Beweis, dass die Homo-Ehe nicht die Heterosexualität diskriminieren wird

Heute teilte ich ein Zitat aus der FAZ auf Twitter, in dem der Autor doch tatsächlich behauptete, der „Gendermainstream“ sehe heterosexuellen Sex als Homophobie an. Nachdem ich das als „dummdreist“ bezeichnet hatte, kam auch noch ein Typ an und maulte rum, ich solle ihm erst einmal beweisen, dass die Homoehe nicht zur Diskriminierung der Heterosexualität führen werde.

Zunächst tat ich das als reine Unlogik ab, schließlich kann ich die Nichtexistenz von etwas nicht beweisen. Aber nach einem zweiten Gedanken kann ich das eigentlich doch beweisen. Und zwar mit einem Blick in die Geschichte:

Ab 1433 (in Braunschweig-Wolfenbüttel) bis 1833 (in Hannover) wurde die Leibeigenschaft in allen deutschen Staaten (Österreich 1848) abgeschafft. Überraschenderweise führte dies nicht zu einer Unterjochung der Grundbestizer.

1834 verbot das Britische Empire die Sklaverei. Davor waren in der Neuzeit vor allem Afrikaner versklavt worden. Überraschenderweise wurden anschließend keine Europäer versklavt.

1869 führte Wyoming als erster neuzeitlicher Staat das Frauenwahlrecht ein. Überraschenderweise führte dies nicht zur Abschaffung des Männerwahlrechts.

1955 weigerte sich Rosa Parks, ihren Sitz im Bus für einen Weißen zu räumen. Daraus entwickelte sich die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die zu einem Ende der Rassentrennung und zu gleichen Rechten für Afroamerikaner führte. Überraschanderweise wurden dadurch nicht die Rechte der weißen Bevölkerung eingeschränkt.

Seit 1957 wurde die Strafverfolgung Homosexueller in Ost- und Westdeutschland bis 1994 schrittweise zurückgenommen. Überraschenderweise führte es nicht zu einer Strafverfolgung Heterosexueller.

Die Freilassung Nelson Mandelas 1990 führte zum Ende der Apartheid in Südafrika. Überraschenderweise aber nicht zu einer Unterdrückung der weißen Minderheit.

2000 trat in Deutschland das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung in Kraft. Überraschenderweise führte es nicht zu vermehrter Gewalt von Kindern gegen ihre Eltern.

2015 sprach sich die irische Bevölkerung für die Gleichstellung der homosexuellen Ehe mit der heterosexuellen Ehe aus. Wird dies wohl zu einer Unterdrückung der Heterosexuellen führen …?

 

Q. E. D. ALTER!

Waffen töten keine Menschen, oder?

In der siebten Klasse hatten wir im Klassenzimmer hinter der Tafel eine große Leinwand sowie eine kleine Projektorkabine an der hinteren Wand. Erstaunlicherweise kann ich mich aber nicht erinnern, dass darauf je ein Film gezeigt wurde. Wenn wir Filme im Unterricht sahen, dann auf einem Röhrenfernseher, der auf einem eigenen Wagen durchs Schulgebäude gerollt wurde. Aber ich schweife ab…

Zum Leinwandensemble gehörte nämlich auch ein langer Zeigestab aus Fiberglas. Und dieser Zeigestab geriet bald ins Fadenkreuz unserer Klassenkonferenz. Der Stab wurde nämlich im jugendlichen Überschwang von den wilderen Jungs und Mädchen manchmal dazu benutzt, jemand anderen zu schlagen. Im Spiel war da keine böse Absicht dahinter, einfach nur Unbedachtheit. Jetzt ist so ein Fiberglasstab allerdings elastisch und bei einem etwa 1,50 Meter langen, schwingenden Stab ist der Schmerz des Schlages schon nicht ohne, auch wenn der Angreifer gar nicht so fest zuschlagen wollte.

