Platons Liniengleichnis

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Daniel
läuft die Linie entlang

Platon – Der Philosophenkönig – Folge 6

Vom Sonnengleichnis kommt Platon zum Liniengleichnis. Hier entwirft er in wenigen Zeilen sein metaphysisches Grundkonzept: Die Ideenlehre. Das nehme ich zum Anlass, um darüber nachzudenken, was Metaphysik überhaupt ist. Leider scheint Platon dabei vergessen zu haben, dass er eigentlich auf der Suche nach der Idee des Guten war.

Das Transkript zur Folge gibt es hier.

Epilog zu Platon

Hier geht s heute zum letzten Mal um Platon. Also wahrscheinlich, eventuell,  vorerst vielleicht. Ganz sicher ist hingegen, dass ihr entweder das Video sehen könnt oder den Text lesen.

Lasst uns noch einmal zurückblicken, was wir alles über Platon erfahren haben. In den letzten drei Jahren habe ich euch in 32 Teilen von Platon erzählt. Ihr hättet lernen können, dass er ein Schüler von Sokrates‘ war. Dass er ein spitzenmäßiges Apfelkuchenrezept hatte und dass Platons Philosophie in drei Phasen aufgeteilt wird: den frühen, mittleren und den späten Platon. Ich habe mich hier zumeist auf den mittleren Platon konzentriert, denn es ist der Platon der großen Entwürfe.

Der Platon der großen Entwürfe

Der größte der großen Entwürfe ist Platons Ideenlehre, die bis heute für die theoretische Philosophie von Relevanz ist, auch wenn sie natürlich oft und hart kritisiert wurde. Neben der Ideenlehre ist Platon für seine Ethik bekannt, wo er, wie wir sahen, hart für eine universalistische Auffassung  des Guten eintrat. Die Staatstheorie, die er daraus folgerte, ist zwar nicht minder berühmt, darf aber meines Erachtens getrost auf dem Müllhaufen der Philosophiegeschichte entsorgt werden gleich neben Hegels Weltgeist und Heideggers … was auch immer Heidegger gemacht hat. Ganz im Gegenteil etwa zur berühmten platonischen Liebe und seiner Definition von Wissen, die noch immer awesome sind.

Neben diesen Kernthemen habe ich noch zahlreiche andere angesprochen und dennoch – wie könnte es anders sein – habe ich nur einen kleinen Teil der gesamten platonischen Philosophie angekratzt, als wäre sie ein zu tief gefrorenes Kratzeis. Peter Adamson vom schönen Podcast „The History of Philosophy without any Gaps“ sagte mal, für ihn stehe ohne jeden Zweifel fest, dass er auf eine einsame Insel die gesammelten Werke Platons mitnehmen würde, denn mit ihnen kann man sich problemlos ein Leben lang beschäftigen. Und auch ich kann nur empfehlen, euch mal einen frühen platonischen Dialog zu schnappen, euch damit am besten in eine altehrwürdige Bibliothek zu setzen, den Dialog zu lesen, mit dem Einschlafen zu kämpfen und darüber nachzudenken. So habe ich meine Liebe zur Philosophie entdeckt.

Platon und die Schönheit

Eine von all den vielen Sachen die ich weitgehend ausgelassen habe, war ein der drei philosophischen Kerndisziplinen. Wir hatten uns mit den beiden philosophischen Bereichen beschäftigt, die Kant in einem berühmten Zitat aus der Kritik der praktischen Vernunft wie folgt zusammengefasst hat:

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir.“

Der olle Königsberger spricht hier von der Erkenntnistheorie und der Ethik. Aber es gibt eben noch einen dritten Zweig am philosophischen Baum: den der Ästhetik und den habe ich bei Platon fast komplett ausgelassen. Das liegt daran, dass Platon so seine Probleme hatte mit der Untersuchung der Schönheit. Gewiss im Symposion blitzt sie im Zusammenhang mit der Liebe gewissermaßen notgedrungen auf. Ich hatte die dort gegebene Definition der Idee der Schönheit im Rahmen der Ideenlehre wiedergegeben. Doch insgesamt war Platon skeptisch, was Schönheit anbelangt. Umberto Eco schreibt in seiner Geschichte der Schönheit, dass Platon meinte, sie lenke von der Wahrheit ab.

Platons Skepsis gegenüber dem Schönen und der Kunst zeigte sich zum Beispiel im Liniengleichnis. Hier stellte Platon die Abbilder auf die unterste Stufe der Erkenntnis. Zwar sprach er auch über natürliche Spiegelungen und Schatten, doch spätestens in der Wirkungsgeschichte wurden vor allem die gefertigten Abbilder verstanden. Auch der ganze Zensurapparat im Staat zielt darauf hin, die Macht ästhetischer Werke zu beschränken und lediglich pure Erkenntnis den Bürgern zugänglich zu machen. Interessant daran ist, dass Platon mit diesen Maßnahmen implizit eingesteht, dass Kunst wirkungsmächtig ist, dass sie einen enormen Einfluss auf unser Leben und unsere Sicht der Welt hat. Und genau aus diesem Punkt ist sie auch ein wichtiger Gegenstand zukünftiger Betrachtungen in dieser meiner Reihe.

Blick nach vorne

Damit bin ich bei der Frage, wie es hier weitergeht. Und darauf kann es nur eine Antwort geben: mit Aristoteles. Mit Platons Schüler schließe ich die großen Drei der Antike ab: Sokrates, Platon und eben der gute alte Ari. Aristoteles hat sich übrigens im Gegensatz zu Platon ausführlich mit Ästhetik beschäftigt, wie er überhaupt das ein oder andere Feld aufgriff, das Platon mit Missachtung strafte, zum Beispiel die Rhetorik. Ich werde in meiner Aristoteles-Reihe daher immer wieder darauf zurückkommen, wo Aristoteles explizit oder implizit sich von seinem großen Lehrer abhebt und ihn kritisiert. Ihr seht, ihr werdet Platon nicht los.

