Als ich heute morgen erwachte, hatte ich das Glück, noch etwas im Bett liegen zu können, da meine Tochter (7) heute schulfrei hatte. Ich nutzte die Gelegenheit, ein bisschen meine Timeline zu lesen. Dies war das erste, was ich sah:
Hanauer Landstraße. pic.twitter.com/n5lU2Rcp9k
— Hanning Voigts (@hanvoi) March 18, 2015
Diese Bilder begleiteten uns den ganzen Tag über. Ich möchte besonders @hanvoi von der Frankfurter Rundschau loben, der einen sehr guten Job in der Liveberichterstattung machte. Aber auch andere brachten exzellente Infos. Irgendwann im Laufe des Tages schrieb jemand auf Twitter, man solle weniger über die Krawalle und mehr über die Ziele von Blockupy sprechen. Das will ich hier gerne machen:
„Am 18. März 2015 will die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main ihr neues Hauptquartier eröffnen. Für den 185 Meter hohen Zwillingsturm, der mit seinem Sicherheitszaun und Burggraben einer Festung gleicht, wurde die schwindelerregende Summe von 1,3 Milliarden Euro ausgegeben. Diese einschüchternde Architektur der Macht zeigt deutlich die Distanz zwischen den politischen und ökonomischen Eliten und den Menschen.“
… heißt es auf der Seite von Blockupy.
Symbolbild bisher. #Blockupy pic.twitter.com/ERok9lPkKh
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) March 18, 2015
Interessanterweise hatte ich immer einer andere Assoziation. Natürlich sind die Frankfurter Hochhäuser Ausdruck der Macht des Geldes. Aber während die Hochhäuser der Privatbanken alle im Bahnhofsviertel und im Westend, also westlich der Stadmitte von Frankfurt stehen, wurde die neue EZB im Osten der Stadt errichtet. Besonders wenn man von Sachsenhausen aus oder von Norden, etwa von Riedberg auf das neue Stadtbild von Frankfurt blickt, fällt die bewusste Distanz zwischen den Privatbanken und dem Doppelturm der Zentralbank auf. Ganz so, als solle der Turm im Osten die Gang des Kapitals im Westen überwachen und in Schach halten.
Brezel zu pfefferspray und kaltdusche gefällig? #Blockupy #18M #EZB pic.twitter.com/Y1ql4Enw5I
— Journal Frankfurt (@journalffm) March 18, 2015
Und das zeigt auch mein größtes Problem mit den diesjährigen Blockupy-Protesten: Warum richten sie sich gegen die Kontrollinstitution? Sicher, aufgrund der Griechenlandkrise und den damit verbundenen Sparauflagen, ist sie ein schönes Symbol.
„Es gibt nichts zu feiern an Sparpolitik und Verarmung! Tausende von wütenden Menschen und entschlossenen Aktivist_innen aus ganz Europa werden daher die Straßen rund um den Eurotower blockieren und dieses Event der Macht und des Kapitals unterbrechen – passenderweise am 144. Jahrestag der Commune von Paris. Wir werden ihre Party übernehmen und sie verwandeln in einen Ausdruck des transnationalen Widerstands gegen die europäische Krisenpolitik und gegen deren katastrophale Konsequenzen besonders für die Menschen im europäischen Süden.“
Aber die EZB ist eben auch nicht mehr als ein bloßes Symbol. Man kann zwar streiten, was der richtige Weg aus der Krise ist, aber man kann nicht streiten, wer uns in die Krise reingebracht hat. Das waren die Zocker im Westen der Stadt.
0809 Massiver Polizeieinsatz mit WaSserwerfer und CS-Gas. Es fliegen Steine. #blockupy pic.twitter.com/sQNhpB9Grw
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) March 18, 2015
„Die EZB spielt eine wichtige Rolle in der berüchtigten Troika. Sie ist verantwortlich für brutale Kürzungen, für wachsende Erwerbslosigkeit und sogar für den Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung in Griechenland und anderen EU-Staaten. Zusammen mit der EU-Kommission und dem EU-Rat hat die EZB Sparpolitik, Privatisierung und Prekarisierung gefördert. Sie hat nicht einmal davor zurück geschreckt, gewählte Regierungen zu erpressen, um ihre Angriffe auf die sozialen Rechte der Menschen durchzusetzen.“
Und während (einige wenige) radikale Demonstranten Polizeiautos und Mülltonnen anstecken, Polizeireviere und Bushaltestellen entglasen und sogar Feuerwehrautos angreifen, also vom Volk durch Steuern finanzierte öffentliche Güter kaputtmachten, blieben die Türme der Deutschen Bank, der Commerzbank und ihrer Komplizen gänzlich unbehelligt.
Wasserwerfer bei Löscharbeiten an der Flößerbrücke #18M #18nulldrei #Frankfurt pic.twitter.com/fvh9WlUG8v
— Polizei Frankfurt (@Polizei_Ffm) March 18, 2015
„Im Verlauf der Krise wurde aus der EU mehr und mehr ein autoritäres Regime mit einem offensichtlichen Mangel an demokratischer Partizipation. Das mörderische europäische Grenzregime und die fortschreitende Militarisierung sind ebenfalls Teil dieses Prozesses.
Sie repräsentieren uns nicht, ja sie wollen uns gar nicht mehr repräsentieren! Die herrschenden Eliten haben uns nichts mehr anzubieten. Aber aus vielen Quellen entstehen dagegen neue Kräfte und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Solidarität und Demokratie von unten aufzubauen. Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus!“
Ich verstehe eben nicht, wie es zusammenpasst, mehr Demokratie zu fordern und gleichzeitig Gewalt auszuüben, besonders weil die Gewalt von wenigen hundert Demonstranten nun die Berichterstattung erfüllt und überdeckt, dass um die 20.000 Menschen ganz friedlich für diese Ziele demonstriert haben.
#Frankfurt: Mittlerweile brennt es an allen Ecken und Enden. Nun Katz und Maus-Spiel mit der Polizei. #Blockupy #18M pic.twitter.com/IrkyENyyUE
— PM Cheung 🫠 (@pm_cheung) March 18, 2015
Besonders absurd wird es dann für mich, wenn ich das hier lese:
„Gleichzeitig müssen wir besonders wachsam sein für die Gefahren des wachsenden Rassismus und dem Aufstieg der extremen Rechten, diesen hässlichen Nebenprodukten der kapitalistischen Krise. Während es die Absicht der Rechten ist, sowohl die Außengrenzen zu verstärken als auch neue Grenzen innerhalb Europas zu errichten, wollen wir im Gegenteil die Mauern der Festung Europas einreißen.“
https://twitter.com/eltom/status/578112714628685825
Denn effektiver Schutz vor der extremen Rechten bietet nur eine starke demokratische Opposition gegen Rassismus. Und Bilder von randalierenden Linken treiben die weniger gebildeten und differenzierenden Wähler bei der nächsten Wahl doch nur denen in die Arme, die fordern, dass noch mehr Überwachung und noch strengere Gesetze hermüssen, um diese linken Chaoten zu kontrollieren. Und das sind zumeist die gleichen Parteien, die sich nicht gerade für Toleranz oder offene Außengrenzen einsetzen.
#Blockupy Rauch überm Bankenviertel in Frankfurt pic.twitter.com/jXVCXWqzdH
— Carla Neuhaus (@carlaneuhaus) March 18, 2015
Ach Blockupy, ich verstehe „euch“ einfach nicht …