Auf einer Klassenkonferenz jedenfalls sprach sich die Mehrheit dafür aus, den Stab in die Projektorkabine zu sperren, damit er nicht mehr als Waffe benutzt werden könnte. Ich war dagegen. Ich konnte nicht nachvollziehen, dass wir in der Klassengemeinschaft anscheinend zwar zu dem Konsens kommen konnten, dass das Schlagen mit dem Stab scheiße ist, wir uns aber nicht darauf einigen konnten, es einfach zu lassen. Als ginge eine magische Kraft von diesem Gegenstand aus, die den Träger zwingt, ihn als Waffe zu gebrauchen. Quasi ein tolkienscher Herrscherstab.

Bis heute vertrete ich die extrem liberale Position, dass Probleme im menschlichen Miteinander durch Kommunikation und nicht durch Verbote gelöst werden sollten. So ließ mich ein Update von Watchever unlängst entscheiden, ob ich eine maximale Fernsehdauer für meine Tochter (7) einstellen wolle. Ich entschied mich dagegen, übrigens wie gegen die Option in der Fritzbox jugendgefährdende Webseiten automatisch zu blockieren. Es wäre bequem für mich, per Knopfdruck meiner Tochter diese Verbote auszusprechen, hingegen wähle ich den komplizierten Weg, mit ihr zu diskutieren, warum sie nicht noch eine Folge von „Barbar, der Elefant“ sehen darf und den komplizierten Weg, ihr zu erklären, wie sie sich im Internet bewegen muss, ohne ungewollt auf Pornos oder gar Gewalt zu stoßen.

Allerdings ist diese Position nicht nur unbequemer, sie ist auch nicht ganz unproblematisch. Es ist – meine Überschrift deutete es an – der Slogan der amerikanischen Waffenlobby: Waffen töten keine Menschen, Menschen töten Menschen. Allein, alle Statistiken sagen das Gegenteil. In Europa haben wir viel strengere Waffengesetze und mit ihnen viel weniger Morde. Nun denke ich trotzdem, dass die amerikanische Waffenlobby mit ihrem Slogan im Grunde Recht hat. Allerdings ist ihre Lösung: dem Bad Guy mit einer Knarre einen Good Guy mit einer Knarre entgegenzusetzen, falsch. Die Probleme der amerikanischen Gesellschaft mit Gewalt haben so komplexe Ursachen (soziale Ungleichheit, mangelnde Bildung, Tradition, Sozialisation), dass letztlich wohl nur ein Verbot hier helfen kann. Auch wenn es den USA sicher gut tun würde, die Ursachen und nicht die Mittel zum Zweck zu bekämpfen.

Warum schreibst du das alles, Privatsprache?

Weil Caspar Clemens Mierau Tor verbieten will„, könnte ich sagen, tue ich aber nicht. Stattdessen sage ich: Leitmedium hat den Finger in einer dreckige, eitrige Wunde gelegt und bohrt darin herum. Und das kann er ziemlich gut. Was ist die Wunde in meiner Metapher? Wir haben in der Netzgemeinde ein Problem mit Hatern, mit der Kommentarkultur oder ganz generell mit unseren Umgangsformen.

Kleine Abschweifung: Ich lehne es – ähnlich wie Das Nuf – ab, in diesem Kontext von "Trollen" zu sprechen, da ich finde, dass das Wort Täter verniedlicht. Ein Troll ist jemand, der oder die in einer politischen Diskussion ein Katzenbild postet beziehungsweise der oder die in einem Supportforum jemanden rickrolled. Menschen, die andere Menschen systematisch fertigmachen, die Frauen mit Vergewaltigung drohen oder intime Details des Privatlebens ihrer Opponenten veröffentlichen, sind keine Trolle sondern soziopatische Arschlöcher oder eben Hater.

