Entspannter Twittern

Twitter ist unser aller Lieblingsort im Netz. Das liegt an einer Reihe ganz spezieller Faktoren, die Twitter besonders machen. Zunächst ist Twitter interessengetrieben. Wenn du zum ersten Mal Twitter besuchst, wirst du das alles nicht verstehen, doch nach kurzer Zeit stellst du dann fest, dass du dort Menschen und Institutionen folgen kannst, die Inhalte twittern, die dich interessieren und dass du dir so einen ganz persönlichen Nachrichtenfeed zusammenstellen kannst. Das unterscheidet Twitter wesentlich von Facebook, wo deine „Freunde“ zum überwiegenden Teil tatsächliche Bekannte aus dem Leben afk sind. Was die auf Facebook posten, ist dann eben oft uninteressant. Zwar bietet Facebook auch Möglichkeiten des Feintunings deiner Timeline an, aber die sind eher so „mittelgut“, um es mal höflich auszudrücken. Die Ausrichtung bleibt: Facebook ist beziehungszentriert, Twitter hingegen interessenzentriert. Auf Google+ rollt das Tumbleweed und auf Xing richtet man sich die Krawatte.

 

Permanentes Stand-up-Comedyprogramm

Natürlich kannst du deinen Nachrichtenstream auch per RSS einrichten, aber dann fehlt dir die soziale Komponente komplett. Denn Twitter macht als zweiten Faktor besonders, dass es ein Hybrid ist: Twitter ist sowohl Microblogging-Plattform als auch soziales Netzwerk. Einerseits zeigt sich sein Blog-Geist, indem viele Twitterer ihre 140 Zeichen nutzen, um ein permanentes Stand-up-Comedyprogramm durchzuziehen, andere Accounts sind themenspezifisch: So gibt es zum Beispiel eine Reihe historischer Accounts, die berichten, was an diesem Jahrestag im zweiten Weltkrieg vorgefallen ist oder ähnliches. Andererseits ist Twitter auch ein soziales Netz: Du folgst nicht nur einseitig anderen, andere können auch dir folgen. Du kannst Inhalte retweeten, also mit deinen Followern teilen, du kannst Inhalte favorisieren und du kannst auf Inhalte antworten.

Selbstbeweihräucherung ist ein ganz normales Phänomen

Und der dritte Faktor, der Twitter so speziell macht, ist seine Größe: Twitter hat so viele Nutzer, dass für jeden etwas dabei ist. Jeder findet seinen Kreis, jeder kann sich seine Timeline aus dem großen Buffet zusammenstellen. So hat App.net zum Beispiel versucht, ein besseres Twitter zu machen, aber (zumindest bislang) das Problem, dass es zu klein ist. Das führt dazu, dass die Nutzerschaft sehr homogen, nämlich technikinteressiert ist, dass dort Postings nicht wie auf Twitter durchrauschen, sondern eher tröpfeln und dass man das Gefühl hat, das jeder zweite Post davon handelt, wie viel toller ADN doch als Twitter ist. Diese Selbstbeweihräucherung ist zwar ein ganz normales Phänomen von sozialen Kreisen, es ist auf Twitter nicht weniger anzutreffen, allerdings fällt es aufgrund der erwähnten Masse an Tweets nicht so ins Gewicht.

Abschiede mit großer Geste und alberne Comebacks

Soviel zur Theorie. In der Praxis zeigen sich allerdings einige Abweichungen von der reinen Lehre. So scheint Twitter vielen Menschen eine ganze Menge Stress zu bereiten. Ständig gibt es Streit auf Twitter darüber wem man folgen soll oder darf und wem nicht. Ob und wie man auf einen Tweet antworten darf. Und welche Tweets man wie mit wem teilen sollte oder nicht. Regelmäßig verabschieden sich große Twitterer mit großer Geste vom Medium, als hätten sie gerade ihre Karriere beendet und viele kehren nach einiger Zeit mit einem albernen Comeback zurück.

