Vegetarier

Eines vorweg: ich bin kein Vegetarier sondern esse Fleisch. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen möchte ich ein bis zwei Zeilen schreiben über deinen Spott, liebes Internet. Deinen Spott über Menschen die kein Fleisch essen, oder schlimmer noch, Menschen, die überhaupt keine tierischen Produkte essen, aka. Veganer.

Ein Rind
Ein Rind

Doch bevor Vegetarier und Veganer nun mit allzu breiter moralischer Brust diese Zeilen hier lesen, zwei frustrierende „Funfacts“ vorweg:

  1. Niemand verbringt 60 bis 80 – ach was – auch nur fünf Jahre, auf diesem Planeten, ohne zu töten. Dafür müsst ihr im Sommer nur einen einzigen Blick auf einen Mähdrescher werfen. Auch wenn ihr kein Fleisch esst, sterben Tiere, die bei der Kornernte für euer täglich Brot einfach mit kleingedroschen werden. Und es gibt zum Töten keine Alternative: Denn wenn wir wieder anfingen, Felder von Hand zu sensen, könnten wir den Hunger der westlichen Welt nicht mehr stillen und statt Tieren würden hier wieder Menschen sterben, so wie es derzeit schon in weiten Teilen der restlichen Welt der Fall ist.
  2. Würden wir den Vegetarismus oder gar den Veganismus gemäß des kategorischen Imperativs zum allgemeinen Gesetz erheben, würde dies bedeuten, dass Kühe, Schweine und Hühner aussterben würden. Glaubt ihr nicht? Dann beachtet folgenden Präzedenzfall: Wann habt ihr zuletzt in Europa einen Esel außerhalb eines Tierparks gesehen? Durch die Einführung des Traktors ist der Esel in Mitteleuropa faktisch ausgestorben. Würden wir keine tierischen Produkte mehr essen und trinken, würde das gleiche Schicksal Schweine, Kühe und Hühner erwarten.

Aber ich will Vegetarier und Veganer hier nicht schlecht machen. Im Gegenteil, ich, als Todesser, will hier mal aufzeigen, dass sie uns moralisch überlegen sind und dass du, liebes Internet, das weißt und mit deinem Spott und deiner Häme versuchst, das zu verbergen. Lese ich auf Twitter über die V-Esser, dann meist derlei:

So amüsierten sich drei Herren des CCC erst kürzlich königlich über den Begriff „Speziesismus“. Möglicherweise äußerten sie diesen Spott sogar mit den richtigen Intentionen, wie man aus dem Kontext des Podcasts erahnen konnte, aber da sie das nicht ausführten, sondern die Idee schon belachenswert fanden, konnte ich das nicht erschließen. Aber was ist so lustig am Speziesismus? Oder zunächst einmal: Was ist Speziesismus? Der Begriff „Speziesismus“ ist analog zu „Rassismus“ oder „Sexsismus“ gebildet. Die Idee ist, dass es keinen apriorischen Grund gibt, zu behaupten, der Mensch sei Tieren überlegen. Klar kannst du im Christentum rechtfertigen, dass Menschen den Tieren überlegen sind. Gott sagte ja, dass wir uns die Erde untertan machen sollen. Aber wenn wir das religiöse Dogma als Begründung ablehnen, dann ergibt sich für uns ein Problem, wenn wir versuchen, zu rechtfertigen, warum Menschen den Tieren überlegen sein sollen.

Bleiben wir mal beim Töten um den Speziesismus zu erläutern. Ich behaupte einfach mal, dass jede, die diesen Text liest die ehtische Norm „Du sollst nicht töten“ akzeptiert. Im Normalfall beschränken wir das Tötungsverbot allerdings auf Menschen. Doch warum tun wir dies? Nun, das kommt jetzt auf die Begründung an. Ich kann das Tötungsverbot natürlich wieder religiös begründen: Steht in der Bibel. Aber für viele ist das kein Argument, wie wir am Sex vor der Ehe sehen.

Eine alternative Begründung wäre etwa, dass das Tötungsverbot eine notwendige Voraussetzung für die Bildung menschlicher Gemeinschaften ist. Als Mängelwesen ist der Mensch auf das Leben in der Gruppe angewiesen. Aber so ein Leben in der Gruppe ist äußerst ekelig, wenn du dir nicht sicher sein kann, ob du morgen wieder aufwachst. Die Prävention dagegen: Du sollst nicht töten. Alles klar. Aber warum haben wir dann etwas gegen die Todesstrafe oder gegen Krieg? Beides ist argumentativ in einer solchen Stammesethik eigentlich kein Problem: Wenn jemand die Gruppe von innen heraus bedroht, ist seine Strafe der Tod und wenn jemand die Gruppe von außen bedroht, ist die Antwort darauf Krieg.