Aber was genau hat Mierau denn nun gesagt? Er hat darauf hingewiesen, dass der Anonymisierungsdienst Tor von Hatern genutzt werden kann, um sich – etwa im Falle einer Morddrohung – vor der Strafverfolgung zu verbergen. In den Kommentaren des Leitmediums wird noch darauf hingewiesen, dass Tor und ähnliche Anonymisierungsdienste noch zu ganz anderen Straftaten verwendet werden. Das berühmtesten Beispiel ist sicherlich Silk Road, eine Art ebay (auch) für schwere Drogen und sogar ekelige Sachen wie Auftragsmord. Ein Ort, den du tunlichst nur anonym aufsuchen solltest. Also ist ein Verbot von Tor eine logische Sache, wie der Verbot von Waffen, oder? Nun, es ist ein typischer Fall von Liberty Valence (Englisch für Valenz oder Wertigkeit der Freiheit).

Screenshot: The Man Who Shot Liberty Valance
Screenshot: The Man Who Shot Liberty Valance. Copyright: Paramount. Hier als Blueray bei Amazon*.

Noch eine kleine Abschweifung: Im Jahr 1962 drehte John Ford mit "Der Mann der Liberty Valance erschoss" ein Schlusskapitel zum Western. Ein großartiger Film, der schon mit epischen Vorausdeutungen wie der Eisenbahn und dem Automobil beginnt und damit endet, dass John Wayne an Altersschwäche stirbt. John Wayne! Im Bett! Ohne Schuhe! Im Film wird verhandelt, dass die Zeit der Outlaws vorbei ist und die Epoche der Anwälte und Politiker beginnt. Und es wird darauf verwiesen, dass mit der aufkommenden Sicherheit vor Gangstern eben auch ein Stück Freiheit dahin geht und kein Westernheld mehr am Ende in den Sonnenuntergang reitet. Freiheit ist eben ambivalent, verstehta?!

Freiheit und Sicherheit sind zwei widerstreitende Werte. Du kannst den einen nicht im gleichen Maße wie den anderen haben. Sie müssen stets in Balance gehalten werden. Absolute Freiheit ist Anarchie. Und das ist letztlich nur ein Naturzustand ohne Leviathan, in dem das Recht des Stärkeren gilt. Auf der anderen Seite pervertiert absolute Sicherheit zu Staatssicherheit und damit zum Totalitarismus. Denn wenn alles geregelt ist, brauchst du auch eine totale Überwachung um die Einhaltung dieser Regeln zu gewährleisten und drakonische Strafen, um Regelübertritte zu verhindern.

Nun hat sich seit 2001 die Balance in der Gesellschaft immer mehr in Richtung Sicherheit verschoben. In der gleichen Zeit jedoch wurde das Internet zum Massenmedium und hat sich seinen freiheitlichen Charakter noch weitgehend bewahrt. Und in diesem Spannungsfeld steht nun Mieraus Gedankenspiel zu einer Reglementierung von Tor. Er selbst spricht auch den Dual Use von Tor an, ohne jedoch auszusprechen, worin denn die zweite Seite besteht. Das möchte ich gerne nachholen: Im Schatten der Totalüberwachung durch Geheimdienste ist ein Mittel, um sich vor dieser zu schützen, vielleicht keine so schlechte Idee. Zwar weist CCM richtig darauf hin, dass die NSA keine Vergewaltigungsdruhungen verschickt und auch unsere Demokratie macht einen recht stabilen Eindruck, aber wir sollten nie vergessen, dass die zukünftige Geschichte noch nicht geschrieben ist, dass es keine Regeln oder Gesetze im Weltgeschehen gibt, aus denen abzuleiten wäre, dass unser Rechtsstaat auch morgen noch da ist: Improbable things happen. Vielleicht sehen wir uns in Kürze schon wieder mit einem Totalitarismus konfrontiert, der obendrein auch noch eine perfekte Überwachungsinfrastruktur vorfinden wird. Wollen wir da wirklich unsere Mittel zur Abwehr aus der Hand geben? Zudem gibt es auf dieser Welt schon heute viele totalitäre Regime, in denen Dissidenten, Widerstandskämpferinnen oder sogar komplette Zivilgesellschaften auf die Nutzung von Tor angewiesen sind, da sie ansonsten in Lebensgefahr sind.