Türsteher vor meiner Filterblase

Der jüngste Streit dreht sich um einen winzigen Account mit Namen @blockempfehlung. Ein „Block“ ist die Einstellung in Twitter, dass man selbst nichts mehr über die und von der geblockten Person hört. @blockempfehlung spricht nun, wie der Name sagt, Empfehlungen aus, wenn man blocken soll. Da ich mir gerne selbst meine Meinung bilde und ein eher gespaltenes Verhältnis zu Türstehern habe, werde ich dem Account nicht folgen, denn ich möchte keinen Türsteher vor meiner Filterblase. Damit ist die Sache für mich gegessen. Für andere hingegen nicht: Sie schimpfen über Zensur, Denunziation und sogar Faschismus. So viel Aufregung ist nicht nötig. Man kann Twitter auch ganz unverkrampft nutzen. Man muss sich nur mal ein paar Sachen bewusst machen. Daher folgt hier ein Leitfaden, wie ihr alle Twitter entspannter nutzen könnt:

140 Zeichen

Ein Tweet ist beschränkt auf 140 Zeichen. Dies ist für viele Sätze der deutschen Sprache schon zu kurz. Das macht einerseits den Reiz aus, ich muss kurz und prägnant formulieren. Andererseits erfordert es aber auch – zwangsläufig – Verkürzung. Ich kann nicht abwägen, sondern muss knallhart ohne ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ formulieren. Deshalb sollte jeder Empfänger, bevor er sich echauffiert, sich vielleicht mal kurz besinnen, ob der Tweet nicht auch anders gemeint sein kann. Und ob ein einziger Tweet, der vielleicht nicht in Ordnung war, es gleich wert ist, zu den Waffen zu greifen. Oder ob man nicht lieber einfach darüber hinwegscrollen sollte und beobachten, ob auch in Zukunft unangebrachte Inhalte kommen. Denn – das sollte sich jeder immer klar machen – es kann auch ganz anders gemeint gewesen sein. Andererseits sollte sich jeder Sender auch fragen, ob wirklich jeder Tweet geschrieben werden muss. Ob er oder sie es nicht vielleicht auch einfach mal lassen soll, denn das führt uns zum zweiten Punkt.

Der Fav

Wenn mir ein Tweet gut gefällt, verteile ich einen Stern, ich favorisiere ihn. Die Seite Favstar hat daraus die inoffiziellen Twittercharts gemacht. Das führt dazu, dass viele auf der Jagd nach Sternen keinen Witz für zu billig halten. Wovon sich wiederum andere gestört fühlen. Und obendrein gibt es auch noch Neid: Hans hat mehr Follower als Peter obwohl Franks Tweet viel schlechter ist als Walters. Mein Rat: hört auf, euch mit anderen zu vergleichen, sondern freut euch, wenn jemand euch versteht und daher besternt. Außerdem komponiert lieber wenige gute Tweets, als mit einem Dauerfeuer von Geschmacklosigkeiten eure Quote zu erreichen.

Der Tweetklau

Auf der Jagd nach Sternen gehen manche den Weg des geringsten Widerstands und kopieren, was andere bereits geschrieben haben. Machen sie dies mit der von Twitter vorgesehenen Funktion, handelt es sich um einen Retweet mitsamt Quellenangabe und alle sind glücklich.  Doch gelegentlich schmückt sich jemand mit fremden Federn. Das wird auf Twitter nicht gerne gesehen und Täter werden mit Bissen beziehungsweise Shitstorms aus dem Rudel vertrieben. Natürlich ist es unglaublich verwerflich jemandes „geistiges Eigentum“ zu „stehlen“. Oder wie Peter Breuer es ausgedrückt hat:


Und vielleicht, aber auch nur ganz vielleicht, ist dein Tweet auch nicht so kreativ gewesen, dass er nicht noch jemandem anderen einfallen konnte. Zumindest einen Tweet aus den Favstar-Best-Of lernte ich schon Jahre zuvor auf belauscht.de kennen. So etwas nehme ich zur Kenntnis, schüttele vielleicht den Kopf über den Geltungswahn des Twitterers aber deswegen veranstalte ich doch keinen Exorzismus…

Replies und Mentions

Wenn man auf Twitter jemanden in einem Tweet erwähnt, wird dieser umgehend darüber informiert. Immer wenn jemand @Privatsprache schreibt, vibriert mein Handy. Das ist eine Mention. Setze ich den Namen an den Beginn des Tweets, kann dieser Tweet nur noch von mir, dem/der Erwähnten und unseren gemeinsamen Followern gelesen werden. Das ist dann eine Reply. Zumindest war das früher so, mittlerweile hat Twitter so merkwürdige Linien eingeführt um Konversationen zu kennzeichnen, die das Prinzip modifizieren…

