Harry G. Frankfurt – Bullshit (US-Wahl-Special mit Florian von Durchblick Philosophie)

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Daniel
labert Bullshit
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Florian
verzapft Humbug

Zur US-Wahl widmen sich Florian von „Durchblick Philosophie“ und ich der Analyse von Bullshit

Im Jahr 1986 veröffentlichte Harry Frankfurt erstmals seinen Essay „On Bullshit“ oder einfach nur „Bullshit“ (in der Deutschen Ausgabe). Dort beschreibt er ein Phänomen, das weit verbreitet, aber bislang nur wenig untersucht ist.

Florian von Durchblick Philosophie und ich haben uns anlässlich der US-Wahl und der Beteilligung des großen Bullshitters Donald Trump mit Frankfurts Text beschäftigt. Wir gehen ihn Stück für Stück durch und besprechen ihn anhand zahlreicher Beispiele nicht nur aus der US-Politik.

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Judith Butler – Das Unbehagen der Geschlechter (Lesekreis mit Christiane 17)

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ist identisch mit sich selbst
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Christiane
hat einen Bewusstseinsstrom

Beginn Kapitel 1.5 – Identität, anatomisches Geschlecht und die Metaphysik der Substanz

Christiane und ich beginnen Kapitel 1.5. Heute geht es ganz viel um Identität. Wir fragen uns, was Identität erkenntnistheoretisch ist, was sie logisch ist und ob Dinge im Laufe der Zeit mit sich selbst identisch sind. Mit Butler wenden wir das dann auf Geschlechtsidentität an und verirren uns intelligibel in die drei Paradigmen der Philosophie.

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Alphabetische Kultur und griechisches Denken

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Daniel
denkt mythisch und logisch

Wie die Schrift die Welt veränderte – Teil 5

Heute geht es um das griechische Alphabet, wie es sich ausbreitete und welche Konsequenzen es hatte. Ich stelle Jack Goody und Ian Watts These vor, dass die Alphabetschrift für den Übergang vom Mythos zum Logos verantwortlich war. Mit Wittgensteins Hilfe zeige ich, wie die Idee einer vom Sprechenden losgelösten Bedeutung durch die Schrift entstanden ist.

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Aristoteles – Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten und das logische Quadrat

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Daniel
schließt das Dritte aus

Aristoteles – Der Logiker – Folge 7

Heute geht es um Logik – I f*cking love logic! Ich lege den Satz vom ausgeschlossenen Dritten dar und was er bedeutet. Anschließend quadrieren wir die Logik indem ich mit euch im Detail Kontradiktionen, konträre Gegenteile und den ganzen Kladderadatsch durchgehe. Wie gewohnt habt ihr die Wahl zwischen Video, Podcast oder Text.

Wie kann ein Quadrat logisch sein?

So langsam nähern wir uns der Logik von Aristoteles. Und das machen wir über das sogenannte logische Quadrat. Logisches Quadrat? Das klingt für mich ein bisschen wie ein Spiel in Squid Game. Allerdings steht der Name „logisches Quadrat“ für mehrere logisch-semantische Beziehungen und der Name stammt gar nicht von Aristoteles. Wer genau erstmals auf die quadratische Darstellung kam, ist unklar. Die älteste uns bekannte Erwähnung stammt von Apuleius von Madauros aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, also gut 400 Jahre nach Aris Tod.

Aber bevor ich länger kryptisch von irgendwelchen Quadraten und wer sie erfunden hat spreche, als wäre ich in einem Tarantino-Film, sollte ich erst einmal klarmachen, worum es wirklich geht. Aristoteles beschreibt  in der De Interpretatione zwei semantische Beziehungen, die wir dringend brauchen, bevor wir anfangen können, logische Schlüsse zu fällen: konträr und kontradiktorisch.

Nein, ich merke gerade, ich war zu voreilig – ganz wie die BBC, als sie bereits 2016 die 100 besten Filme des 21. Jahrhunderts kürte. Hmmm. Daher muss ich noch einen Schritt zurückgehen. Denn bevor wir uns mit Kontradiktionen und konträren Gegenteilen beschäftigen, müssen wir mit den beiden grundlegendsten Begriffen der Logik anfangen: Ich spreche von den kleinen Begriffen „wahr“ und „falsch“.

Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten

Ari formuliert in De Interpretatione einen der wichtigsten Sätze der Logik überhaupt. Wichtiger noch als „Aus großer Macht folgt große Verantwortung“ oder „Möge die Macht mit dir sein“: Den Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Demnach kann etwas nur wahr oder falsch sein. Aber nichts dazwischen und nicht beides.

Wenn ihr euch für Politik interessiert, euch schon mal mit euren Eltern gestritten habt oder von irgendjemanden den Satz gehört habt: „Man muss Butter unter Nutella schmieren“, dann habt ihr eben bestimmt zischend die Luft zwischen den Zähnen eingesogen und ich werde gleich weiter auf Probleme und Einschränkungen des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten eingehen. Aber folgen wir zunächst einmal Aristoteles, bevor wir anfangen ihn zu kritisieren und schauen was er macht. Denn der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist keine ganz dumme Idee.

In der formalen Logik können wir das durch eine einfache Formalisierung verdeutlichen. Nehmen wir dafür den Satz: „Ein Film der sowohl lustige als auch traurige Anteile hat, ist eine Dramödie“. Diesen Satz formalisieren wir mit der Variable P. Es gibt jetzt nur P oder -P, aber nichts anderes. Es kann kein halbes Minus vor P geben. Gut, in diesem Fall gibt es sogar nur -P und alles andere ist falsch, liebe Kulturpessimist*innen.

Bevor jetzt der eine Logik-Nerd da hinten rechts aufschreit, dass meine Erklärung verkürzt war, hier einmal die richtige formallogische Notation für den Satz vom ausgeschlossenen Dritten:

¬(P∧¬P)

So, jetzt habt ihr das einmal gesehen/gehört und wir können mit dem wichtigen Kram weitermachen!

Einschränkungen des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten

Wichtig sind jetzt schon die Einschränkungen. Wenn du den Satzes vom ausgeschlossen Dritten verstehen willst, musst du wissen, dass Aristoteles von der Satzebene ausgeht. In meiner Formalisierung eben stand P genau für einen Satz. Nicht für mehr und nicht für weniger. Wir sahen bereits in der Folge über die Kategorien, dass es eine wichtige Erkenntnis von Ari war, festzustellen, dass wahr oder falsch nicht einzelne Worte sind, sondern Sätze.

