Harry Potter und die Lösung des Dumbledore-Problems

„Die Winkelgasse hatte sich verändert. Die bunten, glitzernden Schaufensterauslagen mit Zauberbüchern, Zaubertrankzutaten und Kesseln waren verschwunden, versteckt hinter großen Plakaten des Zaubereiministeriums, die über die Scheiben geklebt waren. Die meisten dieser dunkelvioletten Plakate waren eine vergrößerte Version der Merkblätter mit den Sicherheitsratschlägen, die das Ministerium den Sommer über verschickt hatte, doch andere zeigten bewegte Schwarzweißfotos von Todessern, die bekanntermaßen auf freiem Fuß waren.“

Sehr geehrte Zauberer und Hexen, liebe Muggel, tut mir leid, ich habe Sie hängen lassen. Eigentlich veröffentliche ich hier ja jedes halbe Jahr eine Rezension zu einem Harry-Potter-Band. Bisher:

Doch meine Besprechung von Band 5 liegt mittlerweile schon 14 Monate zurück. Seither ist viel passiert – vor allem das Leben. So lesen meine Tochter (9) und ich seltener zusammen, da sie immer öfter alleine liest. Dennoch stecken wir schon mitten im 7. Band, da wir den Halbblutprinzen bereits im Januar beendeten. Allerdings habe ich auch eine gute Nachricht, denn ich durfte mein Potter-Nerdtum-Imperium mittlerweile ausweiten auf den wunderbaren, befreundeten Podcast Second Unit. In diesem bespreche ich zusammen mit Christian und manchmal auch Tamino die Potter-Filme. Dies machten wir mittlerweile bei:

Unsere Folge zu Der Halbblutprinz ist auch schon im Kasten und wird demnächst erscheinen. Hört doch mal rein!

Spoiler Alert

Malfoy hat Angst

Doch jetzt ran an das Butterbier! Hört, was ich über den Halbblutprinzen zu sagen habe. Aber bitte bedenkt: Sofern ihr in den letzten 12 Jahren auf der Suche nach Horkruxen wart, muss ich euch warnen. Ich werde spoilern!

Mein Reifeprozess als vorlesender Vater

Dumbledore fällt

Wie immer beginne ich mit meinem Eindruck als vorlesender Vater. Denn über die Bände 4 und 5 bin ich in dieser Rolle und an der zunehmenden Düsterheit der Bücher gereift. Daher war mir natürlich klar, dass Dumbledores Tod Traumapotential für meine Tochter hat. Entsprechend warnte ich sie vor dem aufziehenden Showdown, dass erneut ein geliebter Charakter sterben werde und ließ ihr die Wahl, ob sie gespoilert werden wolle. Zunächst reichte ihr wieder die Zusicherung, dass kein Kind das Opfer sein werde, doch ließ ihr die Info keine Ruhe, sodass sie immer weiter fragte: Doch nicht Lupin, oder? Doch nicht Hagrid, oder? Doch nicht Dumbledore …. Tja, und da konnte ich nicht mehr antworten: „Nein, keine Sorge.“

Insgesamt hat meine Tochter aber eine ganz schön harte Schale entwickelt, wenn es um Dramatik geht. So saß ich dann am Ende mit Tränen in den Augen da und las mit brüchiger Stimme vor, während sie nach außen hin ruhig wirkte. Um nicht zu riskieren, dass sie darunter stärker mitgenommen wurde, als es den Anschein hatte und um mir selbst Mut zu machen, sprachen wir dennoch darüber, dass Dumbledore aus dramaturgischen Gründen sterben musste. Dass „Kill your Darlings“ manchmal wichtig ist, damit Harry im Finale des Epos kein Sicherheitsnetz mehr hat, auf das er sich verlassen kann. Der Halbblutprinz ist dafür da, das Dumbledore-Problem ein für alle Mal zu lösen. Das Dumbledore-Problem besteht darin – das zur Erinnerung –, dass Rowling Dumbledore als übermächtig beschreibt. Dadurch ergab sich immer das Problem, dass sie Ausreden erfinden musste, warum Harry und nicht Dumbledore gegen Voldemort antritt. Besonders in Band 1 und 3 waren diese herbeigeführten Gründe schon ziemlich unglaubwürdig. Dafür hat sie nun eine endgültige Lösung herbeigeführt. In den Heiligtümern des Todes wird sich die Frage also nicht stellen können.

Hinter der launischen Verführerin herjagen

„Und jetzt, Harry, hinaus in die Nacht und dem Abenteuer hinterher, dieser launischen Verführerin!“

Doch es wird Zeit, uns richtig  der Geschichte zu widmen. Das Abenteuer ist diesmal ein viersträngiges. Ineinander verschachtelt sind die Fragen:

  • Was plant Draco Malfoy?
  • Wer ist der Halbblutprinz?
  • Auf welcher Seite steht Snape?
  • Sowie: Wer ist Voldemort und wie kann Harry ihn besiegen?

Besonders die letzten beiden Punkte gilt es zudem noch in das große Ganze der Potter-Geschichte einzuordnen. Ich frage mich, an welchem Punkt in seiner Heldenreise Harry steht. Natürlich möchte ich, wie immer, Nitpicken und der für den Potter-Zyklus wichtige „Coming of Age“-Aspekt darf nicht zu kurz kommen.

Und plötzlich wehte dieser Blumenduft zu ihm herüber

Ginny ist schockiert
Mit der Coming-of-Age-Geschichte möchte ich anfangen. Denn diese ist wieder einmal genauso intelligent wie einfühlsam von Rowling geschrieben. Auf der einen Seite sind Ron und Hermine nun offen verliebt, auch wenn sie es noch nicht zugeben wollen. Harry ist der erste, der das realisiert und Angst bekommt, zum fünften Rad am Wagen zu werden. Doch dann stürzt Ron sich in eine Ersatzbeziehung mit Lavender Brown, als er erfährt, dass Hermine (vor drei Jahren) mit Victor Krum rumgeknutscht hat. Daraufhin ist Hermine am Boden zerstört und die Dreierfreundschaft droht zu zerbrechen.

