Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Die verschollene Folge 17
Heute geht es um Pragmatik. Sie ist neben Syntax und Semantik eine der drei wesentlichen Arten, Sprache zu analysieren. Pragmatik beschäftigt sich mit dem Handlungsaspekt von Sprache und in ihrem Zentrum steht der Begriff der Kommunikation. Was ist Kommunikation? Was macht sie besonders? Und warum kann man sich ihr nicht entziehen?
Wenn du ins Internet über Sprache schreibst, kommt früher oder später immer jemand, der oder die behauptet, dass es doch total egal ist, ob wir etwa „Zigeunersauce“ oder „Negerkuss“ sagen. Wichtig wäre doch allein, was wir meinen oder denken und es sei doch ganz klar, dass sie keine Rassisten seien, bloß weil sie Worte verwenden, die so klingen. Eine beliebte Variante dieses Arguments ist auch gerne die Marxsche Wende, dass es doch egal ist, was wir sagen. Statt dessen zählten allein unsere Handlungen.
Einmal ganz davon abgesehen, dass diese Einstellung übersieht, dass eine sprachliche Äußerung immer auch eine Handlung ist (womit ich mich zu anderer Zeit noch einmal auseinandersetzen werde), ist sie auch deswegen falsch, weil die Sprache das Medium meiner Gedanken ist. Somit ist wesentlich für meine Weltsicht, meine Lebensform, meine Wünsche, Träume und Überzeugungen, welche Worte ich verwende.
Ich möchte und werde diesen Gedanken in Zukunft weiter ausführen, doch um ihn zu verstehen, muss ich zunächst einmal erklären, was ein Medium ist. Denn der Begriff des Mediums ist selbst so kompliziert weil so unscharf in unserer alltäglichen Verwendung, dass ich für seine Bestimmung einen ganzen Blogpost brauchen werde.
Wie immer gilt: was ich hier schreibe ist nicht auf meinen Mist gewachsen. Es geht auf viele schlaue Köpfe zurück, die ich im Laufe des Textes und als Literaturtips am Ende auch nennen werde. Allerdings werde ich nicht Zitate im einzelnen belegen, dies ist ein Blogpost, den ich an einem grauen Novembernachmittag runterschreibe und keine wissenschaftliche Arbeit.
Von der Metaphysik zurück zum Alltag
Wie fange ich an? Gemäß Wittgenstein am besten damit, dass ich den Begriff von seiner metaphysischen wieder in seine alltägliche Sphäre zurückführe und mal schaue, wie wir ihn verwenden. Wir alle benutzen das Wort „Medium“ ständig. Es ist von alten und neuen Medien die Rede, von Massenmedien, vom Medium Zeitung, Internet, Fernsehen oder Radio. Wir alle haben extensional eine ziemlich exakte Vorstellung davon, was der Begriff umfasst, ohne dass wir ihn im einzelnen intensional definieren können. Versuchen wir es, kommen wir schnell auf Begriffe wie Sender und Empfänger, Symbole, Botschaften, Bilder oder Sprache.
Diese stümperhafte, stichprobenartige Analyse unseres alltäglichen Medienbegriffs stößt uns gleich auf eine erste Unterscheidung. Es gibt einen weiten und einen engen Medienbegriff. In der weiten Verwendung meint der Begriff des Mediums immer etwas das als Träger oder Mittel für etwas anderes dient. Wir sprechen dann vom Licht als Medium des Sehens, vom Wasser als Medium des Schwimmens, vom Auto als Medium der Fortbewegung und vielleicht sogar vom Kran als Medium des Hochhausbaus.
Demgegenüber steht die enge Verwendung des Medienbegriffs. In dieser hat ein Medium immer etwas mit einer Botschaft (im Sinne von Message nicht im Sinne von Spionage), mit einem Symbolsystem zu tun. Die Zeitung bringt uns die Nachrichten, das Internet bringt uns Meme, im Fernsehen läuft die Daily Soap und im Radio laufen die aktuellen Charts.