Aristoteles wird natürlich nicht der einzige bleiben, der seine Philosophie in einer Auseinandersetzung mit Platon begründet. Ein letztes Mal haue ich euch noch Alfred Whiteheads Zitat um die Ohren:

„Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, daß sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht.“

Platon war für die europäische Philosophie ein Fluch und ein Segen zugleich. Ich weiß, dieser Satz ist ein Klischee, aber erst ist auch so wahr wie der nächste, der nicht weniger ein Klischee ist: Platon war ein Genie. Er hat so viele Dinge vielleicht nicht zum ersten Mal gedacht, aber zumindest aufgeschrieben und uns so überliefert, dass er Wege ebnete, die die Philosophie von da an gehen konnte. Aber wo immer er eine Tür geöffnet hat, blieben natürlich auch andere verschlossen, durch die er genauso hätte gehen können.

Der vergessene Platon

Bei diesem enormen Einfluss, den ich im Detail ja in den letzten 32 Teilen immer wieder ansprach, ist es erstaunlich, dass es Phasen in der Philosophiegeschichte gab, in denen Platon fast vergessen war. Wenn man Bücher zur Geschichte der Philosophie liest, gewinnt man leicht den Eindruck, dass nach Platon und Aristoteles ein bisschen Mittelalter lag und dann gleich Descartes kam. Dass zwischen Platon und der philosophischen Neuzeit knapp 1.900 Jahre lagen, verliert man leicht aus den Augen.

Platon hatte seine Legacy selbst eingeleitet mit der Gründung der Akademie, die auch unglaubliche 300 Jahre fortbestand, doch spätestens 87 v. Chr. kam der Unterricht zum erliegen, als die Römer Athen eroberten und die Akademie verwüsteten. Es gab noch ein paar Versuche, die Tradition aufrecht zu erhalten, doch ca. 44 v. Chr. war dann endgültig Schluss.

Platons Lehren gerieten in weiten Teilen der philosophischen Welt in Vergessenheit, lediglich in Ägypten wurde die Flamme am Leben erhalten. Von hier aus brachte dann Platons Lehren der Philosoph und Namens-Remix-Begründer Plotin ca. 280 Jahre später nach Rom und die Epoche der Neuplatoniker wurde begründet. Der Neuplatonismus breitete sich nach Konstantinopel, Syrien und erneut Ägypten aus. Auch wenn der Kirchenvater Augustinus von Hippo Platons Lehren weitgehend christianisierte, hatten im Christlichen Europa die meisten Schriften Platons einen schweren Stand und im 6. Jahrhundert kam diese Tradition dann zum Erliegen. Teile des Platonismus wurden mit der Christlichen Philosophie weitergetragen und auch in Konstantinopel und Baghdad wurden seine Lehren wohl bis ins 11. Jahrhundert hier und dort am Leben gehalten. Doch schließlich wurde es still um den alten Philosophen.

Erst vierhundert Jahre später erlebte Platon mit der Renaissance in Italien auch seine Wiedergeburt und spätestens seit dem Beginn der Neuzeit gehört eine kritische Auseinandersetzung mit dem Philosophenkönig zum Standardrepertoire der Philosophen.

Ende

So, das war es. Das war, was ich euch zu Platon zu erzählen hatte. Gemessen an seinem Werk war es nicht viel und mein Anspruch ist bescheiden,  ich hoffe lediglich,  dass, was ich sagte, halbwegs stimmt.

Wir gesagt, es ist bestimmt kein Abschied für immer. So lange dieser Blog bestehen bleibt, so lange wird uns der erste große Philosoph immer wieder begegnen. Für mich ist es jetzt aber Zeit, voranzuschreiten. Weit muss ich dabei nicht gehen, denn schon als Platon noch selbst in der Akademie unterrichtete, saß da ein wissbegieriger Schüler in der ersten Reihe und sollte ein nicht minder großer Philosoph werden: Aristoteles.

Haltet mir die Treue, es wird ein bisschen dauern, bis ich mit dem Wälzen der Texte von und zu Ari fertig bin. Damit euch nicht langweilig wird, werde ich hier die eine oder andere Text für euch zu philosophischen Themen droppen. Doch am Ende gebe ich Platon selbst das Wort. Mit den letzten Zeilen aus dem Dialog Protagoras:

Da sagte Protagoras: Lieber Sokrates, ich lobe deinen Eifer und deine Durchführung des Gespräches. Glaube ich doch, auch sonst kein schlechter Mensch, am allerwenigsten aber neidisch zu sein, und so habe ich mich denn auch über dich schon gegen viele dahin ausgesprochen, daß ich von allen denen, mit welchen ich in Berührung komme, dich am meisten hochschätze, vor allem unter denen, die gleichen Alters mit dir sind; und so erkläre ich denn auch, daß es mich nicht wundern sollte, wenn du einst unter den Männern genannt werden wirst, denen ihre Weisheit einen berühmten Namen erwarb. Aber über diese Gegenstände wollen wir, wenn es dir recht ist, ein andermal sprechen! Jetzt aber ist es Zeit, uns auch einmal zu etwas anderem zu wenden.

Gut, sagte ich, so wollen wir es machen, wenn du meinst. Denn auch für mich ist es schon längst Zeit, dahin zu gehen, wovon ich sprach, und nur dem schönen Kallias zu Gefallen bin ich hier geblieben.

Nachdem wir so mit einander geredet und einander zugehört hatten, trennten wir uns.