Derweil lernen wir mit Harry zusammen, dass er sich in Ginny verliebt hat. Zunächst hat er sich in den Sommerferien so an ihre Gegenwart gewöhnt, dass er es schade findet, dass sie nicht auch in Hogwarts mit Hermine, Ron und ihm abhängt. Dann stößt er im Unterricht auf einen Liebestrank …

„Einem goldfarbenen Kessel …, von dem einer der verführerischsten Düfte ausging, die Harry je eingeatmet hatte: Irgendwie erinnerte er ihn gleichzeitig an Siruptorte, den holzigen Geruch eines Besenstiels und etwas Blumenartiges, von dem er meinte, es vielleicht im Fuchsbau schon einmal gerochen zu haben.“

Bis schließlich …

„Und plötzlich wehte dieser Blumenduft zu ihm herüber, den er in Slughorns Kerker wahrgenommen hatte. Er wandte sich um und sah, dass Ginny zu ihnen gekommen war.“

Wir durchleben Eifersuchtsphasen mit Harry und absurde Gedankenspiele, wie denn sein „Männerfreund“ Ron auf seine Liebe zu Ginny reagieren wird. Es gibt Diskussionen, wer mit wem geknutscht hat. Harry hat als Auserwählter Groupies, die ihm mit Liebestränken auflauern. Das ganze fühlt sich wunderbar authentisch an. Dreiviertel dieser Geschichten habe ich ganz ähnlich erlebt, als ich ein Teenager war (besonders die Nummer mit dem Auserwählten natürlich); und Rowling hat offensichtlich auch nicht vergessen, wie es damals war. Ihre Brillanz stellt sie schließlich unter Beweis, wenn sie diesen Erzählstrang in dem Höhepunkt enden lässt, dass Ron versehentlich den Liebestrank von Romilda Vane trinkt, der für Harry bestimmt war und „abgelaufen ist“. Das führt nicht bloß zur Versöhnung zwischen ihm und Hermine, sondern lässt die Coming-of-Age-Geschichte auch im zweiten Erzählstrang aufgehen: Ron wird versehentlich ein Opfer von Dracos Mordversuchen an Dumbledore.

Niemand glaubt Kassandra

„… wie ich bereits bewiesen habe, mache ich Fehler wie jeder andere. Genau genommen sind meine Fehler, da ich – verzeih mir – eher klüger bin als die meisten Menschen, in der Regel auch größer.“

Albus Dumbledore

Dieser Teil der Geschichte ist eine interessante Variation von Rowlings Whodunit. Fünf Bücher lang hat sie falsche Fährten ausgelegt: In Der Stein der Weisen wurde Snape fälschlicherweise von unserem Heldentrio verdächtigt, in der Kammer des Schreckens war es schon einmal Draco, im Gefangenen von Askaban hält die gesamte Zaubererwelt Sirius für den Bösewicht, im Feuerkelch gibt es wechselnde Verdächtige aber auf den falschen Moody kommt niemand. Und im Orden des Phoenix wird das Thema „Harry irrt“ aufs Tapet gebracht, wenn er Sirius retten will und Hermine ihm klarmacht, dass es genau das ist, was Voldi von ihm will. Harry setzt sich mit seinem Dickkopf durch und was daraus wurde, wisst ihr. Nun hat Harry wieder den gleichen Dickkopf, aber mit dem Unterschied, dass Rowling ihr schön etabliertes Muster durchbricht und Harry von Anfang an mit all seinen Verdächtigungen recht hat: Malfoy plant etwas, er ist jetzt Todesser, hat das Dunkle Mal, Draco steckt hinter den Angriffen auf die Schüler und plant etwas mit Snape zusammen. Harry mimt die ganze Zeit über die Kassandra und folgerichtig glaubt ihm niemand.

Harry rollt die Augen.

Schön ist weiterhin, dass über den ganzen Roman hinweg immer wieder Andeutungen gemacht werden, dass Dumbledore nicht mehr der alte ist. Dass er schwach und alt geworden ist und es nicht mehr lange macht. Mal spricht Narzissa Malfoy eine unverhohlene Todesdrohung aus:

„Aber Dumbledore wird nicht immer da sein, um Sie zu beschützen.“

Mal spielt Snape auf vermeintliche Schwächen an:

„Und du vergisst Dumbledores größte Schwäche: Er muss immer das Beste von den Menschen glauben.“

Dann werden uns echte Schwächen offenbart, wenn wir gesagt bekommen, dass Dumbledores Hand aussieht, als wäre sie tot und der Schulleiter ergänzt …

„Aber manche Verletzungen kann man nicht heilen …“

Rowling nutzt diesen Erzählstrang für einen ersten Payoff. Sie hat Draco seit dem ersten Buch als Antagonisten von Harry aufgebaut, der zugleich immer im Schatten des großen Bösewichts Voldi stand. Nun bekommt Draco seine eigene Geschichte, in der er die Villain-Rolle endlich zu einem gebührenden Abschluss bringen darf. Zugleich nutzt die Autorin die Gelegenheit, um dem Nebencharakter mehr Tiefe zu verleihen. Bislang war Malfoy nur der Abziehbild-Bully. Doch in diesem Band wird er zu einem atmenden, lebenden Menschen mit der Sehnsucht, anerkannt zu werden und vor allem mit ganz viel Angst. Das ist so gut geschrieben, dass es nicht einmal stört, wenn Draco auf dem Astronomieturm am Talking Murderer Syndrome erkrankt und seinen ganzen Plan Dumbledore vor dessen Tod haarklein erklärt – dies passt gut zu seiner Charakterentwicklung, die von Ängsten und Zweifeln getrieben ist.

Lose Enden

Dies ist nur einer von ein paar Payoffs, die Rowling in diesem Buch liefert. Insgesamt hält sie sich aber noch sehr zurück. Der mehrere Tausend Seiten lange Epos hat mittlerweile so viele lose Enden, dass man sich schon fragen kann, wie sie das alles noch zu einer abgeschlossenen Geschichte knüpfen will. Kleiner Spoiler für den siebten Band, in dem meine Tochter und ich ja gerade stecken: Sie wird das noch sehr schön machen. Aber ein bisschen fängt Rowling schon hier damit an. So bekommen wir von Dumbledore endlich die komplette Erklärung geliefert, warum Harry immer wieder zu den Dursleys zurückkehren muss:

„Der Zauber, den ich vor fünfzehn Jahren heraufbeschworen habe, bewirkt, dass Harry unter starkem Schutz steht, solange er dieses Haus noch sein Zuhause nennen kann. Wie unglücklich und wie wenig willkommen er auch immer hier war und wie schlecht er auch behandelt wurde, Sie haben ihn zumindest widerwillig in diesem Haus aufgenommen. Dieser Zauber verliert seine Wirksamkeit, wenn Harry siebzehn wird; mit anderen Worten, wenn er ein Mann wird. Ich bitte Sie nur um eines: Gestatten Sie Harry vor seinem siebzehnten Geburtstag noch einmal, in dieses Haus zurückzukehren, denn damit ist gewährleistet, dass der Schutz bis zu diesem Zeitpunkt anhält.“