Ich will hier nicht die psychische Unversehrtheit der einen gegen die physische der anderen aufwiegen, sondern den guten Usecase von Tor ausformulieren. Abschließend möchte ich zu bedenken geben, dass ich nicht glaube, dass ein Verbot oder eine Reglementierung von Tor einen gewünschten Effekt auf den Anstand der Hater hätte. Wäre es so, dann müsste das in seinen Klarnamenzwängen gefangene Facebook ein Hort der glücklichen Einhörner sein, doch auch dort sind Hass, Bedrohungen und psychische Gewalt an der Tagesordnung. Genauso wenig glaube ich, dass sich Menschen, wie der erst kürzlich von der FAZ portraitierte Uwe Ostertag überhaupt für Tor interessieren. Sie predigen ihre menschenverachtenden Botschaften auch trotz langer Features inklusive Klarnamennennungen.

Ich glaube auch im Fall der Hater ist die Antwort kein Knopf zum Abschalten und kein Projektorraum zum Wegsperren, sondern der komplizierte Weg der Kommunikation. Wir müssen die aufklären und überzeugen, dass wir einen anderen Umgangston im Netz brauchen, die mit sich reden lassen und wir müssen denen die Plattformen und die Toleranz vorenthalten, die lernresistent sind. Das ist schwer! Das ist nichts, was sich von heute auf morgen ändern wird! Das ist nervenaufreibend! Aber das ist möglich!

Gesellschaftliche Änderungen sind schon früher eingetreten und sie werden sich auch in Zukunft erkämpfen lassen…

Recht auf Remix

Die Idee zu Blackbox Urheberrecht II / Noch 19 Tage…

… Ich war im letzten Post dabei, zu erzählen, wie ich darauf kam „Blackbox Urheberrecht“ zu veröffentlichen. Hiermit will ich fortfahren, aber dann abbiegen und über ein verwandtes Problem nachdenken… Anfang 2012, als ich auf der Suche nach einem Thema für mein Buch war, brach in der Urheberrechtsdebatte die Zeit der großen Worte an:

„Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren!“

Urteilte Ansgar Heveling im Januar 2012. Mit Blick auf #PRISM erscheint mir das fast schon prophetisch, auch wenn er es damals anders meinte …

Am 30. Januar 2012 machte der CDU Politiker Ansgar Heveling den Anfang indem er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die Netzgemeinde mit großen Geschützen angriff und für ein starkes Urheberrecht eintrat. Die Netzgemeinde schoss nicht weniger scharf zurück. Dann kam der Februar und die Lage beruhigte sich wieder, bis am 21. März ein Reporter vom BR Sven Regener leichtsinnigerweise zum Urheberrecht befragte, woraufhin der Autor von „Herr Lehmann“ explodierte und sich zu seiner mittlerweile schon fast zur sagenumwobenen Wutrede aufschwang:

Eine gute Woche später legten 51 Tatortautoren nach und schrieben einen offenen Brief an die Netzgemeinde. Der Verfasser, Tatort-Autor Pim Richter stellte sich mir für „Blackbox Urheberrecht“ im Interview. Und erklärte sehr aufschlussreich, unter anderem, wie es zu diesem offenen Brief kam und warum ausgerechnet die öffentlich-rechtlich finanzierten Tatort-Autoren ihn verfassten.

Das führt mich zum Titel dieses Blogposts zurück…

Everything is a remix

Ich weiß nicht, ob Kirby Ferguson den Spruch „Everything is a remix“ erfunden hat, er hat ihn aber auf alle Fälle mit seiner Doku-Serie berühmt gemacht. Ich glaube übrigens nicht daran, dass ALLES nur eine Kopie von zuvor schon dagewesenem ist, sondern glaube durchaus an Originalität. Das ist eine schwierige Debatte, die ich auch gerne noch einmal führen möchte, aber nicht heute. Denn Fakt ist, es gibt Remixe, sehr viele Remixe und sie können ganz wundervoll sein. Wenn vielleicht auch nicht alles ein Remix ist, so stehen wir Zwerge aber auf jeden Fall auf den Schultern von Riesen.