Er schränkt das aber sogar noch weiter ein, denn nicht alle Sätze kommen in Frage, wenn wir sie auf Wahrheit hin prüfen. Genau wie nicht alle Twitter*innen lustig sind. Ja, Ulf, ich meine dich! Deine Tweets sind nicht lustig! Wahr oder falsch können nur faktische, konstatierende Sätzen sein. Zudem müssen wir noch Ceteris paribus beachten. Okay, okay, das hier wird jetzt eine Orgie von Technobabble – ganz als würden Data und Geordi miteinander Smalltalken. Ich mache euch wieder an Beispielen deutlich, was ich meine:

„Auf YouTube gibt es Videos zu Philosophie“. Dieser Satz ist wahr oder falsch, aber nichts drittes. Rosenkohl ist lecker – wahr oder falsch. Nichts drittes. Na gut, manche von euch schreien jetzt vielleicht als hätte Edvard Munch euch gemalt, dass Rosenkohl auch ein bisschen lecker sein kann. Denn hier beim letzten Satz hat sich schon wieder eine Wertung eingeschlichen, es ist kein faktischer Satz. Lasst mich daher mit einem ganz berühmten Beispiel von G. E. Moore, das ihr auch bei Wittgenstein wiederfindet, aufzeigen, welche Art von Sätzen wir auf Wahrheit prüfen können.

Wenn wir einen Satz betrachten, der eine Tatsache über die Welt aussagt, dann ist dieser wahr oder falsch und nichts dazwischen. „Hier ist eine Hand.“ kann wahr oder falsch sein. Aber es kann hier nicht nur ein bisschen eine Hand sein und ein bisschen nicht. „Hier ist eine Hand“ ist ein konstatierender Satz, denn er macht eine Aussage über die Welt. Er stellt etwas fest. Würde unser Satz lauten „Ist hier eine Hand?“, dann könnten wir ihn nicht auf Wahrheit prüfen. Klar, oder?

Erst als ich jetzt die Stelle in De Interpretatione las, in der sich Ari fragt, welche Art von Sätzen wahr oder falsch sein können, fiel es mir wie Gurkenscheiben von den Augen in den Gin, dass John L. Austin sich auf diese Stelle in seiner Theorie der Sprechakte bezieht.

Austin schreibt am Anfang der Theorie der Sprechakte, dass die Performativa (wie er sie nennt), also Sprechakte, mit denen man Handlungen vollzieht, wie Fragen, Bitten und so, zwar schon anderen aufgefallen sind, ihnen aber nicht die angemessene Beachtung geschenkt wurde. Ich zitiere:

„Die Erscheinung, um die es geht, ist sehr weit verbreitet und liegt offen zutage; hier und da müssen sie andere bemerkt haben. Aber ich habe noch niemanden gefunden, der sich richtig darum gekümmert hätte.“

John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte*

Das bezieht sich, wenn man Austins subtilen Humor kennt, klar auf Aristoteles, der in De Interpretatione schreibt, dass beispielsweise Bitten keinen Wahrheitswert haben, das jetzt aber nichts zur Sache tue, er sich nicht darum kümmern werde und sich stattdessen nur auf Aussagen konzentrieren werde. Halten wir also fest: Wahr oder falsch sein, können also nur Aussagesätze oder Konstativa, wie Austin sie nennt. Sätze, die eine Tatsache konstatieren.

Ferner können (mehr oder weniger) nur faktische Sätze wahr oder falsch sein. Ein faktischer Satz sagt aus, dass etwas ist. Würden wir nur die Möglichkeit formulieren: „Hier könnte eine Hand sein.“, würde es mit der Wahrheitsprüfung schon schwieriger werden. Nicht unmöglich, aber komplizierter.

Zu guter Letzt müssen wir auch noch dieses komische Ceteris paribus beachten. Ceteris paribus klingt wie ein Zauberspruch bei Harry Potter, ist aber überraschenderweise Latein und bedeutet „unter sonst gleichen Bedingungen“. Es darf also keine Faktoren geben, die unmöglich machen „Hier ist eine Hand“ auf Wahrheit zu prüfen. Wenn ich beispielsweise das Licht ausschalte und dann sage „Hier ist eine Hand“, lässt sich nicht prüfen, ob der Satz wahr oder falsch ist.

Funfact: diesen kleinen logischen Zauberspruch habe ich auch erst vor kurzem gelernt zu benennen, als meine Haus- und Hof-Psychologin ihrer Disziplin untreu wurde, als wäre die Psychologie Mr. Chow und mir Searles Versuch vortrug, aus einem Sein auf ein Sollen zu schließen. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist jedenfalls eine der wichtigsten und grundlegendsten Wahrheiten, die wir kennen. Habermas spricht ein paar Jahrtausende später vom zwanglosen Zwang des besseren Arguments, das Vernunft und kommunikatives Handeln überhaupt erst ermöglicht. Wenn wir nicht akzeptieren, dass Sätze entweder wahr oder falsch sind, dann verliert das bessere Argument seinen zwanglosen Zwang. Konzepte wie Fakenews, „Alternative Facts“ und Verschwörungsmythen versuchen den Satz vom ausgeschlossenen Dritten aufzuweichen, indem sie behaupten, es gäbe nicht bloß bei Wert- und Geschmacksurteilen mehr als eine wahre Meinung, sondern auch bei Fakten. Aber das ist, wie wir bei Aristoteles lernen, falsch.