Hier schlägt jetzt wieder der janusköpfige Aufbau Twitters zurück. Menschen, die Twitter als Microblog nutzen, um eine möglichst große Reichweite zu generieren, mögen keine Replys und Mentions und viele äußern ihr Verachten oft lautstark. Natürlich verstehe ich, dass es anstrengend wird, wenn bei 20.000 Followern auch nur jeder 20. auf einen meiner Tweets antwortet, weil das Rauschen dann zu groß wird. Aber jedes Mal genervt zu reagieren ist auch albern, denn die Menschen, über die du dich da aufregst, sind deine Fans. Ohne sie wärst du auf Twitter nichts, also behandele sie mit Respekt. Und wenn jemand wirklich nervt, kann man ihn auch Blocken. Was natürlich doof ist, wenn man nur nach Quote geht…

Der Block

Ein anderes Problem ergibt sich, wenn man kontroverse Tweets absetzt. Ein Shitstorm kann schon sehr belastend sein. Da hilft ein Block um sich selbst zu schützen. Aber man sollte auch vorsichtig sein, dass man nicht voreilig andere blockt, die ja vielleicht doch wieder nur ungeschickt in 140 Zeichen gefangen sind. Außerdem hat mal (ich glaube) @Linuzifer bei WMR etwas über Blogposts gesagt, das erst recht für Twitter gilt: Man liest sie mit der eigenen inneren Hassstimme. Vielleicht war:

Im Sturm nicht als das gemeint:


Sondern eher als das:

Und für die andere Seite gilt: Ja, ein Block ist eine narzisstische Kränkung. Ja, ich habe diese auch schon erfahren. Und ja: Ich konnte das damals auch nicht verstehen, aber deswegen bin ich nicht gleich verbal Amok gelaufen. @mspros Thesen vom Kontrollverlust und von der Filtersouveränität erklären sehr gut, warum man mit gutem Recht jemanden blocken darf. Und das ist keine Zensur! Deine Meinungsfreiheit wird nicht eingeschränkt, dadurch, dass eine Person sagt: ich will mir das nicht anhören. So wie ich für mich entschieden habe, nicht die Bildzeitung zu lesen. Damit zensiere ich aber die Bild nicht.

Entfolgen

Was fürs Blocken gilt, gilt auch fürs Entfolgen. Ihr erinnert euch an meine Eingangsthese: Twitter ist interessengetrieben. Also kann dieses Interesse auch enden und hat nichts damit zu tun, dass die Person, die euch nun nicht mehr folgt, euch beleidigen will oder was ihr da sonst noch alles hineininterpretiert. Seht das alles einfach etwas entspannter, dann bleibt Twitter für euch und uns alle der schönste Ort im Netz, abgesehen natürlich von diesem Blog.


Und wisst ihr was? Immer wenn Twitter euch nervt, gibt es eine einfache Lösung: Einfach mal das Handy beiseite legen und den Browsertab schließen. Ihr müsst ja nicht gleich so etwas Verrücktes machen wie offline gehen! Ihr könnt einfach etwas entspannter Twittern.

 

 

 

 

 

Ich bin raus.

Paperday

Ich habe einen Tag auf digtitale Technik verzichtet. Dies ist mein Reisebericht ins Offland.

 

Der 2. November 2013 war mein Paperday.
Der 2. November 2013 war mein Paperday.

 

Beim 29C3 hielten Frank Rieger und Ron den Vortrag Security Nightmares 2012. Im Zuge dieses kurzweiligen Vortrags unterbreiteten die beiden den Vorschlag, man solle doch mal einen Paperday machen, um zu testen, ob man dazu noch in der Lage sei. Die Idee fand ich gut und wollte sie unbedingt durchführen. Es ist aber schon bezeichnend, dass ich das Vorhaben seit Dezember 2012 vor mir herschob und erst jetzt im November 2013 dazu kam, ihn durchzuführen, den Paperday.

 

 

Die Regeln für meinen Paperday

Die Regeln für meinen Paperday habe ich mir ganz subjektiv und willkürlich zurechtgelegt. Zunächst konnte nur ein Wochenendtag dafür herhalten. Denn unter der Woche verdiene ich mein Geld mit dem Internet und mein Chef hätte sicher wenig Verständnis dafür, wenn ich ihm sagte, ich will einfach mal einen Tag mit Stift und Papier arbeiten. Um aber nicht in totale Agonie zu verfallen und den ganzen Tag auf dem Sofa dahinzuvegetieren, habe ich einen Tag gewählt, an dem meine kleine Familie und ich zu meinen Eltern reisten.
Verzichtet habe ich an diesem Tag auf jegliche Digitaltechnik: Natürlich das Internet, Computer, mein Smartphone und das Tablet. Konventionelle Technik wie Strom, Radio und CD (also ein bisschen geschummelt), Uhren (auch digitale) die halt in der Welt so rumhängen und unser Auto habe ich zugelassen und natürlich jede Menge Papier: Ich trug ein Notizbuch bei mir, in das ich meine Gedanken zu jenem Tag kritzelte und Notizen, die ich normalerweise getwittert hätte…

Das Protokoll

8:30 Uhr – Ich habe mein Vorhaben im Halbschlaf gleich vergessen und setze nach dem Blick aus dem Fenster erst einmal einen Tweet ab.

