J. Robert Oppenheimer – Freiheit und Notwendigkeit in der Wissenschaft

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Daniel
unterscheidet nützlich und notwendig

Oppenheimers Wissenschaftstheorie

Heute springe ich auf den Hypetrain (allerdings wie bei mir üblich viel zu spät) und spreche über J. Robert Oppenheimers Wissenschaftstheorie. Es geht um die wachsende Komplexität der Wissenschaft und deren zunehmende Unzugänglichkeit für die breite Öffentlichkeit. Oppenheimer unterscheidet zwischen Nützlichkeit und moralischer/geistiger Qualität von Forschuing und hebt die Bedeutung beider Bewertungen hervor. Wobei ich auch eine Äquivokation entdecke. Oppenheimer diskutiert die Rolle von Zufall und Erfindungen in der Wissenschaft.

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Aristoteles – Logik und der klassische Syllogismus

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Daniel
ist sterblich

Aristoteles – Der Logiker – Folge 10

Heute geht es um Logik. Das ist die Lehre vom richtigen Schließen. Wir schauen uns noch einmal an, was ein Schluss ist, was ein Beweis und worin der Unterschied liegt zwischen vollkommenen und unvollkommenen Schlüssen. Dann kommen wir endlich zum klassischen Syllogismus. Als nächstes schauen wir uns verschiedene Schlussformen an. Wir wenden dann unsere verschiedenen Modi Notwendigkeit, Faktizität, Möglichkeit und Unmöglichkeit auf die Schlussformen an. Das alles gibt es wahlweise als Video, Podcast oder Text.

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Aristoteles‘ Logik

Nach den vielen Vorüberlegungen zur Logik möchte ich heute schließlich mit der eigentlichen Lehre der Logik beginnen. Das ist die Lehre vom richtigen Schließen. Und damit dann auch den Logik-Block der Aristoteles-Staffel beenden und mich anderen Themen zuwenden. Ich bin also wie eine Folge von Amazons-Blockbuster-Serie Ringe der Macht: Lange geschieht nichts und kaum könnte der eigentliche Spaß beginnen, ist sie auch schon wieder vorbei.

Was euch erwartet

Wir schauen uns noch einmal an, was ein Schluss ist, was ein Beweis und worin der Unterschied liegt zwischen vollkommenen und unvollkommenen Schlüssen. Dann kommen wir endlich zum klassischen Syllogismus. Als nächstes schauen wir uns verschiedene Schlussformen an. Wir wenden dann unsere verschiedenen Modi Notwendigkeit, Faktizität, Möglichkeit und Unmöglichkeit auf die Schlussformen an.

Was ist ein Schluss?

Auch wenn wir das schon ein paarmal hatten, sollten wir dennoch ganz im Stile Aristoteles‘ uns systematisch fragen: Was ist das eigentlich – ein Schluss?

Kehren wir dafür zu unserer Definition aus der letzten Folge zur ersten Analytik zurück:

Aristoteles definierte den Schluss dort als eine Rede, bei der etwas als gegeben angenommen wird. So wie wir alle Jahrzehntelang als gegeben annahmen, dass unser Gas aus Russland kommt. Daraus folgt dann etwas anderes notwendig. Mein Teaser in der Folge zur ersten Analytik war: Wenn wir die beiden folgenden Sätze als gegeben annehmen

  1. dass politische Parteien das Grundgesetz akzeptieren müssen, um demokratische Parteien zu sein
  2. dass die AfD das Grundgesetz ablehnt

Dann folgt nach Ari daraus „etwas anderes“ notwendig. Was folgt, habe ich beim letzten Mal noch verschwiegen. Jetzt hole ich das nach Es folgt nämlich: „Die AfD ist keine demokratische Partei“. Und warum das der Fall ist, das klären wir heute!

Was ist ein Beweis?

Zu dieser Klärung ist wichtig, dass wir als nächstes Aristoteles Verwendung des Begriffs „Beweis“ abstecken. Aristoteles sagt in der ersten Analytik, dass ein Beweis eine Art des Schlusses ist, aber nicht jeder Schluss ist ein Beweis. So wie Elrond in Ringe der Macht ein Elb mit extrem schönen Haaren ist, aber nicht jeder Elb mit extrem schönen Haaren Elrond heißt. Was Aristoteles „Beweis“ nennt, nennen wir heute deduktiven Schluss: Der Schluss vom Allgemeinen zum Besonderen und unterscheiden das von anderen Schlussformen wie der Induktion, wo ich vom Besonderen zum Allgemeinen schließe.

Wie genau funktioniert denn dieser Beweis? Was macht ihn wahr? Um das zu beantworten, schlagen wir den langen Bogen zurück zur ersten inhaltlichen Folge dieser Staffel. Dort hatte ich erklärt, was Gattung und Art sind und ihr hattet euch vielleicht gefragt: Warum zum Grottenolm müssen wir uns das anhören?! Ganz einfach: Weil der Weg bei der Deduktion immer von der Gattung zur Art geht. Wenn ich sage, dass die Gattung ‚Auto mit Verbrennungsmotor‘ schlecht fürs Klima ist, dann trifft das auch auf die Auto-Art Porsche zu. Denn die Auto-Art Porsche ist per Definition in der Gattung ‚Auto mit Verbrennungsmotor‘ enthalten.

Vollkommener und unvollkommener Schluss

Wir unterscheiden weiter zwischen einem vollkommenen Schluss und einem unvollkommenen. Für einen vollkommenen Schluss brauchen wir nur einen Oberbegriff A, einen mittleren Begriff B und einen unteren C. Der untere muss ganz im mittleren sein und der mittlere ganz oder gar nicht im oberen.

Was Ari damit meint, dass ein Begriff in einem anderen enthalten ist, hatten wir beim letzten Mal ja schon. Es bedeutet, dass wir den Begriff so umformen können, dass der andere Begriff zum Vorschein kommt. Allerdings hatte ich das einfach so in den Raum gestellt und nicht erklärt, warum das so ist. Das geht ja nicht. Denn: Was sind wir? Philosophen! Und was wollen wir? Begründungen!

Und diese Begründung liefern uns eben die Begriffe „Gattung“ und „Art“. Wenn wir aus A und B auf C schließen wollen, dann muss jedes C Teil der Art B sein und jedes B oder keines (dazu kommen wir gleich) muss zur Gattung A gehören.

Mit einem Venn- Diagramm kann man das wieder schön veranschaulichen.