Metaphysik

Wir haben dir drei Gleichnisse von der Sonne, der Linie und der Höhle hinter uns gelassen und schreiten unaufhaltsam auf die platonische Ideenlehre zu. Heute mit der Frage, was Metaphysik ist und warum wir sie brauchen. Wie immer könnt ihr euch das Video anschauen oder einfach das Transkript darunter lesen:

Beim Liniengleichnis hatte ich den Begriff der Metaphysik bereits erläutert. Aber mit Erläuterungen in der Philosophie ist das so wie mit Folgen auf Netflix: Ist eine vorbei, startet gleich die nächste. Deshalb möchte ich mich heute noch einmal ganz intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was Metaphysik ist und warum wir sie brauchen.

Metaphysik ist sinnlos

Platon ist der erste Philosoph, von dem uns ein komplexes metaphysisches Gebäude überliefert wurde. Aber er sollte bei weitem nicht der letzte sein! Theorien darüber anzustellen, wie die Welt jenseits unserer Wahrnehmung aussieht, ist ein beliebter philosophischer Sport, der noch heute betrieben wird, obwohl Ludwig Wittgenstein bereits 1921 in seiner Metaphysik, dem Tractatus logico-philosophicus, klargemacht hat, dass jede Form von Metaphysik sinnlos ist. Wittgenstein schreibt dort*:

„6.53 Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat –, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, daß wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.“

Nun, bei Wittgenstein sind wir aber noch nicht in dieser Reihe. Wir sind noch bei Platon. Platons metaphysisches System wurde in den drei Gleichnissen, die ich euch in den letzten Folgen vorstellte, angerissen und wir nennen es „Die Ideenlehre“.

Ein Verlust an Sinn

Zum Beispiel war die Grundaussage des Höhlengleichnisses, dass der Mensch zum metaphysichen Denken gelangen soll. Das Gleichnis versucht zu begründen, dass Metaphysik notwendig ist, dass wir uns von den Fesseln unserer physischen Welt losreißen und aus der Höhle in die Welt der Ideen hinaufsteigen sollen.

An dieser Stelle muss ich noch einen Schritt weiter zurückgehen. Zum allerersten Teil dieser Reihe: Wir hatten bei Thales gesehen, dass dieser den Übergang vom mythologischen Denken zum logisch-wissenschaftlichen eingeleitet hatte. Thales hatte erklärt, dass die Welt aus Wasser entstanden ist. Damit hatte er Gott durch ein abstraktes Prinzip ersetzt. Er hatte genau das gemacht, was Wittgenstein fordert: metaphysische Sätze durch wissenschaftliche ersetzen.

Diesen Übergang vom Mythos zum Logos hatte ich, wie die gesamte westliche Tradition als enormen Fortschritt abgefeiert. Aber mit diesem Übergang tritt auch ein Verlust ein: Wir haben uns von übersinnlichen Vorstellungen verabschiedet.

Gott hat ja nicht bloß die Aufgabe, die Welt zu erschaffen und kann dann chillen wie Harry Potter, wenn er am Ende eines Abenteuers mal wieder Voldi abgewehrt hat. Gott oder andere übersinnliche Vorstellungen bringen Sinn in unser Leben. Wenn wir sie also aufgeben, dann geht damit ein emotionaler Verlust einher.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist schlichtweg einfacher zu beantworten, wenn man zum Beispiel sagen kann: Der Sinn des Lebens ist das, was Gott uns sagt. Wenn ich nur noch logisch-wissenschaftliches Denken habe, dann gibt es nichts und niemanden, das mir sagen kann, was der Sinn des Lebens ist. Das ist zum Beispiel der Grund, warum für manche Menschen der Islamismus oder auch das radikale Christentum so verlockend sind: Er und es bieten ihnen die absolute Gewissheit, das Richtige zu tun. Wenn du so sehr davon überzeugt bist, dass Gott dir durch ein Buch und seine Prediger sagt, was du tun sollst, dann bist du von jedem Zweifel entbunden. Das ist ein sehr beruhigender Gedanke.

Der Übergang vom Mythos zum Logos ist auch ein logischer Verlust

Aber neben diesem Verlust ans Sinn ist mit dem Übergang vom Mythos zum Logos auch ein logischer Verlust verbunden. Und ich weiß, dass dieser Satz so absurd und widersprüchlich klingt, dass ihn Donald Trump wahrscheinlich in seine nächste Wahlkampfrede einbauen wird.

Aber dennoch ist er wahr. Denn wir verlieren die sogenannte Letztbegründung, also den Punkt, an dem ich nicht mehr weiter „warum?“ fragen kann. Ich hatte bei Thales die These einfach hingenommen, dass die Welt aus Wasser entstanden ist. Dabei stellt sich doch sofort die Frage: Warum ist sie aus Wasser entstanden? Was veranlasste das Wasser dazu sich zu einer Welt zu formen? Im Mythos stellt sich diese Frage nicht: Warum hat Gott die Welt erschaffen? Na weil er gütig und allmächtig ist. Genauso wenig die Frage: Wer hat Gott erschaffen? Alter, der Typ ist allmächtig, da kannst du dir aussuchen, ob er schon immer da war, oder sich selbst aus Nichts erschaffen hat!

Metaphysik versucht nun, sowohl den Sinn-Verlust als auch den Verlust der Letztbegründung auszugleichen, indem sie ein begründetes Gedankengebäude errichtet, das an die Stelle von einfachen Glaubenssätzen tritt. Denn darin besteht weiterhin der ganz große Unterschied: Während die Religion ein Dogma ist und einfach an Gott glaubt, versuchen wir Philosophen, alles zu beweisen, was nicht nit- und nagelfest ist. Das machen wir selbst dann, wenn es nicht sinnlich erfahrbar ist, weil es hinter der Physik liegt, also metaphysisch ist.

