Platons Sprachphilosophie

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Daniel
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Platons Sprachphilosophie

Meine Platon-Reihe nähert sich nun wirklich ihrem Ende. Bevor ich noch einmal abschließend zurück- und dann nach vorne blicke, wenden wir uns noch Platons Ansichten zu Sprache und Schrift zu. Beginnen werde ich heute mit Platons Sprachphilosophie. Entweder im Video oder darunter in Schriftform

Mir ist klar, dass der Spruch nach nunmehr 30 Folgen einfach nur noch nervt, dennoch: Auch in der Sprachphilosophie war Platon bahnbrechend. Allerdings hat er definitiv die falschen Antworten gegeben, seine Sprachphilosophie war in etwa so sinnvoll wie die Strategie der Bundesregierung zum Breitbandausbau. Aber Platon hat doch – was nicht zu unterschätzen ist – die richtigen Fragen gestellt und so die Sprachphilosophie erfunden, aus der später dann die Sprachwissenschaft hervorging.

Der entscheidende Dialog für Platons Sprachphilosophie ist der ‚Kratylos‘ und er beschäftigt sich dort mit der Ur-Frage, die diese Disziplin umtreiben sollte, bis Ferdinand de Saussure sie wohl abschließend beantwortete: Ist die Bedeutung von Wörtern rein konventionell, also von Menschen gemacht, oder gibt es natürliche Bedeutungen?

Da die Theorien, die Platon uns unterbreitet, in etwa so unzutreffend sind, wie die These, dass das Dschungelcamp eine gute Fernsehshow ist, werde ich nicht darauf eingehen. Aber ich werde euch erzählen, welche Themen allesamt angerissen werden. Blicken wir in den Text!

Arbiträre Bedeutung und Wahrheit von Sätzen

Die erste, wichtige Erkenntnis im Kratylos ist, dass die Bedeutung von Wörtern nicht in gleicher weise konventionell sein kann wie andere Konventionen, zum Beispiel die von Markennamen. Ich kann meine Marke nennen, wie es mir passt und ich kann den Namen sogar ändern, wenn ich Spaß daran habe und aus Raider Twix machen. Aber gleiches kann ich, wenn ich verstanden werden will, nicht mit einem Wort wie „Haus“ machen. Wir können heute mit Sicherheit sagen, dass die Bedeutung von Wörtern konventionell oder besser arbiträr ist, wie die Sprachwissenschaft sagt. Aber sie ist nicht willkürlich.

Der nächste Punkt führt uns zurück zum Verhältnis vom Ganzen zu seinen Teilen. Eine Frage, die Platon wiederholt beschäftigte: Wir rissen sie schon einmal in der Folge zum Sinn des Lebens an und im Zusammenhang mit der Frage, was Wissen ist, hatten wir gesagt, dass das Ganze nur wahr sein kann, wenn auch seine Teile wahr sind.

Platon will diese These von der Wahrheit vom Ganzen und seinen Teilen hier auch für Sätze und Wörter geltend machen. Das ist allerdings kompletter Bullshit. Ungefähr so hanebüchen wie zu behaupten, dass der Klimawandel nicht menschengemachten ist, obwohl all unsere Messdaten das Gegenteil sagen. Der Satz „Der aktuelle Klimawandel ist nicht von Menschen gemacht“ ist falsch. Aber die darin vorkommenden Wörter wie zum Beispiel „Klimawandel“ oder „Menschen“ sind deshalb nicht falsch. Die Rede von falschen Wörtern ist komplett unangebracht. Aber auch diese falsche These hatte etwas Gutes an sich: Sie war der Ausgangspunkt für Aristoteles, Platons Schüler, ein für alle Mal zu klären, was denn überhaupt die kleinste Einheit ist, die wahr oder falsch sein kann. Und die Antwort lautet: Der Satz.