Werturteile und Geschmacksurteile

Unsicher erscheint uns der Satz vom ausgeschlossenen Dritten nämlich nur dann, wenn wir  Wert- oder Geschmacksurteile äußern. „Bibi und Tina ist eine schlechte Fernsehsendung“ ist fraglos wahr, aber irgendwie nicht auf die gleiche Weise wie „Hier ist eine Hand“. Der Grund dafür ist, dass dieser Satz extrem voraussetzungsreich ist. Extrem viele andere Sätze muss ich als gegeben annehmen, um diesen einen Satz auf seine Wahrheit hin zu prüfen. Zum Beispiel: Es gibt objektiv ästhetisch Gutes. Oder: Die unkritische Darstellung von Klassenunterschieden als unhinterfragte Normalität ist schlecht. Es ist eben kompliziert.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es höherwertige Logiken gibt, in denen der Satz vom ausgeschlossenen Dritten vertrackter wird als Aristoteles sich das dachte. Die Fuzzy Logic zum Beispiel beschäftigt sich mit Problemen wie diesem: An Straßen finden sich oft Schilder, die aussagen: Bei Nässe darf nur 80 km/h gefahren werden. Die Frage hier ist: Wie nass muss die  Straße sein, damit die Regel gilt? Gilt sie schon, wenn nur ein einziger Tropfen auf den Asphalt fällt? Wann ist eine Straße eigentlich nass? Die Fuzzy Logic löst diese Art von Problemen so, dass sie nicht nur die Wahrheitswerte 1 = wahr und 0 = falsch annimmt, sondern mit graduellen Abstufungen arbeitet. Dann kann eine Straße eben zu 0,7 nass sein. Aber das ist auch eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Die Existenzbedingung

Kehren wir zu Ari zurück, denn der macht eine weitere wichtige Regel auf: Um zu beurteilen, ob ein Satz wahr oder falsch ist, muss das Subjekt existieren. „Sören Eddie Johanna von und zu Bibiundtinaingen ist 1,80 Meter groß.“ lässt sich nur auf Wahrheit hin prüfen, wenn ein Ding namens Sören Eddie Johanna von und zu Bibiundtinaingen existiert. Erneut lässt sich das formalisieren (was Ari allerdings noch nicht macht):

Es existiert ein x

Für x gilt: Es ist Sören Eddie Johanna von und zu Bibiundtinaingen und es ist 1,80m groß

∃x

x (Sören Eddie Johanna von und zu Bibiundtinaingen) ∧ (1,80m groß)

Das stellt uns natürlich vor das Problem, ob wir sagen können, dass der Satz „Einhörner haben genau ein Horn“ wahr ist. Er scheint wahr zu sein, aber nach Ari lässt er sich nicht auf Wahrheit hin prüfen, da Einhörner nicht existieren. Ja, ich weiß, das ist ein Schock. Aber irgendjemand musste es mal sagen. Dass ich Einhörnern Eigenschaften zuschreiben kann, diese aber logisch nicht auf Wahrheit prüfen, sollte sehr viel später Willard Van Orman Quine viele Kopfschmerzen bereiten. Da soll noch einmal jemand sagen, Philosophie habe keinen praktischen Nutzen! Eine von Robert Brandom inspirierte Auflösung könnte übrigens sein, dass sich die Wahrheit von „Einhörner haben genau ein Horn“ aus unserem Sprachgebrauch ergibt, indem wir uns nicht auf ein Ding in der Welt beziehen, sondern auf das, was wir aus Literatur gelernt haben. Aber das ist jetzt wirklich eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Die Kontradiktion

Unser nächster Abschnitt führt uns nun endlich zum angekündigten logischen Quadrat: Ari stellt fest, dass alles, was sich bejahen lässt auch verneinen lässt. Es gibt also zu jeder Aussage genau eine Negation dieser Aussage. Das folgt aus dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Ich kann jeden Satz durch „nicht“ in seine Negation umwandeln:

„Es macht mehr Mühe eine Knoblauchpresse zu reinigen, als es Mühe macht, den Knoblauch gleich mit einem Messer zu hacken“. Lässt sich in „Es macht nicht mehr Mühe eine Knoblauchpresse zu reinigen, als es Mühe macht, den Knoblauch gleich mit einem Messer zu hacken“ umwandeln.

Die Aussage und ihre Negation schließen sich gegenseitig aus. Marlene Dietrich war entweder die Hauptdarstellerin in ‚Der Blaue Engel‘ oder sie war es nicht. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. Wir sagen dazu: Die Negation einer Aussage ist ihre Kontradiktion. Nachdem wir nun „kontradiktorisch“ abgehakt haben, können wir uns „konträr“ widmen.

Das konträre Gegenteil

Denn die Kontradiktion scheint zu implizieren, dass es keine zwei verschiedenen Negationen zu einer Aussage geben kann. Klar, oder? Aber was ist mit: „Alle Menschen in Filmen sind Schauspieler*innen“. Diesen Satz kann ich doch auf zwei Arten verneinen: „Nicht alle Menschen in Filmen sind Schauspieler*innen“ und „Kein Mensch ins Filmen ist Schauspieler*in“. Da nenn mich einer 1 Pimmel! Haben wir etwa gerade den Satz vom ausgeschlossenen Dritten widerlegt?

Aristoteles sagt dazu, dass wir unterscheiden müssen zwischen Aussagen über Individuen, etwa Marlene Dietrich im Beispiel eben, und allgemeinen Aussagen. Etwa: Alle Schauspielerinnen. Später wurde diese Unterscheidung in der Logik noch weiter präzisiert. Demnach gibt es Existenzaussagen oder auch Partikularaussagen.

Es gibt ein X, dieses X ist Marlene Dietrich und dieses X ist die Schauspielerin in „Der blaue Engel. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Allaussagen: Für alle x gilt, wenn sie in Filmen mitspielen, dann sind sie Schauspieler*innen.

Und beim letzten Fall können wir einerseits die Allaussage negieren. Also sagen, dass das Prädikat zwar ganz knorke ist, aber eben nicht auf alle X zutrifft, so wie das Metaverse möglicherweise eine gute Idee ist, aber äh … Nein, sorry, mir fällt kein Fall ein, indem Marcs  – Oh, hi Marc – Metaverse eine Gute Idee ist …

Hingegen können wir durchaus zu dem Schluss kommen, dass nicht alle X in Filmen Schauspieler*innen sind. Andererseits können wir aber auch sagen, „wenn X in Filmen mitspielen, dann sind sie keine Schauspieler*innen.  In diesem Fall sprechen wir noch immer über alle X, sagen aber diesmal, dass das Prädikat diesen X niemals nicht zugesprochen werden kann. Aristoteles nennt diesen letzten Fall das konträre Gegenteil.

