünf Filmfreunden.