Wenn Qualitätsjournalisten Metaphern nicht verstehen

Wissen Sie, was eine Metapher ist? Kurz gesagt: Eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck für einen anderen steht. Metaphern sind allgegenwärtig. Allein in diesem Satz:

Eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck für einen anderen steht.

… stecken drei Metaphern: ‚Figur‘, ‚Ausdruck‘ und ’steht‘. Metaphern sind so etwas banales, dass sie uns in den meisten Fällen nicht einmal mehr auffallen. Ich mag sehr gerne die Metaphern-Definition von Nelson Goodman, die verkürzt so lautet: Eine Metapher ist ein Symbolsystem, das ich von einer Bedeutungssphäre auf eine andere übertrage.

Wir nehmen einen Ausdruck, wie zum Beispiel die Farbe „Rot“ und übertragen sie aus der Bedeutungssphäre der Farben in jene der Gefühle, wenn wir etwa sagen: „Roter Zorn stieg in ihr auf!“

Der Witz ist, dass wir jetzt nicht nur das Wort „Rot“ übertragen, sondern – wie ich bereits schrieb – das gesamte Symbolsystem in dem es sich befindet. Der Einfachheit halber nenne ich das jetzt einfach mal die Assoziationen, die wir mit „Rot“ verbinden. Zum Beispiel: Wärme, Hitze, Feuer, Rotes Kreuz, aber auch Liebe, Erotik und so weiter.

Und wegen der Übertragung all dieser Assoziationen sind Metaphern etwas sehr nützliches und allgegenwärtiges, da sie uns ermöglichen, die Welt neu zu strukturieren und so Verbindungen zu erkennen, die uns bislang verborgen blieben.

Warum ich das alles schreibe? Nun, weil die Metapher und wie sie funktioniert offensichtlich nicht allen bekannt ist. Zumindest schrieb Krautreporter Rico Grimm kürzlich:

Wer oder was ist ein Nazi?

Ein Nazi ist ein Nationalsozialist. Der Nationalsozialismus (NS), angeführt von Adolf Hitler, hörte mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges offiziell auf zu existieren. Wer auch nach dem Krieg nationalsozialistischen Ideen treu blieb, war ein Altnazi. Immer weniger Menschen haben heute die NS-Zeit noch selbst erlebt, deswegen gibt es auch immer weniger (Alt-)Nazis. Wenn Sie heute also jemanden hören, der einen anderen als „Nazi“ beschimpft, ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch, dass er Unsinn redet. Wenn Sie diese Bezeichnung auf Facebook lesen, beträgt die Unsinns-Wahrscheinlichkeit fast 100 Prozent, denn wie viele 80- bis 90-Jährige kennen Sie, die die Plattform nutzen – und dort auch kommentieren?

Offensichtlich kann sich Rico Grimm gar nicht vorstellen, dass es eine andere Verwendung als die buchstäbliche für „Nazi“ gibt. Ich frage mich, welche möglicherweise nützlichen Assoziationen ihm dabei wohl verborgen bleiben …