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Platon – Der Philosophenkönig – Folge 30
Heute machen wir heute nichts Wichtiges, wir beweisen nur mal eben die Existenz Gottes.
Heute machen wir heute nichts Wichtiges, wir beweisen nur mal eben die Existenz Gottes.
Heute möchte ich über die Existenz Gottes sprechen. Genauer gesagt über ein vertracktes philosophisches Problem, das damit im Zusammenhang steht: Das Euthyphron-Dilemma.
In diesem Advent präsentiere ich euch einen kleinen philosophischen Adventskalender. Jeden Tag stelle ich einen philosophischen Begriff vor und mache mir ein paar Gedanken dazu.
Heute geht es um Theodizee.
2019 ist schon fast wieder zur Hälfte rum, aber ich stecke noch mitten in meinen Jahresrückblicken. Das ganze Jahr über sammle ich die „Weisheiten“ meiner Töchter. Und entgegen des beliebten „Ihr Eltern denkt euch das alles doch nur aus“-Mems auf Twitter sind alle 18 hier versammelten Zitate echt. Doch ich will euch nicht länger auf die Folter spannen:
Meine Tochter (3) hat eine Frage von revolutionärer Tragweite: Wenn Kinder Geburtstag haben, dann sind sie Geburtstagskinder. Warum sind Erwachsene, wenn sie Geburtstag haben, dann nicht Geburtstagserwachsene?
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) May 24, 2018
Meine Tochter (3) läuft singend durch die Wohnung: „Und die Körbe sind für dich!“
Ich glaube, sie hat gerade Mark Forster gedisst …
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) March 25, 2018
Ich so „Belgien hat Panama 3:0 geschlagen.“
Meine Tochter (10) so: „Panama? Das ist doch eine Bananenfabrik?“Janosch, du hast meine Kinder verdorben!
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) June 19, 2018
Meine Tochter (3) so: „Isch habe Fußball gespielt im Kindergarten.“
Ich so: „Hast du auch ein Tor geschossen?“
Sie so: „Jaha, fünf Kilometer Tore!“Alter Falter, ich habe noch nie fünf Kilometer Tore geschossen!
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) June 19, 2018
Ich so: „Du hast aber lange nicht mehr in deinem eigenen Bett geschlafen.“
Meine Tochter (3): „Doch! Als die Banysitterin in eurem Bett geslafen hat. Das hast du im Kino nur nist gehört.“Warum hat die Babysitterin in meinem Bett geschlafen?! ??
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) January 8, 2018
Meine Tochter (3): „Gucken Mama und Papa was Gruseliges?“
Meine Tochter (10): „Nein, die gucken Star Trek. Da entdecken die neue Sterne oder langweilen sich, wenn sie keine neuen entdecken.“— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) April 21, 2018
Wir lesen ‚Die kleine Raupe Nimmersatt‘.
Ich so: „Sie war auch nicht mehr klein. Sie war groß und dick geworden.“
Meine Tochter (3) auswendig so: „Sie baute sich ein Haus, das man ‚Croissant‘ nennt.“– Jepp, das ist meine Tochter. ?
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) July 11, 2018
Im Aachener Dom.
Ich so: „Bitte sei leise.“
Meine Tochter (3): „Warum?“
„Weil hier Menschen beten.“
„Was ist beten?“
„Sie sprechen zu Gott.“
„Was ist Gott?“
Ich so: pic.twitter.com/yIjwvADrPe— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) August 12, 2018
Ich: „Du musst den Jenga-Turm aufbauen, um ihn in die Packung zu stecken.“
Meine Tochter (3): „Das geht auch so!“
„Das klappt nicht.“
„Doch!“
Sie versucht 10 Min, die Steine in den Karton zu fummeln.