Eine kleine Nebenbemerkung noch an dieser Stelle, um noch einmal die Metaphysik anzuteasern … Denn hier steckt noch ein weiterer Unterschied drin, der uns dann in der Metaphysik noch viele Schwierigkeiten machen wird: „Marlene Dietrich“ gehört zur Kategorie der Substanzen und sie ist ein Individuum. „Schauspielerin“ gehört ebenfalls zur Kategorie der Substanzen, aber es ist ein Gattungsbegriff in Aris Terminologie. Der Begriff bezeichnet also eine Gruppe von Individuen. Behaltet diese Unterscheidung schon einmal im Hinterkopf, denn sie wird noch sehr wichtig werden.

Halten wir für die Logik fest: Allaussagen oder allgemeine Aussagen in der Terminologie Aristoteles‘ haben sowohl ein konträres Gegenteil. Das konträre Gegenteil von „Mark Forster macht immer gute Musik“ – was offensichtlich falsch ist – ist: „Mark Forster macht nie gute Musik“

Diese Sätze haben aber auch eine Kontradiktion: Mark Forster macht nicht immer aber manchmal gute Musik. Nein, dieses Beispiel ist selbst den Philosoph*innen zu unrealistisch. Nehmen wir lieber:

Alle Menschen in Filmen sind Schauspieler*innen.

Und

Nicht alle Menschen in Filmen sind Schauspieler*innen.

Ein wichtiger Unterschied zwischen einer kontradiktorischen Beziehung und einer konträren ist, dass bei der Kontradiktion immer genau ein Satz wahr und ein Satz falsch sein muss. Während bei konträren Aussagen zwar nicht beide Sätze wahr sein können, wohl aber beide falsch. Um euch mit einem Standard-Beispiel der Philosophie zu quälen: Sowohl „Alle Schwäne sind weiß“, als auch „Kein Schwan ist weiß“ sind falsch, denn wahr ist „Einige Schwäne sind weiß“. Es müssen aber auch nicht beide Sätze falsch sein, wie das Mark-Forster-Beispiel gezeigt hast.

Allaussagen und Partikularaussagen

Schauen wir, was es noch für logische Relationen in diesem Quadrat gibt: Die Kontradiktion einer Allaussage ist immer die Negation einer Partikularaussage. Denn wenn es nur einen Menschen in Filmen gibt, der nicht Schauspieler ist, dann kann die Allaussage nicht wahr sein. Entsprechend ist die Kontradiktion zu:

Kein Mensch in Filmen ist Schauspieler*in.

(Mindestens) Ein Mensch in Filmen ist Schauspieler*in.

Denn ein einziger Mensch reicht, damit die Aussage nicht wahr sein kann. Wie sieht es aus mit einer Partikularaussage und ihrer Negation? Da wir schon gelernt haben, dass es genau eine Kontradiktion gibt, können die beiden sich nicht ausschließen. Die Negation der Allaussage ist ja bereits die Kontradiktion der Partikularaussagen. Und genauso ist es auch! Beide sind wahr:

Einige Menschen sind  Schauspieler*in.

Einige Menschen sind nicht  Schauspieler*in.

Die beiden Sätze sind kein Widerspruch, sie können sich ja auf verschiedene Menschen beziehen. Man nennt dieses Verhältnis auch subkonträr.

Hier sehen wir übrigens wieder diesen Unterschied bei den Substanzen, den ich nicht aufhöre, anzuteasern. Denn „Mensch“ war ja eine Substanz genau wie „Marlene Dietrich“. Aber Wir können nicht sagen, dass auch diese beiden Sätze wahr sind:

Marlene Dietrich ist Schauspielerin.

Marlene Dietrich ist nicht Schauspielerin.

Es scheint also innerhalb von Substanzen einen großen Unterschied zu geben. So groß, dass wir uns fragen müssen, ob wirklich beide Kategorien der gleichen Art sin. Ich denke, wir sind hier etwas Großem auf der Spur … Grund genug also, um diese Spur fallen zu lassen und stattdessen zur Logik zurückzukehren. Und ich weiß, dass wird langsam so ermüdend wie ein Film von Terrence Malick. Aber Systematik war eben Aris ganz persönlicher Kink und Logik ohne Systematik ist Schmutz, also lasst es uns nach Hause bringen.

Das logische Quadrat

Das Ganze lässt sich jetzt in unser Quadrat packen, wie ich bereits in der Einleitung anteaserte, falls ihr euch noch daran erinnern könnt.  Meine Folgen haben bald so viele Teaser wie der Abspann eines Marvel-Films. Falls ihr euch nicht mehr an das logische Quadrat erinnern könnt, kann ich es euch nicht verübeln, denn mir raucht auch der Kopf. Aber bleibt noch kurz dran, dann haben wir es geschafft: Wir haben Allaussagen und Partikularaussagen. Diese können wir bejahen oder verneinen.

A sind unsere Allaussagen

I sind Partikularaussagen

E sind die Negation der Allaussagen

Und O die Negation der Partikularaussagen
Das logische Quadrat

Konträr sind Allaussagen A und ihre Negation E:

Alle Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Kein*e Tiktoker*in ist laut und aufgekratzt.

Kontradiktorisch verhalten sich Allaussagen A und die Negation von Partikularaussagen O:

 Alle Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Einige Tiktoker*innen sind nicht laut und aufgekratzt.

Sowie die Negation der Allaussagen E und die Partikularaussagen I:

Kein*e Tiktoker*in ist laut und aufgekratzt.

Einige Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Subkonträr sind Partikularaussagen I und ihre Negation O:

Einige Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Einige Tiktoker*innen sind nicht laut und aufgekratzt.

Schließlich gibt es noch das Verhältnis Subaltern (das ich bislang noch unerwähnt ließ). Das bedeutet, dass ein Satz einen anderen impliziert. Das also ein Satz schon in einem anderen steckt:

Alle Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Einige Tiktoker*innen sind laut und aufgekratzt.

Wenn die Allaussage wahr ist, dann ist notwendig auch die Partikularaussage wahr. Genauso verhält es sich mit der Negation:

Kein*e Tiktoker*in ist laut und aufgekratzt.

Einige Tiktoker*innen sind nicht laut und aufgekratzt.