Ich bevorzuge diesen engen Medienbegriff aus zweierlei Gründen. Zum einen kommt er meines Erachtens dem alltäglichen Gebrauch des Wortes „Medium“ näher und das sollte immer unsere Basis sein. Die weite Verwendung erscheint mir eher wie eine Metapher. Erst wenn ich anhand von Büchern, Filmen, Comics, CDs etc. verstanden habe, was ein Medium ist, kommt es mir überhaupt in den Sinn soetwas wie Licht oder ein Auto Medium zu nennen.
Zum anderen ist ein Begriff ein Terminus und in diesem steckt der lateinische Ausdruck für Grenze oder Grenzpunkt. Ein Begriff begrenzt immer eine Bedeutung, indem er sie von anderen Begriffen mit anderen Bedeutungen unterscheidet. Daher sind Begriffe, die letztlich alles bedeuten können, sinnlos. Ich habe so den Eindruck, als würde genau das auf unseren weiten Medienbegriff zutreffen.
The medium is the message
Einer der berühmtesten Medientheoretiker war Marshall McLuhan, der für genau zwei Sachen berühmt ist: 1. Den Satz „The medium is the message“ und 2. seinen Gastauftritt in Woody Allens Annie Hall:
Ich habe McLuhan zwar in meinem Studium gelesen, aber das ist so lange her, dass ich mich kaum daran erinnern kann. Daher kann ich nicht genau sagen, was er mit seinem Zitat meinte, aber ich kann zumindest sagen, was in der Rezeption, besonders in der popkulturellen allzu oft daraus gemacht wurde: Nämlich die Behauptung, dass die Botschaft gar keine (gesonderte) Rolle mehr spiele, dass sie im Medium aufgehe und nicht von dem Medium losgelöst werden könne. Das ist in etwa das diametrale Gegenteil der Position der oben erwähnten Anhänger einer strikten Unterscheidung von Sagen, Denken und Handeln. Und ich denke, es ist zumindest in diesem Extremismus genauso falsch.
Spielen wir dafür mal folgendes Sprachspiel durch:
Ein Land, nennen wir es „Gondor“ wird von einem verfeindeten Land, nennen wir es „Mordor“ angegriffen. Gondor möchte nun seinen Verbündeten mit dem hypothetischen Namen „Rohan“ zu Hilfe rufen. Gondor möchte also die Botschaft „Hilfe“ mit einem Medium nach Rohan transportieren. Wären Medium und Botschaft eine nicht zu trennende Einheit, könnte Gondor das nur mit dem hypothetischen Medium „Zettel in der Hand eines Boten machen“. Es ist nun leicht einzusehen, dass Gondor statt dessen noch ganz andere Möglichkeiten hat: Raben mit Zettel versehen, Telefon, Whatsapp oder so etwas weit hergeholtes wie Leuchtfeuer.
Worauf ich hinaus will ist also, dass ein Medium weder unlösbar mit einer Botschaft verbunden ist, noch sich komplett neutral gegenüber der Botschaft verhält.
Die symbolisierende Performanz
Mein ehemaliger Prof. Christian Stetter vertritt die Auffassung vom Medium als symbolisierender Performanz. Dieser Medienbegriff hat eine ganze Reihe Vorteile, aber auch ein paar Nachteile. Was meint „symbolisierende Performanz“?
Zum einen steckt da wieder der Enge Medienbegriff drin: Medien haben immer etwas mit Symbolen zu tun. Sie erzeugen oder transportieren Symbole. Zum anderen steckt die Performanz drin, die uns vor allem aus der Kunst oder dem Tanz in irgendwelchen Castingshows bekannt ist. Eine Performanz ist ein Vollzug, eine Handlung, etwas, das zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindet und dann wieder vorbei ist. Wie hängt das nun mit unserem Medium zusammen? Ganz einfach: Ein Medium transportiert Symbole, aber es ist kein Ding, sondern ein Vollzug.