Ein weiterer kleiner Payoff ist das Verschwindekabinett aus dem fünften Band, dass sich als eine Chekov’s Gun für Malfoys Plan entpuppt. Wir erfahren außerdem, dass Voldi die Stelle für Verteidigung gegen die Dunklen Künste verflucht hat, sodass sie jedes Jahr neu besetzt werden muss. Brisanterweise wissen wir, dass Snape gerade diesen Job innehat. Was uns zum größten Reveal dieses Bandes bringt …

Ron ist erstaunt

Je weiser, desto näher an der Wahrheit um Snape

„Gryffindor-Rubine glitzerten auf dem Boden wie Blutstropfen.“

Genau wie Draco war Snape von Anfang an eine Nebenplottvillain für Harry, der zugleich nie so ganz böse sein wollte. Im ersten Teil hat er Harry das Leben gerettet, im zweiten den berühmten Expelliarmus-Zauber beigebracht, im dritten Band wollte er Harry erneut vor Sirius Black retten, in Teil Vier übernahm er die Agentenrolle bei den Todessern für Dumbledore und im fünften schickte er den Orden des Phoenix zu Harrys Rettung. Zugleich war er immer ein sadistisches Arschloch von einem Lehrer, das Harry fertiggemacht hat, wo es nur konnte und einen Faible für die dunklen Künste hatte. Auf welcher Seite steht er denn nun? Das ist die Frage! Dieser Erzählbogen erstreckt sich eigentlich über die letzten beiden Bände und er ist mit der beste, den der komplette Zyklus zu bieten hat.

Rowling beginnt gleich zu Beginn des Buches Zweifel an Snapes Loyalität gegenüber Dumbledore zu sähen, indem sie ihn Beatrix LeStrange gegenüber versichern lässt, dass er auf Voldemorts Seite steht. Dann lässt J. K. Snape sogar den imposant klingenden „Unbrechbaren Schwur“ schwören, dass er Draco unterstützen werde – bei was auch immer Draco plant – und im Zweifel den Plan selbst durchführen wird, falls Draco dies nicht schafft.

„Ja, Harry, da ich mit außergewöhnlicher Intelligenz gesegnet bin, habe ich alles verstanden, was du gesagt hast“, erwiderte Dumbledore diesmal heftiger. „Ich denke, du solltest sogar die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass ich mehr verstanden habe, als du selbst.“

Andererseits rettet Snape Katie Bell – allerdings kann er das, weil er so viel über die dunklen Künste weiß. Am Ende verhindert Snape zudem, dass Harry von den Todessern gefoltert wird – vermeintlich, weil der dunkle Lord das selbst übernehmen will. Harry erzählt Lupin, wie er belauscht hat, dass Snape Draco seine Hilfe beim geheimen Plan angeboten hat. Lupin vermutet aber, dass Snape auf Dumbledores Auftrag hin gehandelt hat. Hagrid hat einen Streit zwischen Dumbledore und Snape belauscht – der alte Zauberer war sauer und Severus sagte, er wolle „es“ nicht mehr tun. Dann erfahren wir in kurzer Aufeinanderfolge von Dumbledore, dass Snape ihm das Leben gerettet hat, als der verfluchte Ring Voldemorts ihn tödlich verwundet hatte; und von Trelawny hören wir, dass es Snape war, der Harrys Eltern an Voldi verraten hat. Doch von Dumbledore wird das wieder relativiert, indem wir hören, dass die Nachricht vom Tod von Harrys Eltern für Snape „der größte Schmerz seines Lebens“ war. Harry überlegt sich, dass Snape ist ein hervorragender Okklumentiker ist und Dumbledore belogen haben könnte. Tonks dachte immer, dass Dumbledore etwas über Snape wissen musste, weswegen er ihm vertraute. Als Talking Murderer verrät Malfoy Dumbledore:

„Er ist ein Doppelagent, Sie dummer alter Mann, er arbeitet nicht für Sie, das bilden Sie sich nur ein!“

„Ich fürchte, in diesem Punkt sind wir verschiedener Meinung. Es ist nun einmal so, dass ich Professor Snape vertraue –“

Dann wir erfahren, dass Dumbledore von Snape über Malfoys Plan informiert wurde, aber nichts unternommen hatte, um Malfoy vor Voldi zu schützen. Doch schließlich betritt Snape den Astronomie-Turm:

… da stand Snape, den Zauberstab in der Hand, und seine dunklen Augen huschten über die Szene, von Dumbledore, der an der Mauer zusammengesackt war, über die vier Todesser mitsamt dem wütenden Werwolf bis zu Malfoy.

„Wir haben ein Problem, Snape“, sagte der schwerfällige Amycus, Augen und Zauberstab gleichermaßen auf Dumbledore gerichtet, „der Junge ist offenbar nicht fähig –“

Doch noch jemand hatte Snapes Namen ausgesprochen, ganz leise.

„Severus …“

Dieser Laut jagte Harry mehr Angst ein als alles, was er den ganzen Abend über erlebt hatte. Es war das erste Mal, dass Dumbledore flehte.

Als ich zum ersten Mal die Stelle las, in der Snape Dumbledore umbringt, war das ein ganz großer Schock für mich. Schließlich hatte Dumbledore immer und immer wieder versichert:

„Ich bin mir sicher. Ich vertraue Severus Snape vollkommen.“

Alle, die den letzten Band und des Rätsels Lösung kennen, werden in meiner Aufzählung oben erkennen, dass Rowling ein geschicktes Netz am Vorausdeutungen gewoben hat, indem die Charaktere umso näher an der Wahrheit sind, desto weiser sie im Epos etabliert wurden. Bis zum vermeintlichen Mord tut Snape nur Gutes und selbst danach rettet er wieder Harry, lediglich seine Äußerungen lassen anderes vermuten. Dumbledore ist sich seiner Sache absolut sicher. Lupin und Tonks glauben, dass es gute Gründe gibt, Snape zu vertrauen, Hagrid hat durch die Reihe hinweg immer wieder Fehler gemacht oder nur halbe Infos weitergegeben, so auch hier. Malfoy ist wie immer auf dem falschen Dampfer. Trelawny hat nie den Durchblick. Und Harry ist als unser Agent am Rätseln und durch seinen Hass auf den schlechten Lehrer auf der falschen Spur. Extremely well done, Mrs. Rowling!