Beide sind wahr. Alter! Was für ein Hazzle. Ich wünschte ich könnte sagen, das war es jetzt mit dem Stress. Allein: This is just the beginning. Wir stehen erst ganz am Anfang der Logik! Doch damit machen wir beim nächsten Mal weiter. Jetzt haben wir uns erstmal ein Bier verdient! Das ist mal wieder so eine Folge bei der ich mich wundere, ob Leute bis zum Ende aufgepasst haben. Philosophie ist eben nicht immer fluffig und leicht, sondern kann auch anstrengend sein. Wenn ihr es also bis hier hin geschafft habt, dann postet doch mal ohne weitere Erklärung „Marlene Dietrich ist Tiktokerin“ in die Kommentare, damit wir die Crowd da draußen verwirren können …

Ich in den sozialen Medien

Philosophie-Videos

Zur weiteren Recherche über Aristoteles

Aristoteles – Die Kategorien *
Aristoteles – De Interpretatione *
Bertrand Russell – Die Philosophie des Abendlandes *
Christof Rapp – Aristoteles *
Otfried Höffe – Aristoteles: Die Hauptwerke *
Eduard Zeller – Die Philosophie der Griechen: Zweiter Teil: Sokrates, Plato, Aristoteles *
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Aristoteles – Semantik & De Interpretatione

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Daniel
denkt über Bedeutungen nach

Aristoteles – Der Logiker – Folge 6

Heute gehe ich von den Kategorien zu De Interpretatione über – der Lehre vom Satz. Zunächst frage ich mich zusammen mit Aristoteles dabei die Kernfrage der Semantik: Wie kommt Bedeutung zustande. Im Anschluss löse ich mit Ari noch mehrere sehr spannende semantische Rätsel oder verzweifle an ihnen.

Was ist Artikulation?

Was war Semantik noch gleich?  Semantik ist die Theorie über die Bedeutung sprachlicher Zeichen. Die Frage, was Bedeutung überhaupt ist und wie sie zustande kommt. Und diese Frage beantwortet Aristoteles in De Interpretatione. Kleine Einschub am Rande: Ich springe heute immer wieder zwischen De Interpretatione und den Kategorie hin und her und mache das nicht immer explizit. Aber da beide Bücher zusammen nur auf ca. 70 Seiten kommen, snackt einfach beide an einem verregneten Sonntag weg.

Ari sagt jedenfalls, dass Wörter aufgrund von Konventionen ihre Bedeutung erhalten und Bedeutung nicht natürlich entstehe, wie Platon das noch glaubte. Erneute, schamlose Werbung: Schaut/Hört noch einmal meine Folge zu Platons Sprachphilosophie! Aristoteles Argument jedenfalls dafür, dass Bedeutung konventionell ist, lautet: Auch Tiere können artikulierte Laute von sich geben, diese haben aber keine Bedeutung. An dieser Stelle muss ich bereits ein erstes Mal widersprechen als wäre ich ein Faktenchecker, der über jeden zweiten Satz von Armin Laschet verzweifelt. Denn Hadumod Bußmann definiert in ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft Artikulation als:

„Zur Bildung von Sprachlauten intentional gesteuerte und koordinierte Bewegung der Sprechwerkzeuge Atemapparat, Kehlkopf, Nasenhöhle und Mundhöhle.“

Tiere sind in der Lage, Töne in Lautstärke und Tonhöhe zu modulieren und zu takten. Aber sie sind gerade nicht der Artikulation fähig, denn die ist der Prozess der Sprachlautbildung. Jemand die oder der in der Lage ist, Knöpfe auf einem Controller zu drücken, ist ja deshalb auch noch nicht in der Lage, Minecraft zu spielen. Es muss hinzukommen, diese Knöpfe auf ganz bestimmte Art und Weise zum Zwecke des Minecraftspielens zu drücken.

Meine Freundin kritisierte, dass meine Definition von Artikulation zu eng gefasst sei. In einem Lexikon der Sprachwissenschaft sei natürlich eine sehr spezifische Auffassung von Artikulation zu finden. Okay. Point taken. Die Wikipedia unterscheidet drei Unterbedeutungen von Artikulation: die Sprachwissenschaftliche (die der von mir wiedergegebenen weitgehend entspricht), die Zahnmedizinische (die ich mal weglassen, denn wer hat schon Bock, sich mit Zahnärztinnen auseinanderzusetzen? Und die musikalische. Schauen wir uns die musikalische Definition mal an:

Unter Artikulation in der Musik wird erstens die Art verstanden, wie ein einzelner Ton stimmlich oder instrumental erzeugt oder gebildet wird; zweitens wie aufeinander folgende Töne miteinander verbunden werden.  … Die zahlreichen Arten, Töne zu verbinden sind ein Gestaltungsmittel zur Charakterisierung der Melodiebewegung.

Auch hier steckt wieder der Aspekt der  Zweckbindung drin. Der Ton wird auf besondere Art angeschlagen, um ihn genauso klingen zu lassen, wie man möchte und Töne werden kombiniert, um meine Melodiebewegung zu charakterisieren

Entsprechend weise ich den Einspruch ab, Frau Anwältin der normalen Sprache!

Das Frege-Prinzip der Bedeutung

Aber schauen wir mal weiter, was Aristoteles schreibt. Ari macht klar, dass Worte immer nur als Ganzes eine bestimmte Bedeutung haben. Wenn wir uns etwa „Hundekuchen“ ansehen, dann hat das Gesamtwort eine andere Bedeutung als es die beiden Teile „Hunde“ und „Kuchen“ haben. Denn beim „Erdbeerkuchen“ sind Erdbeeren im Kuchen, aber beim Hundekuchen keine Hunde.

Was Aristoteles hier beschreibt, ist ein erster Ansatz dessen, was später das Frege-Prinzip der Bedeutung oder auch das Kompositionsprinzip genannt werden wird. Der Name Frege-Prinzip kommt daher, dass der analytische Philosoph und Logiker, dessen Eltern ihn leider besoffen taufen ließen, Gottlob Frege dieses Prinzip ausformuliert hat. Demnach ergibt sich die Bedeutung eines Wortes erst aus dem Kontext der höheren semantischen Einheit. Bei Aristoteles‘ Beispiel ergibt sich die Bedeutung „Für Hunde gemacht“ aus dem Kompositum Hundekuchen. Man könnte aber sogar noch einen Schritt weiter gehen. Denn wenn aus dem Satz oder einem noch größeren semantischen Kontext klar würde, dass wir uns in Ostasien befinden. Dann könnte die Bedeutung von „Hundekuchen“ sich erneut für uns wandeln. Aber da mir Kuchen mit Hunden, Kühen oder Schweinen drin als Vegetarier zu unappetitlich sind, schaue ich doch lieber mal, was Ari sonst noch so schreibt.