Venn-Diagramm

So können wir sagen, dass Elrond Art zur Gattung Elb mit schönen Haaren ist (lasst mir das zumindest vorläufig mal so durchgehen) und Elb mit schönen Haaren ist wieder Art zur Gattung Elb.

Als Terminus medius (also als B in unserer Begriffsreihe A, B, C) kann also nur ein Begriff fungieren, der einen anderen in sich trägt und der selbst in einem anderen getragen wird oder nicht (je nachdem, welchen Schluss wir daraus ziehen). Im Beispiel eben ist „Elb mit schönen Haaren“ unser Terminus Medius – auch wenn diese Haare alles andere als Medius sind, sondern nichts anderes als Primus!

Der klassische Syllogismus

Und damit kommen wir endlich zu dem, was wir den klassischen Syllogismus nennen: Wenn man A von allen B aussagen kann und B von allen C aussagen kann, dann folgt daraus, dass man A von allen C aussagen kann.

Wenn ich von allen Menschen (B) sagen kann, dass sie sterblich (A) sind und von allen Athenern (C), dass sie Menschen (B) sind, dann kann ich von allen Athener (C) sagen, dass sie sterblich (A) sind.

Okay, jetzt habt ihr euch vielleicht gefragt, warum ich das so kompliziert beschrieben und nicht einfach gesagt habe, dass alle A B sind und alle B sind C, sodass folgt, dass alle A C sind. Das liegt einfach an der Grammatik des Deutschen. An der Oberflächenstruktur sieht man da die logischen Klassen nicht so leicht. Mit einem Venn-Diagramm können wir aber wieder schön die logische Tiefenstruktur visualisieren.

Und damit ihr nicht immer nur das gleiche Beispiel hört, das alle unkreativen Philosoph*innen euch vor den Latz knallen, hier noch ein anderes. Denn schließlich ist der klassische Syllogismus ja nicht nur für diesen einen Satz wahr, sondern eben für alle, die die gleiche Form, die gleiche Tiefenstruktur haben.

Mikrotransaktionen sind dazu da, Gamer*innen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Roblox finanziert sich über Mikrotransaktionen. Daraus folgt: Roblox ist dazu da, Gamer*innen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Diese Konklusion ist wahrscheinlich etwas kontroverser als jene, dass Athener sterblich sind. Wenn ihr jetzt hardcore Roblox-Fans seid und schreit „Das ist eine Lüge, Roblox ist total toll und zieht niemandem Geld aus der Tasche!!!“ Dann lautet meine Antwort darauf: 1. Mein Beileid. Und 2. Das ist ein zwingender Schluss, der notwendig aus den Prämissen folgt. Wenn du darlegen willst, dass es falsch ist, dass Roblox Gamer*innen das Geld aus der Tasche zieht, dann musst du eine der beiden Prämissen angreifen und darlegen, dass sie falsch sind.

Denn eines ist wichtig zu verstehen: Die Logik ermittelt Wahrheit nur aufgrund der Struktur der Sätze. Ob die Prämissen inhaltlich wahr sind, ist debattierbar, das müssen laut Aristoteles die Einzelwissenschaften zeigen. Die Logik kann nicht beweisen, dass Mikrotransaktionen wirklich Gamer*innen das Geld aus der Tasche ziehen. Hierzu müssen sich Ökonomie, Ethik und Politik äußern.

Verschiedene Schlussformen

Das ist also der klassische Syllogismus. Es ist ein vollkommener Schluss, der darauf aufbaut, dass wir mit zwei Allaussagen hantieren. Wie sieht es aus, wenn wir eine davon negieren, also verneinen?  Damit kommen wir zu dem schon angesprochenen Fall, dass der mittlere Begriff gar nicht im oberen enthalten ist.

Wenn kein A B ist, aber alle B C, dann ist auch kein A C.

Wenn Kein Mensch fliegen kann und alle Athener Menschen sind, dann kann kein Athener fliegen.

Auch hier wieder ein zweites Beispiel:

Wenn kein Mensch ‚Moon Knight‘ gucken konnte, ohne einzuschlafen und alle Oscar-Isaac-Fans Menschen sind, dann konnte kein Oscar-Isaac-Fan ‚Moon Knight‘ gucken, ohne einzuschlafen.

Im nächsten Schritt können wir jetzt die olle Tiktokerin Marlene Dietrich wieder rausholen und unser logisches Quadrat von neulich weiter durchgehen und eine der Allaussagen zu einer Partikular-Aussage machen.

Wenn von allen A B ausgesagt werden kann und von einigen B C ausgesagt werden kann, dann kann auch von einigen A C ausgesagt werden.

Das führt uns wahrscheinlich zum berühmtesten Beispiel der Philosophiegeschichte:

Wenn alle Menschen sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich.

Auch bei dieser Schlussform gilt übrigens die Negation: Wenn A keinem B und B einigen C zukommt, dann kann A nicht von einigen C ausgesagt werden.

Wenn kein Mensch fliegen kann und Sokrates ein Mensch ist, dann kann Sokrates nicht fliegen.

Dazu drei Bemerkungen:

Wenn du jetzt nicht schon drei Jahrzehnte Philosophie-Milch geschlürft hast, sondern noch einigermaßen normal denken kannst, dann fragst du dich jetzt vielleicht: Wieso sagt der komische Honk erst „von einigen B kann C ausgesagt werden“, um dann als Beispiel zu bringen: Sokrates ist ein Mensch. Sokrates ist doch nicht Ygramul, die Viele aus der unendlichen Geschichte, sondern einer.

Und da habt ihr natürlich vollkommen recht! Ari unterscheidet manchmal auch zwischen Aussagen über einzelne Individuen und solchen über Gruppen. Aber rein logisch betrachtet macht es keinen Unterschied, ob Sokrates ein Individuum ist oder Teil des Borg-Kollektivs ist. Sokrates ist ein Erfüllungsgegenstand der Art Mensch. Ich hoffe, der alte Ironiker verzeiht mir, dass ich ihn Gegenstand nenne. Jedenfalls gilt für einen Erfüllungsgegenstand das Gleiche wie für eine Gruppe von 5, 50 oder 500. Solange es sich um eine Teilmenge der Gesamtmenge (hier der Gesamtmenge Menschen) handelt, solange kann ich mit einem Sokrates die gleichen Schlüsse ziehen wie mit einigen Sokratessen.

Wenn ich also sage „Wenn von allen A B ausgesagt werden kann und von einigen B C ausgesagt werden kann, dann kann auch von einigen A C ausgesagt werden.“, dann ist „Sokrates“ dieses Einige. Klingt komisch, ist aber so. Ich sage hier: Es gibt die Gattung Sterbliche, die Art Menschen und einen oder mehrere Erfüllungsgegenstände, die wir Sokrates nennen.