Platons Versuch, eine solches begründetes metaphysisches System zu entwerfen, besteht in seiner berühmten Ideenlehre. Allerdings – soviel spoilere ich schon mal – teile ich die Meinung vieler Platonkritiker, dass der Platonismus in diesem Versuch gescheitert ist.

Doch da sind wir noch lange nicht. Beim nächsten Mal begeben wir uns erst einmal auf die Suche nach gesichertem Wissen.

Literatur

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Platons Höhlengleichnis

Mir ist es gelungen, hier die Frequenz wieder etwas zu erhöhen! Als Abschluss der drei Gleichnisse und zugleich als Auftakt der Ideenlehre präsentiere ich das Höhlengleichnis. Hier das Video, darunter das Transkript und ganz unten Literatur- und Bilderquellen:

 

Das Höhlengleichnis

Platon beginnt dieses Gleichnis damit, dass er Menschen beschreibt, die seit ihrer Geburt in einer Höhle leben. Aber selbst in dieser Höhle können sie sich nicht frei bewegen, stattdessen sind sie gefesselt. Und zwar so, dass sie nur auf eine Wand gucken können. Hinter diesen armen Pinseln brennt ein Feuer und davor führen irgendwelche Sadisten ein Schattentheater auf, sodass die Schatten von allen möglichen Dingen auf die Höhlenwand vor die gefesselten Höhlenmenschen fällt. Natürlich würden die Höhlenbewohner die Schatten, die sie sehen, für die Wirklichkeit halten.

Jetzt stellen wir uns vor, einer von ihnen würde befreit. Platon spricht sogar davon, dass man ihn dazu zwingen muss, aufzustehen und sich umzudrehen. Denn er hätte Schmerzen, er ist ja noch nie gegangen. Und wenn er dann das Feuer und das Figurentheater sehen würde, dann wäre er auch zunächst geblendet, denn er hat ja noch nie etwas so helles gesehen. Wenn man ihn weiter fragen würde: was er für wahrer halte, diese Formen vor dem Feuer oder die Schatten, die er Zeit seines Lebens gesehen hat, dann würde er sicher antworten, dass die Schatten realer seien. Wenn man ihn zwingen würde, ins Licht zu blicken, würde der Höhlenmensch sogar versuchen auszubüchsen und wieder zurückzukehren zu seinen Schatten.

Platon ist aber übergriffig und belässt es nicht dabei. Stattdessen schleppt er den Höhlenmensch aus seiner Behausung heraus ans Sonnenlicht und der so Misshandelte hat jetzt nicht bloß Schmerzen, sondern obendrein ist das Licht nun so hell für ihn, dass er gar nichts mehr sehen kann. Und zugleich labert Platon immer auf ihn ein, dass das hier jetzt die Wahrheit sei!

Nun, der arme Tropf muss sein Leben außerhalb seiner Höhle verbringen, damit er sich an die Helligkeit gewöhnt. Und Platon meint, zunächst würde er auch hier wieder die Schatten und Spiegelbilder von Dingen erkennen und dann würde er Nachts den Himmel mit Mond und Sternen angucken können. Zu guter Letzt wird er aber die Sonne selbst erblicken können.

Wenn er jetzt aber wieder in die Höhle runtersteigen würde, dann würde er zunächst nichts erkennen, da er ja aus dem Licht in die Dunkelheit kommt. Und die anderen würden ihn auslachen, dass der Aufstieg sich überhaupt nicht lohne, dass man dabei nur seine Augen kaputt machen würde. Und man müsse jeden umbringen, der versucht, andere zu entfesseln und aus der Höhle ans Licht zu führen.

Was will Platon mit dem Höhlengleichnis sagen?

Das ist das ganze Höhlengleichnis. Was soll das? Offensichtlich meint Platon, dass wir diese Höhlenmenschen sind und unsere Welt nur eine Schattenweld ist. Das wiederum falle uns schwer zu glauben, so Platon. Dass Feuer und das Theater haben nach Platon schon die Vorsokratiker entdeckt. Demokrits Atomlehre und die pythagoreische Lehre von den Planetenbewegungen, das seien die Figuren vor dem Feuer. Aber Platon will noch einen Schritt weitergehen und hinter diese Physik gucken. Und was er dort findet, ist seine Ideenlehre, die wir in den nächsten Folgen noch ausführlicher betrachten.

Doch auch hier muss ich wieder darauf dringen: Was hat das mit dem Guten zu tun? Platon hatte ja das ganze Manöver mit den drei Gleichnissen nur gestartet, weil er uns erklären wollte, was das Gute ist. Und die Antwort, die er hier gibt, ist die gleiche, wie die im Sonnengleichnis: Die Sonne im Höhlengleichnis ist die Idee des Guten.

Was fällt euch dazu ein? Mir fallen zwei Dinge ein. Zum einen hat Platon noch immer nicht gesagt, worin das Gute besteht. Er hat bloß wieder erläutert, welchen Status es hat. Es bleibt eine Leerstelle. Zum anderen gibt es aber einen großen Unterschied zum Sonnengleichnis und zum Liniengleichnis. Und das dürfte einer der Gründe sein, warum das Höhlengleichnis so viel berühmter ist. Denn diesmal funktioniert die Metapher wesentlich besser als noch in den anderen Gleichnissen. Hier drin steckt wieder die sokratische Lehre von der Philosophie als Praxis. Zwar sagt uns Platon nicht, was das Gute ist, aber er sagt uns, wenn wir Philosophie betreiben, dann werden wir es herausfinden. Denn der Aufstieg aus der Höhle ist nichts anderes als das Philosophieren (der Gang entlang der Linie aus dem zweiten Gleichnis). Und Platon sagt uns noch mehr: Er sagt, dass die Erkenntnis, was das Gute ist, die am schwersten von allen zu erlangende Erkenntnis ist.