Bedeutung als Eindruck der Seele

Nach Aristoteles sind die Äußerungen der Stimme Symbole für Eindrücke der Seele. Das Geschriebene wiederum ist ein Symbol für das Gesprochene. Das sind zwei Sätze, die die Sprachphilosophie noch Jahrtausende lang ganz kirre machen werden! Was die Eindrücke der Seele sind und ob sie wirklich der Grund für sprachliche Bedeutung sind, ist ein wesentliches Beschäftigungsfeld dieser philosophischen Disziplin. Nicht weniger spannend für Sprachphilosophie und Linguistik ist die Frage, in welchem Verhältnis gesprochene Sprache und Schrift stehen. Spoiler: So einfach, wie Aristoteles sich das vorstellt, ist es nicht. Denn es gibt zum Beispiel logographische Sprachen, die ohne den Umweg über die gesprochene Sprache direkt Bedeutungen abbilden.

Zumindest trägt Aristoteles der Tatsache Rechnung, dass es verschiedene Sprachen und Schriftsysteme gibt, indem er schreibt: Während Schriften und Sprachen sich unterscheiden können, sind die Seeleneindrücke bei allen Menschen gleich. Die Dinge, von denen sie Eindrücke sind, sind ebenfalls gleich. Puh, das ist ein Satz, der mit über 2300 Jahren Abstand ohne Schnaps nur schwer ernstzunehmen ist… Ari sagt, dass die seelischen Eindrücke den Dingen ähnlich sind. Das scheint ein Konzept von inneren Bildern zu sein, Auch wenn Nelson Goodman wegen dieser Ähnlichkeit und Gilbert Ryle wegen der Metapher vom Bild im Kopf gerade in ihren Gräbern rotieren. Was Aristoteles hier macht, ist eine klassische metaphysische Unterstellungen. Ari nimmt diese Seeleneindrücke einfach an und spekuliert wild über sie, aber wirklich begründen tut er das nicht.

Wir müssen uns nur eine Frage stellen, um das ganze so leicht zu Fall zu bringen, als wäre es ein Todesstern des Imperiums: Was ist mit Worten, die nichts Wahrnehmbares bezeichnen? Welchen Seeleneindruck haben die? Wie sieht der Seeleneindruck von „Demokratie“, von „Philosophie“ oder von „Liebe“ aus? Obendrein trampelt Ari einmal über die Qualia-Debatte, als wäre diese Rebel-Scum und der Philosoph ein AT-AT. Woher will er wissen, dass mein Seeleneindruck und deiner gleich sind?

Hier landen wir am Grunde wieder bei Wittgensteins Privatsprachen-Argument. Schaut/Hört euch am besten noch einmal meine Folge dazu an. Aber in Kürze so viel: Wittgenstein entwirft das Bild vom Käfer in der Schachtel. Stell dir vor, deine Seeleneindrücke sind ein Käfer in einer Schachtel. Wesentlich für diesen Käfer ist, dass jede*r nur in ihre*seine Schachtel gucken kann und nur von iher*seiner Schachtel weiß, was ein Käfer ist. Wittgenstein plädiert nun dafür, diesen vertrackten Knoten so zu lösen, dass wir den Käfer einfach aus der Gleichung streichen und andere Erklärungen dafür finden, wie Bedeutung zustande kommt. Denn egal, wie dein oder mein Käfer aussehen. Fakt ist: das Wort „Käfer“ hat eine Bedeutung in unserer Sprache. Aber es sollte noch über 2000 Jahre dauern, bevor Wittgenstein überhaupt geboren wurde, daher kehren wir in die Antike zurück, als wären wir mit Bill und Ted in einer Telefonzelle unterwegs.

Etwas über etwas aussagen und in etwas sein

Aristoteles fährt in der Kategorienschrift mit einer ganzen Reihe Nebenüberlegungen fort. Mir gelingt es nicht, die in eine stringente Erzählung zu packen, aber sie sind auch zu spannend, um sie hier einfach wegzulassen. Daher zähle ich ein paar von ihnen einfach mal auf:

Die nächste wichtige semantische Unterscheidung, die Ari trifft, ist, das es Dinge gibt, die man über ein Subjekt aussagen kann und solche, die sich in dem Subjekt befinden. Ich kann über Frodo sagen, dass er ein Hobbit ist, aber der Hobbit ist nicht in Frodo drin. Mut oder ein gutes Herz wiederum sind in Frodo.

Ari macht das nicht explizit, aber wenn ich mein Beispiel betrachte, dann fällt auf, dass „Hobbit“ eine Substanz ist. Während „Mut“ und „ein gutes Herz“ Qualitäten sind. Die Frage, die sich mir stellt: Sind generell nur Qualitäten in einem Menschen? Beziehungsweise können sie in etwas sein? Denn nicht jede Qualität ist in etwas. Wenn ich rot bin, dann ist die Röte ja nicht in mir, oder? Andererseits ist es ja eine Metapher, dass der Mut in mir ist. Denn zeigen wird sich der Mut erst in meinen Taten. Hmm …

Meine Haus- und Hof-Psychologin hat an dieser Stelle interveniert und sich dagegen ausgesprochen, das In-Mir-Drin-Sein als bloße Metapher abzutun. Denn Mut ist zwar nicht als irgendein Ding in mir drin, aber er ist eine Charaktereigenschaft. Als solche ist der Mut ein relativ stabiles Merkmal, dass sich über einen langen Zeitraum des Lebens in meinen Handlungen zeigen wird. Es ist Teil meiner Persönlichkeit, macht mich aus und ist auch in meinem Gehirn verankert.