Das zweite, was es hier zu sagen gibt, ist, dass die Bedeutung der Variablen, die Aristoteles nutzt, nicht zu unterschätzen ist. Er ersetzt Begriffe durch A, B, C usw. Dies war ein erster Schritt in Richtung formaler Logik. Ein erster Schritt in Richtung der Verwendung von Codes und Algorithmen. Ohne diesen Schritt von Aristoteles vor 2200 Jahren wäre das Computerzeitalter nicht möglich. Du kannst gerade nur deshalb YouTube gucken, weil Ari im antiken Griechenland niederschrieb: Wenn alle A B sind und alle B C, dann sind alle A C. Und, ja, ich weiß, ich habe etwas ähnliches schon über Platons Sprachphilosophie gesagt. Doch das eine macht das andere nicht falsch! Platon hat sich nur theoretische Gedanken über eine Idealsprache gemacht, die zur Formalisierung führte. Aristoteles ist den ersten Schritt gegangen und allein dafür ist sein Status als Der Logiker, oder als der Philosoph, wie man ihn im Mittelalter nannte, absolut gerechtfertigt.

Der dritte Gedanke ist, dass an dieser Stelle Einführungen und Zusammenfassungen von Aris Logik oft schon enden. So wie die erste Staffel Ringe der Macht auch gerade dann endete, als wir gerade gelernt hatten, wer Sauron it. Wenn wir in den Text blicken – ich meine jetzt wieder die erste Analytik und nicht das Silmarillon, an dem wir ja auch keine Rechte haben –, dann befinden wir uns gerade auf Seite  7 der Prior Analytica. Was zur veganen Bolognese macht der Systematik-Freak auf den restlichen 141 Seiten?!

Das, was wir hier gerade gesehen haben, nennt Aristoteles vollkommene Schlüsse. Wir sprachen ja bereits darüber. Einen vollkommenen Schluss kann ich ziehen, ohne dass ich dafür irgendeine Zusatzannahme brauche. Hinzu kommen aber noch weitere, nicht vollkommene Schlüsse. Diese sind zwar auch logisch, aber ihre Wahrheit erschließt sich eben oft erst durch Zusatzannahmen und Umformungen.

Am Ende kommt Aristoteles auf drei Figuren von logischen Schlüssen mit vier bis sechs Untergruppen. Diese haben so ulkige Namen, als kämen sie direkt aus House of the Dragon. Sie heißen zum Beispiel Barbara, Ferio, Baroco oder Datisi. Allerdings hat Ari sie nicht selbst benannt, das geschah erst im Mittelalter im Zuge der Rezeption der Ersten Analytik.

Nachdem der olle Philosoph jetzt also die Schlussformen etabliert hat, kommt er um die Ecke mit: „Sodele, Kinners, jetzt kennen wir die Schlüsse, aber ich habe euch vorhin schon verklickert, dass Sätze notwendig, faktisch, möglich oder unmöglich sein können. Wie sehen denn unsere Schlüsse aus, wenn wir sie mit diesen verschiedenen Modi von Sätzen ziehen und wie, wenn wir diese Modi schön durchwürfeln?“ Anschließend fragt er sich noch, wie es zu so etwas wie Fehlschlüssen kommen kann.

Ich könnte jetzt jede einzelne Prüfung von möglichen Schlussfolgerungen mit euch durchgehen, aber dann könnte ich den Blog auch gleich dicht machen, denn niemand würde das durchstehen. Wenn ihr die Logik des Aristoteles lernen wollt, dann bleibt euch nichts anderes übrig, als in den Text zu gucken. Und ich empfehle jeder da draußen, Logik zu lernen. Aber mal Realtalk: Es gibt didaktisch bestimmt bessere Ansätze als die erste Analytik von Aristoteles.

Das ist schon allein deshalb der Fall, weil Ari nur die Syllogismen mit zwei Prämissen betrachtet, was nur eine kleine Auswahl aller möglichen Schlussfolgerungen ist. Ari glaubte, dass alle Argumente sich auf seine Schlussfolgerungen zurückzuführen ließen. Das war ein Irrtum, den bereits die Stoiker kritisierten.

Ich könnte jetzt hier Schluss machen mit meiner Staffel zu Aristoteles‘ Logik, aber eine kleine Extrarunde drehe ich noch. Denn mein Anspruch ist es, bewusst immer etwas tiefer in die Philosophie einzutauchen, als es 90 % der anderen hier machen. Daher will ich euch zumindest ein paar der anderen Schlussfolgerungen als Appetithäppchen hinwerfen. Ganz so als wäre ich Sam, ihr wäret Frodo und die Logik von Aristoteles wäre zugeworfenes Lembas.

Unvollkommene Schlüsse

Schauen wir uns zunächst einen unvollkommenen Schluss an:

M wird von keinem N aber von allen X ausgesagt. Daraus folgt, dass N keinem X zukommen kann. Der Schluss ist unvollkommen, da er zunächst umgeformt werden muss, um zeigen zu können, dass er wahr ist. Hier kommt die Regel zum Einsatz, die wir beim letzten Mal kennengelernt haben, dass eine allgemeine Verneinung allgemein konvertibel ist. Wenn M keinem N zukommt, dann kommt auch N keinem M zu. Dann haben wir den Schluss kein N ist M und alle M sind X,  daraus folgt, dass kein N X ist. Warum zum Lower-Decks-Red-Shirt musste ich mir eigentlich ausgerechnet die beiden Variablen auswählen, die sich akustisch am schwersten unterscheiden lassen?

Nehmen wir daher schnell ein Beispiel, um das anschaulicher zu machen:

Die Erdenschwerkraft kann kein Gürtler und jedes UN-Mitglied aushalten. Das können wir umformen in kein Gürtler kann Erdenschwerkraft aushalten, aber jedes UN-Mitglied kann Erdenschwerkraft aushalten. Damit ist Erdenschwerkraft zum mittleren Term geworden und wir können folgern, dass kein Gürtler UN-Mitglied ist. Was wir gemacht haben, ist nämlich, dass wir aus dem unvollkommenen Schluss durch die Umformung wieder einen vollkommenen Schluss gemacht haben. Yeah!

Die Modalitäten

So, bald haben wir es, aber uns fehlen noch die Modalitäten. Ihr erinnert euch: Nach Ari kann ein Satz notwendig wahr sein, faktisch wahr sein oder es kann die Möglichkeit bestehen, dass er wahr ist. Je nachdem, an welcher Position in meinem Syllogismus welcher Modus steht, folgt daraus unterschiedliches. So wie Unterschiedliches aus den hohen Gaspreisen folgt, je nachdem, welche Zahl auf deinem Kontoauszug steht.

