Zwischen den Jahren kochte rund um den 29C3 mal wieder die netzfeministische Debatte hoch. Und wie bereits in der Vergangenheit, eignet sich diese Debatte – jedenfalls macht es auf mich den Eindruck – hervorragend dazu, um falsche Argumentationsstrukturen aufzuzeigen.
Ich habe diesem Fehlschluss den Namen „Exklusionsfehlschluss“ verliehen, es kann aber durchaus sein, dass das Phänomen unter einem anderen Namen bereits bekannt ist. Getreu nach John Austin:
„Die Erscheinung, um die es geht, ist sehr weit verbreitet und liegt offen zutage; hier und da müssen andere sie bemerkt haben. Aber ich habe noch niemanden gefunden, der sich richtig darum gekümmert hätte.“
Der Exklusionsfehlschluss besagt Folgendes: Wenn du nicht Teil einer Sache/Institution/Gemeinschaft bist, dann darfst du auch nicht für oder gegen diese Sache Partei ergreifen.
In der feministischen Debatte erscheint dieser Fehlschluss – wie so oft – nur implizit, indem sich gerne lustig gemacht wird, über Männer, die für den Feminismus Partei ergreifen. Die Argumente dagegen sind zumeist folgender Art: „Die (männlichen Feministen) hoffen doch nur, dass sie, wenn sie für die Frauen eintreten, auch mal eine ins Bett kriegen“. Abgedroschen wie dieses Klischee ist, so ist es doch nicht totzukriegen. Zuletzt begegnete es mir hier, in der sonst ziemlich guten Folge von „Wer Redet Ist Nicht Tot“ mit Malte Welding.
Wenn ich dieses Argument seziere, finde ich zwischen seiner Leber und Niere eben den oben angeführten Schluss:
Wenn du keine Frau bist, dann darfst du nicht für den Feminismus Partei ergreifen.
Ich wette, zumindest ein Teil derjenigen, die gerne Witze über männliche Feministen machen, würden schon jetzt, wenn sie den nackten Kern ihres Spottes sehen, dem nicht mehr zustimmen. Und doch steckt genau dieser Schluss hinter jeder Kritik an männlichen Feministen, der nicht über die Tatsache hinausgeht, dass jemand Feminist und Mann ist.
Schauen wir uns diesen Satz als nächstes mal genauer an. Zwei Dinge erscheinen mir an ihm bemerkenswert.
1. Zunächst ist es ein Konditional: Wenn du keine Frau bist, dann darfst du nicht für den Feminismus Partei ergreifen.
2. Ferner haben wir hier mal wieder diese vertrackte Situation, dass wir einen faktischen Vordersatz haben und normativen Folgesatz: Wenn du keine Frau bist, dann darfst du nicht für den Feminismus Partei ergreifen.
2. habe ich mich bereits früher gewidmet. Zusammengefasst: Aus einem Zustand, der ist kann niemals automatisch ein Zustand folgen, der sein sollte. Wir müssen uns immer die Frage stellen: „Wollen wir so leben?“
1. hat eine knackige Pointe. Formal betrachtet ist nämlich ein Konditional immer dann wahr, wenn der Folgesatz wahr ist und dann falsch, wenn ebenjener Folgesatz falsch ist. Dabei ist der Vordersatz so egal wie der katholischen Kirche wissenschaftliche Kriterien bei der Aufklärung von Missbrauchsskandalen.
Was heißt das für uns? Kurz gesprochen, dass wir nur prüfen müssen, ob der Satz „Du darfst nicht für den Feminismus Partei ergreifen“ wahr ist. Womit wir natürlich wieder zurückgeworfen werden auf unseren Sein-Sollen-Fehlschluss, denn ein normativer, ein ethischer Satz kann ja nicht wahr sein, sondern nur beantwortet werden mit „Wollen wir so leben?“
Die Antwort auf diese Frage ist nun schon so banal, dass sie fast langweilig ist: natürlich gehört die Redefreiheit zu einem der höchsten Güter unserer Gesellschaft, weswegen wir niemandem einfach so das Wort verbieten würden, oder? Zumindest kommen die Redefreiheitsapologeten immer dann aus ihren Löchern gekrochen, wenn sie die freie Rede mal wieder durch den Islam bedroht sehen.
Auf mich scheint es so, als liege der Kritik an männlichen Feministen gerade das Eingeständnis zugrunde, dass es eine unterschiedliche Verteilung von Privilegien zwischen Frauen und Männern gibt, ferner, dass dies für Männer wünschenswert ist und ein Mann folglich schön blöd, wenn er sich selbst seiner Rechte beschneiden will.
Ich persönlich finde diese Haltung schlichtweg kleingeistig und dies lässt sich am besten zeigen, indem wir den Exklusionsfehlschluss auf andere Bezugnahmegebiete anwenden.
Dem Argument:
Wenn du keine Frau bist, dann darfst du nicht für den Feminismus Partei ergreifen.
Liegt die gleiche Struktur zugrunde wie den folgenden Argumenten:
Wenn du nicht schwarz bist, dann darfst du nicht gegen Rassismus sein.
Wenn du kein Moslem bist, dann darfst du keine Kritik am Islam äußern.
Wenn du kein Hartzer bist, dann darfst du das Arbeitslosengeld II nicht schlecht finden.
Wenn du kein Bayernfan bist, dann darfst du die Bayern nicht doof finden.