Snape approves

Das namensgebende Abenteuer im dichten Geflecht von Rätseln

Wo im Erzählstrang eben Snape das Rätsel war, da ist er die Lösung in jenem, wer denn der Halbblutprinz ist. Ich muss aber leider sagen, dass das namensgebende Abenteuer im dichten Geflecht an Rätseln dieses Bandes das langweiligste ist. Zwar ist es ganz nett, wie Rowling den Halbblutprinzen immer wieder mit Snape in Relation setzt, etwa wenn Harry bemerkt, dass er vom Halbblutprinzen viel mehr gelernt hat als von Snape oder besonders schön, wenn er Ron mit dem Bezoar rettet – etwas, dass er kurz zuvor im Buch gelesen hat. Aber Hermine macht ihn darauf aufmerksam, dass er das auch gewusst hätte, wenn er mal bei Snape aufgepasst hätte. Hier referenziert Rowling sich selbst, denn Bezoare waren der Unterrichtsstoff in der allerersten Stunde von Snape im Stein der Weisen.

Abgesehen davon verläuft das Rätsel aber auf ausgetretenen Pfaden: Hermine behält mal wieder mit so ziemlich allem Recht, während Harry ein weiteres Mal seinen verstorbenen Vater anschmachtet.

Hermine hat recht

Ein ganzer Sack von Vorausdeutungen

Schön ist allerdings, wie Rowling den Abschied vom Zaubertrankbuch des Halbblutprinzen für einen weiteren Build-up für das große Finale nutzt. Nachdem Harry Malfoy mit Sectum Sempra verletzt hat, versteckt er das Buch im Raum der Wünsche und markiert die Stelle:

„Mit schrecklichem Herzklopfen hielt er einen Moment inne und starrte auf den Wirrwarr ringsumher … Würde er diese Stelle zwischen all diesem Gerümpel wiederfinden können? Er nahm die angeschlagene Büste eines hässlichen alten Zauberers von einer Kiste in der Nähe, stellte sie auf den Schrank, in dem nun das Buch versteckt war, und setzte der Figur eine verstaubte alte Perücke und ein angelaufenes Diadem auf den Kopf, um sie noch auffälliger zu machen.“

Es ist wirklich erstaunlich, wie viele epische Vorausdeutungen Rowling auch noch in den vorletzten Band packt. Schließlich schleppt sie schon einen ganzen Sack davon aus den vorherigen Teilen mit sich herum, die sie alle noch einlösen muss. So beginnt sie das Buch, als Harry und Dumbledore Slughorn rekrutieren, mit einem Hinweis auf Regulus Black und lässt es mit dem Amulett von R.A.B. enden. Mundungus Fletcher bedient sich am Haushalt des verstorbenen Sirius, was zum Ministeriums-Heist in Band Sieben führen wird. In einer der Denkariums-Ausflüge weiß Dumbledore, wer im Eberkopf auf Voldi wartet, weil er  „ein Freund der Wirtsleute am Ort“ ist. Draco entwaffnet Dumbledore und legt damit den Grundstein für Voldis Ende und obendrein bekommen wir die Andeutung von Dumbledores dunkelstem Geheimnis, wenn er das Gift in der Höhle trinkt:

„Es ist alles meine Schuld, alles meine Schuld“, schluchzte er, „bitte lass es aufhören, ich weiß, dass ich Falsches getan habe, oh, bitte lass es aufhören, und ich werde nie, nie mehr …“

„Tu ihnen nicht weh, tu ihnen nicht weh, bitte, bitte, es ist meine Schuld, tu doch mir weh …“

Aus dem Token-Bösewicht wird ein echter Mensch

„Ich habe experimentiert; ich habe die Grenzen der Magie erweitert, weiter vielleicht, als es jemals geschehen ist –“

„Einiger Formen von Magie“, korrigierte ihn Dumbledore leise. „Einiger. Von anderen wissen Sie … Sie verzeihen mir … erbärmlich wenig.“

Zum ersten Mal lächelte Voldemort. Es war ein angespanntes Grinsen, etwas Bösartiges, bedrohlicher als ein Zornerfüllter Blick.

„Der alte Streit“, sagte er sanft. „Aber nichts, was ich in der Welt gesehen habe, stützt Ihre berühmte Behauptung, dass Liebe mächtiger ist, als meine Art von Magie, Dumbledore.“

„Vielleicht haben Sie an den falschen Orten gesucht“, gab Dumbledore zu bedenken.

Aber der größte Build-Up für den letzten Teil sind natürlich die Horkruxe. Und auch hier macht Rowling wieder etwas viel clevereres als einfach den Plot voranzutreiben, nämlich das Gleiche wie bei Draco aber potenziert: Dadurch dass uns die Geschichte der Horkruxe in Rückblenden – Erinnerungen an Voldemorts Vergangenheit – erzählt wird, wird aus dem reinen Token-Bösewicht, der er bislang war, ein echter Mensch. Wir können nachvollziehen, wie er zu demjenigen wurde, der er zu Harrys Lebzeiten ist.

„Ich, der ich weiter als alle anderen gegangen bin auf dem Weg, der zur Unsterblichkeit führt.“

Wir erfahren, dass bereits das Tagebuch aus Die Kammer des Schreckens ein Horkrux war. Auch das ist ein echter Rowling-Move – etwas erklären, von dem wir später erfahren, dass ebenjene Erklärung nur die Spitze des Eisbergs war. Genau das macht sie auch hier wieder mit dem Ring von Voldi, von dem wir lernen, dass es ein Horkrux war, den Dumbledore bereits vernichtet hat. Aber natürlich ist das nur ein Teil der großen Wahrheit, die wir in den Heiligtümern des Todes erfahren.

Voldemort

Der Widerstreit von Vorbestimmung und freiem Willen

Zu diesen scheibchenweisen Enthüllungen gehört natürlich auch das große Mysterium, worin denn nun die Verbindung zwischen Harry und Voldi besteht. Wir lernen weitere Gemeinsamkeiten der beiden kennen: Beide sind Waisenkinder. Ihre Mütter sind beide für ihr Kind gestorben. Beide Jungs hassten ihr Leben unter Muggeln, sowie die Tatsache, dorthin immer wieder in den Sommerferien zurückkehren zu müssen. Beide betrachten Hogwarts als erste wahre Heimat. Harry stellt sogar bewusst eine Parallele her: In seinem ersten Versuch, Slughorn die Wahrheit über die Horkruxe abzuluchsen, spiegelt er bewusst 1:1 die Situation, in der Voldi dies damals tat.