Wenn der Obersatz allgemein und notwendig ist, dann wird auch der Schluss notwendig sein, stellt Aristoteles fest. Wenn A notwendig allen B zukommt und B faktisch einem C. Dann wird A notwendig einem C zukommen. Alle Menschen, die mit Corona infiziert sind, sind notwendig krank. Wenn ein hustender Mensch faktisch mit Corona infiziert ist, dann ist er notwendig krank. Das gleiche gilt für die notwendige Negation des Obersatzes.

Wenn A aber nur faktisch B zukommt, B hingegen notwendig C, dann ergibt sich daraus kein notwendiger Schluss. Denn dann besteht die Möglichkeit, dass A keinem C zukommt, selbst wenn es faktisch so ist. Also: Alle kranken Menschen sind faktisch mit Corona infiziert. Und ein kranker Mensch hustet notwendig, dann ist ein hustender Mensch in diesem Fall zwar faktisch mit Corona infiziert, aber nicht notwendig. Übrigens folgt auch aus dem Herbst, dass wir wieder alle Masken tragen solltet, um unser Gesundheitssystem zu entlasten.

Okay, wie sieht das mit der Möglichkeit oder wie man sie auch nennt: mit der Kontingenz aus?

Etwas ist möglich, stellt Ari fest, wenn es weder notwendig noch unmöglich ist. Eine spannende Eigenschaft der Kontingenz ist, dass sie sich im Gegensatz zur Notwendigkeit und Unmöglichkeit umkehren lässt und noch immer war ist: ‚Es ist möglich, dass X‘ und ‚Es ist möglich, dass nicht X‘ können beide gleichzeitig wahr sein. Bei ‚Es ist notwendig dass X‘ oder ‚Es ist unmöglich, dass x‘, trifft das nicht zu.

Ari präzisiert noch einmal, dass zwei Verwendungen von ‚Kontingenz‘ gibt und hebt damit den Widerspruch auf, der sich aus den verschiedenen Verwendungen in De Interpretatione und zu Beginn der ersten Analytik ergab. Wir nennen etwas kontingent, wenn es faktisch sein kann, aber nicht notwendig ist oder unmöglich. In dieser Verwendungsweise ist es kontingent, dass Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Demokratie ist. Es ist aber unmöglich, dass Deutschland von einem Drachen regiert wird. Allerdings es ist notwendig, dass Deutschland (sofern es existiert) ein Land ist.

In der zweiten Verwendungsweise von Kontingenz meint sie: Etwas kann die Möglichkeit besitzen, etwas zu sein. Ohne das schon faktisch zu sein. Die FDP hat die Möglichkeit, im Niedersächsischen Landtag zu sitzen, tut es aber nicht. Okay, zutreffender ist vielleicht: Das Samenkorn hat die Möglichkeit, ein Baum zu werden, ist dies aber faktisch noch nicht. Merkt euch das, wir kommen im Zuge der Metaphysik darauf zurück.

Wir können jetzt alle Schlüsse, die wir kennengelernt haben, auch mit einer möglichen und einer faktischen Prämisse ziehen. Wenn eine Prämisse faktisch und die andere möglich ist, folgt daraus immer ein Schluss der Möglichkeit. Genauso verhält es sich bei einer notwendigen und einer möglichen Prämisse. Wenn alle Sessel notwendig Sitzgelegenheiten sind. Und einige Sessel möglicherweise blau sind. Dann sind einige Sitzgelegenheiten möglicherweise blau.

So, jetzt habe ich euch aber wirklich genug gelangweilt. Es ist an der Zeit die Logik hinter uns zu lassen. Wärt ihr Student*innen des Mittelalters, hättet ihr jetzt quasi das Grundstudium absolviert, einen Bachelor in Philosophie erworben. Jetzt haben wir das Handwerkszeug gelernt, um uns wirklich mit den Inhaltlichen Fragen der Philosophie zu beschäftigen. Doch bevor wir uns der erhabensten und abgehobensten aller philosophischen Disziplinen, der Metaphysik zuwenden, machen wir erst einmal eine kleine Pause von Aristoteles und beschäftigen uns beim nächsten Mal mit jemand anderem. Ihr dürft gespannt bleiben.

Doch halt! Bevor ihr geht, habe ich noch eine letzte Schlussfolgerung für euch:

Wenn alle Philosophie-Interessierten gerne richtig gute Videos auf YouTube schauen und die Abonnent*innen meines YouTube-Kanals regelmäßig richtig gute Videos gezeigt bekommen, dann sollten alle Philosophie-Interessierten meinen Kanal abonnieren.

Na, wer findet den Fehler?

 

 

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Aristoteles – Sophistische Widerlegungen – Kapitel 1 (Bonusfolge)

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Daniel
widerlegt

Aristoteles – Der Logiker – Podcast-exklusive Bonusfolge 1

Als Dankeschön für Apple-Podcasts-Rezensionen oder ausgegebene Kaffees, lese und bespreche ich für euch Kapitel aus Aristoteles‘ Buch: Sophistische Widerlegungen.

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Aristoteles – Erste Analytik

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Daniel
analysiert

Aristoteles – Der Logiker – Folge 9

Heute gehen wir von De Interpretatione zur ersten Analytik über und fragen uns, was Schlüsse sind, was sie zwingend macht und wie man sie umformen kann. Wie immer als Podcast, Video oder Text – wie ihr wollt.

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Von De Interpretatione zur Analytica Priora

Die zwei kleinen Büchlein „Kategorien“ und „De Interpretatione“ kommen zusammen gerade mal auf 65 Seiten und dennoch habe ich ihnen schon fünf Teile gewidmet.

Wenn wir so weitermachen, dann bin ich in nicht einmal 10 Jahren oder so, mit dem kompletten Organon, also den logischen Schriften durch. Scherz beiseite, heute gehen wir von De Interpretatione zur ersten Analytik über und in den Analytiken spielt Ari dann Seite nach Seite verschieden Schlussfolgen durch, die müssen wir nicht alle einzeln hier besprechen. Die ganzen Vorüberlegungen sind spannender und in der Philosophiegeschichte auch heißer diskutiert. Bestimmt weil die Leute alle irgendwann nicht weitergelesen haben.^^

Kombination von Prädikaten

Aber gestattet mir noch einen letzten kleinen Punkt aus „De Interpretationen“ aufzugreifen, bevor wir die Analytica priora aufschlagen, denn er dreht sich schon um das richtige Schließen, worum es dann im Folgenden gehen wird.