Das erscheint zunächst einmal kontraintuitiv, besonders wenn wir uns wieder an der alltäglichen Verwendung abarbeiten. Aber es ist gar nicht so kontraintuitiv, wenn man darüber nachdenkt: Eine Zeitung ist nur dann ein Medium für Nachrichten, wenn ich sie lese. Wenn ich hingegen mein Geschirr bei einem Umzug damit polstere, ist es bloß noch ein Ding, das ich als austauschbares Mittel zu irgendeinem Zweck einsetze. Mit Büchern kann ich hervorragend Blumen oder Herbstlaub pressen, aber das macht sie nicht zum Medium für einen Roman. Erst das Lesen macht sie dazu. Das iPad könnte ich als Brettchen zum Hacken von Kräutern benutzen, aber erst wenn ich etwa damit im Internet surfe, wird es zu einem Medium fürs Internet. Und ich hatte mal ein Handy, mit dem ich hervorragend Bierflaschen öffnen konnte. Aber erst wenn ich damit telefonierte, wurde es zum Medium für meine Gespräche.
Christian Stetter verdeutlicht diesen Punkt, indem er den Begriff des Mediums von dem des Mittels abgrenzt. Ein Mittel ist eine Handlung zu einem bestimmten Zweck, die diesem Zweck vorausgeht und die austauschbar ist. Mein Zweck ist es, unversehrtes Geschirr in meiner neuen Wohnung zu haben, das Mittel ist die Polsterung dieses Geschirrs. Aber ich kann außer mit Zeitungen auch mit Luftpolsterfolie polstern. Will ich hingegen einen Roman lesen, so muss ich zum Buch greifen und das Lesen der Geschichte funktioniert auch nur solange ich das Buch zur Hand habe. Lege ich das Medium weg, so steht mir meine Botschaft nicht mehr zur Verfügung. Ein Mittel ist hinreichende Bedingung zur Erreichung eines Zwecks. Das Medium hingegen ist notwendige Bedingung.
Diese pragmatische Wendung des Medienbegriffs weg vom Ding hin zur Handlung ist meines Erachtens eine clevere Näherung an den Begriff, allerdings hat sie auch ein Problem: Denn sie kann nicht den Unterschied zwischen ephemer und persistent erklären, den Stetter in der Sprachwissenschaft selbst aus Tapet brachte: Ein wesentlicher medialer Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ist, dass gesprochene Sprache ephemer ist, vergänglich, ja flüchtig. Ausgesprochen ist das Wort auch schon wieder verschwunden. Die geschriebene Sprache ist hingegen persistent. Das geschriebene Wort steht wie eine Skulptur auf dem Papier, dem Stein oder dem Bildschirm und kann jederzeit wieder betrachtet werden. Diesen Unterschied kann ich aber nicht erklären, wenn ich das Medium selbst als Performanz verstehe. Denn Performanzen sind Handlungen, Ereignisse, also per se immer ephemer. Es muss zur Performanz also noch etwas anderes hinzukommen: ein physisches Substrat. Aber das nur am Rande, denn mein Studium liegt jetzt auch schon ein paar Jährchen zurück und ich kenne die neuesten Entwicklungen in der Medientheorie nicht.
Die Spur des Mediums
Kommen wir lieber zurück zur These, dass das Medium die Botschaft ist. Sybille Krämer hat eine sehr elegante Lösung gefunden zwischen dem Widerstreit in der Position, dass das Medium und die Botschaft unlösbar voneinander sind und jener, dass das Medium gar keinen Einfluss auf die Botschaft hat. Sie löst dieses Problem aristotelisch, indem sie feststellt, dass Medium und Botschaft zwar durchaus zwei getrennte Phänomene sind (ob Dinge oder Handlungen, lass ich jetzt mal dahingestellt), dass aber der Botschaft „die Spur des Mediums“ anhaftet.
Eine wunderbar Metapher, wie ich finde. Sie wird auch jedem sogleich verständlich, der schon einmal die Verfilmung eines Buches gesehen hat, das er zuvor gelesen hat. Im Grunde erzählen beide die gleiche Geschichte: Etwa dass Frodo einen Ring in einen Vulkan schmeißen soll. Aber dem Buch steht dabei alle Zeit der Welt zur Verfügung. Romane, für die ich hunderte Stunden Lesezeit brauche, sind kein Problem im Medium des Buches. Hingegen ist das Medium Spielfilm diesbezüglich beschränkt. Es kann nicht jeden bekloppt vor sich hin singenden und tanzenden Nebencharakter eine Stunde Screentime gewähren. Auch funktionieren manche Dinge im Film überhaupt nicht, die im Buch hervorragend klappen. Lady in the Lake hat uns gezeigt, dass ein Film mit Ich-Erzähler nicht funktioniert. Hintergrundgeschichten und innere Monologe sind andere Probleme des Films. Aber der Film kann anderes schaffen: Bilder. Er zeigt uns, wie ein Balrog aussieht, nimmt uns mit zum Mond oder lässt in der Matrix die Schwerkraft nur als eine Option erscheinen.