 

Daran, dass ich mein Gedächtnis heute nicht auf diese Art und Weise externalisieren wollte, erinnert mich die Dame pflichtschuldig. Offlinerin, die sie ist, freut sie sich anscheinend schon auf den Tag, an dem ich gänzlich in ihre Sphäre wechsle. Normalerweise hätte ich den Morgen Kaffeetrinkend und Blogs lesend im Bett verbracht. Statt dessen liege ich dort und lese Band 9 der Eis-und-Feuer-Reihe. Das Buch liegt seit einem halben Jahr auf meinem Nachttisch, weil ich es nicht gut finde, mich aber nicht überwinden kann, es aufzugeben. Wahrscheinlich beschließe ich wieder, die Reihe nicht weiterzulesen, bis die nächste Staffel Game of Thrones läuft und ich wieder angefixt werde…

9:30 Uhr – Meine Tochter (6) möchte „Yellow Submarine“ hören. Die Dame meint zwar, dass wir irgendwo die CD haben, aber da unsere große CD-Sammlung faktisch nie benutzt wird, ist sie in keiner Weise sortiert. Ohne Suchfunktion stöbere ich gefühlte drei Stunden nach der CD, finde sie aber nicht, sondern speise meine Tochter (6) mit irgendeiner anderen Beatles-CD ab. Allerdings bleibt anzufügen, dass sie das nicht sonderlich stört, denn Sie will eigentlich nur „Rockstar“ spielen (Also mit dem Fotostatif vor dem spiegelnden Fernseher stehen und Playback singen).

9:50 Uhr – Jetzt möchte meine Tochter (6), dass ich ihre Rockshow filme. Zwar hat die Dame noch eine alte Videokamera, aber ich weiß weder wo sie ist, noch könnte ich sie bedienen. So bleibt die Liveshow ungefilmt…

10:30 Uhr – Aus einem Reflex heraus möchte ich das Handy auf dem Nachttisch auf Statusmeldungen hin überprüfen. Dann fällt mir ein, dass heute der Paperday ist und ich lasse es halt bleiben.

10:40 Uhr – Im Bad hätte ich normalerweise einen Podcast gehört. Nun steige ich aufs Radio um. Der Bericht behandelt den Lobbyeinfluss bei den Koalitionsverhandlungen. Durchaus ein Informationsgewinn, den ich sonst nicht gehabt hätte.

11:00 Uhr – Beim Frühstück erzählt die Dame eine Anekdote vom Friseur „Director’s Cut“, der als Logo die Silhouette eines dicken Mannes mit Vogel auf der Schulter hat. Wir spekulieren, ob es Hitch ist und womöglich sogar das Plakat von „Die Vögel“. Normalerweise hätte ich das jetzt gegoogelt. So bleibt die Frage ungeklärt.

11:20 Uhr – Im weiteren Verlauf des Frühstücks kommt die Frage auf, wann Stanislav Lem gelebt hat. Ohne Google gibt der Klappentext der Sterntagebücher Auskunft.

11:30 Uhr – Immer noch Frühstück: Wir besprechen, dass ich mit dem Kater zum Tierarzt muss. Normalerweise hätte ich das in Wunderlist notiert. So kommt es in mein Notizbuch.

11:50 Uhr – Ich bin heute dran mit dem samstäglichen Wohnungsputz. Meine In-Ear-Kopfhörer dämpfen normalerweise den Staubsaugerlärm sehr gut, sodass ich beim Saugen Musik oder Podcasts hören kann. Ohne Handy fällt die Option weg und das Putzen ist sehr viel langweiliger. Das ist das erste Mal, das ich mein Handy wirklich vermisse.

13:10 Uhr – Wir wollen also zu Opa und Oma fahren. Ich habe gepackt und bin abfahrbereit. Allerdings brauchen die Dame und meine Tochter (6) noch Zeit. Mein Buch ist schon verpackt. Da mir das Checken der Timeline heute versagt bleibt, bleibt nur Langeweile.

13:20 Uhr – Autofahren ohne Navi ist kein Problem, da ich die Strecke kenne.

