Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 13
Heute gebe ich preis, warum dieser Kanal heißt, wie er heißt. Ich lege Wittgensteins Privatsprachenargument dar. Warum ist eine Privatsprache unmöglich? Und warum interessiert uns das eigentlich?
Heute möchte ich zusammen mit euch den skeptischen Zweifel überwinden, dass Erkenntnis nicht möglich ist, dass wir also nicht zwischen wahr und falsch unterscheiden können und euch stattdessen Platons Ausweg zeigen: Die Anamnesislehre. Hier als Video oder darunter als Text.
Erinnert ihr euch noch an die Mäeutik von Sokrates? Also die Theorie, dass wir Wissen schon in uns tragen und man es nur – zum Beispiel durch geschicktes Fragen – zur Welt bringen muss? Ich hatte damals im dritten Sokrates-Teil die Frage gestellt, wo das Wissen denn herkommt, aber ich hatte euch keine Antwort darauf geliefert nur eine Analogie zu unseren heutigen Auffassungen von impliziten und expliziten Wissen.
Nun, Platon gibt eine Antwort: Dieses Wissen kommt daher, dass unsere Seele vor unserer Geburt die Ideen an einem überhimmlischen Ort, einem topos hyperuranios geschaut hat. Das ist die sogenannte Anamnesis-Lehre. Also die Lehre von der Wiedererinnerung. Implizites Wissen beweist nach Platon sowohl dass die Seele unsterblich ist, als auch, dass Ideen existieren. Hier benutzt er das Bild von der Tafel wieder: Unser Erkenntnisvermögen kommt nicht als leere Tafel (als Tabula Rasa) auf die Welt, auf die dann die Sinneseindrücke eingeprägt werden, stattdessen ist die Tafel bereits vorgeprägt. Sie strukturiert von Anfang an die Sinneseindrücke gemäß ihrer Vorprägung.
Jetzt mal ganz abgesehen von dem ganzen metaphysischen Unterbau. Die Erkenntnis, dass unsere Seele, unser Geist oder unser Gehirn keine Tabula Rasa ist, sondern selbst etwas mitbringt, um die Sinneseindrücke zu strukturieren, ist eine verdammt gute Theorie. Eine Theorie, die noch heute über 2300 Jahre später Bestand hat. Kant macht zum Beispiel klar, dass wir das Kausalitätsprinzip nicht empirisch beweisen können. Denn alle unsere Beweismethoden setzen die Existenz der Kausalität immer schon voraus. Mit anderen Worten: Unser Geist bringt das Konzept der Kausalität hervor. Oder in Platons Worten: Wir haben die Idee der Kausalität geschaut und daher war sie in unsere Seele vorgeprägt.
Ein anderes Beispiel: Der Linguist und Philosoph Noam Chomsky vertritt die Theorie, dass uns die Sprache angeboren ist. Und zwar glaubt er nicht nur, dass dem Menschen ein abstraktes Sprachvermögen angeboren ist, sondern meint, dass wir schon die Grammatik mit auf die Welt bringen und als Kleinkind nur lernen, zu differenzieren, welche der möglichen Grammatiken wir in unserer Sprachgemeinschaft verwenden. Sein Argument dafür ist, dass die Zeit, in der das Kleinkind Sprache lernt, zu kurz ist für die Leistung, die es schon mit 1,5 bis 2 Jahren hervorbringt. Obendrein ist nach Chomsky die Datenmenge, die das Kind als Input bekommt, viel zu gering, um so ein komplexes System wie die Grammatik zu erlernen. Er vergleicht die Komplexität der Grammatik einer Sprache mit der Quantenphysik. Und kein Kleinkind ist in der Lage, Quantenphysik zu lernen, aber alle lernen, zu sprechen.
Schließlich geht auch die Psychologie heute davon aus, dass unsere Gehirne einiges mit auf die Welt bringen, etwa die Fähigkeit, Muster zu erkennen. Ich hoffe, ihr versteht jetzt, dass Platon ein verdammtes Genie war und warum ich meine Platon-Staffel mit dem Zitat Alfred North Whiteheads begonnen habe:
„Die sicherste allgemeine Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas lautet, daß sie aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht.“
Zurück zur Anamnesis-Lehre: In Platons Dialog ‚Menon‘ lässt Sokrates einen Sklaven ohne schulische Ausbildung geometrische Aufgaben lösen. Durch geschicktes Fragen führt Sokrates ihn zur Lösung. Da der Sklave diese Aufgaben nicht in dieser Welt gelernt hat, schließt Platon, dass seine Seele die Lösungen schon vor der Geburt gekannt haben muss und nun bloß dazu gebracht werden muss, sich wieder zu erinnern.