Dieser Punkt, auf den Ari hinweist, ist, dass sich bejahend Aussagen nicht beliebig kombinieren lassen. Dass aus einzelnen Aussagen, die man mit „und“ verbindet, nicht zwangsläufig die Summe dieser Aussagen wird. Sondern, dass es gewisse Kompositionsregeln zu beachten gilt. So wie man auch nicht einfach Vodka und Red Bull zusammenkippen sollte um dann zu behaupten, das wäre ein leckerer Drink.

Wenn wir beispielsweise sagen: ‚Hugo ist gut‘ (Hugo ist in diesem Beispiel eine Person und nicht das nächste fragwürdige Mischgetränk) und wir ferner sagen: ‚Hugo ist Gitarrenspieler‘. Dann können wir daraus nicht einfach machen: ‚Hugo ist ein guter Gitarrenspieler‘.

 

Was wir hier gemacht haben, ist, dem Subjekt „Hugo“ mehrere bejahende Prädikate zuzuordnen. (Ist gut) und (ist Gitarrenspieler). Aber diese zu einem bejahenden Prädikat zusammenzufassen, ist ein Fehlschluss: (ist guter Gitarrenspieler).

Um diesen Fehler zu verstehen, springen wir jetzt endlich in die Prior Analytica.

Art der Untersuchung

Hier legt Ari in seiner typischen Gründlichkeit zu Beginn dieses Buches noch einmal seine komplette Terminologie dar. Aber nicht,  bevor er fragt, was für eine Untersuchung die erste Analytik eigentlich ist.

Seine Antwort: Die Untersuchung gilt dem Beweis und der beweisenden Wissenschaft. Hmm, ich denke, das müssen wir weiter präzisieren: Denn die Analytica priora wird uns sicher nicht beweisen, dass Schokoladen-Eis das beste Eis ist, das es gibt. Was ich persönlich sehr schade finde. Ja, sie wird nicht einmal beweisen können können, dass Morgen wieder die Sonne aufgehen wird, was Kant sehr schade findet. Es geht um eine andere Art von Beweis. Wir können ihn den logischen Beweis nennen. In der Philosophie unterscheiden wir zwischen induktiven und deduktiven Beweisen. Sonnenaufgänge und die beste Eissorte können wir nur beweisen,  indem wir von einer Reihe von Einzelfällen (gute Eis-Ess-Erlebnisse) auf etwas Allgemeines schließen: Schokoladen-Eis ist gut! Wir schließen vom Besonderen aufs Allgemeine. Das nennen wir eine Induktion. In der Analytik hingegen ist der Beweisweg andersherum, wie wir sehen werden: Vom Allgemeinen zum Besonderen. Es geht um deduktive Beweise.

Satz, Prädikat, Allgemein oder Partikular

Ari spezifiziert daraufhin noch einmal den Satz als etwas, das wahr oder falsch sein kann. Wir würden heute sagen, dass das auf Aussagesätze zutrifft. Ari ignoriert andere Satzformen wie Fragen, Bitten oder Befehle.

Ein Satz ist nach Ari eine Rede, die etwas von etwas bejaht oder verneint. Das heißt: Einem Subjekt wird ein Prädikat zu- oder abgesprochen. Dies kann allgemein, partikulär oder – wie Aristoteles meint – unbestimmt geschehen. Zunächst kann etwas von etwas anderem ausgesagt werden. Das ist die Partikular-Aussage, die wir schon im logischen Quadrat kennenlernten: Die Ortschaft Eiterfeld hat hat einen  unappetitlichen Namen. Ferner gibt es Allaussagen, es kann über alle Dinge einer Art etwas ausgesagt werden. Mit dem 9 Euro Ticket kann man in allen Regional-Expressen fahren. Oh.

Ari nennt als Beispiel für den letzten, recht speziellen Fall der unbestimmten Prädikation: „Die Lust ist kein Gut“. Nach Aristoteles‘ Auffassung kann man sich damit auf jede Art von Lust beziehen oder nur auf bestimmte Arten, es ist unbestimmt. Diese Unterscheidung spielt meines Wissens in der jüngeren Philosophie keine Rolle mehr. In der Logik gehen wir davon aus, dass hinreichend klar ist, worüber wir sprechen, sonst können wir keine zwingenden Schlüsse ziehen. Und wenn es nicht klar ist, dann können wir es durch Fragen und Definitionen spezifizieren.

Apodiktisch, dialektisch und Begriffe

Ari unterscheidet als nächstes zwischen apodiktischen Sätzen und dialektischen. Bei ersteren nehmen wir die Prämisse als gegeben an. Bei der Dialektik kommt Platons Schule durch. In ihr fragen wir, ob die Prämissen selbst wahr sind. Wir stellen einer gegebenen Prämisse Alternativen gegenüber. Also: Wenn Redbull nicht schmeckt, dann ist auch Redbull mit Wodka auch ziemlich ungeil. Bei der apodiktischen Rede akzeptieren wir einfach, dass Redbull schlecht ist. Bei der dialektischen fragen wir hingegen: Ist Redbull wirklich schlecht? Oder ist das Gesöff nicht viel mehr absolut widerlich?

Aristoteles zurrt weiter seine Begriffe fest, indem er fragt, was ein Begriff ist. Begriffe sind, was im Satz als Subjekt oder Prädikat fungieren kann. Ein Begriff kann bejaht oder verneint werden. Soweit klar, oder? Der Tankrabatt ist eine schlechte Idee. In diesem Fall ist der Begriff „Tankrabatt“ das Subjekt des Satzes. Klientelpolitik der FDP ist (unter anderem) der Tankrabatt. Hier ist der Begriff Tankrabatt das Prädikat des Satzes. Ich könnte beide Sätze auch noch verneinen, aber das ist mir zu weit hergeholt.

Schlussfolgerungen

Aristoteles definiert jetzt den Schluss: Ein Schluss ist eine Rede, bei der etwas als gegeben angenommen wird. Daraus folgt dann etwas anderes notwendig. Alles klar. Wenn wir die beiden folgenden Sätze als gegeben annehmen:

  • 1. dass politische Parteien das Grundgesetz akzeptieren müssen, um demokratische Parteien zu sein
  • Und 2. dass die AfD das Grundgesetz ablehnt.

Dann folgt nach Ari daraus jetzt „etwas anderes“ notwendig. Wir werden darauf zurückkommen, was genau daraus folgt.