Ari will aber auf einen anderen Punkt hinaus. Er betont gerade, dass Substanzen nicht in einem Ding drin sind. Aber von einem Ding ausgesagt werden können. Über mich lässt sich aussagen, dass ich ein Mensch bin. Hoffe ich zumindest …. Aber der Mensch ist nicht in mir drin. Das wird uns in Zukunft noch im Rahmen seiner Metaphysik beschäftigen. Vermute ich … Denn um uns noch komplett zu verwirren, sagt Ari, dass nicht nur Substanzen nicht in den Dingen sind, sondern über sie ausgesagt werden können. Das gelte auch für andere Arten von Prädikaten. Puh, ich weiß wirklich nicht, was ich damit anfangen soll, ich glaube das sind Probleme, die dadurch entstehen, dass die Sprache feiert, um Wittgenstein noch einmal heraufzubeschwören. Und um auch noch den großen Philosophen Herrn Lehman zu zitieren: Das bringt jetzt hier alles nichts.

Okay, wie schon gesagt, mit diesen beschäftigen wir uns intensiver, wenn wir von der Logik zur Metaphysik wechseln. Wie ich schon beim letzten Mal sagte, entstehen hier nämlich Probleme daraus, dass Ari nicht klar zwischen Sprache und Welt unterscheidet. Aber lasst uns schon einmal im Kopf behalten, dass Substanzen wichtig sind. Die anderen Kategorien scheinen überhaupt nur in Abhängigkeit von Substanzen ihre Bedeutung zu erhalten.

Wesen und Akzidenz

Eng damit zusammen hängt die nächste wichtige Unterscheidung, die Aristoteles in den Kategorien fällt, ist die zwischen Wesen und Akzidenz. Es gibt Prädikate, die einem Subjekt wesentliche Eigenschaften zusprechen, die aussagen, was es ausmacht, ein bestimmtes Subjekt zu sein. Hamilton ist ein Musical, weil darin gesungen und getanzt wird und es für Musicals wesentlich ist, dass darin gesungen und getanzt wird. Wenn in einem Film oder Bühnenstückt weder Gesang noch Tanz vorkommen, dann kann es kein Musical sein.

Demgegenüber gibt es auch bloß akzidentielle Prädikate. „Daniel sitzt hier im Schlafanzug und tippt diese Worte in sein Handy“ etwa. Die drei hier drin steckenden Prädikate ’sitzend‘, ‚im Schlafanzug‘, ‚Worte ins Handy tippend‘ machen sicher nicht das Wesen von Daniel aus. Gut, es gibt Menschen, die behaupten, dass etwas ins Handy zu tippen wesentlich für mich ist. Aber ich weiß nicht, wie sie darauf kommen!

Die Entdeckung der Relation

Nicht unerwähnt lassen, möchte ich ferner, dass Aristoteles die Relation entdeckt. Bei Platon hatte ich mich ja das eine oder andere Mal aufgeregt, dass er immer nur von absoluten Begriffen spricht. Etwa von der absoluten Größe, was absolut keinen Sinn macht, da etwas immer nur auf etwas anderes groß ist. Ari kritisiert seinen Lehrer hier ebenfalls und macht das schön anhand des Begriffs „voll“ klar. Wenn bei mir in der Wohnung 20 Leute wären würde ich sagen: Oh, Boy, das ist aber voll! Wenn nun die gleichen 20 Leute in einem Theatersaal säßen würden wir diesen hingegen als leer bezeichnen, obwohl sich die absolute Zahl der Menschen ja nicht geändert hat. Voll ist eben ein relativer Begriff und seine Bedeutung ergibt sich erst daraus, dass man angibt, in Bezug auf was etwas voll ist … Gut, Ari schießt dann seinerseits übers Ziel hinaus, wenn er anfängt, auch „Wissenschaft“ als einen relativen Begriff zu interpretieren, aber diesen Teil der Erörterung spare ich uns einfach. Komische Meinungen gibt ja schließlich immer. Es soll sogar Menschen geben, die „Rough Night“ für einen lustigen Film halten.

Substanzen können nicht mehr oder minder sein

Der nächste Punkt ist für mich schon wieder spannende: Ari stellt fest, dass Substanzen nicht mehr oder minder sein können. Man ist zum Beispiel immer 100% Mensch und nicht nur zu einem bestimmten Grad. Das ist eine wichtige Feststellung, an die wir uns noch so manches Mal in der Ethik erinnern sollten. Unser Grundsatz, dass es unveräußerliche Menschenrechte gibt, baut darauf auf. Egal, was du tust, du kannst deine Menschenrechte nicht verlieren. Denn egal, wie du sonst so drauf bist, du bist noch immer ein Mensch.

Rassisten und Sexisten missachten dieses Prinzip massiv, indem sie oft biologistisch argumentieren. Sie sagen dann, dass Menschen bestimmter Nationalität, Ethnie oder Geschlechts weniger Menschen sind als es alte weiße Männer sind und dass ihnen daher weniger Rechte zustehen würden. Hört dazu noch einmal meine Rassismus-Folge (ja, ich weiß, ich wollte zu Neuen Rechten noch mehr Folgen machen und das Nationalismus-Buch steht auch schon seit 1,5 Jahren in meinem Schrank. Corona hatte dem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht. // Drüben in meinem Podcast habe ich eine Folge zu Rassismus veröffentlicht. Hört da doch mal rein.

Bei allem Hurra, dass ich auf diesen einen Satz runterregnen lasse, dürfen wir den naturalistischen Fehlschluss nicht vergessen. Denn aus der Tatsache, dass jede*r immer 100% Mensch ist, folgt nicht zwangsläufig, dass für alle auch die gleichen Rechte gelten sollten. Man kann nicht aus einem Sein auf ein Sollen schließen. Ethik bleibt die Aushandlung der Frage, wie wir leben wollen. Aristoteles nimmt sich das (wenn auch ein weiteres Mal nicht explizit) zu Herzen und spricht alten Weißen Männern in seiner Ethik viele Rechte zu, die er anderen Menschen versagen will. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

Diskretheit und Kontinuen

Einen habe ich noch! Für die Medientheorie wiederum ist Aristoteles‘ Ausführung von Bedeutung, dass Quantitäten diskret oder kontinuierlich sein können. Zahlen und Sprache sind diskret. Das bedeutet in diesem Fall aber nicht, dass sie darüber schweigen, was in Las Vegas geschehen ist, sondern es heißt, sie bestehen aus klar abgegrenzten Einheiten. Die für jedes Sprachverständnis notwendige Fähigkeit unseres Gehirns zur Segmentierung  basiert darauf, dass sprachliche Einheiten diskret sind. So gelingt es unserem Gehirn höchst unterschiedliche akustische Wellen als immer das gleiche Wort zu segmentieren. Das kleine Wörtchen „das“ kann aufgrund von Dialekt, Soziolekt, Akzent und Idiom höchst unterschiedlich klingen, je nachdem, wer es ausspricht. Aber unser Gehirn macht daraus immer das gleiche Wort. Nur so können wir Sprache verstehen.