Platons Antwort auf die große Frage: Was ist Wissen? Lautet also: Die Wiedererinnerung an die Ideen, die unsere Seele vor ihrer Geburt geschaut hat. Das ist ein eleganter Ausweg aus dem Münchhausen-Trilemma, wenn man zweierlei akzeptiert:
Dass die Seele unsterblich ist – womit wir vielleicht in der Zukunft ein Problem bekommen werden.
Doch bevor wir uns Platons Unsterblichkeitsbeweisen und anschließend seinem Gottesbeweis zuwenden, werden wir beim nächsten Mal erst noch den Themenblock Erkenntnistheorie abschließen, indem wir uns fragen, was der alte Grieche zum Teilbereich der Wissenschaftstheorie zu sagen hat.
Wir alle sind nicht durch und durch rational. Und das ist auch gut so. Es macht uns zu Menschen, dass wir mal Blödsinn machen, mal über die Stränge schlagen. Ich persönlich habe mich gestern beim „auf Holz klopfen“ erwischt, obwohl ich bei Leibe nicht verstehe, wie ein dumpfes Geräusch Pech abwenden soll. Genauso wünsche ich mir bei jeder Sternschnuppe und jeder ausgefallenen Wimper etwas. ABER ICH HAB DIESES SCHEISSPONY NOCH NIE BEKOMMEN!!!!!! Das Leben wäre ziemlich trist, wenn wir immer rational handeln würden, wenn wir nie zu viel trinken, zu fettig oder zu süß essen, zu lange wach bleiben oder vier Staffeln Louie am Stück gucken würden.
Aber dann gibt es neben unserem alltäglichen Aberglauben auch noch Irrglauben, die mir so absurd erscheinen, dass mir einfach nicht in den Kopf will, wie Menschen daran wirklich glauben können. Daher habe ich mal wieder eine kleine Liste mit den acht absurdesten Irrglauben erstellt.
Auf Platz 8: Astrologie und Horoskope
Ich meine: WTF? Sterne, die unzählige Lichtjahre weit entfernt sind, sollen Einfluss darauf haben, ob ich heute im Lotto gewinne? Warum? Das geht mir nicht in den Kopf. Gasbälle, die so gigantisch sind, dass ihnen einzelne Menschen auf einem unscheinbaren Planeten in einem „aus der Mode gekommenen“ Spiralarm der Galaxie eigentlich vollkommen sternschnuppe sein müssten, sollen sich darum kümmern ob „Stiere“ besser mit „Waagen“ auskommen oder „Wassermänner“ lieber „Fische“ heiraten sollten? Am beklopptesten finde ich noch, dass ich manchmal angeguckt werde, als wäre ich ein schlechter Vater, wenn ich auf die Frage nach dem Sternzeichen meiner Tochter (6) mit „Keine Ahnung“ antworte…
Platz 7: Scientology
Laut Scientology haben wir unsterbliche Wesen in uns, die sich „Thetane“ nennen. Diese Thetane wurden von einem intergalaktischen Herrscher
„von weit entfernten Planeten auf die Erde verschleppt […] und dort durch gewaltsame Verfahren so schwer traumatisiert[], dass sie nun als körperlose Cluster (Körper-Thetanen genannt) anderen Menschen anhängen und sie in ihren Möglichkeiten beeinträchtigen.“
Ob du und dein Thetan Buddies sind, kannst du mit einem Gerät, namens E-Meter messen, das im Wesentlichen elektrische Widerstände misst. Und um mit deinem Thetan dufte auszukommen, musst du schweineteure Kurse belegen.
Das ganze geht auf L. Ron Hubbard zurück, von dem böse Zungen sagen, er hätte bloß festgestellt, dass er seine Science-Fiction-Bücher besser verkaufen kann, wenn die Leute glauben, es wäre Religion. Ich für meinen Teil finde das alles so krude zusammengekleistert, dass ich es schlichtweg nicht ernst nehmen kann. Daher landet Scientology auf einem ehrenvollen siebten Platz und wer es freiwillig macht und Spaß daran hat, soll diesen meinetwegen weiterhin haben…
Fassen wir doch mal zusammen: Gott hat die Erde vor ca. 6.000 Jahren in sieben Tagen geschaffen. Also nur kurz vor den Pyramiden. Dann hat er den Mann aus Lehm zusammengematscht und die Frau aus der Rippe des Mannes. Warum? War der Lehm alle?
Oder nehmen wir mal die Nummer mit der Vertreibung aus dem Paradies: Ja klar, da wurde irgendwie das Vertrauen verletzt und deswegen wurde Adam und Eva Hausverbot erteilt. Aber warum wurde die Schlange bestraft? Die hat doch eigentlich Eva nur die Wahrheit über den Baum der Erkenntnis erzählt. Die Schlange war quasi der Snowden des Paradies‘!