Aber zunächst möchte ich euch auf zwei spannende Aspekte aufmerksam machen, die in dieser Definition stecken. Zum einen, dass wir etwas als gegeben annehmen. Das, was wir als gegeben annehmen, sind unsere Prämissen. Und die Logik fragt nicht, ob diese Prämissen wahr sind. Wie wir hörten, ist das Aufgabe der Dialektik – so Aristoteles. Alles was die Logik macht, und das ist schon sehr viel, ist die Frage zu stellen, ob mit den Prämissen im weiteren Verlauf richtig umgegangen wurde oder ob in der Schlussfolgerung Fehler gemacht wurden.

Der andere wichtig Aspekt ist die Aussage, dass aus den Prämissen etwas anderes notwendig folgt. Was ist das für ein Folgen und worin besteht die Notwendigkeit? Es ist eine andere Notwendigkeit als zum Beispiel jene, dass Dinge immer zu Boden fallen. Aristoteles sagt, dass dieses Folgen daraus besteht, dass ein Begriff in einem anderen schon ganz drinsteckt. Wenn wir noch einmal das Beispiel aus der letzten Folge betrachten: Homer Simpson ist eine gelbe Comic-Figur mit Überbiss und Glatze, die „Doh“ ruft. Dann können wir sagen, dass das „Gelbsein“ im Begriff „Homer Simpson“ schon ganz enthalten ist. Dass wir den Begriff „Homer Simpson“ eben so umformen können, dass die Begriffe „gelb“, „Comic-Figur“, „Überbiss“, „Glatze“ und „Doh“ zum Vorschein kommen. Oder, dass wir mit den Begriffen Sätze bilden können, ohne dass sich Widersprüche ergeben. Das bedeutet notwendiges Folgen in diesem Fall.

Ari fährt damit fort, zwischen vollkommenen und unvollkommenen Schlüssen zu unterscheiden. Vollkommen ist ein Schluss, der keine anderen Voraussetzungen als die Prämissen benötigt, um zwingend zu sein. Wenn Wodka Redbull widerlich ist und widerliche Getränke nur mit 9 Euro Ticket auf dem Weg nach Sylt getrunken werden dürfen, dann darf Wodka Redbull nur im Zug nach Sylt getrunken werden. Aber was bedeutet dass denn schon wieder, dass ein Schluss zwingend ist? Nun, dass ich aus den Prämissen auf die zwingende Konklusion schließen kann, ohne dass sich ein Widerspruch ergibt. Und dass die Negation der Konklusion mit den Prämissen in Widerspruch stünde. Benötigt der Schluss neben den Prämissen noch eine oder mehrere weitere Bestimmungen, dann ist er hingegen unvollkommen. Wir kommen darauf zurück.

Modalität und Konversion

Der nächste Aspekt, dem sich der Philosoph widmet, ist die Modalität, die Art der Zuschreibung von Prädikaten, wie wir in der letzten Folge lernten: Jeder Satz ist entweder eine Aussage über tatsächlich Existierendes, über potentiell Existierendes oder notwendig Existierendes. Hier sehen wir eine der vielen Varianten in der Terminologie, die Aris Philosophie etwas tricky machen. In De Interpretatione unterschied Aristoteles nur zwischen Kontingenz und Notwendigkeit. Jetzt fächert er die Unterscheidung weiter auf: Redbull ist möglicherweise widerlich. Es kann tatsächlich so sein, dass Redbull widerlich ist. Oder es ist gar notwendig, dass Redbull widerlich ist. Das lässt sich dann alles noch verneinen.  Redbull ist unmöglich widerlich, es ist faktisch nicht widerlich oder notwendig nicht widerlich. Kleine Randnotiz: Achtet auf den Unterschied zwischen notwendig nicht (das ist unmöglich) und nicht notwendig (das ist möglich).

Eine Allaussage, die verneint wird, nennt Ari, einen allgemein verneinenden Satz. Allgemein verneinende Sätze sind allgemein konvertibel (also umkehrbar). Wenn kein Energy Drink gut ist, dann ist auch kein guter Drink ein Energydrink. Hingegen sind allgemein bejahende Sätze nur partikular konvertibel. Wenn alle Energydrinks gut sind (ja, ich weiß, weit hergeholt, aber lasst uns das mal einen Augenblick zugunsten des Arguments annehmen), dann bedeutet das nicht, dass alle guten Drinks ausschließlich Energydrinks sind. Stattdessen ist die Konversion dann, dass einige gute Drinks Energydrinks sind. Partikulare Sätze wiederum sind auch partikular konvertibel. Einige Energydrinks sind gut? Dann sind einige gute Drinks Energydrinks. Bei verneinenden partikularen Aussagen meint Ari hingegen, dass sie nicht konvertibel sind.

Wenn einige gute Drinks keine Energydrinks sind, dann bedeutet das nicht, dass Energydrinks gut sind. Das eine sagt einfach nichts über das andere aus.

Venndiagramme

Und bevor ihr jetzt Schnappatmung bekommt, weil ich schon wieder wie beim logischen Quadrat in meinem logischen Fitnessstudio rumflexe, höre ich auch schon wieder auf und zeige euch nur noch eine kleine Hilfe, die euch in der Logik immer wieder begegnen wird, das Venndiagramm.

John Venn Junior war ein englischer Mathematiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Und er hat diese wunderbar anschaulichen Diagramme zur Visualisierung der Mengenlehre erfunden, die – da Mengenlehre und formale Logik eng verwandt sind – sich auch ganz hervorragend für unsere Zwecke eignen.

Das Video startet direkt bei den Venndiagrammen:

Nachdem er das alles geklärt hat, geht Aristoteles endlich zu Schlüssen und Beweisen über, also dem eigentlichen Kerngeschäft der Logik. Und damit kommen wir nach all den Vorüberlegungen endlich zum klassischen Syllogismus. Aber – ihr ahnt es sicher – das schauen wir uns beim nächsten Mal an. Bis hierhin danke ich euch erst einmal, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.

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Aristoteles – Das Problem von Zukunftsaussagen

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Daniel
ist notwendig willensfrei

Aristoteles – Der Logiker – Folge 8

Diesmal müssen wir uns zwischen Wahrheit und Willensfreiheit entscheiden. Oder nicht? Vielleicht findet Aristoteles einen Ausweg. Ich erzähle euch vom Problem der Zukunftsaussagen oder auch vom Problem der zukünftigen Seeschlacht. Wie immer wahlweise als Video, Podcast oder Text.

