Ich habe ein Problem mit Gentechnik …

… und ich möchte deswegen nicht behandelt werden, als wäre ich in einer Fraktion mit Impfgegnern und Globolischluckern.

Ich glaube nicht, dass mir Brokkoliohren wachsen, wenn ich genveränderten Brokkoli esse. Ich glaube nicht, dass ich zu Spiderman werde, wenn mich eine genmanipulierte Spinne beißt. Ich weiß das eine oder andere über wissenschaftliche Studien und weiß, dass genmanipulierte Lebensmittel eine ganze Reihe von Testphasen durchlaufen müssen, bevor sie auf unseren Tellern landen, sodass die Gefahr, dass sie für uns schädlich sein könnten, äußerst gering ist. Wenngleich diese Gefahr nicht ausgeschlossen ist, was Gentechnikbefürworter gerne verschweigen.

Contergan hat ebenfalls den ganzen Durchlauf von wissenschaftlichen Studien mitgemacht. Am Ende hatten die Pharmakologen nur ein kleines Detail in ihren Tests übersehen. Ein Detail, das sogar besonders schwer herauszufinden ist, da man schwangere Frauen aus ethischen Gründen nicht in medizinischen Studien einsetzen darf. Es war nicht so, dass Grünenthal, die Firma, die Contergan entwickelt hat, faul oder dumm gewesen wäre, als sie es auf den Markt brachte. Statt dessen hatten sie nur einen Fehler gemacht, so wie Menschen Fehler machen. Und dieser Fehler hatte dramatische Folgen. Solche Fehler werden auch im Zusammenhang mit der Gentechnik unterlaufen und Befürworter sollten dies nicht verschweigen, sonst sind sie nicht aufrichtiger, als jene Menschen, die Panik gegen diese Technologie schüren.

Und dennoch ist das nicht mein Problem mit der Gentechnik. Mein Problem ist, dass wir ein Urheber- und Patentrecht haben, das Patente auf gentechnisch veränderte Lebewesen(!) zulässt, sodass ein Bauer, auf dessen Felder gentechnisch veränderte Samen geweht werden, sich wegen Patentverletzungen vor Gericht wiederfindet. Mein Problem mit Gentechnik ist, dass Baumwolle die Eigenschaft der Fortpflanzung weggezüchtet wurde, sodass Baumwollbauern jedes Jahr für viel Geld die Samen neu kaufen müssen und bei einer Missernte in den Ruin und oft genug in den Suizid getrieben werden. [Update: Laut Spektrum gab es keine signifikatne Zunahme an Suiziden unter indischen Baumwollbauern. Im Gegenteil: laut der Uni Göttignen scheint es nach Anfangsschwierigkeiten sich positiv auszuwirken. Vielen Dank an @lingenhoehl für diese Information].Mein Problem mit Gentechnik ist, dass Soja immun gegen Agent Orange gemacht wurde, sodass dieses Pflanzengift über weite Flächen in Argentinien versprüht wird und dort alles tötet, was nicht Soja ist.

Diese Probleme existieren. Sie sind real. Und wir müssen Lösungen dafür finden, weswegen ich eine weitere Liberalisierung der Gentechnologie kritisch sehe, solange diese Probleme nicht gelöst sind.

Deswegen habe ich ein Problem mit Gentechnik und das ist ein sehr rationales Problem! Und ich möchte nicht als durchgeknallter Esoteriker behandelt werden, weil ich einer Biotechnik kritisch gegenüberstehe.

Recht auf Remix

Die Idee zu Blackbox Urheberrecht II / Noch 19 Tage…

… Ich war im letzten Post dabei, zu erzählen, wie ich darauf kam „Blackbox Urheberrecht“ zu veröffentlichen. Hiermit will ich fortfahren, aber dann abbiegen und über ein verwandtes Problem nachdenken… Anfang 2012, als ich auf der Suche nach einem Thema für mein Buch war, brach in der Urheberrechtsdebatte die Zeit der großen Worte an:

„Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren!“

Urteilte Ansgar Heveling im Januar 2012. Mit Blick auf #PRISM erscheint mir das fast schon prophetisch, auch wenn er es damals anders meinte …

Am 30. Januar 2012 machte der CDU Politiker Ansgar Heveling den Anfang indem er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt die Netzgemeinde mit großen Geschützen angriff und für ein starkes Urheberrecht eintrat. Die Netzgemeinde schoss nicht weniger scharf zurück. Dann kam der Februar und die Lage beruhigte sich wieder, bis am 21. März ein Reporter vom BR Sven Regener leichtsinnigerweise zum Urheberrecht befragte, woraufhin der Autor von „Herr Lehmann“ explodierte und sich zu seiner mittlerweile schon fast zur sagenumwobenen Wutrede aufschwang:

Eine gute Woche später legten 51 Tatortautoren nach und schrieben einen offenen Brief an die Netzgemeinde. Der Verfasser, Tatort-Autor Pim Richter stellte sich mir für „Blackbox Urheberrecht“ im Interview. Und erklärte sehr aufschlussreich, unter anderem, wie es zu diesem offenen Brief kam und warum ausgerechnet die öffentlich-rechtlich finanzierten Tatort-Autoren ihn verfassten.

