Alphabetische Kultur und griechisches Denken

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Daniel
denkt mythisch und logisch

Wie die Schrift die Welt veränderte – Teil 5

Heute geht es um das griechische Alphabet, wie es sich ausbreitete und welche Konsequenzen es hatte. Ich stelle Jack Goody und Ian Watts These vor, dass die Alphabetschrift für den Übergang vom Mythos zum Logos verantwortlich war. Mit Wittgensteins Hilfe zeige ich, wie die Idee einer vom Sprechenden losgelösten Bedeutung durch die Schrift entstanden ist.

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Der Weg zur demokratischen Schrift

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Daniel
Strumpf!

Wie die Schrift die Welt veränderte – Teil 4

Es geht weiter mit der Frage, wie Schrift die Welt verändert hat. Was ist die phonographische Schrift und wie funktioniert sie? Der Weg geht von Silbenschriften zum Alphabet. Wir klären die medialen Eigenschaften dieser Schriftsysteme und bereiten so die Grundlage für den eigentlichen Kern von Jack Goody und Ian Watts Essay.

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Zwei verschiedene Konzepte von Schrift

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Daniel
schreibt in Piktogrammen

Wie die Schrift die Welt veränderte – Teil 2

Podcast-exklusiv mache ich einen Ausflug in die Anthropologie und Medientheorie. In dieser Serie lege ich die These von Jack Goody und Ian Watt, dass die Kulturtechnik des Lesens und Schreibens unser Denken, unsere Erkenntnis und die Gesellschaft, in der wir leben, entscheidend beeinflusst haben. In der zweiten Folge geht es um verschiedene Schriftsysteme: Wie funktionieren sie? Und wie beziehungsweise wann sind sie entstanden?

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Irrtümer – Teil 3

Scharfe Babyaugen dichten Reißverschlussverfahren im Sternennebel

Es ist mal wieder Zeit für eine Runde Irrtümer! Schon zum dritten Mal widme ich mich all den Themen, die wir unkritisch als wahr annehmen, die in Wirklichkeit aber so falsch sind, dass sich einem Vulkanier die Nackenhaare aufstellen. Beim ersten Mal in dieser Rubrik, widmete ich mich unter anderem dem Irrtum, dass die Hummel nicht fliegen kann, weswegen ich mich heute unter anderem mit Bienen auseinandersetzen werde. Und im zweiten Teil der Reihe hatte ich mich einerseits – wiederum unter anderem – mit dem Gehirn und andererseits mit der Geburt auseinandergesetzt. Daher wird es heute um das Gehirn von Neugeborenen gehen.

Someone is wron on the internet
Quelle: XKCD. Lizenz: CC BY-NC 2.5.

Können Männer stillen?

Doch zunächst Sex! Also im Sinne von Geschlecht… Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum Männer Brustwarzen haben? Mir begegnete nun schon zweimal die These (so auch hier), dass Männer eigentlich auch Milchgewebe hätten und stillen könnten, da sie es aber noch nie gemacht hätten, hätte die beseelte Evolution dafür gesorgt, dass sich die Brustwarzen der Männer und das Milchgewebe immer mehr zurückgebildet haben… Die Pointe sei nun aber, dass Mann wie Frau nach der Geburt nur das Baby lange genug an der Brust nuckeln lassen müsse, damit die Milch einschieße. Dann könnten auch Männer wieder stillen. Und sogar Alexander von Humboldt habe auf seinen Reisen einen stillenden Mann getroffen.

Krasse Geschichte! Zu schade nur, dass sie nicht stimmt. Denn dass Männer Brustwarzen haben, liegt ganz einfach daran, dass diese beim Embryo vor den Hoden ausgebildet werden. Die Embryos von Jungs und Mädchen entwickeln sich nämlich zunächst einmal identisch. Ist ja auch klar: so ein Herz, ist ein Herz, ist ein Herz. Und erst wenn dann die Unterscheidung zwischen Hoden und Eierstöcken ausgebildet wurde, werden die entsprechenden Hormone ausgeschüttet, die unsere Geschlechtsmerkmale ausbilden. Und das bedeutet dann eben Milchgewebe und große, Milch-spendende Brustwarzen bei den Frauen und kleine, nutzlose bei den Männern…

Wie scharf sehen Babys?

Bleiben wir noch etwas beim Stillen: Eine tolle Geschichte, die auch oft erzählt wird, ist jene, wonach Neugeborene in einem Abstand von 20-25 cm scharf sehen können. Das ist nämlich der Abstand zwischen Mutterbrust und Muttergesicht. So schön diese Geschichte ist, so falsch ist sie auch, das erläutert Sabina Pauen, in ihrem lesenswerten Buch „Was Babys denken*“. Frau Pauen ist Psychologin, spezialisiert auf frühkindliche Entwicklung und macht klar, dass, selbst wenn die Augen schon in der Lage wären, die Linse scharf zu stellen (wofür es keine Belege gibt), könnte das Kind dennoch nicht scharf sehen, da die Sehzentren im Gehirn des Neugeborenen noch nicht fertig ausgereift sind.