Auch komisch ist, dass Gott in den ersten 4.000 Jahren ziemlich viel mit den Menschen interagiert hat aber seit 2.000 Jahren ist plötzlich Funkstille. Ist Gott noch immer eingeschnappt wegen dieser Kreuzigungsnummer? Und was war das eigentlich für eine arschige Aktion mit der vorgetäuschten Opferung von Abrahams Sohn? Was hat sich der „liebe“ Gott dabei gedacht?
Aber am absurdesten ist, dass Gott von Sex besessen ist! Kein Sex vor der Ehe, keine Homosexualität, keine Masturbation? Hat der keine anderen Sorgen? Wie wäre es mal mit Weltfrieden oder Hunger der Welt stillen? Klingt alles ziemlich absurd, wenn ihr mich fragt…
Platz 5: Die animistische Evolution
Was hat sich die Natur nur dabei gedacht? Nix! Die Natur denkt nichts, genauso wenig wie die Evolution. Dennoch sprechen wir von ihr im Alltag oft wie von einem lebendigen Wesen mit einem eigenen Willen. Eine Hebamme sagte kürzlich im Gespräch zu mir, dass die Evolution die menschliche Geburt schon gut eingerichtet habe. Und in einem linguistischen Fachbuch zum Spracherwerb las ich einst sogar über das Absenken des Kehlkopfs (das den Spracherwerb ermöglicht, aber zugleich die Erstickungsgefahr für den Säugling erhöht), dass man daran sehe, welch hohen Stellenwert die Evolution der Sprache eingeräumt habe. Die Sache ist aber: Stimmt halt nicht. Die Natur oder die Evolution denkt sich nichts, sie richtet nichts ein und hat erst recht keinen Sinn für irgendeinen Stellenwert.
Evolution ist auf zwei minimalistische und komplett unintelligente Prinzipien zurückzuführen: 1. Mutation – Bei der Vererbung entstehen Fehler. 2. Survival of the fittest – Von zwei Varianten eines Lebewesens überlebt diejenige am wahrscheinlichsten, die besser an seine Umwelt angepasst ist. Das Ding ist aber, dass nicht jede Mutation immer zum Vorteil oder zielgerichtet ist. Mein Lieblingsbeispiel für sinnlose Natürlichkeit ist, dass die Speiseröhre direkt neben der Luftröhre liegt. Nur deshalb können wir uns verschlucken. Aber das hat überhaupt keinen Nutzen. Das ist vollkommen sinnlos, die Natur hat sich eben nichts dabei gedacht.
Ein anderes Beispiel: Als vor Milliarden von Jahren kleine Zellklumpen durch den Ozean paddelten, hatten die einen Überlebensvorteil, die zufällig lichtempfindliche Zellen ausbildeten. Dass es aber auch unzählige sinnlose Mutationen gab und etwa diejenigen Zellklumpen starben, die einen Sinn für Karomuster ausbildeten, das wird immer vergessen, wenn wir sagen, da hat sich die Natur schon was bei gedacht. Das ganze geht übrigens auf unseren Wunsch zurück, uns die Welt teleologisch zu erklären…
Platz 4: Homöopathie
Die Homöopathie ist quasi für Deutschland das, was Scientology für Amerika: die nicht wirklich zu Ende gedachte Küchenreligion des kleinen Unlogikers. Ich fasse das Konzept der Homöopathie mal mit eigenen Worten zusammen. Gleiches soll mit gleichem geheilt werden. Die Ärztin soll der Patientin Mittel geben, die bei einer gesunden Person eigentlich genau die Symptome erzeugen, die sie jetzt heilen sollen. Mit anderen Worten: Patienten wird Gift verabreicht. Als sich Samuel Hahnemann diesen Mumpitz ausgedacht hat, gab es nur ein Problem: Seine Patienten starben wie die Fliegen. Daher fing er an, die Gifte immer weiter zu verdünnen. Die besten Ergebnisse erzielte er dann logischerweise, wenn er ein Gift so weit verdünnt hatte, dass es im Wasser oder im Zucker, in dem es gelöst war, nicht mehr nachzuweisen war. Das war jetzt aber auch irgendwie suboptimal… Patienten Wasser oder Zucker zu geben und zu behaupten, das sei Medizin, war unglaubwürdig. Denn beides nimmt schließlich jeder Mensch täglich in rauen Mengen auf. Daher kam Hahnemann auf die grandiose Idee, zu behaupten, das Wasser erinnere sich an die Substanz. Und wer hier jetzt nicht die Frage stellt, mit welchem Gehirn sich das Wasser erinnern soll und warum es sich zwar an Homöopathie aber nicht an den letzten Toilettengang erinnert, dem verordne ich eine Überdosis Globoli…
Platz 3: Lichtnahrung
Aufs Treppchen schafft es letztendlich die Lichtnahrung. Denn wo die Homöopathie nur mehr oder weniger harmloses Placebospinnerei ist, da ist Lichtnahrung Darwin-Award-verdächtige Idiotie. Ich gebe das Wort ab an die Wikipedia:
„Lichtnahrung oder auch Breatharianismus bezeichnet eine esoterische Methode, bei der nach Vorstellung ihrer Anhänger die für das Leben notwendige Energie aus feinstofflicher Energie („Licht“; siehe „Prana“ als universelle Lebensenergie) gewonnen werden soll. Dadurch soll man imstande sein, ohne feste und flüssige Nahrung auszukommen, die sonst zum Überleben notwendig ist.“
Ja, nee, is klar.