Die Prophezieung

Diese Gemeinsamkeiten kontrastiert Rowling aber auch immer wieder mit Unterschieden. Während Harry nicht glauben konnte, dass er ein Magier ist, wusste Tom Riddle schon immer, dass er etwas besonderes ist. Voldi war viel talentierter als Harry. In der Schule immer der beste und schon davor beherrschte er seine Magie genug, um andere zu kontrollieren. Demgegenüber hat Harry im Gegensatz zu Voldi echte Freunde. Voldemort ist ein Einzelgänger, der niemand anderen haben möchte. Aus diesem letzten Unterschied entspringt Harrys größte Waffe gegen Voldemort: Liebe – die Macht, die der Dunkle Lord nicht kennt. So konstatiert Dumbledore an einer Stelle:

„Kann es sein, dass du Mitleid mit Lord Voldemort hast?“

Zugleich wird die Prophezeiung, die uns im letzten Band noch als große Enthüllung des Mysteriums verkauft wurde, nun wieder entzaubert. Harry Potter ist eine Geschichte über den Widerstreit von Vorbestimmung und Handeln aus eigenem Willen. Dieses Leitmotiv steckt nicht zuletzt in dem großen Konflikt um das reine Blut der Zauberer. Band 5 endet mit dem Zeiger auf 200% Vorbestimmung.

„Du misst der Prophezeiung zu viel Bedeutung bei! … Wenn Voldemort nie von der Prophezeiung gehört hätte, wäre sie dann in Erfüllung gegangen? Hätte sie dann irgendetwas bedeutet?“

Hier schlägt das Pendel zurück in die andere Richtung, wenn Dumbledore klarmacht, dass Voldi seinen größten Feind selbst erschaffen hat.

„Durch seinen Versuch, dich zu töten, hat Voldemort selbst den bemerkenswerten Menschen ausgewählt, der hier vor mir sitzt, und ihm die Werkzeuge für die Aufgabe an die Hand gegeben! Es lag an Voldemort selbst, dass du fähig warst, Einblick zu nehmen in seine Gedanken, in seine Vorhaben, dass du sogar die schlangenartige Sprache verstehst, in der er Befehle erteilt, und doch, Harry, trotz deiner privilegierter Einsicht in Voldemorts Welt (ein Talent übrigens, nach dem sich jeder Todesser sehnen würde) wurdest du nie von den dunklen Künsten verführt, hast du nie auch nur eine Sekunde lang den geringsten Wunsch gezeigt, einer von Voldemorts Gefolgsleuten zu werden!“

Das Zerfasern der Heldenreise

Das führt uns zu Harrys Heldenreise. Doch vorher möchte ich noch einen Ausflug an den Anfang machen: Das Kapitel beim Premierminister ist vielleicht das tollste in der ganzen Reihe, weil es in wenigen Seiten klarmacht, dass es hier nicht mehr nur um Harry geht, nicht mehr nur um die kleine Zauberergemeinde. Es herrscht Krieg und davon sind alle betroffen.

The chosen one

Ende des Ausflugs und zurück zu Harry: Während seine Heldenreise in den ersten fünf Bänden die Stationen des Monomythos von Joseph Campbell mustergültig abhakte, zerfasert sie ein bisschen nach hinten heraus. Wir hatten im Stein der Weisen den Call to Adventure – Harry erfährt, dass er ein Zauberer ist. In der Kammer des Schreckens kam The Refusal of the Call – Harry zweifelte massiv an sich, wollte kein Held sein, hörte Stimmen, dachte, er ist vielleicht der Böse und sehnte sich ganz stark danach, nur ein normaler Schüler zu sein. In der Gefangene von Askaban kam das Crossing the Threshold, das Überschreiten der Schwelle. Harry lernte die größeren Zusammenhänge kennen und vor ihm begann sich die wahre Geschichte von ihm, seinen Eltern und Voldi zu entfalten. Hier begann sein großes Abenteuer erst richtig. Der Feuerkelch war eine mustergültige „Road of Trials“, auf der unser Held verschiedene Aufgaben lösen muss, um in die Heldenrolle hineinzuwachsen. Der Orden des Phoenix war „The Belly of the Whale“ – Harry war drauf und dran an der Unmöglichkeit der ihm gestellten Aufgabe zu verzweifeln. Es steckte auch ein bisschen „Woman as Temptress“ darin, dadurch dass Harry sich mit Cho gewissermaßen in die falsche Frau verliebt hatte. Nun, in der Halbblutprinz, findet das echte „Meeting with the Goddess“ statt, wenn er sich in Ginny verliebt. Außerdem gibt es „Atonement with the Father“ – Dumbledore wird jetzt erst zur echten Vaterfigur, er gibt Harry Einzelunterricht und es wird auch sonst ganz kuschelig zwischen den beiden … Allerdings kommt dann das Ende dieses Buches und damit eine tiefe Krise, die kombiniert mit dem Wissen darum, wie Harry Voldi wird besiegen können, die eigentliche Station von Harrys Heldenreise ist. Bei Campbell gibt es dafür keine Entsprechung.

Schauen wir uns das mal der Reihe nach an: Das Buch beginnt damit, dass Harry jetzt von aller Welt als der Auserwählte betrachtet wird. Ihm dämmert so langsam, dass der Kampf gegen Voldi ihn wahrscheinlich sein Leben kosten wird, aber er ist bereit, dieses Risiko einzugehen. Nachdem er im Laufe des Romans immer wieder von dieser Mission abkommt und dafür teilweise heftig von Dumbledore kritisiert wird, beginnt er nach und nach immer weiter in diese Rolle hineinzuwachsen. Der entscheidende Moment ist, wenn er unter dem Einfluss von Felix Felicis Slughorn offen erklärt:

„Ich bin der Auserwählte. Ich muss ihn töten.“

Am Ende des Buches ist Harry soweit, dass er gegen Voldi aus freien Stücken antreten will und nicht nur wegen der Prophezeiung. Als ihm dann noch Dumbledore als letzter Schutz genommen wird, fasst er den Entschluss, Hogwarts zu verlassen und sich auf die Suche nach den verbliebenen Horkruxen zu machen.