Das führt mich zum Titel dieses Blogposts zurück…

Everything is a remix

Ich weiß nicht, ob Kirby Ferguson den Spruch „Everything is a remix“ erfunden hat, er hat ihn aber auf alle Fälle mit seiner Doku-Serie berühmt gemacht. Ich glaube übrigens nicht daran, dass ALLES nur eine Kopie von zuvor schon dagewesenem ist, sondern glaube durchaus an Originalität. Das ist eine schwierige Debatte, die ich auch gerne noch einmal führen möchte, aber nicht heute. Denn Fakt ist, es gibt Remixe, sehr viele Remixe und sie können ganz wundervoll sein. Wenn vielleicht auch nicht alles ein Remix ist, so stehen wir Zwerge aber auf jeden Fall auf den Schultern von Riesen.

Allerdings gibt es ein Problem mit dem Remix, ein rechtliches Problem: Ohne die explizite Erlaubnis der Rechteinhaber darf ich nicht remixen. Der spektakulärste Fall, der die Grenzen des Rechts auf Remix gezeigt hat, war der Fall des „Grey Albums“ von Danger Mouse.

Brian Joseph Burton, alias DJ Danger Mouse mixte 2004 das White Album der Beatles mit dem Black Album von Jay-Z zusammen und schuf ein großartiges Mashup. Allein, er hatte vorher nicht die Rechte dafür eingeholt. EMI, die Plattenfirma der Beatles, ging daher gegen das Grey Album vor und Burton wurde gezwungen, den Vertrieb einzustellen. Als Protest dagegen, dass eine Plattenfirma ein grandioses Kunstwerk der Öffentlichkeit vorenthalten wollte, fand am 24. Februar 2004 der Grey Tuesday statt. 170 Webseiten färbten sich an diesem Tag grau ein und boten das Album zum Download an.

Nun kann man sicher streiten, ob die gefährliche Maus nicht die Genehmigung hätte einholen können, bevor er seinen Remix anfertigte. Aber der Fall ist vor allem eine Parabel für ein ganz grundlegendes Problem im Internet. Dienste wie YouTube und Tumblr basieren auf Remix. Das sehr populäre „When you live in Berlin„-Tumblr macht nichts anderes als bekannte animierte GIFs mit Überschriften zu versehen, die sie in einen Berlin-Kontext setzen und schafft so etwas neues. Die Referenz, die hergestellt wird ist manchmal so einleuchtend, dass erst durch die Kombination mit der Überschrift das GIF wirklich lustig wird.

Etwa hier:

„When you walk against the traffic on Warschauer Bruecke“

Soweit ich das sehe, wird das Tumblr von Josie Thaddeus-Johns privat betrieben. Sie scheint ferner keinen Cent damit zu verdienen, zumindest sehe ich keine Werbung oder sonstige Monetarisierungsversuche. Es ist jetzt vollkommen weltfremd, von Thaddeus-Johns zu erwarten, dass sie für jedes einzelne GIF die Rechte einholt und womöglich auch noch teuer bezahlt. Denn wie soll sie etwa herausfinden, wer die Rechte zu diesem GIF hält?

Mit dem Anspruch hier die Situation zu verbessern ist die Digitale Gesellschaft angetreten und hat die Kampagne „Recht auf Remix“ ins Leben gerufen. Ich finde die Kampagne sehr gut und wichtig und sie hat meine volle Unterstützung. Doch dann führte ich das oben erwähnte Interview mit Pim Richter und Herr Richter sagte dort folgendes:

„Das Urheberecht ist […] ein unveräußerliches Recht, zu dem auch gehört, dass ausschließlich ich, also der Urheber, über die Integrität meines Werkes bestimmen darf. Wenn also jemand mein Werk nimmt und es in gewissem Sinne verfremdet, etwa ein faschistisches Stück damit „anreichert“, dann will ich weiterhin das Recht haben, diesen Menschen zu zwingen, das zu unterlassen. Das muss möglich sein. Wenn Menschen unberechtigterweise mein Werk in einem weltanschaulichen Zusammenhang verwenden, der meinem zuwider läuft, muss ich doch das Recht haben, ihnen das zu verbieten.“