Allerdings gibt es ein Problem mit dem Remix, ein rechtliches Problem: Ohne die explizite Erlaubnis der Rechteinhaber darf ich nicht remixen. Der spektakulärste Fall, der die Grenzen des Rechts auf Remix gezeigt hat, war der Fall des „Grey Albums“ von Danger Mouse.

Brian Joseph Burton, alias DJ Danger Mouse mixte 2004 das White Album der Beatles mit dem Black Album von Jay-Z zusammen und schuf ein großartiges Mashup. Allein, er hatte vorher nicht die Rechte dafür eingeholt. EMI, die Plattenfirma der Beatles, ging daher gegen das Grey Album vor und Burton wurde gezwungen, den Vertrieb einzustellen. Als Protest dagegen, dass eine Plattenfirma ein grandioses Kunstwerk der Öffentlichkeit vorenthalten wollte, fand am 24. Februar 2004 der Grey Tuesday statt. 170 Webseiten färbten sich an diesem Tag grau ein und boten das Album zum Download an.

Nun kann man sicher streiten, ob die gefährliche Maus nicht die Genehmigung hätte einholen können, bevor er seinen Remix anfertigte. Aber der Fall ist vor allem eine Parabel für ein ganz grundlegendes Problem im Internet. Dienste wie YouTube und Tumblr basieren auf Remix. Das sehr populäre „When you live in Berlin„-Tumblr macht nichts anderes als bekannte animierte GIFs mit Überschriften zu versehen, die sie in einen Berlin-Kontext setzen und schafft so etwas neues. Die Referenz, die hergestellt wird ist manchmal so einleuchtend, dass erst durch die Kombination mit der Überschrift das GIF wirklich lustig wird.

Etwa hier:

„When you walk against the traffic on Warschauer Bruecke“

Soweit ich das sehe, wird das Tumblr von Josie Thaddeus-Johns privat betrieben. Sie scheint ferner keinen Cent damit zu verdienen, zumindest sehe ich keine Werbung oder sonstige Monetarisierungsversuche. Es ist jetzt vollkommen weltfremd, von Thaddeus-Johns zu erwarten, dass sie für jedes einzelne GIF die Rechte einholt und womöglich auch noch teuer bezahlt. Denn wie soll sie etwa herausfinden, wer die Rechte zu diesem GIF hält?

Mit dem Anspruch hier die Situation zu verbessern ist die Digitale Gesellschaft angetreten und hat die Kampagne „Recht auf Remix“ ins Leben gerufen. Ich finde die Kampagne sehr gut und wichtig und sie hat meine volle Unterstützung. Doch dann führte ich das oben erwähnte Interview mit Pim Richter und Herr Richter sagte dort folgendes:

„Das Urheberecht ist […] ein unveräußerliches Recht, zu dem auch gehört, dass ausschließlich ich, also der Urheber, über die Integrität meines Werkes bestimmen darf. Wenn also jemand mein Werk nimmt und es in gewissem Sinne verfremdet, etwa ein faschistisches Stück damit „anreichert“, dann will ich weiterhin das Recht haben, diesen Menschen zu zwingen, das zu unterlassen. Das muss möglich sein. Wenn Menschen unberechtigterweise mein Werk in einem weltanschaulichen Zusammenhang verwenden, der meinem zuwider läuft, muss ich doch das Recht haben, ihnen das zu verbieten.“

Das brachte mich ins Grübeln, denn es ist ein verdammt gutes Argument. Ich schreibe hier auf diesem Blog ja auch immer wieder gegen Intoleranz an. Was würde ich sagen, wenn etwa ein Rassist jetzt daherkäme und meinen Sophistenartikel für seine Argumentation verwenden würde… Ich wäre sicher nicht amused. Ich habe aber keine Antwort auf dieses Dilemma: auf der einen Seite bin ich dafür, Hürden abzubauen, um Remixe zu fördern und damit ja auch irgendwie Meinungsfreiheit und eine schönere, buntere Welt. Auf der anderen Seite möchte ich aber eben auch wehrhaft demokratisch mich den Demagogen in den Weg stellen können.