Ich schaue gerade die Serie Six Feed Under und an dieser sieht man hervorragend, wie das Medium Internet das Medium Serie verändert hat. Die Serie ist von 2001, also aus einer Zeit, in der Streaming noch keinerlei Rolle spielte und auch die DVD gerade erst dabei war, das Video abzulösen. Damals wurden Serien noch fast ausschließlich im Fernsehen gesehen. Pro Woche eine Episode. Das zeigt sich in Six Feed Under am Intro, das geschlagene 1:39 Minuten dauert.
Das ist kein Problem, wenn ich es bloß einmal in der Woche sehe, denn es ist ein sehr gut gemachtes Intro. Aber wenn ich Serien streame und mir eine Folge nach der anderen angucke, nervt das ungemein. Dem gegenüber stammt die Serie Breaking Bad von 2008. DVDs waren da schon ein alter Hut. Streaming allgegenwärtig und den Machern war vollkommen bewusst, dass die Zuschauer eine Folge nach der anderen hintereinander weggucken werden. Was dazu führt, dass das Intro sechs Akkorde und ein Grillenzirpen lang ist, 17 Sekunden.
An dem Medium Serie haftet die Spur des Internets… Nebenbei zeigt es auch, dass Medien in Medien in Medien verschachtelt sind…
Soweit soll das genügen. Jetzt habe ich meinen Medienbegrif vorgestellt und kann nun demnächst mal abbiegen in Richtung „Die Sprache ist das Medium meiner Gedanken“. Aber ich kann auch genauso betrachten, inwiefern das Medium Internet Botschaften verändert, die ehedem uns anders übermittelt wurden.
Ich bin raus. vorerst…
Literatur:
Marshall McLuhan: The Medium is the Message bei Amazon*
Christian Stetter: Schrift und Sprache bei Amazon*
Christian Stetter: System und Performanz bei Amazon*
„Das macht Sinn.“ ist eine kurze Phrase, drei kleine Wörter, Subjekt, Prädikat und Objekt. Keine große Nummer in der deutschen Sprache, nicht zu vergleichen mit:
„Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das läßt sich bald aus dem Erfolg beurteilen.“
Und dennoch spaltet „das macht Sinn“ die Gemüter, lässt Zeitgenossen haufenweise die Zornesröte ins Gesicht steigen. Ja, wird fast so heiß diskutiert, wie der richtige Artikel vor Nutella oder gar das gendergerechte Binnen-I.
Der jüngste Fall dieses Hasses auf drei kleine Wörter, die so unschuldig daherkommen, begegnete mir bei der letzten Episode von wir.müssen reden, als Max Winde erklärte, er habe sogar mal für Spreeblick ein Programm geschrieben, das „das macht Sinn“ grammatikgerecht umwandelt.
Aber warum? Was ist so schlimm an diesem kleinen Satz und woher kommt die Verachtung dieser kurzen, allzu kurzen Phrase gegenüber?
Es geht wohl alles zurück auf den Zwiebelfisch, der nicht mehr ganz so populären Kolumne von Bastian Sick, in der er sich auf dem Höhepunkt seines Erfolges, 2003, zu einem Rant (bevor dieser Anglizismus gebräuchlich wurde, den Herr Sick sicherlich ebenfalls verachtet) gegen unsere drei kleinen Wörter aufmachte.