Das brachte mich ins Grübeln, denn es ist ein verdammt gutes Argument. Ich schreibe hier auf diesem Blog ja auch immer wieder gegen Intoleranz an. Was würde ich sagen, wenn etwa ein Rassist jetzt daherkäme und meinen Sophistenartikel für seine Argumentation verwenden würde… Ich wäre sicher nicht amused. Ich habe aber keine Antwort auf dieses Dilemma: auf der einen Seite bin ich dafür, Hürden abzubauen, um Remixe zu fördern und damit ja auch irgendwie Meinungsfreiheit und eine schönere, buntere Welt. Auf der anderen Seite möchte ich aber eben auch wehrhaft demokratisch mich den Demagogen in den Weg stellen können.

Und wie immer, wenn ich etwas nicht weiß, habe ich eben jemanden gefragt. In diesem Fall die DigiGes und geantwortet hat mir Leonhard Dobusch.

Dobusch nannte mir drei Argumente:

„- Die befürchtete Nutzung in neonazistischen Kontexten ist in der Regel mehr als hypothetisch denn tatsächlich praktische zu verstehen.

– Für den unwahrscheinlichen Ernstfall bleiben jedoch bestehende Verhetzungs- und Wiederbetätigungsverbote von einem Recht auf Remix unberührt.

– Und wenn alle Stricke reißen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Fall, auf den das Voltaire zugeschriebene Zitat von S.G. Tallentyre passt: ‚Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.'“

Das erste Argument finde ich nicht sonderlich stark, denn auch gegen hypothetische Bedrohungen muss ich mich schützen, sonst wache ich eines Morgens auf und die NSA überwacht das komplette Internet…

Das zweite Argument hingegen stellt mich schon eher zufrieden. Das Urheberrecht sollte nicht als meine persönlich-willkürliche Ersatzzensur herhalten, dafür haben wir andere, sorgsam ausgehandelte Gesetze. Und dennoch bin ich da auch noch nicht ganz glücklich mit. Wie verfahrt ihr denn, wenn ein Hater versucht, euch in den Kommentaren eures eigenen Blogs fertigzumachen? Schaltet ihr den Kommentar frei? Und ist dieser Fall überhaupt zu vergleichen mit einem Remix, der meiner Weltanschauung zuwider geht?

Das dritte Argument hingegen ist sehr stark und hat eine große Schnittfläche mit meinem persönlichen Wertekanon gemeinsam. Es erinnert mich an eine Episode aus Salman Rushdies Autobiographie, in der er beschreibt, dass er sich bei der britischen Regierung dafür eingesetzt hat, dass ein (ich glaube philippinischer) Film, der Rushdie persönlich verunglimpft, in Groß Britannien gezeigt werden durfte. Rushdie, selbst Opfer der Zensur in allzu vielen Staaten war, hielt das Recht auf freie Meinungsäußerung höher als seine Persönlichkeitsrechte.

Dobusch fuhr übrigen noch fort, indem er erklärte, dass es schon heute Fälle gibt, in denen jemand mein Werk in mir nicht genehmer Weise bearbeiten darf:

„Parodie und Satire: dafür gibt es eine Ausnahme im Urheberrecht. Und Parodien und Satiren entstehen besonders häufig aus einer anderen Weltanschauung heraus als derjendigen des Urhebers der parodierten Werke. Der Grund für die Ausnahme ist aber klar: das Urheberrecht soll Meinung-, Ausdrucks- und Kunstfreiheit nicht behindern.“

Dobusch schloss seine E-Mail an mich damit, dass es eine Frage von offener Gesellschaft und Liberalität ist. Dem stimme ich voll und ganz zu. Und dennoch hat die Offene Gesellschaft auch ihre Feinde und ich bin noch immer zu keinem Entschluss gekommen, wo ich den Strich ziehe und sage: „Hier stehe ich und kann nicht anders„.

Daher will ich sokratisch offen schließen und sagen, dass ich noch länger über dieses Dilemma nachdenken muss. Wenn ihr eine Lösung habt, dann teilt sie mir mit, ansonsten lest mein Buch und besucht natürlich die Webseite von „Recht auf Remix“ für weitere Informationen…

Die Idee zu Blackbox Urheberrecht I

… noch 25 Tage.

Am 15 September erscheint Blackbox Urheberrecht auch auf Papier im JMB Verlag. Übrigens könnt ihr es schon jetzt vorbestellen. Um euch und mir die Wartezeit zu verkürzen, wollte ich ein paar Geschichten rund um das Buch, das Urheberrecht und die Autoren erzählen. Und heute fange ich an mit der Geschichte, wie ich auf die Idee kam, das Buch herauszugeben.