Und wie immer, wenn ich etwas nicht weiß, habe ich eben jemanden gefragt. In diesem Fall die DigiGes und geantwortet hat mir Leonhard Dobusch.

Dobusch nannte mir drei Argumente:

„- Die befürchtete Nutzung in neonazistischen Kontexten ist in der Regel mehr als hypothetisch denn tatsächlich praktische zu verstehen.

– Für den unwahrscheinlichen Ernstfall bleiben jedoch bestehende Verhetzungs- und Wiederbetätigungsverbote von einem Recht auf Remix unberührt.

– Und wenn alle Stricke reißen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Fall, auf den das Voltaire zugeschriebene Zitat von S.G. Tallentyre passt: ‚Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.'“

Das erste Argument finde ich nicht sonderlich stark, denn auch gegen hypothetische Bedrohungen muss ich mich schützen, sonst wache ich eines Morgens auf und die NSA überwacht das komplette Internet…

Das zweite Argument hingegen stellt mich schon eher zufrieden. Das Urheberrecht sollte nicht als meine persönlich-willkürliche Ersatzzensur herhalten, dafür haben wir andere, sorgsam ausgehandelte Gesetze. Und dennoch bin ich da auch noch nicht ganz glücklich mit. Wie verfahrt ihr denn, wenn ein Hater versucht, euch in den Kommentaren eures eigenen Blogs fertigzumachen? Schaltet ihr den Kommentar frei? Und ist dieser Fall überhaupt zu vergleichen mit einem Remix, der meiner Weltanschauung zuwider geht?

Das dritte Argument hingegen ist sehr stark und hat eine große Schnittfläche mit meinem persönlichen Wertekanon gemeinsam. Es erinnert mich an eine Episode aus Salman Rushdies Autobiographie, in der er beschreibt, dass er sich bei der britischen Regierung dafür eingesetzt hat, dass ein (ich glaube philippinischer) Film, der Rushdie persönlich verunglimpft, in Groß Britannien gezeigt werden durfte. Rushdie, selbst Opfer der Zensur in allzu vielen Staaten war, hielt das Recht auf freie Meinungsäußerung höher als seine Persönlichkeitsrechte.

Dobusch fuhr übrigen noch fort, indem er erklärte, dass es schon heute Fälle gibt, in denen jemand mein Werk in mir nicht genehmer Weise bearbeiten darf:

„Parodie und Satire: dafür gibt es eine Ausnahme im Urheberrecht. Und Parodien und Satiren entstehen besonders häufig aus einer anderen Weltanschauung heraus als derjendigen des Urhebers der parodierten Werke. Der Grund für die Ausnahme ist aber klar: das Urheberrecht soll Meinung-, Ausdrucks- und Kunstfreiheit nicht behindern.“

Dobusch schloss seine E-Mail an mich damit, dass es eine Frage von offener Gesellschaft und Liberalität ist. Dem stimme ich voll und ganz zu. Und dennoch hat die Offene Gesellschaft auch ihre Feinde und ich bin noch immer zu keinem Entschluss gekommen, wo ich den Strich ziehe und sage: „Hier stehe ich und kann nicht anders„.

Daher will ich sokratisch offen schließen und sagen, dass ich noch länger über dieses Dilemma nachdenken muss. Wenn ihr eine Lösung habt, dann teilt sie mir mit, ansonsten lest mein Buch und besucht natürlich die Webseite von „Recht auf Remix“ für weitere Informationen…