Nitpicking

Enden will ich diesen Post aber als wie gewohnt mit etwas heitererem und genüsslich Nüsse picken:

  • Ich möchte kurz erwähnt haben, dass Hermine eine schlechte Schauspielerin ist. Dies tut zwar auch Ron, nach ihrem Auftritt bei Borgin & Burke’s, aber man kann es nicht oft genug sagen!
  • Seidenschnabel ist zurück bei Hagrid. Alles was der dafür tun musste, ist, ihn in Federflügel umzubenennen. Hätte man darauf nicht auch schon vor drei Jahren kommen können? All die Zeit, in der das Tier nicht artgerecht in einer Londoner Stadtwohnung ausharren musste, hätte man ihm ersparen können!
  • Pflanzenkunde ist das das übelste Fach an dieser Schule und sollte verboten werden. Dort geht es immer blutig zu!
  • Das Flohnetzwerk ist einfach nicht gut durchdacht. Als Harry nach Hogwarts reist und aus McGonagals Kamin kommt, bittet diese ihn: „Hinterlassen Sie bitte nicht so viel Asche auf dem Teppich“. Man sollte diese Transportmethode wirklich noch einmal überdenken!
  • Der Raum der Wünsche ist die Deus ex Architektus.
  • Trelawny stößt beim Kartenlegen immer wieder auf den vom Blitz getroffenen Turm. Das macht überhaupt keinen Sinn! Rowling verwendet das hier als epische Vorausdeutung auf das große Finale. Aber in der Vergangenheit hatte sie etabliert, dass Trelawny nur hellsehen kann, wenn sie in diesem tranceartigen Zustand ist, an den sie sich nachher nicht erinnern kann.
  • Zu guter Letzt: Dass man Felix Felicis im Kampf einsetzen kann und dann nicht von Flüchen getroffen wird, ist mal wieder nicht gut durchdacht, Frau Rowling!

Ach ja, hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass der Halbblutprinz mein Lieblingsband ist? Ein tolles Buch! Jetzt freue ich mich auf das große Finale und verspreche, dass ich mir nicht ganz so viel Zeit mit dem Artikel lassen werde. Also ich werde es versuchen … Vielleicht.
Wands for Dumbledore

Iste lieb?

Meine Tochter (2): “ Vorlesen?“
Ich: „Nur wenn du lieb bist.“
Sie schmeißt den Zahnputzbecher runter: „Iste lieb?“
Das erste Mal keimt mir der Verdacht, dass sie nicht weiß, was das Wort bedeutet: „Nein, so bekommst du nichts vorgelesen.“
Schnell hebt sie den Becher auf und spült sich den Mund aus: „Vorlesen?“
„Nur wenn du lieb bist.“
Sie rennt davon.
Okay, das war ein veritables Indiz. Wir reden eindeutig aneinander vorbei. Als ich sie wieder eingefangen und zur Wickelkommode verfrachtet habe, fragt sie erneut: „Vorlesen?“
„Nur wenn du lieb bist.“
Sie beginnt Taschentücher aus dem Spender zu reißen, bis das Kinderzimmer wie eine Winterlandschaft mit geringem Budget aussieht.
„Iste lieb?“
„Tochter (2), mich dünkt, du weißt nicht, was ‚lieb‘ bedeutet!“
„Lieb?“
„Ja ‚lieb‘. Nenn mir bitte mal eine Sache, die du zu machen bereit bist und die unter den Weisen gemeinhin als lieb angesehen wird?“
„Vorlesen?“

Diese Diskussion hat sie mit einem knappen Netzball nochmal gerade so gewonnen.

12 von 12 im August 2016

Ehrlich? Schon wieder ein Monat vorbei? Als die Erinnerung auf meinem Handy aufploppte, war ich doch ziemlich überrascht. Daher weiß ich nicht, ob das hier besonders lesenwert wird. Na ja, schauen wir mal. Wir waren gerade erst im Urlaub, den habt ihr verpasst. Tja. Warum heißt diese Aktion auch nicht 5von5 …?

Spätschicht

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Seit dieser Woche ist bei uns also wieder der Alltag eingekehrt. Dazu gehört natürlich auch die Grundimmunisierung meiner Tochter (1). Genau drei Tage war sie in der Grippe. Am Tag Nummer 4 kam dann wieder der Anruf der Erzieherinnen. Die Dame erklärte sich bereit, zum Arzt zu fahren und der entdeckte einen derart roten Hals und rote Ohren, dass er gleich beschloss, mit einem Antibiotikum draufzuschießen.

Glück im Unglück war, dass ich heute „Spät“ hatte. Ich arbeite bei einer Agentur und wir betreuen die Social-Media-Kanäle einer großen Firma. Da auf der Facebookseite des Kunden offiziell verkündet wird, dass wir bis 19:00 Uhr auf Fragen antworten, muss immer eine/r aus dem Team bis dann bleiben, braucht aber auch erst um 10:00 Uhr zu kommen. Heute war ich dran. Da die Dame und beide Töchter nicht früh raus mussten, haben wir also schön unsere Wecker ausgeschaltet. Dachten wir zumindest …

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Die Dame hat ein neues Handy und um 6:30 Uhr hörte ich dann das alte klingeln. Da sie nachts viel am Bett des fiebrigen Kindes gesessen hatte, stand ich auf, löschte den Alarm, kochte Kaffee und setzte mich aufs Sofa, um die Shownotes für unsere letzte Podcastfolge zu Reservoir Dogs zu schreiben. Als die beiden Kinder dann wach waren, gab es Frühstück. Aber … Bieberkacke! Ich hatte dann doch zu sehr getrödelt und musste mich sputen, noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.

Arbeit

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Von wegen Social-Media! Ich saß heute fast den ganzen Tag an einem internen Newsletter für unseren Kunden. Da der Kollege, der die Endredaktion machte, mit meinen Inhalten lange nicht zufrieden war, konnte ich erst auf „Abschicken“ klicken, als die anderen sich schon alle ins Wochenende verabschiedet hatten.

Pokestop

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Zwischendurch gab es aber auch die Mittagspause. Die verbrachte ich natürlich wieder auf „meinem“ Platz am Frankfurter Osthafen. Hauptsächlich lesend. Aber diese Woche habe ich entdeckt, dass sich auf dem Platz gleich drei Pokestops befinden. Ich spiele Pokemon Go nicht wirklich aktiv, sondern nur von Zeit zu Zeit, um zu sehen, „was die Jugend von heute bewegt“. Aber jetzt hole ich immer mal wieder mein Handy raus und sammle Pokebälle ein. Kann ich die Unmengen irgendwo verkaufen?

Kranballett

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Da die Agentur mir noch keine eigene Kopie der Creative Suite gegönnt hat, musste ich zum Setzen des Newsletters in InDesign rüber in das Büro von ein paar Kolleginnen. Da die Grafikdesignerin in diesem Team halbtags arbeitet, kann ich am Nachmittag dort den Newsletter setzen. Die Aussicht ist spektakulär aber laut.