 Ziemlich leer im Weltall

A propos Sehen: Die Dame und ich sehen gerade mal wieder Star Trek: Voyager. Und im Vorspann von Voyager gibt es diesen tollen Shot:

Screenshot: Star Trek Voyager. Copyright: Paramount Home Entertainment. Hier bei Amazon.
Screenshot: Star Trek Voyager. Copyright: CBS Studios Inc. Hier bei Amazon*.

Mensch wäre das nicht toll, wenn die Menschheit schon heute so weit durchs All fliegen könnte, dass wir so einen kosmischen Nebel verwirbeln könnten? Dahin zu fliegen, wäre zwar toll, allerdings bliebe uns der Ausblick vorenthalten, denn was wir durch unsere Teleskope als Nebel sehen, sehen wir nur deshalb so, weil es einerseits sehr groß und andererseits sehr weit weg ist. Wären wir dort, würden wir wahrscheinlich garnichts sehen, denn die Partikeldichte in so einem Nebel schwankt zwischen 100 und 10,000 Partikeln pro cm³. Das ist sehr, sehr wenig. 100 Partikel pro cm³ hat nämlich auch das beste Vakuum, das wir hier auf der Erde herstellen können. Luft hat beispielsweise ein Partikeldichte von 10^19, also 100.000.000.000.000.000.000 Partikeln pro cm³.

A pros pos Weltall: Unser aller Bild von Asteroidenfeldern ist wahrscheinlich maßgeblich durch diese Szene beeinflusst:

Hammer-Szene! Allerdings wäre eine realistischere Aufnahme von einem Asteroidenfeld eher das hier:

schwarz
schwarz

Denn Asteroidenfelder sind vor allem eines: leer.

„Even if an asteroid belt has millions and millions of asteroids in it, you’d have to be the unluckiest person in the universe to hit one. It’s not impossible, but the chances are astronomical.“

Quelle: 10 Space Myths We Need to Stop Believing

Und zwar ganz einfach, weil die Abstände zwischen den Asteroiden so riesig sind…

Gefangen auf der Autobahn

Und wo ich schon beim Treffen und Einfädeln bin… Äh, war ich da wirklich? Egal. Warum hält sich eigentlich niemand an das Reißverschlussverfahren? Ihr wisst schon, wenn zwei Fahrbahnen zu einer zusammengeführt werden, sollten eigentlich alle Verkehrsteilnehmer bis zum Ende ihrer Fahrbahn fahren und sich dann abwechselnd einfädeln. So steht es sogar im Gesetz! Und auch der ADAC – wenn er nicht gerade Stimmzahlen fälscht – predigt jahraus, jahrein, dass es so gemacht werden sollte. Aber dennoch hält sich kaum einer daran… Schuld daran dürfte das Gefangenendilemma sein:

Ihr wisst schon, die Story aus der Spieltheorie, bei der zwei Gefangene in einem Verhör sitzen, wenn beide schweigen, bekommen beide nur 2 Jahre Haft. Verrät einer die andere bekommt einer nur 1 Jahr Haft, die andere aber sechs Jahre, verraten sie sich gegenseitig, bekommen beide 4 Jahre. Wenn wir das kurz überschlagen, verbringen die beiden die geringste Summe an Zeit im Stau, äh im Knast, wenn beide schweigen. Da aber beide nicht wissen, was der jeweils andere tut, ist für sie die vernünftigste Option, den anderen zu verraten.

Wie übertragen wir das auf die Autobahn? Wenn ich auf das Hindernis zufahre, kann ich mir nicht sicher sein, ob die Fahrerinnen auf der Nebenbahn mich auch wirklich reinlassen, sobald ich das Hindernis erreicht habe. Daher ist es für mich das Vernünftigste, schon früher die Chance zu ergreifen und in eine Lücke einzuscheren, sobald sich mir eine bietet. Andererseits habe ich dann aber auch keinen Anreiz mehr, jemanden vor mich zu lassen, da das ja nur die Zeit verlängert, in der ich im Knast, äh, Stau stehe.

Zwar ist es auch nicht sehr vernünftig anzunehmen, man würde nie wieder reingelassen, aber mit Blick auf die Massen die sich in die Bahn drängeln, ohne andere aussteigen zu lassen, scheint diese Angst unter den Menschen weit verbreitet zu sein…

Das Gefangenendilemma hilft uns also zu verstehen, was auf unseren Autobahnen schief läuft. Da soll noch mal jemand sagen, Philosophie habe keinen praktischen Nutzen.