Aber natürlich steckt noch mehr als nur die Idee des Guten im Höhlengleichnis. Das, was der Philosoph außerhalb der Höhle findet, das ist Platons Ideenlehre. Und was es mit dieser wirklich auf sich hat. Das erzähle ich euch in den nächsten Folgen.

Literatur

Bilderquellen

Alle Bilder aus dieser Folge sind entweder gemeinfrei, vom mir selbst oder stammen aus:

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Platons Liniengleichnis

Nach der ungeplant langen Pause geht es hier weiter mit Platons Gleichnissen. Nach dem Sonnengleichnis kommt nun das Liniengleichnis. Wir finden viel Metaphysik aber noch immer nicht das Gute. Wie gehabt könnt ihr euch das ganze als Video ansehen oder darunter das Transkript lesen. Am Ende des Artikels gibt es dann noch Quellenangaben.

Die Vorgeschichte in etwa fünf Sätzen

Beim letzten Mal erzählte ich, dass Platon im Dialog „Der Staat“ Sokrates mit ein paar Typen die Frage diskutieren lässt, was Gerechtigkeit ist. Über diese Frage kommen sie zur nächsten Frage, was einen gerechten Staat ausmacht. Platon hatte Sokrates darlegen lassen, dass in einem gerechten Staat die Philosophen herrschen sollen, obwohl sie auf den ersten Blick total plemplem wirken. Denn Philosophen streben nicht nach Macht sondern suchen nach dem Guten. Was das Gute schließlich ist, versuchte Platon mit dem Sonnengleichnis zu umschreiben. Im Sonnengleichnis stellt er das Gute als die Ursache für Erkenntnis dar. Mich hatte das beim letzten Mal nicht sonderlich überzeugt, denn Platon begründet das weder, noch beantwortet es die Frage, was es bedeutet, gut zu sein.

Das Lininegleichnis

Aber natürlich ist Platon nicht der Trottel, als den ich ihn dargestellt habe. Daher lautet sein Motto: Nach dem Gleichnis ist vor dem Gleichnis. Er fährt mit dem Liniengleichnis fort. Allerdings hatte Platon vielleicht schon das eine oder andere Glas Rotwein zuviel intus, als er das Liniengleichnis niederschrieb, denn mittlerweile hat er anscheinend komplett vergessen, dass es ihm eigentlich um das Gute ging.

Lehnt euch mal entspannt zurück und stellt euch eine Linie vor. Links von dieser Linie liegt die Welt, rechts von der Linie liegt unsere Erkenntnis. Diese Linie unterteilen wir jetzt in vier Abschnitte. Im untersten Abschnitt der Linie liegen in der Welt die Bilder, Spiegelungen und Schatten und auf der Seite der Erkenntnis das Vermuten. Etwas darüber liegen auf der Seite der Welt die wahrnehmbaren Gegenstände, auf der Seite der Erkenntnis hingegen das Glauben. Im nächsten Abschnitt liegen jetzt auf Seiten der Welt die mathematischen Gegenstände und auf Seiten der Erkenntnis das voraussetzungsvolle Denken. Im obersten Abschnitt schließlich finden wir bei der Welt die Ideen und bei der Erkenntnis das voraussetzungsfreie Denken.

Die beiden spannendsten Aspekte des Liniengleichnis’ sind für mich das voraussetzungsreiche- und das voraussetzungsfreie Denken. Voraussetzungsreiches Denken oder Verstand, wie oft gesagt wird, ist zum Beispiel das Betreiben von Mathematik, die auf Axiomen aufbaut und in der Geometrie als Hilfsmittel auf sinnlich erfahrbare Figuren zurückgreift.

Was ist ein Axiom?

An dieser Stelle sollte ich mal wieder einen philosophischen Grundbegriff erklären, nämlich den des Axioms. Axiome sind – so behauptet es zumindest mein kleinen philosophischen Wörterbuch – „grundlegende Sätze, die selbst nicht beweisbar sind, sondern die unhintergehbare Basis für andere Sätze oder Folgerungen bilden“. Zum Beispiel gibt es in der Mathematik das berühmt gewordene Parallelaxiom, das da lautet:

„Ist a eine Gerade und P ein nicht auf a liegender Punkt, so gibt es in der Ebene, in der a und P liegen, genau eine Gerade durch P, die a nicht schneidet, nämlich die Parallele.“

Dieses Axiom ist berühmt, weil Mathematiker und Philosophen sich nicht damit abfinden wollten, dass dieser Satz sich nicht beweisen lässt und es immer wieder versuchten. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es sowohl Nikolai Lobatschewski als auch János Bolyai zu beweisen, dass sich das Parallelaxiom nicht beweisen lässt, weil man es nicht aus anderen Axiomen herleiten kann. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Kehren wir zurück zu Platon: Das voraussetzungslose Denken ist, im Gegensatz zum voraussetzungsvollen, jenes Denken, das nach den letzten Gründen, nach den Ideen fragt. Und das ist natürlich – da ist Platon unbescheiden – die Dialektik, also die dialogisch betriebene Philosophie.

Versteht mich nicht falsch, wenn ich sage, Platon hat hierbei zu tief ins Glas geschaut! Das soll den Gehalt dieser Sätze nicht leugnen, denn die haben es in sich. Das, was Platon hier darlegt, ist nicht weniger als die Eckdaten der schon erwähnte Ideenlehre. Und es steckt noch viel mehr im Liniengleichnis, etwa die Abbildtheorie, die noch tausende Jahre diskutiert werden wird und über die so manche unbedeutende Privatsprache ihre Magisterarbeit geschrieben hat. Die Unterscheidung von voraussetzungsfreiem und voraussetzungsreichem Denken war nicht weniger wirkungsvoll. So wurde zum Beispiel die analytische Philosophie im 19. Jahrhundert nicht zuletzt gegründet, um die Mathematik auf eine sichere Grundlage zu stellen – mit anderen Worten: vom voraussetzungsvollen zum voraussetzungsfeien Denken zu führen. Was Platon hier entlang dieser Linie in wenigen Sätzen entwirft, ist ein komplettes metaphysisches System. Kant braucht dafür mehr als 850 Seiten in der Kritik der reinen Vernunft.