Guy Fawkes Mask (Brian Chan)

Bild: Guy Fawkes Mask (Brian Chan) von Gabe Rosiak. Lizenz: CC-BY 2.0.

Das E-Book

Eigentlich sind das zwei Geschichten. Die erste ist die, wie ich auf die Idee kam ein E-Book zu veröffentlichen und die zweite ist jene, wie ich auf das Thema kam. Die Idee mit dem E-Book ist schnell erzählt: Von 2010 bis 2012 machte ich ein Volontariat im m.w. VERLAG hier in Frankfurt. Dort habe ich dann ab 2011 gelernt, wie man E-Books layoutet und vertreibt. Dabei habe ich auch gelernt, dass E-Books keinen Verlag mehr voraussetzen. So entstand die Idee, das auch zu versuchen. Und da es schon eine ganze Menge gelungener Experimente von Menschen gab, die ihr eigenes Buch über Amazon und Co. verkauft hatten, wollte ich eben mal etwas anderes versuchen, nämlich, ob ich nicht auch eine Anthologie ganz ohne Verlag herausbringen kann. Wie das geht, beschreibe ich ausführlich auf meinem anderen Blog.

Das Urheberrecht

Doch wie kam ich auf die Idee mit dem Urheberrecht? Nun, das lag 2012 irgendwie in der Luft… Fast im Wochentakt kamen neue provokante Texte oder Ereignisse rund ums Urheberrecht aufs Tapet. Ich habe das in „Blackbox Urheberrecht“ in einer Zeitleiste alles aufgelistet. Aber ich will hier zumindest mal ein paar der zentralen Ereignisse wiedergeben. Der erste Höhepunkt ereignete sich bereits im Dezember 2011. Anonymous griff die Webseite der Gema mit sogenannten DDoS Attacken an.

DDoS Atacken sind „distributed denial of service“-Attacken. Grob gesprochen wird dabei durch ein Computerprogramm, das auf möglichst vielen Rechnern gleichzeitig ausgeführt wird, die Webseite in möglichst kurzer Zeit möglichst oft aufgerufen. Das erfolgt so lange, bis der Server, auf dem die Webseite liegt, die Anfragen nicht mehr verarbeiten kann und abstürzt. Im kleinen, alltäglichen Umfang kann man sich das Prinzip auf eBay angucken. Ihr habt euch vielleicht schon einmal gefragt, warum diese Millionen Euro schwere Seite so langsam ist. Man sollte doch meinen, dass eBay genug Kohle haben müsste um ein paar flotte Server aufzustellen. Wahrscheinlich könnte eBay auch tatsächlich noch so manches an Performance herauskitzeln, aber es hat auch ein großes Problem: tausende Nutzer sitzen vor ihren heimischen Computern und aktualisieren unentwegt die Webseite, um zu prüfen, ob sie bei einer Auktion überboten wurden. Das heißt: der Server muss rund um die Uhr kleine DDoS-Attacken verkraften… Doch zurück zu Anonymous.

Es ist kompliziert, Anonymous irgendetwas zuzuschreiben, da jeder, der sich mit den Zielen von Anonymous identifiziert, im Namen von Anonymous Aktionen durchführen kann. Diese Barrierefreiheit wurde so manchem zum Verhängnis, der sich an den DDoS-Attacken beteiligte, weil er wohl nicht damit rechnete, dass ihm irgendetwas passieren könnte, als er die Gema angriff, „ohne den elterlichen Keller zu verlassen“, wie es ein Anon im Interview mit mir nannte. Ich habe Anonymous nämlich für Blackbox Urheberrecht interviewt. Was mich natürlch vor einige Schwierigkeiten gestellt hat, aber davon berichte ich ein anderes Mal. Im Interview habe ich sie auch gefragt, warum sie die GEMA angegriffen haben. Und die Antwort der Anons lautete, dass der Grund die Sperrung von Internetinhalten durch die GE sei:

„Die Sperrung von Internetinhalten ist ein ganz großes NO GO. Gerade Sperrung von Internetinhalten aus Copyrightgründen sind ein noch größeres NO GO. Solche Methoden werden mit großer Vorliebe von Extremisten benutzt, denen die Argumente für die eigene Position/Existenz ausgegangen sind: Sekten und Kulte, Kreationisten, totalitäre Organisationen und Regime und die GEMA.“

Anonymous: Es ist nicht einzusehen, dass man einmal einen Hit schreibt und hinfort sorgenfrei im Reichtum lebt. In: Daniel Brockmeier (Hrsg.): Blackbox Urheberrecht.

Das nächste Ereignis im Januar 2012, das mich zu meiner Themenwahl führt war die spektakuläre Abschaltung von Megaupload, aber von der erzähle ich euch das nächste Mal…