Hören

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Let’s talk about Podcasts! Ich mache nicht nur einen Podcast, ich höre sie auch total gerne: Auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, beim Wäscheaufhängen und bei allen Tätigkeiten, die mein Großhirn nicht sonderlich beschäftigen, sind sie ein toller Begleiter. Und man baut sich einen enormen Wissensschatz auf! Ich habe derzeit über 100 – mehr oder weniger aktive – Podcasts abonniert. Hauptsächlich deutschsprachige Indie-Produktionen, wenige öffentlich-rechtliche und britisch/amerikanische Podcasts. Podcasts gibt es buchstäblich zu jedem Thema und neben Büchern gibt es kein weiteres Medium, das so tief über die jeweilige Materie berichtet. Da ich selbst einen Filmpodcast mache, höre ich die natürlich sehr gern. Einen guten Einstieg bildet hier die Second Unit, eher unbekannt unter den Filmpodcasts ist der Flachbereich, den ich aber immer mehr ins Herz schließe. Ausführliche Interviews zu wissenschaftlichen Themen liefert Forschergeist, eher Newscharakter zur Wissenschaft hat KonScience. In der Podcastszene ist die Qualität von sogenannten Laberpodcasts umstritten, ich halte das für eine hohe Kunst, die zum Beispiel [Der Weisheit] beherrrscht. Kurze prägnante Casts bilden das Gegenteil, meine Empfehlung ist hier Anerzählt, der in unter 10 Minuten jeden Tag etwas zu einer Zahl zu berichten weiß. Literatur & Kunst findet man im E&U-Gespräch, Geschichte bei Zeitsprung und Fernsehserien bei zwanzichfuffzehn. Diese Liste könnte ich fast ewig so fortsetzen. Wenn ihr noch mehr Empfehlungen wünscht, dann fragt in den Kommentaren! =)

Der Sessel

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Meine Tochter (9) hat heute entdeckt, dass man bei unserem großen Ohrensessel eine Liegeposition einstellen kann. Ich musste lange diskutieren, bis ich sie davon abgebracht hatte, auf dem Sessel die Nacht zu verbringen. Der Sessel stammt noch aus meinem Elternhaus. Damals hatte er einen braunen Bezug und war von mehreren Katzen- und Kindergenerationen enorm abgewetzt. Mein großartiger Papa hat ihn vor einigen Jahren neu beziehen lassen und dann mir geschenkt. Ein Geschenk, über das ich mich noch immer jeden Tag freue!

Vorlesen

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Meine Aufgabe war es heute, meine Tochter (9) ins Bett zu bringen. Dazu gehört traditionell das Vorlesen. Wir stecken mitten in Cornelia Funkes Tintenblut, dem zweiten Teil der Tintenwelt-Trilogie. Er gefällt mir besser als der erste Band, ist aber auch düsterer. Ein Kind sollte schon eine gewisse Reife und Erfahrung mit dramatischen Themen haben, bevor es sich an dieses Buch wagt. Über Kinderliteratur, Kinderfilme, Vorlesen und gemeinsam gucken wurde ich übrigens neulich in der schon erwähnten Second Unit interviewt.

Sicario

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Da die Dame noch etwas erledigen musste, fing ich an, Sicario zu gucken. Sie war dann aber doch schnell fertig, weshalb ich den Film unterbrach. Das ist der Grund. Nicht böse sein, Mojo! 😉

Modern Family

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Stattdessen sahen wir dann die Sitcom Modern Family. Leichte Kost, keine große Kunst, aber ich war auch platt vom Tag und der ersten Arbeitswoche nach drei Wochen Ferien. Dazu gab es das eine oder andere Bier …

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… bevor ich dann ins Bett krabbelte. Ich lese noch immer Unendlicher Spaß von David Foster Wallace, wie gesagt: 1.600 Seiten. Aber ich habe es mir noch einmal für den Kindle gekauft. So kann ich den Schinken besser mitnehmen und auch in der Mittagspause lesen. Ich werde zunehmend in Wallaces dunkle und zugleich skurril-satirische Welt gesogen.

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Bis nächsten Monat!

Meine neue Lieblings-Kinderbuch-Autorin: Kirsten Boie

von Paula Hesse

[Gerade erst hatte ich angekündigt, mal ein Stück über Kirsten Boie zu schreiben. Dann habe ich es mir anders überlegt, und die Dame schreiben lassen, die das sowieso viel besser kann. Da sie sich nach wie vor standhaft weigert, ein eigenes Blog anzulegen, schreibt sie für mich einen Gastbeitrag. Ihren Twitteraccount darf ich auch nicht verlinken, denn der ist geheim. Aber ihren Podcast findet ihr hier. (Privatsprache)]

Mit dem Kind wächst die Freude am Vorlesen

Seit der Geburt meiner ersten Tochter vor etwa sieben Jahren bin ich von der Leserin zur Vorleserin geworden. Mit Pixi-Büchern fing es an; darunter gibt es gute und weniger gute. Wie freute ich mich, als durch das Voranschreiten der kognitiven Entwicklung meiner Tochter auch das Niveau der Lektüre stieg. Von Daniel Napps „Dr. Brumm“ über Gunilla Bergströms „Willi Wiberg“ kletterten wir höher zu Sven Nordqvists „Pettersson und Findus“ und „Mama Muh“. Bilderbücher, die auch Erwachsenen Spaß machen. Am schönsten war natürlich, als wir bei ganzen Romanen anlangten, wie sie Astrid Lindgren und Erich Kästner schrieben.

Schund im Kinderbuchregal – Verkaufsstrategie vor Niveau

Doch Kinderbücher mit literarischem Anspruch sind nicht leicht zu finden. Viel Schund findet sich in den Regalen der Kinderbuchabteilungen; viel zu viele Menschen schreiben Kinderbücher in der Annahme, bunte, glitzernde Bilder, einfache Sätze und die Darstellung von Banalitäten oder irgendwelchen Zaubereien reichten aus, um Kinder glücklich zu machen.

Da ist sicherlich etwas dran, denn immerhin haben es unzählige Kinderbuchhelden zu Merchandise-Erfolgen gebracht. Jedoch tummeln sich dort (zum Beispiel bei den „Prinzessin Lillifee“- und „Ponyfee“-Geschichten) Inkonsistenzen, unschöner Sprachstil und Moralappelle, die mit dem Holzhammer ausgeteilt werden. Kurzum: Viele dieser Geschichten sind einfach plump und machen auch dem kindlichen Rezipienten wenig Spaß. Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem die erfolgreichen Kinderbuchserien getragen werden vom auffälligsten und unangenehmsten Sexismus (siehe „Prinzessin Lillifee“ und „Capt’n Sharky“).