Was ist Metaphysik?

Hier ist die nächste Erklärung für einen Grundbegriff der Philosophie fällig! Ich hatte ihn schon ein paar Mal erwähnt aber noch nicht erklärt: Metaphysik. Der Begriff geht auf Aristoteles zurück und der Legende nach ist er zufällig entstanden, da so einfach das Buch genannt wurde, das im Regal hinter Aristoteles‘ Buch über Physik stand. Wenn die Geschichte wahr ist, dann ist das ein wirklich ungewöhnlich großer Zufall. Denn der Begriff ist zugleich sehr passend für diese philosophische Disziplin. Aristoteles nannte die Metaphysik „die Lehre von den ersten Prinzipien oder Ursachen“. Die Metaphysik ist die Lehre von allem, was sich nicht in der physischen Welt beweisen lässt. So Fragen wie: „Warum gibt es die Welt?“, „Was war vor dem Urknall?“, „Was ist das Sein und was das Nichts?“ oder „Gibt es einen Gott?“ sind typische metaphysische Fragen. Wenn Platon also lehrt, dass es in der Welt quasi eine Hierarchie davon gibt, wie cool die verschiedenen Existenzmodi sind und die bei äußerst uncoolen Bildern, Spiegelungen und Schatten anfängt über semi-coole wahrnehmbare Gegenstände und schon ganz coole mathematische Gegenstände bis zu den extrem coolen Ideen reicht, dann ist das eine metaphysische Lehre. Und es erklärt nebenbei auch, warum man die platonische Akademie erst betreten durfte, wenn man Geometrie beherrschte. Denn in der Akademie ging es nur um die Ideen, um das voraussetzungsfeie Denken. Um dafür bereit zu sein, sollten die angehenden Philosophen schon die Linie entlanggeschritten sein.

Das fehlende Gute

Insgesamt ist das Liniengleichnis also enorm beeindruckend. Warum habe ich also behauptet, dass Platon besoffen war, als er es niederschrieb? Na, weil er uns eigentlich erzählen wollte, was das Gute ist! Aber alles, was ich euch erzählt habe, hat überhaupt nichts mit dem Guten zu tun!

Bei Platoninterpreten gibt es die weit verbreitete Theorie, dass Platon das Gute zum voraussetzungsfreien Denken zählt. Das ist schön und gut, aber das schreibt er hier erstens nicht, sondern deutet es allenfalls über den Kontext an und zweitens ersetzt er damit schon wieder nur eine begriffliche Seifenblase durch eine andere. Also lasst uns dieses Gleichnis einfach hinter uns lassen und an der Linie weiter entlanggehen. Dies allerdings erst in der nächsten Folge, wenn wir dann endlich zum berühmten Höhlengleichnis kommen und dort vielleicht erfahren, wie wir die drei Gleichnisse doch noch unter einen guten Hut bekommen.

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Literatur

Bilderquellen

Alle Bilder, die hier nicht angegeben sind, stammen entweder von mir oder sind gemeinfrei.

 

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Platons Sonnengleichnis

Platon – Der Philosophenkönig – Teil 4

Nach den vielen Hintergründen zu Platon steigen wir endlich in seine Philosophie ein. Ich beginne mit den Gleichnissen aus „Der Staat“. Der Höhepunkt dieser Gleichnisse ist das berühmte Höhlengleichnis. Aber heute geht es erst einmal um das Sonnengleichnis und die Frage: „Was ist das Gute?“

Wie das hier abläuft, kennt ihr sicher mittlerweile: Ihr könnt das Video ansehen oder darunter das Transkript lesen. Ganz unten findet ihr Literaturtipps und die Bilderquellen. Viel Spaß!

Platons Vorgeplänkel

Lasst uns zunächst über den Elefanten im Raum sprechen, wie man im Englischen so schön sagt, damit wir ihn aus der Welt geschafft haben und uns anschließend den wirklich spannenden Aspekten der platonischen Philosophie zuwenden können: Ihr alle kennt sicher das platonische Höhlengleichnis. Also lasst uns in die Philosophie von Platon eintauchen, indem wir seine Höhle betreten beziehungsweise wieder verlassen, dann wieder zurückkommen aber dann glaubt uns niemand, was wir gesehen haben und … Stopp! Der Reihe nach …

Die groben Eckdaten des Höhlengleichnisses kennen zwar die meisten, auch dass es irgendetwas damit zu tun hat, wie die Welt wirklich ist, aber da endet es dann oft auch schon. Wusstet ihr etwa, dass Platon das Höhlengleichnis in seinem Dialog „Der Staat“ vorträgt? Also im Rahmen seiner politischen Philosophie? Oder wusstet ihr, dass das Höhlengleichnis nur eines von insgesamt drei Gleichnissen ist, die er dort wiedergibt? Schon einmal was vom Sonnengleichnis oder vom Liniengleichnis gehört? Nein? Sag ich ja: Lasst uns der Reihe nach gehen.

Die ganze Nummer mit den Gleichnissen beginnt im sogenannten „sechsten Buch“ von Platons „Der Staat“ und als Höhepunkt dieser Gleichnisorgie beginnt mit dem Höhlengleichnis dann das siebte Buch. Platon hatte zuvor den Dialog „Der Staat“ mit der Diskussion begonnen, was Gerechtigkeit ist, und kam darüber auf die Frage, was der gerechte Staat ist. Mit Abschluss des fünften Buches wurde von unserem Philosophen gerade wenig originell dargelegt, dass in einem gerechten Staat niemand anderes als die Philosophen herrschen sollen. Nun versucht Platon dies zu begründen.