Im Jahr 2003 steckte ich mitten im kommunikationswissenschaftlichen Studium und hatte bereits die Ausfahrt in Richtung Schwerpunkt Linguistik genommen. Und dort, in der Linguistik, schwappte Herrn Sick mindestens soviel Verachtung entgegen, wie sie heute das Machen von Sinn erfährt. Das hatte neben dem ganz profanen Neid auf seinen Erfolg tatsächlich auch einen fachlichen Grund, da Herr Sick vor allem durch gefährliches Halbwissen aus dem Dunstkreis des Vereins Deutsche Sprache glänzt.
Doch zurück zu „Das macht Sinn“, was ist denn nun so schlimm an dieser grammatisch erst einmal korrekten Zusammenstellung dreier deutscher Wörter?
Kritikpunkt 1 von Herrn Sick und seitdem tausendfach nachgesagt:
„That makes sense“ mag völlig korrektes Englisch sein, aber „Das macht Sinn“ ist alles andere als gutes Deutsch.
„Das macht Sinn“ ist also, zumindest seinem Ursprung nach, ein Anglizismus. Das allein ist schon verwerflich genug und keiner von uns würde wagen, solch schändliche Worte wie Internet oder iPhone in den Mund zu nehmen, okay? Äh, ich meine natürlich „in Ordnung“? Sick hat schon Recht, Anglizismen sind eindeutig ein Zeichen des Sprachverfalls, das hätte es zu Thomas Manns Zeiten nicht gegeben! Oder? Nun gut, der gute alte Monsieur Homme schreibt zwar:
„Das ist für mich wie ein Traum, musst du wissen, dass wir so sitzen –
comme un rêve singulièrement profond, …“
Aber das ist etwas anderes, weil Französisch! Und wenn ich noch einmal kurz Herr Kant das bestätigen könnte, dass Fremdsprachengebrauch unser Deutsch kaputt macht. Bitte, Immanuel, Sie haben das Wort:
De nobis ipsis silemus: De re autem, quae agitur, petimus: ut homines eam non Opinionem, sed Opus esse cogitent; ac pro certo habeant, non Sectae nos alicuius, aut Placiti, sed utilitatis et amplitudinis humanae fundamenta moliri.
Nun, das ist mir jetzt ein bisschen unangenehm. Aber immerhin kommt das Französisch in anständigen deutschen Restaurants nicht auf den Tisch und lateinische Wörter sind im deutschen nicht Legion! Oh…
Doch schlimmer ist ja, dass „es macht Sinn“ auf eine falsche Übersetzung zurückgeht, so Sick. Oha! Eine falsche Übersetzung, wie konnte die sich nur so trügerisch ihren Weg in unseren Sprachschatz erschleichen? Nun gut, es gibt da die Fisimatenten, die auf die Napoleonischen Soldaten und ihre Einladung an die Damen-Welt, das eigene Zelt zu besuchen, zurückgehen. Ja gut, es gibt da auch dieses Handy, das auch irgendwie ganz unglücklich den Platz unseres guten alten Mobiltelefons eingenommen hat, aber sonst, ja sonst ist die deutsche Sprache doch sicher komplett frei von so etwas niveaulosem wie Übersetzungsfehlern! Das Menü in unseren Computern, das eigentlich eine Speisekarte ist, lassen wir jetzt einfach mal unter den Tisch fallen…
Sick erklärt uns aber – zum Glück – auch noch, warum es inhaltlich falsch ist, das etwas Sinn macht. Denn Sinn macht man nicht, Sinn hat man, wegen Etymologie und so! Klar. Verstehe ich voll und ganz. Und wo wir schon dabei sind, was ist eigentlich dieses „es“ bei „es regnet“. Macht das Sinn? Und wenn ich „etwas feststelle“, was genau „steht“ dann ? Und wie „fest“? Und warum ist dir kalt? Wo du doch eigentlich ein Kältegefühl hast? Oder bist du es etwa, die kalt ist? Was sagst du, wenn du jemandem Glück wünschst, etwa weil ihm oder ihr eine schwere Operation bevorsteht? Kleiner Tipp: „Herzlichen Glückwunsch“ solltest du lieber nicht sagen!