Verschiedene Sprachen und treffende Wörter

Weiter stellt sich Platon die Frage, wie es denn sein kann, dass es verschiedene Sprachen gibt. Wörter dienen doch dazu „das Wesen von Dingen zu bezeichnen“, wie er es nennt. Wie können denn zwei verschiedene Wörter das gleiche Ding bezeichnen? Platon gibt auf diese Frage eine schön links-grün-versiffte Multi-Kulti-Antwort. Um die Existenz verschiedener Sprachen zu erklären, benutzt er die Werkzeug-Metapher für die Sprache, die zum Beispiel auch Ludwig Wittgenstein später oft verwenden sollte: Demnach sind Wörter wie Werkzeuge. Und dass es verschiedene Sprachen gibt, braucht uns nicht zu wundern, man kann ja auch Werkzeuge aus verschiedenen Materialien und auf verschiedene Art und Weise herstellen. Dennoch erfüllen sie den gleichen Zweck.

Der nächste Punkt, der angerissen wird, ist die Frage, ob es treffendere Wörter gibt und solche, die weniger geeignet sind, um die Dinge zu bezeichnen. Auch hier stecken zwei Aspekte drin, die so wegweisend sind wie Google bei der Suche im Internet. Zum einen wird hier die Fixierung auf die Benennungsfunktion der Sprache sichtbar, die sich auch bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen sollte. Die Sprachphilosophie kümmerte sich lange nur darum, wie genau das Verhältnis von Sprache und den Dingen ist, die sie benennt. Erst so Philosophen wie Wittgenstein, Austin und Searle setzten dieser verengte Perspektiveiv ein Ende und fingen an, sich mit anderen Funktionen von Sprache auseinanderzusetzen. Aber der zweite spannende Aspekt ist, ob die Wörter im Besonderen und die Sprache im Allgemeinen sich verbessern lässt, um die Welt besser darzustellen.

Taxonomie und Idealsprache

Dies ist ein Gedanke, der sich auf die Taxonomien der Wissenschaften ausgewirkt hat. Zum Beispiel lauten die Fachbezeichnungen für Tiger und Löwen: Panthera tigris und Panthera leo. Das sind fraglos geeignetere Namen als unsere umganssprachlichen, da durch sie schon die Verwandtschaft der Großkatzen klar wird.

Neben den Taxonomien war das Projekt der Idealsprache in der analytischen Philosophie des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts ein Versuch, eine geeignetere Sprache zu erzeugen und so die Welt besser abzubilden. Und aus diesem Projekt ging die Formale Logik hervor, die wiederum zur Grundlage aller Programmiersprachen und somit des Computerzeitalters wurde. Ohne Platon gäbe es also kein iPhone!

Etymologie und Onomatopoetika

Im Kratylos beginnt Platon weiterhin mit der Etymologie, also der Untersuchung der ursprünglichen Bedeutung von Wörtern, dies wurde in Form der Philologien zur nerdigsten aller Teildisziplinen der Sprachwissenschaft. Genauso streift Platon das Phänomen der Onomatopoetika – einem spannenden Grenzfall sprachlicher Laute. Wie gesagt, gehen wir heute davon aus, dass Sprache arbiträr ist, es also keine natürliche Bedeutung gibt, sondern diese menschengemacht ist. Aber Onomatopoetika scheinen ihre Bedeutung aufgrund von Ähnlichkeiten zu bekommen: Der Schrei des Hahns wird mir „Kikeriki“ bezeichnet, „weil es sich eben so anhört“. Zugleich hört er sich in verschiedenen Sprachen anscheinend unterschiedlich an. Englische Hähne schreien demnach „cock-a-doodle-doo“ und portugiesische „cocorocó“!

Linguistic Turn

Und zu guter letzt stellt Platon die Frage, die später, im 20. Jahrhundert zum sogenannten Linguistic Turn der Philosophie führen sollte: Stellt die Sprache die Welt richtig dar? Der Linguistic Turn, der oft falsch mit „Linguistische Wende der Philosophie“ übersetzt wird und der eigentlich die Sprachkritische Wende der Philosophie ist, ist eine große Strömung in der Philosophie, die besagt: Dass unsere Sprache die Welt nicht nur abbildet sondern unsere Wahrnehmung von der Welt entscheidend prägt. Es ist die heute größte und wichtigste Strömung der Philosophie und auch sie findet letztlich ihren Ausgangspunkt bei Platon. Wir sind eben alles nur Fußnoten.

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