Die Ideenlehre

Platon definiert einen Philosophen als jemanden, der Kenntnis von „den Ideen“ hat. Damit kratzen wir jetzt schon hart an der berühmten Platonischen Ideenlehre, denn Platon versteht etwas ganz anderes unter „Idee“ als ihr und ich. Das sieht man schon an dem Satz „Ein Philosoph hat Kenntnis von den Ideen.“ Würde Platon das gleiche unter Ideen verstehen, wäre der Satz in etwa so sinnvoll, wie zu sagen: „Ein Philosoph hat Kenntnis von Brokkoli“. Oder habt ihr etwa keine Ahnung von euren Ideen?

Ich werde Platons Ideenlehre noch ausführlich bei den nächsten Malen aufarbeiten, denn sie ist ohne Zweifel der wichtigste Teil seiner Philosophie. Aber jetzt sei schon einmal Folgendes gesagt: Platon sagt, dass es eigentlich zwei Welten gibt. Zum einen die Welt der Erscheinungen. Das ist alles, was wir wahrnehmen können. Dahinter gibt es aber noch eine zweite Welt, nämlich jene der Ideen. Die Ideen sind grob gesprochen unveränderliche Urbilder aller Erscheinungen. Und der Satz „Ein Philosoph hat Kenntnis von den Ideen.“ bdeutet, dass wir Philosophie betreiben müssen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie diese Urbilder von allem in der Welt, also der Kern oder das Wesen unserer Welt wirklich sind. Alter, das klingt ganz schön esoterisch, was? Eine Welt hinter der Welt?! Nun, die Ideenlehre ist abgefahrener Scheiß und wir werden noch einige Texte brauchen, um uns zu erarbeiten, wie Platon überhaupt auf so eine durchgeknallte Idee *haha* kommen konnte. Aber die Ideenlehre ist eben – soviel teaser ich schon einmal – auch nicht komplett unplausibel, da sie viele philosophische Probleme löst …

Philosophen sind knorke Typen

Doch kehren wir zum Text zurück: Nachdem Platon seinen Sokrates hat darlegen lassen, dass Philosophen knorke Typen sind, hält Sokrates’ Gesprächspartner Adeimantos dagegen: Philosophen sind zur Staatsführung total ungeeignet! Alle, die sich nach der Schule noch weiter mit Philosophie beschäftigen, sind echte Freaks und voll komisch drauf. Sokrates sagt, dass das zwar stimmt, aber dennoch sollen die Philosophen herrschen. Denn das Problem seien nicht die Philosophen selbst, sondern der jetzige Staat. In ihrem aktuellen Zustand wird Politik angesehen als die Kunst, an die Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten. Das klingt auch heute noch nicht komplett unplausibel, oder? Aber Philosophen interessiert das nicht, sie interessiert nur, wie man einen Staat richtig leiten muss, damit es ein guter Staat ist. Philosophen streben nicht nach Macht, daher wirken sie zwar komisch, sind aber am besten für Staatsämter geeignet. Es folgt dann wieder eine Auslassung, wie cool Philosophen sind, die wir hier vernachlässigen können.

Denn worauf es ankommt, ist das: Im nächsten Teil legt Platon dar, worin Philosophen ausgebildet werden müssen, um echte Philosophen zu werden. Über diese Darlegung kommt er zu der These, dass die höchste Erkenntnis, die Idee des Guten ist. Und jetzt kommen wir zu des Pudels Kern, der großen Frage, die Platon umtreibt: Was ist denn eigentlich dieses Gute?

Doch die Antwort auf diese Frage führt Platon in eine Sackgasse, denn es gelingt ihm nicht recht, das Gute anders zu definieren, als dass es das ist, was all unser Handeln leitet. Ihm beziehungsweise seinem Sokrates gelingt es einfach nicht, zu sagen, worin das Gute denn nun eigentlich besteht. Was ist die Definition von „gut“? Da Sokrates’ Gesprächspartner im Buch nicht locker lassen, sagt die alte Socke dann irgendwann: Also gut, ich erzähle euch ein Gleichnis darüber, was das Gute ist.

Das Sonnengleichnis

Aber bei einem Gleichnis bleibt es nicht. Es folgen stattdessen insgesamt drei Gleichnisse – das Sonnengleichnis, das Liniengleichnis und das Höhlengleichnis. Platon beginnt das Sonnengleichnis damit, dass er uns zunächst einmal die Ideenlehre ins Gedächtnis ruft, die er in früheren Dialogen schon eingeführt hatte. Er lässt Sokrates sagen: In der Sinnenwelt gibt es viele Dinge, die wir ‚gut‘ nennen. Diesen guten Erscheinungen entspricht aber nur eine einzige Idee des Guten. Merkt euch das! Das ist ein wichtiges Prinzip der Ideenlehre, dass vielen verschiedenen Erscheinungen immer eine Idee gegenübersteht.