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Zur weiteren Recherche über Aristoteles

Aristoteles – Die Kategorien *
Aristoteles – De Interpretatione *
Bertrand Russell – Die Philosophie des Abendlandes *
Christof Rapp – Aristoteles *
Otfried Höffe – Aristoteles: Die Hauptwerke *
Eduard Zeller – Die Philosophie der Griechen: Zweiter Teil: Sokrates, Plato, Aristoteles *

Das Problem der zukünftigen Seeschlacht

Wir pirschen uns weiter an die Logik von Aristoteles heran und wir machen das mit dem Problem der Zukunftsaussage, auch berühmt geworden als das Problem der zukünftigen Seeschlacht. Diesem Problem habe ich mich übrigens schon einmal gewidmet in „Die Philosophie von Steven Bannon„. Da Bannon, das Mastermind der Neuen Rechten in den USA aber kurz vor Veröffentlichung des Videos von Trump gefeuert wurde, ist es nicht unbedingt einer meiner größten Hits geworden. Daher bietet sich an, das Problem der Zukunftsaussagen noch einmal anzugehen.

Denkt noch einmal zurück an die letzte Folge: Kontradiktionen schließen einander aus. Entweder findet Indiana Jones den heiligen Gral oder nicht, aber nichts anderes. Das war der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Aber wie sieht es aus, wenn die Sätze sich nicht auf die Gegenwart beziehen, sondern auf die Zukunft? Zwei kontradiktorische Zukunftsaussagen teilen die Wahrheitswerte ebenfalls untereinander auf. Eine ist wahr, die andere falsch. Aber es steht doch noch nicht fest, welche wahr und welche falsch ist. Oder?

Berühmt wurde, wie gesagt, Aristoteles‘ Beispiel für diese Frage – das Problem der zukünftigen Seeschlacht. Wenn ich sage: „Morgen wird es eine Seeschlacht geben.“, dann ist die Kontradiktion: „Morgen wird es keine Seeschlacht geben“. Gemäß dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten muss einer der beiden Sätze wahr und der andere falsch sein. Aber ist er das schon heute? Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gibt uns eigentlich keine Alternative, oder? Wenn das aber stimmt, dann handeln wir uns einen harten Determinismus ein.

Determinismus, Kausalkette und freier Wille

Okay hier müssen wir eine kleine Abschweifung machen: Was ist denn eigentlich dieser Determinismus? Wieviele Kameras hat er und? Und hat er auch 5G? Mein kleines philosophisches Wörterbuch* sagt dazu:

„Determinismus (ist) in den Naturwissenschaften die Voraussetzung eines durchgängigen Kausalzusammenhangs aller Vorgänge in der Welt, auch der seelischen Erlebnisse und Willenshandlungen. In der Ethik die Annahme einer Bestimmung des Willens durch innere oder äußere Ursachen, die die Freiheit des Willens ausschließt.“

Wir leben in einer kausalen Welt. Für jede Wirkung gibt es eine Ursache. Aber gilt das auch für den menschlichen Willen? Denn, wenn es so ist, dann liegt darin ein Problem: Wenn es keinen freien Willen gibt, dann ist vollkommen egal, wie ich handle. Ich habe ja keine Wahl. Die Ethik als Disziplin ist dann so egal wie Matt Damon. Denn, wie ich handeln SOLL, wird zur sinnlosen Frage, wenn sowieso schon feststeht, wie ich handeln werde. Auch Gerichtsprozesse und Gefängnisstrafen werden fragwürdig: Der oder die Straftäter*in konnte ja nicht anders handeln. Und die Richter*innen können nicht ein Urteil allein auf Basis der Fakten fällen.

Bevor ihr jetzt sagt: Fuck it, ich schmeiß alles hin und werde olympischer Curling-Spieler! Determinismus wird schon fast so lange in der Philosophie diskutiert wie Aristoteles‘ Bartpflege-Mittel und es gibt viele verschiedene Ansätze, um nicht zu verzweifeln. Wie das so meine Art ist, stelle ich das hier wieder stark verkürzt dar, um erst einmal aufzuzeigen, wo das Problem liegt.

Mit Blick auf Aristoteles‘ Problem der zukünftigen Seeschlacht hieße Determinismus jedenfalls: Es stünde heute schon fest, ob morgen eine Seeschlacht stattfindet. Was soll daran jetzt problematisch sein? Das Problem liegt darin, dass die Logik immer und absolut gilt. Und das heißt, ich könnte auch sagen: In 1.000 Jahren gibt es noch Smoothies. Und wenn in 1.000 Jahren sich herausstellt, dass ich recht hatte, dann stand das schon seit meiner Aussage fest.

Das widerspricht doch komplett unseren Intuitionen, wie es sich wirklich verhält. Es würde überhaupt keinen Sinn machen, dass wir uns bemühen, die Klimakatastrophe zu verhindern. Denn es steht ja schon fest, ob diese stattfinden wird oder nicht. Wir können alle nur noch auf dem Sofa abhängen und Netflix gucken, denn wir tragen keine Verantwortung dafür, wie unser Leben sich entwickeln wird. Beziehungsweise, wir können nicht chillen, sondern müssen weiter täglich ins Büro dackeln, denn das war uns vorherbestimmt.

Wahrheit oder Willensfreiheit?

Okay, wie kommen wir da raus, ohne den Satz vom ausgeschlossenen Dritten aufzuweichen? Denn, dass wir den auf alle Fälle beibehalten wollen, sagte ich ja schon beim letzten Mal (als ich übrigens einen Fehler machte und euch in der Formalisierung den Satz vom Widerspruch – zu dem es bereits eine eigene Folge gibt – als Satz vom ausgeschlossenen Dritten verkaufte. Danke für den Hinweis, FGrimm). Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist eines unser logischen Fundamente. Er ist die Basis für unser Konzept von Wahrheit. Er muss wahr sein!

Die Frage ist also: Wie kommen wir da raus? Wäre ein Ausweg, zu sagen, dass Zukunftsaussagen keinen Wahrheitswert haben? „Morgen wird es eine Seeschlacht geben“ ist also weder wahr noch falsch. Genauso wenig wie die Frage „Wird es morgen eine Seeschlacht geben?“ oder der Befehl „Morgen soll es eine Seeschlacht geben!“ wahr oder falsch sind. Aber auch das ist irgendwie unbefriedigend, deckt sich nicht mit unserem Sprachgebrauch. Denn, wenn am nächsten Tag die Seeschlacht stattfindet, dann kannst du ja sagen: „Siehste, ich hatte recht!“ Wenn ich dann antworte: „Nein hattest du nicht, denn Zukunftsaussagen sind weder wahr noch falsch!“, dann würdest du mich zurecht genauso angucken, wie wenn ich dir sage, dass ich Geld für ein NFT rausgeworfen habe.