Platz 2: Impfskepsis
Silber geht an die Impfskepsis. Denn wo sich ein Lichtfresser nur selbst schädigt, schädigt eine Impfgegnerin ihre Kinder! Mal vom ethischen Aspekt abgesehen (Impfgegner sind Schmarotzer, die nur überleben, weil sie sich auf den Herdenschutz der anderen verlassen können), haben Impfskeptiker sogar einen Funken Wahrheit gefunden: Impfungen haben Nebenwirkungen. Meine Tochter (6) musste eine solche Nebenwirkung kürzlich ertragen. Nach der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten war ihr Arm fast eine Woche lang geschwollen und tat weh. Das ist Kacke, man will ja nicht, dass das eigene Kind leidet. Allerdings sind Impfungen eben Risikoabschätzungen. Denn dem schmerzenden Arm steht beispielsweise das gegenüber:
„Tetanus, auch Wundstarrkrampf genannt, ist eine häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit, welche die muskelsteuernden Nervenzellen befällt und durch das Bakterium Clostridium tetani ausgelöst wird. Die resistenten Sporen des Bakteriums kommen nahezu überall vor, auch im Straßenstaub oder in der Gartenerde. Die Infektion erfolgt durch das Eindringen der Sporen in Wunden.“
Klingt scheiße, ist es auch! Ich will auch nicht verschweigen, dass es manchmal schlimmere Impfnebenwirkungen geben kann. Allerdings sind die seeehr unwahrscheinlich und fast ausschließlich nicht so schlimm wie die Krankheiten, gegen die geimpft wird. Aber Silber gibt es vor allem für die Behauptung, dass Impfen Autismus auslösen kann. Denn das ist schlichtweg gelogen. Genauso kann ich mich jetzt hier hinstellen und behaupten, dass Schokoeis Krebs erregt. Oder dass Sex vor der Ehe ins Fegefeuer führt. Oh…
Platz 1: „Miracle Mineral Supplement“
Gewinner der Goldmedaille, auf Platz 1 und damit auf dem Gipfel der Idiotie ist MMS – „Miracle Mineral Supplement“. Wenn dein Kind dann nämlich durch die Impfung zum Autisten wurde, dann kannst du es wieder „gesund“ machen, indem du ihm Natriumchlorit in den Arsch bläst. Oh, das klingt aber schmerzhaft! Und wissta was? Das ist es auch!
„Bei dieser umstrittenen Therapiemethode wird Natriumchloritlösung verabreicht, in welcher durch Zumischen von Citronensäure das hochreaktive giftige Chlordioxid freigesetzt wird, das normalerweise zu Desinfektionszwecken oder zum Bleichen verwendet wird.“
Das Gift wird auch gerne gegen Krebs, AIDS, ADHS und Demenz verabreicht. Eben wenn Patienten oder Eltern verzweifelt genug sind, um ihnen noch etwas Geld aus der Tasche zu leiern. Ähnlich wie bei Hahnemanns Quacksalberei tritt hier natürlich das Problem auf, dass die Patienten merken, dass die vermeintliche Medizin ihren Gesundheitszustand verschlechtert. Daher interpretieren die Anhänger dieser Körperverletzung einfach die Ergebnisse um. Aus Tag wird Nacht, aus Nord wird Süd und ein Patient, der sich kranker fühlt, ist eigentlich auf dem Weg der Besserung, da sein Körper jetzt gegen die Krankheit ankämpfe, gegen die MMS gegeben wurde. O.o
So das war sie, meine Liste der „am wenigsten plausiblen“ Irrglauben. Ich wette, ihr habt auch noch den einen oder anderen Kandidaten in der Hinterhand. Ich würde mich über Anregungen in den Kommentaren freuen!