Platon fährt fort: Während wir die Idee des Guten nur denken können, können wir die Erscheinungen des Guten nur wahrnehmen. Auch das ist ein Grundprinzip der Ideenlehre. Aber auch das erste Mal, dass sich mir latent die Nackenhaare aufstellen. Denn die Frage ist: Stimmt das, was Platon hier sagt? Dass wir die Idee des Guten nur denken können, scheint mir klar. Aber wie sieht es mit den Erscheinungen des Guten aus, können wir die nur wahrnehmen? Der Begriff des Guten ist facettenreich: Wenn ich eine Oma über die Straße führe, ist das gut und wahrnehmbar. Aber wir bezeichnen als „gut“ auch Personen, wie zum Beispiel Gandhi. Gandhi selbst kann ich sehen, aber dann sehe ich nicht das Gute an ihm. Klar, ich kann auch Filmaufnahmen oder Berichte von guten Taten von ihm wahrnehmen. Aber das ist doch noch nicht der Kern dessen, warum wir Gandhi gut nennen. Ich verübe auch manchmal gute Taten, aber niemand würde sagen: Daniel ist so gut wie Gandhi. Dass Gandhi so ein schillerndes Beispiel des Guten ist, liegt eher in der Summe aller seiner guten Taten begründet. Hinzu kommen außerdem seine Motivationen. Merkt ihr jetzt, wie kritisch es ist, wenn wir naiv abnicken, dass wir Erscheinungen des Guten wahrnehmen? Und ich habe noch nicht einmal davon angefangen, wass es heißt, dass Demokratie gut ist oder dass die Todesstrafe abgeschafft ist.

Doch kehren wir zu Platon zurück: Im Text folgt eine Darlegung, dass von allen unseren Sinnen das Sehen der hochwertigste Sinn ist. Denn fürs Sehen brauchen wir ein Medium. Während wir beim Hören etwa nur die Geräuschquelle und das Gehör brauchen, brauchen wir beim Sehen den Gegenstand, das Auge und als Medium das Licht. Das ist natürlich vollkommener Humbug, denn Platon wusste schlichtweg noch nicht, dass der Schall auch ein Trägermedium wie z. B. die Luft braucht und dass im luftleeren Raum kein Schall transportiert wird. Auch wenn wir noch so oft dröhnende Sternenzerstörer auf der Leinwand sehen.

Anyway: Platon vergleicht das Licht daraufhin mit einem Joch – also dem Ding, das beispielsweise zwei Pferde vor einer Kutsche zusammenhält, damit sie im Gleichschritt laufen und so die Kutsche ziehen können. Unsere zwei Pferde sind im diesem Gleichnis das Auge und der Gegenstand, den wir sehen wollen. Platon ergänzt, dass die Ursache für das Licht wiederum die Sonne ist. Hmm … so richtig passt die nicht ins Gleichnis, oder? Egal …

Platon fragt, wie sich das Sehen und das Organ des Sehens, also das Auge, zur Sonne verhalten. Seine Antwort: Das Auge sei zwar nicht die Sonne, aber das sonnenartigste unter den Sinnesorganen. Aha … Aber, mal eine andere Frage: Wollte uns Platon nicht eigentlich erzählen, was das Gute ist? Was hat das alles mit der Idee des Guten zu tun? Platon: So, wie sich die Sonne zum Sehen, zum Auge und zur Sichtbarkeit verhält, so verhält sich das Gute zur Vernunft, zur Seele und zur Denkbarkeit. Das Gute ist also die Ursache dafür, dass wir überhaupt denkend erkennen können. Die Helligkeit, die im Gleichnis das verbindende Joch war, setzt er nun mit der Wahrheit gleich und das Ding, das wir sehen können, steht für die Idee. Verstanden? Nein? Kein Wunder, denn das ist meines Erachtens ziemliches Geschwurbel. Was Platon mit vielen Worten sagen will, ist Folgendes:

Das Gute ist die Ursache dafür, dass es die Wahrheit gibt, die wiederum das verbindende Element zwischen unserer Seele und den Ideen darstellt und so Vernunfterkenntnis ermöglicht. Überzeugt euch das? Mich jedenfalls nicht! Zunächst einmal ist dieses Konstrukt eine metaphysiche Unterstellung. Platon gibt überhaupt keinen Grund an, warum das Gute die Ursache für Erkenntnis sein soll, er behauptet das einfach. Genauso könnte ich behaupten: Brokkoli ist die Ursache für Erkenntnis. Was aber noch wichtiger ist: Platon hat uns überhaupt keine Antwort gegeben, was das Gute denn nun ist. Das Gleichnis ist dafür vollkommen ungeeignet.

Natürlich hatte Platon selbst schon angekündigt, dass er die Antwort nicht geben kann, daher hatte er ja mit einer Metapher geantwortet. Und eine Metapher so zu verwenden ist auch vollkommen legitim. denn wir benutzen immer dann Metaphern, wenn wir uns neue Bedeutungsfelder erschließen wollen, die wir noch nicht ganz greifen können. Das sieht man im Jahr 2016 an der Flüchtlingskrise ganz gut. Wir erleben eine neue Konsequenz der Globalisierung und versuchen uns dem Phänomen mit Metaphern zu nähern wie „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingsschwemme“, „syrische Wurzeln“, „verschärftes Asylrecht“, „Flüchtlingsschlepper“ oder „ein Zaun namens Türkei“.

Aber – das sieht man auch an den genannten Beispielen – es gute und schlechte Metaphern. Eine gute Metapher macht einen komplizierten Sachverhalt greifbar (das war zum Beispiel eine gute, eine greifbare Metapher). Eine schlechte Metapher hingegen ist einfach nur hohl, ersetzt eine Worthülse durch eine andere (und auch das war eine gute, greifbare Metapher). Letzteres hat Platon hier gemacht. Zu sagen, dass das Gute wie die Sonne ist, bringt uns schlichtweg nicht voran.

Platon muss selbst auch gemerkt haben, dass er noch nicht so richtig den Nagel auf den Kopf getroffen hat (Wieder eine gute Metapher, ich bin on Fire – die nächste!). Jedenfalls fährt Platon mit dem Liniengleichnis fort. Aber das schauen wir uns beim nächsten Mal an, denn zumindest mir raucht schon der Kopf.

Wenn ihr mir erklären wollt, was ich am Sonnengleichnis nicht verstanden habe, dann schreibt das in die Kommentare. Ich danke euch, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.

Literatur

Bilderquellen

 

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