Und dennoch, so unterstelle ich wieder, haben viele Leserinnen und Leser dieses Blogs ein Problem mit Todesstrafe und Krieg. Das liegt daran, dass wir unsere Ethik anders begründen. Beispielsweise mit dem oben erwähnten kategorischen Imperativ: Handle stets nach derjenigen Maxime, von der du zugleich wollen kannst, dass sie zum allgemeinen Gesetz werde. Oder volkstümisch-biblischer ausgedrückt: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Mit so einem ethischen Baukasten, lassen sich Todesstrafe und Krieg schon nicht mehr so leicht rechtfertigen, wie mit einer Stammesethik.

Die spannende Frage, die die Theorie vom Speziesismus nun stellt, ist: Für wen sollte denn das Tötungsverbot alles gelten? Lassen wir die biblische Begründung beiseite, kommen ein paar andere Begründungskandidaten in Frage:

  1. Nichts, das lebt, sollte getötet werden.
    – Nun das ist schlechtweg unpraktikabel, da wir Menschen nur organisches Material verdauen können, müssen wir selbst entweder sterben oder etwas, das lebt, essen. Also müssen wir notwendigerweise zumindest Pflanzen essen.
  2. Nur Lebewesen, die ein Konzept von Leben und Tod oder die ein Bewusstsein ihrer selbst haben, sollten nicht getötet werden.
    – Klingt zunächst einmal gut, wird aber problematisch, wenn wir an Kinder oder Schwerbehinderte denken. Die haben nicht unbedingt ein Bewusstsein ihrer selbst oder in Konzept von Leben und Tod. Sollten wir sie deshalb töten dürfen? Ich für meinen Teil bin jedenfalls dagegen!
  3. Kein empfindungsfähiges Lebewesen sollte getötet werden.
    – Das ist der heißeste Kandidat. Nichts und niemand, das, der oder die Schmerz oder Angst verspürt, sollte getötet werden. Das schließt nämlich alle nötigen Kandidaten – alle Menschen – ein.

Zu dumm nur für uns Todesser, dass dies auch eine ganze Reihe von Tieren mit einschließt. Ich bin kein Verhaltens- oder Neurobiologe, aber ich bin ziemlich sicher, dass Kühe, Schweine und Hühner Schmerz und Angst empfinden können. Selbst bei Fischen glaube ich ganz sicher an Schmerz, nur bei Angst bin ich mir in diesem Fall nicht sicher. Die Frage ist also, liebe Mittodesser, warum wir dann diese empfindungsfähigen Wesen von unserem Tötungsverbot ausschließen?

Das Argument, das ich am häufigsten zu hören bekomme, ist: Weil wir Menschen von Natur aus Fleischfresser sind. Klingt plausibel ist aber ein Logikfehler. Und zwar der Sein-Sollen-Fehlschluss, den ich in diesem Blog schon des öfteren behandelt habe: Aus der Tatsache, dass wir Menschen Fleischfresser sind, folgt nicht, dass wir es auch sein sollten. Wir Menschen haben in vielerlei Hinsicht weit von unserer Natur entfernt. So sitze ich, während ich diese Zeilen schreibe in einem Zug, der über 100 km/h fährt, und schreibe auf einem Computer, während ich Kleidung trage, die teilweise aus Kunstfasern bestehen. Alles Dinge, die nicht gerade natürlich sind. Wir haben etwa die natürlich Art zu reisen (per Fuß) schon lange hinter uns gelassen, warum sollte uns das im Fall des Essens von Tieren nicht möglich sein? Im Gegenteil: Vegetarierinnen leben uns täglich vor, dass wir den Speziesismus hinter uns lassen können und so moralisch eine Ebene aufsteigen können.

Und ich glaube, du liebes Internet, weißt tief in dir drinnen, dass es so ist, und dass du im Unrecht bist, dass dein Fleischessen nichts anderes als eine traditionell vermittlete Lebensform ist. Deshalb sähst du Spott und regst dich auf, wenn Veganer „predigen“. Dabei würde niemand den Satz

kritisieren. Warum sollte es bei

anders sein?

Ich bin raus.