Einstein war kein Imker

Praktischen Nutzen haben auch Bienen. Wie sagte einst Albert Einstein:

„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“

Aber eines ist komisch: Warum maßte Einstein als Physiker sich an, diese Aussage zu treffen, das ist doch eher ein Ding der Biologie… Tja, das liegt daran, dass Einstein derlei wahrscheinlich nie gesagt hat, sondern das Zitat eine Erfindung des “Canadian Bee Journal” aus dem Jahre 1941 ist.

Mythen zwischen der Bastille und  Kolumbus

Eine andere Erfindung der Geschichte ist – darauf machte mich @Evo2Me kürzlich aufmerksam – ist der Sturm auf die Bastille. Noch so ein Ding, das ich in der Schule als Fakt gelehrt bekam. In Wirklichkeit wurde die Festung übergeben (gut, ich glaube, das hatte mein Lehrer noch erwähnt) aber auch die Haftbedingungen in der Bastille waren wohl nicht so schlimm, sodass überhaupt nur sieben Leute befreit werden konnten und bei einem zweiten Blick auf diese glorreiche Sieben stellt sich heraus, dass es denen eigentlich ganz gut erging in der Bastille und sie obendrein auch noch ganz zurecht im Knast saßen. Alles in allem könnte man sich zurecht fragen „How is this still a thing“ Und wo ich schon dabei bin:

Absurd, dass Kolumbus noch immer ein Unterrichtsstoff in unseren Schulen ist und noch absurder, dass wir dort diese unkritische Heldengeschichte erzählt bekommen.

Haikus sind sinnlos

Wisst ihr, was auch noch absurd ist? Und damit beschließe ich den dritten Teil meiner kleinen Irrtümer-Reihe: Dass außerhalb von Japan, beziehungsweise dem Japanischen Haikus gelesen, und noch absurder: geschrieben werden. Warum? Dafür muss ich jetzt ein bisschen weiter ausholen:

Ein Haiku wird allgemein als ein kurzes, stark formalisiertes Gedicht angesehen, dass keine Pointe hat. Klassisch für westliche Lyrik ist, dass sie eine Schlussfolgerung nach sich ziehen, die durch ihre Metaphorik entsteht, so etwa bei Goethes „Ein Gleiches“:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.

Im Grunde ist das ein unverfänglicher Text, dennoch drängt sich bei uns die Schlussfolgerung auf, dass der olle Johan Wolle, eigentlich vom Tod schreibt. Nicht so verhält es sich bei einem Haiku, zum Beispiel bei diesem von Matsuo Bashō:

Der alte Weiher:
Ein Frosch springt hinein.
Oh! Das Geräusch des Wassers

Keine Pointe, keine Schlussfolgerung, Ausdruck des Zen. Oder? Na ja, eben nicht. Denn die Metaphorik kommt im Japanischen durch die Schrift ins Spiel. Um das zu verstehen, müsst ihr zwei Tatsachen über das Japanische wissen:

1. Das Japanisch verfügt über viele Homonyme: Also gleiche Worte mit verschiedenen Bedeutungen.

2. Japan verfügt über zwei Schriftsysteme (eigentlich sogar drei mit Katakana, aber das führt jetzt zu weit…), die in der Regel kombiniert werden. Zum einen das Hiragana – Eine Silbenschrift, das heißt: hier hat jede Silbe ein Zeichen. Zum anderen das aus China übernommene Kanji, eine Begriffsschrift, in der also die einzelnen Begriffe jeweils ein Zeichen haben.

Um nun in der Schriftsprache für die vielen Homonyme eine eindeutige Lesart zu erzeugen, werden für sie Kanji-Zeichen verwendet und diese werden (fahrlässig vereinfacht gesprochen) mit Hiragana-Zeichen flektiert. Nicht so jedoch beim Haiku! Dort wird nur Hiragana verwendet, um bewusst die Homonymie nicht zu verlieren. So kommt durch die japanische Schrift die komplette Metaphorik ins Haiku, die uns abgeht, wenn wir Haikus nicht in Hiragana lesen. Und deshalb ist das Lesen und erst recht das Schreiben von Haikus etwa in deutscher Sprache vollkommen sinnlos.

Ich freue mich schon auf wütende Dichter, die mir in Dreizeilern erklären, warum ich mich irre… 😉 Falls Ihr auch noch Irrtümer kennt, die gut in meine Reihe passen würden, schreibt mir ne Mail an info@privatsprache.de. Ewiger Dank, Namensnennung und Verlinkung sind euch gewiss!

 

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