14:20 Uhr – Kaffeetrinken bei meinen Eltern. Der Smalltalk langweilt mich stellenweise und ich erwische mich dabei, dass ich auf mein Handy blicken möchte. Aber das liegt ganz unten im Gepäck verstaut.

14:50 Uhr – Wir wollen im Garten arbeiten. Mein Vater will auf „dem Regenradar“ checken, ob sich das lohnt oder gleich der nächste Schauer kommt. Ich will nicht schummeln, dennoch haben wir Glück und bleiben trocken.

16:20 Uhr – Meine Tochter (6) sitzt am Tisch und spielt. Sie hat die Haare zu Zöpfen geflochten und sieht bezaubernd aus. Ich ärgere mich, dass ich kein Foto machen kann.

16:40 Uhr – Zu meinen Routineaufgaben im elterlichen Haushalt gehört, auf dem Laptop meiner Mutter sämtliche Updates durchzuführen. Das verschieben wir dann aber auf morgen.

17:00 Uhr – Ich erzähle vom Paperday. Mein Vater behauptet, er habe mich zuvor auf mein Handy blicken sehen. Das ist allerdings unmöglich, da das Handy noch immer im Gepäck verstaut ist und bestätigt nur meine These, dass die nach Mustern suchenden Gehirne der Offliner jederzeit bereit sind, ihr Klischee zu bestätigen, dass ich Netzbewohner ja dauernd auf mein Handy gucke.

18:00 Uhr – Noch einmal erwische ich mich dabei, dass ich im Gespräch outgezoned bin und überlegt habe, welche Statusmeldungen ich wohl bekommen habe. Am Tag danach stelle ich übrigens fest, dass außer ein paar Favs, Retweets, einer Direktnachricht und zwei E-Mails nichts los war in meinen sozialen Netzen, sodass ich nichts verpasst habe.

19:00 Uhr – Es ist dunkel geworden und die Beleuchtung im Wohnzimmer von Oma und Opa erzeugt eine schöne Stimmung. Statt auf einem Foto muss ich das eben im Gedächtnis behalten.

19:15 Uhr – Seit einer halben Ewigkeit höre ich mal wieder Fußball im Radio, was durchaus Spaß macht. Beim Abendessen wird das Radio dann aber ausgestellt und ich kann nicht nachlesen, wie meine Eintracht gespielt hat.

21:40 Uhr – Im Gespräch kommen wir auf die Frage, woher der Begriff „Fehlerteufel“ kommt. Sie bleibt unbeantwortet.

22:00 Uhr – Meine Eltern gehen ins Bett. Normalerweise hätte ich jetzt noch eine Folge „Misfits“ geguckt, so lese ich eben noch ein bisschen.

23:00 Uhr – Einschlafen ohne Podcast im Ohr geht erstaunlich gut. Ich habe keine Sorgen, die mich davon abhalten und außerdem Wein im Blut…

Der Morgen danach – Natürlich bleibt es nicht unkommentiert, dass ich wieder mein Handy zur Hand habe. Aber wenn ich so ein Trara wie einen Paperday veranstalte, braucht mich das nicht zu verwundern…

Fazit

Mein Paperday fiel mir überaus leicht. Ich hatte keine Entzugserscheinungen von meiner „Internetsucht“. Im Laufe des gesamten Tages hatte ich nur fünf Mal den Impuls, meine Timeline zu checken. Sechs Gedankengänge, die ich normalerweise getwittert hätte, habe ich diesmal auf Papier festgehalten – ein Verhalten das die Offliner offensichtlich nicht so sehr stört wie der Griff zum Handy. Vielleicht behalte ich es daher bei. Weiterhin ist mir positiv aufgefallen, dass ich zwar insgesamt weniger, aber mehr in meinem Roman gelesen habe. Ich habe mir vorgenommen, wieder aktiver Bücher zu lesen und weniger Artikel und Blogs. Dem gegenüber steht aber, dass das Leben wesentlich grauer ist ohne die Vorzüge der Digitalität. Sowohl meine Tochter (6) als auch meine Mutter mussten sich in Verzicht üben und langweilige Tätigkeiten wie Putzen, Warten oder Gartenarbeit sind ohne Kopfhörer noch langweiliger. Auch empfinde ich es als absoluten Gewinn, jederzeit schöne Situationen und Eindrücke mit dem Fotohandy festhalten zu können. Dennoch werde ich den Paperday nächstes Jahr wiederholen. Mal schauen, was sich dann ändert.