Längen und Flächen sind hingegen kontinuierlich. Gleiches gilt auch für Zeit und Ort: Sie sind ein Kontinuum. Ohne dass Ari es explizit macht – mal wieder, löst er mit dieser Feststellung das Schildkröten-Paradoxon:

Diesem berühmten Trugschluss des Zenon von Elea zufolge machen Achilles und eine Schildkröte ein Wettrennen. Achilles gibt der Schildkröte einen Vorsprung, weil er sich seines Sieges sicher ist. Doch dieser führt dazu, dass er das Rennen nicht mehr gewinnen kann. Denn bevor Achilles die Schildkröte überholen kann, muss er zuerst ihren Vorsprung einholen. Während er das macht, hat die Schildkröte aber einen neuen, wenn auch kleineren Vorsprung gewonnen. Jetzt muss Achilles den erst einholen. Doch sobald er das geschafft hat, hat die Schildkröte wiederum einen – noch kleineren – Vorsprung gewonnen und so weiter. Der Vorsprung, den die Schildkröte hat, wird demnach zwar immer kleiner, aber dennoch bleibt immer ein Vorsprung.

Das Problem an diesem vermeintlichen Paradoxon ist eben, dass es Längen als diskrete Einheiten auffasst, die nacheinander abgearbeitet werden müssen, so wie Zahlen nacheinander gezählt werden müssen. Aber in Wirklichkeit sind Längen kontinuierlich. Achilles – bekanntermaßen eh nicht die hellste Fackel beim Marathonlauf – denkt zum Glück nicht nach, sondern läuft einfach weiter, ohne sich um die Streckeneinheiten zu kümmern.

Wir können und werden noch weitere Beziehungen von Prädikaten zueinander ausmachen. Doch damit kommen wir zum sogenannten logischen Quadrat und mit ihm – der Name deutet es an – der Logik jetzt schon so nahe, dass ich es auf die nächste Folge verschieben möchte. Insgesamt bleibt mir aber zu sagen, dass in den wenigen Seiten der Kategorienschrift und von De Interpretatione noch viel mehr steckt, was ich weggelassen habe, da es hier den Rahmen sprengen würde. Schaut in die Texte rein und nicht nur Youtube/hört nicht nur Podcasts ist wohl ein Rat, den man immer geben sollte.

Was natürlich nicht heißen soll, dass ihr hier nicht mehr weiter schauen/hören sollt: Damit ihr die nächste Folge nicht verpasst, solltet ihr dringend diesen Kanal/Podcast abonnieren. Ich danke euch, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.

Mehr Philosophie-Videos:

Zur weiteren Recherche über Aristoteles:

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Roland Barthes – Der Tod des Autors

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Daniel
bringt den Autor um

Ich lese Roland Barthes‘ berühmten Essay und überlege, was er bedeutet

Kann man das Werk vom Autor trennen? Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee? Alles geht zurück auf Roland Barthes‘ Essay: Der Tod des Autors. In einer (zugegeben recht lang gewordenen) Textanalyse schaue ich, was dran ist, an der Idee.

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Das macht Sinn!

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Daniel
macht Sinn

Die 100. Folge dieses Podcasts macht ganz viel Sinn

Zur 100. Folge dieses kleinen Podcasts mache ich mich an die Ehrenrettung dreier kleiner Worte. Warum wird „Das macht Sinn“ so gehasst? Und gibt es am Ende vielleicht doch gute Gründe, vom Sinnmachen zu sprechen?

Das Transkript gibt es hier

 

10 philosophische Lieblingsbücher

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Daniel
liebt Bücher

Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 28

Heute erfülle ich einen Wunsch und stelle mal ein paar meiner philosophischen Lieblingsbücher vor. Zwar wechselt das regelmäßig, je nachdem, womit ich mich gerade beschäftige. Aber als Leitmotiv für diese Folge habe ich Bücher gewählt, die einerseits einen guten Einstieg in das Werk des jeweiligen Philosophen bilden und andererseits mich philosophisch geprägt haben. Hier kommen sie und wo ihr sie kaufen oder umsonst lesen könnt (Achtung, Spoiler zur Folge):

  1. Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen*
  2. Nelson Goodman: Sprachen der Kunst*
  3. Platon: Theaitetos (umsonst)
  4. Roland Barthes: Mythen des Alltags *
  5. Wittgenstein: Über Gewissheit *
  6. Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität *
  7. Gilbert Ryle: Der Begriff des Geistes *
  8. John L. Austin: How to do things with words *
  9. Platon: Apologie des Sokrates (umsonst)
  10. Immanuel Kant: Prolegomena (umsonst)

Mehr Videos:

 

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Ludwig Wittgenstein, Nelson Goodman, Platon, Roland Barthes, Richard Rorty, Gilbert Ryle, John L. Austin, Immanuel Kant

Die drei Paradigmen der Philosophie

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Daniel
wechselt Paradigmen

Eine kurze Reise durch die Philosophiegeschichte

Was ist die Welt? Was kann ich erkennen? Was kann ich sprachlich ausdrücken? Das sind die drei großen Fragen der Erkenntnistheorie. Wie kamen die Philosophen darauf, sie zu stellen? Lasst uns in die Geschichte gucken.

Nichtwissen als vermeintlicher Beweis

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Daniel
sieht näher hin

Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 27

Wir blicken ins Illustrierte Buch der schlechten Argumente und finden Nichtwissen, das sich als Beweis ausgibt. Was haben Ufo-Gläubige mit Karl Popper und dem Wiener Kreis zu tun? Weniger als es aussieht! Doch mit Wittgenstein, Platon und Aristoteles bestehen wir auf den Regeln des Sprachspiels.

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