Sprache ist auf der Wortebene nicht logisch, sie macht dort oft keinen Sinn. Das ist ein grundsätzliches Missverständnis bei der Kritik an „das macht Sinn“. Gottlob wusste schon Frege, dass das Wort erst im Satzzusammenhang Bedeutung erhält. Abendstern und Morgenstern mögen mir verzeihen, dass ich hier so schamlos Sinn und Bedeutung in einen Topf werfe. Sicks Artikel streift übrigens auch einmal linguistische Realität, allerdings nur aus Versehen, da ironisch:
Die breite Masse der „macht Sinn“-Sager denkt sich nichts dabei, vielleicht hält sie die Redewendung sogar für korrektes Deutsch. Schließlich hört man es doch täglich im Fernsehen … Ob nun richtig oder falsch, was „macht“ das schon, solange es jeder versteht.
Denn die spannende Frage ist und bleibt, wie denn das Wort im Satzzusammenhang seine Bedeutung erhält, wie denn „Das macht Sinn“ sinnvoll wird. Alle, die schon manchmal hier reingelesen haben, ahnen es schon: Ludwig Wittgenstein gibt uns eine Antwort darauf.
Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.
Sprache ist eine zutiefst demokratische Institution. Das Volk macht sie, die Sprachgemeinschaft. Was die Sprachgemeinschaft sagt und wieder sagt und immer wieder sagt, das ist richtig. Deswegen überhören wir „Kids“ als normalen Ausdruck, runzeln aber die Stirn, wenn der VDS will, dass wir „Rangen“ sagen. Der Sprachwandel hat uns längst von letzterem zu ersterem hingetrieben. Schon Ferdinand de Saussure wusste zu sagen, dass eine der treibenden Kräfte für den Sprachwandel die Analogie ist, der Ähnlichkeitsschluss. Wir kennen sprachliche Regeln in der Regel nicht, wir wenden sie ganz automatisch an, wenn ein Ausdruck einem anderen ähnelt. Und warum sollte das auf genuin deutsche Phrasen beschränkt sein, wenn es auch mit „das macht Sinn“ ganz wunderbar funktioniert?
Nun, der naheliegende Einwand ist, dass „das macht Sinn“ eben ein falscher Freund ist. Dass es nur übernommen wurde, weil es so ähnlich klingt. Aber wir ja auch tunlichst nicht das deutsche Gift mit dem englischen gift verwechseln sollten, genauso wenig wie wir become mit bekommen übersetzen sollten.
Aber es gibt da einen gewaltigen Unterschied zu „das macht Sinn“. Letzteres hat eben – ganz typisch für ein Fremdwort eine semantische Lücke besetzt. Denn Fremdwörter verweilen nur im Deutschen, wenn sie ein Platz im Sprachgefüge finden, der noch frei ist, wenn sie zumindest eine Konnotation haben, die vom gängigen Gebrauch abweicht, weshalb es sich lohnt, etwa Download oder Laptop zu sagen. Und vielleicht sollten wir „das macht Sinn“ mal unter diesem Aspekt betrachten. Vielleicht ist am Sinn viel mehr machen als besitzen.
Schließlich machen erst einmal sprachliche Äußerungen Sinn und die sind vor allem auch Handlungen. Eine Schlussfolgerung kann sinnvoll sein. Aber ich muss etwas machen, um das zu erkennen, nämlich diesen Schluss auch ziehen. Und vielleicht erscheint uns ein Kunstwerk, eine Fremdsprache, eine Formel oder ein Code auf den ersten Blick sinnlos, aber wenn wir uns damit beschäftigt haben, damit auseinandergesetzt, damit gerungen, kurz: wenn wir gehandelt haben, dann macht es, sie, er verdammt noch einmal Sinn!
Drei Schlussanmerkungen
Mein Prof. sagte mal, die deutsche Sprache verdaut Fremdwörter und scheidet am Ende alles wieder aus, was sie nicht mehr braucht. Und er hat prognostiziert, dass nach den Anglizismen das Chinesische die nächste Invasion starten wird.
Ich glaube, @astefanowitsch hat mal geschrieben, dass die deutsche Sprache schon erwachsen ist und keinen Aufpasser braucht.
Aus alledem folgt natürlich auch – leider – dass das Doofen-Apostroph höchstwahrscheinlich eines Tages korrektes Deutsch sein wird. Es hat schon begonnen…