Fluchtversuch zwecklos

Ich kenne die rosafarbenen dieser Geschichten, weil meine Tochter in der Bücherei selbstverständlich auch zu den glitzernden Büchern greift, deren Protagonistinnen immer und überall zu sehen sind. Und weil sie immer wieder von weniger interessierten oder informierten, es gut meinenden Menschen ebensolche Bücher geschenkt bekommt.

Da ich grundsätzlich niemals Bücher zerstören und meiner Tochter Geschenktes nicht entreißen würde, sind diese Geschichten auch in unserer Wohnung zu finden, und – obwohl höchstens einmal gelesen – ich hasse sie.

Erfolgreiche Schatzsuche im Bücherregal

Denn zwischen all den belanglosen und unsere Kinder zu „Weibchen“ und „Männchen“ ohne Hirn degradierenden Kinderbüchern gibt es auch welche, die von guten Schriftstellern verfasst wurden. Bücher, die tatsächlich bilden und Freude bereiten. Die oben erwähnten – nicht ohne Grund bekannten – Autoren Erich Kästner und Astrid Lindgren sind zum Glück nicht die einzigen. Nein, auch heute noch gibt es Schriftsteller, die ihre Begabung Kindern widmen.

Kirsten Boies echte Menschen

Und der hellste Stern am Firmament ist für mich Kirsten Boie. Sie schafft es, sowohl stringente phantastische Geschichten zu erfinden als auch Geschichten aus dem normalen Leben zu schreiben. Bei ihr werden Rollenklischees durchbrochen, sie geht geradezu aufklärerisch an sie heran. Ihre Kinderhelden haben schon mal genervte Eltern, ärgern sich über Schulfreunde und leben nicht in Schlössern, sondern in Hochhäusern und Vorstadtsiedlungen. Boies Chraraktere sind nicht nur liebevoll gezeichnet, sondern vor allem eines: echt. Sie denken, fühlen und handeln wie reale Menschen, es gibt zwischenmenschliche Probleme und Missverständnisse, die nachvollziehbar sind. Hier finden sich Mädchen, die sich unbewusst mit weiblicher Emanzipation auseinandersetzen, gescheiterte Elternbeziehungen und auch finanzielle Probleme.

Prinzessinen sind doof

In der Reihe „Prinzessin Rosenblüte“ zum Beispiel wird Emma zusammen mit einem tollpatschigen Schulkameraden aus der normalen Welt in eine Märchenwelt versetzt, in der sie als Retterin der Prinzessin fungiert. Dabei geht Emma Prinzessin Rosenblüte mit ihrer prinzessinnen-eigenen Naivität und Inaktivität schon bald auf die Nerven. Wer möchte da Prinzessin sein? Auch unseren Töchtern, selbst im 21. Jahrhundert, wird suggeriert, sie müssten hübsch und brav sein. Die sportliche Emma räumt mit dem Klischee auf: Einerseits findet sie das rosa Prinzessinnen-Kleid toll, andererseits durchschaut sie bald die Eindimensionalität des Prinzessinnen-Daseins.

Jenseits der heilen Welt

Die kleine Nella aus „Nella-Propella“ wohnt alleine mit ihrer Mutter, die noch studiert. Ihre Eltern haben sich getrennt, und Nella sieht ihren Vater einmal in der Woche. Nellas Mutter hat immer wieder Probleme, nach dem Kindergarten eine Betreuung für Nella zu organisieren, wenn sie zum Seminar oder zur Sprechstunde beim Professor muss. Dazu kommen finanzielle Sorgen und Nellas Misstrauen gegenüber dem neuen Freund der Mutter. Es ist eine Familie fernab der heilen „Vater-Mutter-Kind-Welt“, die scheinbar nebenher aus der Sicht des Kindes nachgezeichnet wird. Nellas Hauptprobleme sind nämlich ihre Freundschaftsbeziehungen im Kindergarten. Frau Boie zeigt deutlich, dass eine glückliche Kindheit nicht aus perfekten Eltern, dem eigenen Haus und Auto besteht, wie es uns zum Beispiel die „Conni“-Bücher weismachen wollen.

Emanzipierte Kinder im Mittelalter

„Der kleine Ritter Trenk“ ist eigentlich ein Bauernjunge, der seinen Vater und seine Familie vor dem bösen Ritter Wertold retten möchte. Er verlässt heimlich seine Familie und zieht in die Stadt, um dort nach einem Jahr quasi automatisch von der Leibeigenschaft befreit zu werden. Durch Zufall bekommt er die Gelegenheit, die Rolle des ängstlichen Rittersohns Zink als Page bei dessen Onkel anzunehmen. Trenk führt ein Doppelleben, um dem Grundsatz: „Als Bauer geboren, als Bauer gestorben, Bauer ein Leben lang“ zu entgehen. Dabei schlägt er sich recht gut und zieht das Wohlwollen seines falschen Onkels und des Fürsten auf sich. Unterstützt wird er dabei tatkräftig von der Tochter seines „Zieh“-Onkels, die ebenfalls ein Doppelleben führt. Ihrem Vater macht sie vor, sich ausschließlich mit Suppe kochen, Harfe spielen und Sticken zu beschäftigen, während sie in Wahrheit alleine durch den Wald streift und sich selbst zu einer hervorragenden Erbsenschleuder-Schützin ausgebildet hat. Wir sehen zwei Kinder, die gegen festgefügte gesellschaftliche Zwänge aufbegehren und lernen dabei viel über das Mittelalter.

Höchstes Niveau bei Alltagsgeschichten und Fantasy-Abenteuern

Kirsten Boies Geschichten sind nie langweilig. Im Gegenteil, sogar der Alltag gerät hier zum Abenteuer, wenn eben jene Probleme, vor welche die kindlichen Protagonisten gestellt werden, von diesen gelöst werden müssen. Zudem sind ihre Bücher humorvoll und spannend erzählt. Für den erwachsenen Vorleser oder die Vorleserin gibt es immer wieder etwas zu Schmunzeln, wenn er oder sie die Welt durch die Lektüre wieder durch kindliche Augen sehen kann.

Zu guter Letzt ist noch Kirsten Boies angenehmer Schreibstil hervorzuheben. Sie schreibt luzide, mit kindgerechtem aber nicht verblödendem Wortschatz. Frau Boie schreibt nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche; meine Tochter und ich werden uns also noch länger an ihrer Kunst erfreuen können.

Empfehlungen:

Ich mochte bisher alles, was ich von Kirsten Boie vorgelesen habe. Besonders empfehlen möchte ich aber die Reihen:

Juli* (ab ca. 4 Jahre)
Der kleine Ritter Trenk* (ab ca. 6 Jahre)
Prinzessin Rosenblüte* (ab ca. 8 Jahre)

 

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