Wenn du nicht in der NPD bist, dann darfst du nicht über ihr Verbot nachdenken.
Wenn du keine Kinder hast, dann darfst du keine Kritik an Kindesmissbrauch äußern.
Und wenn ihr diesen Schlüssen allesamt zustimmt, solltet ihr euch Gedanken machen, ob ihr wirklich in der richtigen Gesellschaft lebt.
Ich bin raus
Sehr schön. Konditional, Folgesatz und Wahrheit lassen meinen Kopf ein bisschen schwirren. Aber ansonsten kriegst du mich jetzt ins Bett.
„Liegt die gleiche Struktur zugrunde wie den folgenden Argumenten:“
Für mich gehört auch das Thema dazu: „Sexismus?? Auch Männer leiden unter Belästigung von Frauen.“
Das ist kein Argument, sondern ein völlig anderes Thema, das man nicht aufrechnen darf.
So ein Satz ist (wie der Exklusionsfehlschluss) ein Versuch die Argumente des anderen von vorneherein zu entkräften. Diese können nicht gelten, denn…
Nur ein Gedanke.
Man kann in einer Bewegung nicht kritisieren, dass die Gesellschaft von Männern und ihren Idealen dominiert wird und gleichzeitig Männer ausschließen, die genau das auch einsehen.
Es sei denn, den KritikerInnen geht es um die Kritik allein – dann steht ihnen nämlich eine Identitätskrise bevor, wenn ihnen auf einmal vom anderen Geschlecht zugestimmt wird. Das gilt es natürlich auf jeden Fall zu vermeiden…
So einfach ist das alles leider nicht:
Wenn du nicht schwarz bist, dann darfst du gegen Rassismus sein, aber nicht für Schwarze sprechen.
http://maedchenmannschaft.net/schulternklopfen-fuer-die-opfer/
Nun, ich stimme teils zu. Das Argument selbst ist ziemlich dämlich, korrekt.
Doch zwei Kritikpunkte:
1. Ein Konditional (Implikation) ist genau dann wahr, wenn seine Konsequenz (Sukzedens) wahr ist. Allerdings sollten wir nicht allein formal urteilen, denn wenn der Vordersatz (Antezedens) falsch ist und die Konsequenz wahr, sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir Schlüsse ziehen. Streng genommen ist nämlich das Argument dann unwahr, selbst wenn die Konsequenz wahr ist. Die Schlussregel ist dann nämlich fehlerhaft – und das sollte sich nicht durchschleifen in anderen Argumenten.
2. Deine Beispiele hinken und zeigen, dass du das Problem nicht in jedem Moment korrekt durchdacht hast. Nur ein Beispiel:
Korrekt wäre das Beispiel, wenn es hieße:
Ansonsten stimme ich zu: Es ist verwirrend. Ich denke, man sollte für Gerechtigkeit einstehen, selbst wenn es eigenen, egoistischen Interessen widersprechen könnte.
Bei 1. hast du vollkommen Recht, es ging mir ja auch eher um die Pointe, dass es sich um einen normativen Setz handelt, somit Wahrheitsansprüche nicht weiterhelfen, sondern mein „Wollen wir so leben?“
Das ist falsch, ich kann mein Bezugnahmegebiet erweitern oder verengen, wie ich will, der Schluss bleibt gleich. Egal welches Bezugnahmegebiet ich aufmache, es ist immer rein kontingent. Du wirst nie einen irgendwie ontologisch gearteten Grund finden, Menschen aus einer Diskussion auszuschließen. Von Daher ist es Jacke wie Hose, ob ich von Bayernfans oder -mitgliedern spreche…
Hallo,
eigentlich ein schön geschriebener Artikel. Leider ist bezüglich der Logik darin einiges falsch dargestellt. Da sich die Argumentation aber stark auf die Logik bezieht, will ich diese Fehler hier kurz benennen.
Zum einen sind Argumentationen und Schlüsse nicht falsch oder wahr, sondern, im Falle deduktiver Schlüsse, gültig oder ungültig. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine beliebige Redeweise. Es kann nämlich durchaus Schlüsse geben, in denen kein einziger Satz wahr, die insgesamt aber gültig sind. Ebenso gibt es Schlüsse, die nur wahre Sätze enthalten, aber ungültig sind.
Viel wichtiger aber für Deine Argumentation ist folgende Behauptung: „Formal betrachtet ist nämlich ein Konditional immer dann wahr, wenn der Folgesatz wahr ist und dann falsch, wenn ebenjener Folgesatz falsch ist. Dabei ist der Vordersatz so egal wie der katholischen Kirche wissenschaftliche Kriterien bei der Aufklärung von Missbrauchsskandalen.“
Das ist falsch. Ein Konditional ist nur dann falsch, wenn der Vordersatz (das Antezedens) wahr und der Folgesatz (das Konsequens/Sukzedens) falsch ist. In allen anderen Fällen ist es wahr. Es ist also keinesfalls so, dass der Vordersatz egal wäre. Ebenfalls ist es nicht richtig zu behaupten, ein Konditional sei falsch, wenn der Folgesatz falsch ist. Ist nämlich auch der Vordersatz falsch, ist das Konditional insgesamt wahr.
Liebe Grüße,
Alex
Ich habe das in der Tat verkürzt dargestellt und stimme dir vollkommen zu.