Dass Zukunftsaussagen keinen Wahrheitswert haben, kann es ja auch nicht sein, oder? Das widerspricht doch komplett unserem normalen Sprachgebrauch! Wir stehen also vor der Wahl, ob die Welt determiniert ist oder ob die Logik nicht immer und überall gilt. Das ist nichts, wozwischen man sich entscheiden möchte. Das ist, als müsste man sich zwischen Haggis und ahle Worscht als Mittagessen entscheiden! Liebe Kandidatin, Ihre Eine-Millionen-Euro-Frage lautet: Was gibt es nicht? Und die Antworten sind nach Einsatz des 50-50-Jokers: Wahrheit oder Willensfreiheit?

Komplett verzweifelt rufen wir unseren Telefon-Joker Aristoteles an und der sagt… Moment, Herr Jauch, sie haben  die Notwendigkeit vergessen!

Notwendigkeit, Kontingenz und Unmöglichkeit

Aristoteles führt nämlich zur Lösung dieses Problems den Begriff der Notwendigkeit ein. Etwas, das notwendig wahr ist, kann nicht falsch sein. Das ebenso berühmte wie ermüdende Beispiel, dass alle im Studium lernen, ist: Junggesellen sind unverheiratete Männer. Dieser Satz kann nicht falsch sein. Er ist eine notwendige Wahrheit. Sie ergibt sich rein aus der Wortbedeutung. Notwendig wahre Sätze sind dies aufgrund der inneren Struktur unserer Sprache. Aufgrund der Art und Weise wie wir Sprache verwenden. Es gibt keinen Anwendungsfall, in dem ein Junggeselle auf einen nicht unverheirateten Mann angewandt wird. Weitere Beispiele wären: Wenn ein lehnenloser Stuhl an einer Theke steht, dann ist es ein Barhocker. Homer Simpson ist eine gelbe Comic-Figur mit Überbiss und Glatze, die „Doh“ ruft oder Russell Crowe ist so interessant wie eine Pastinake.

Eine Zukunftsaussage hingegen kann wahr sein, sie muss es aber nicht notwendig sein. Wenn wir morgen feststellen, dass es eine Seeschlacht gibt, dann war meine Äußerung von gestern wahr. Aber kontingent wahr. Auch hier greife ich wieder zu meinem kleinen grünen Büchlein*:

„Allgemein versteht man unter einem kontingenten Sachverhalt einen solchen, der weder notwendigerweise besteht (wie der, dass alle Junggesellen unverheiratet sind [Philosoph*innen sind echt nicht kreativ, wenn es um Beispiele geht, db]), noch notwendigerweise nicht besteht (wie der das 2 + 2 =  5 ist), dessen Bestehen also in diesem Sinne vom Zufall abhängt.“

So können wir, wenn wir Aristoteles hier folgen, die Logik behalten, ohne gleich annehmen zu müssen, dass alles vorherbestimmt ist. Und ich muss sagen, das ist auch nach 2.300 Jahren noch eine extrem elegante Lösung auf dieses Problem. Aristoteles hat das gemacht, was Wittgenstein „die Probleme zum verschwinden bringen“ nennt. Er hat die Eine-Millionen-Euro-Frage nicht beantwortet, er hat dargelegt, dass sie falsch gestellt war.

Sprache und Welt

Gut, Aristoteles hat allerdings auch ein Problem zum Verschwinden gebracht, dass er selbst geschaffen hat, weil er nicht konsequent zwischen Sprache und Welt unterscheidet. Denn ich kann auch den Publikums-Joker „Linguistic Turn“ ziehen und feststellen: Welchen Wahrheitswert meine Aussage „Morgen wird es eine Seeschlacht geben“ hat, hat gar keine Auswirkung auf die Struktur der Welt. Die Unterscheidung zwischen kontingenten und notwendigen Wahrheiten zeigt einen Unterschied in der Struktur unserer Sprache auf, aber nicht in der Struktur der Welt. Die Welt besteht aus einer Kausalkette oder nicht ganz unabhängig davon, ob unsere logischen Folgerungen wahr sind. Es wird auch dann noch unverheiratete Männer geben, wenn der Sprachwandel uns das Wort „Junggeselle“ hat vergessen lassen, genau wie wir immer die Tatsache vergessen, dass Hogwarts in den schottischen Highlands liegt. Aber dennoch jeder und jede Schüler*in von den britischen Inseln erstmal nach London muss, um dann mit einem Zug wieder nach Hogwarts zu fahren.  Anyway … Aristoteles unterscheidet nicht konsequent zwischen Sprache und Welt und dadurch entstehen manche seiner Probleme erst. Wir übersehen das nur allzu gern, da auch wir die Welt immer durch die Brille der Sprache betrachten und ihr so die Struktur der Sprache überstülpen: Aber logische Folgerungen sind keine kausalen Folgerungen.

Das gesagt, bleibt die Unterscheidung zwischen Kontingenz und Notwendigkeit eine extrem elegante Lösung, ein Geniestreich, auch wenn es „nur“ eine Unterscheidung in der Struktur der Sprache ist. Und um die zu vollenden, komplettiere ich sie noch mit dem Begriff der Unmöglichkeit, der oben in meiner Philosophie-Lexikon-Definition schon anklang. Denn Sätze können notwendig wahr sein. Wie zum Beispiel, dass man mit einem Schraubendreher Schrauben drehen kann. Sie können kontigent wahr sein. Wie zum Beispiel, dass Zoe Kravitz und Robert Pattinson das bisher hottest Pärchen auf der Leinwand in 2022 sind und dass drei Stunden Laufzeit dennoch eine demotivierende Ansage für den neuen Batman sind oder sie können unmöglich wahr sein. Wie zum Beispiel, dass NFTs eine gute Idee sind. Okay, den Witz könnten manche falsch verstehen. Unmöglich wahr ist aber, dass 10+10=21 ist. Und NFTs sind trotzdem nur Teil des Krypto-Schneeballsystems. Lasst die Finger davon!

So, das soll es für heute gewesen sein. Ich wünschte, ich könnte euch schon versprechen, dass beim nächsten Mal endlich der klassische Syllogismus drankommt, dem ihr bestimmt alle schon so heftig entgegenfiebert wie dem Ende der Pandemie. Aber … es ist kompliziert. Mal sehen …

 

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