Dann rennt sie aus dem Zimmer und schreit: „DAS GEHT NUR NICHT, WEIL IHR REDET!“— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) June 24, 2018
Meine Tochter (3) springt Seil, ich schwinge. Aus dem Kindergarten hat sie den Zählvers: „Wie viele Kinder wirst du kriegen? 1, 2, 3, …“ mitgebracht. Das ist mir etwas zu traditionell. Daher singen wir jetzt: „Wie viele Bücher wirst du schreiben? 1, 2, 3, …“
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) July 30, 2018
Die Dame: „Trink bitte dein Glas leer.“
Meine Tochter (3): „Dann muss ich aber wieder aufs Klo!“Sie hat die Sinnlosigkeit des Lebens verstanden. Ich glaube, jetzt ist sie bereit dafür, dass ich ihr als Gute-Nacht-Geschichte Camus vorlese.
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) August 3, 2018
Meine Tochter (3): „Da ist was in meinem Stiefel, das stört! Vielleicht ist das Karius und Baktus …“
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) January 26, 2018
Wir laufen an einem Sperrmüllhaufen vorbei.
Meine Tochter (4): „Guck mal: ein Skateboard!“
Ich: „Das ist ein Bügelbrett.“
Meine Tochter: „Was ist ein Bügelbrett?“Wir haben in der Erziehung alles richtig gemacht!
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) September 14, 2018
Meine Tochter (11) hat in der Schule beim „Kastaniensammel-Wettbewerb“ betrogen. Und es verdammt schwer, mir das Grinsen zu verkneifen, während ich ihr eine Strafpredigt darüber halten muss, wie moralisch verwerflich Kastaniensammel-Wettbewerbsbetrug ist.
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) September 18, 2018
Wenn ihr heute Abend noch feiern geht, dann nehmt euch den Rat meiner Tochter (11) zu Herzen: „Besser ein Laserschwert dabeihaben und nicht benutzen, als kein Laserschwert dabeihaben.“
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) August 18, 2018
Meine Tochter (10): „Die erste Regel des Boxclubs lautet: Wir reden nicht über den Boxclub.
Die zweite Regel des Boxclubs lautet: Wir reden nicht über den Boxclub.
Das kommt aus dem ‚Känguru Manifest‘.“Ja, ja, wir werden rückwärts in die Popkultur hineingeboren…
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) June 12, 2018
Die Dame: „Die Hose der Tochter schmeißen wir weg.“
Meine Tochter (3): „Aber ich mag die!“
Ich: „Aber sie hat Löcher.“
Meine Tochter: „Aber da kannstu was reistecken und das fällt dann unten raus!“Diese Diskussion hat sie gewonnen. Ich will jetzt auch so eine Hose.
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) January 24, 2018
Der Opa: „Das ist meine Apfelschorle.“
Meine Tochter (11): „Meins. Deins. Das sind doch bürgerliche Kategorien.“Der ungläubige Gesichtsausdruck des Opas geht aufs Konto von @realMarcUwe.
— Daniel Brockmeier (@Privatsprache) July 27, 2018
Heute machen wir heute nichts Wichtiges, wir beweisen nur mal eben die Existenz Gottes. Das könnt ihr euch als Video ansehen oder darunter das Transkript lesen.
Platons Gottesbeweis ist eine Variante des Arguments, für das sein Schüler Aristoteles berühmt werden sollte und das wir den „unbewegten Beweger“ nennen. Bei Platon ist es hingegen der sich selbst bewegende Beweger. Ich frage mich, ob Platon heute angepisst wäre, wenn er wüsste, dass das Beweger-Argument immer in einem Atemzug mit Aristoteles genannt wird. Es ist ein bisschen so, wie die Kiddies, die Stranger Things cool finden, aber Steven King und Stephen Spielberg nicht kennen.
Anyway … In Platons Variante geht das Argument vom sich selbst bewegenden Beweger so: Es gibt Bewegung in der Welt. Ich hoffe, ihr stimmt dieser provokanten These zu! Diese Bewegung kann nun entweder aus sich selbst entstehen oder sie wird angestoßen. Uh, da scheiden sich schon die Geister. Doch weiter: Dinge, die sich aus eigenem Antrieb bewegen können, haben eine Seele – also alle Tiere, uns Menschen eingeschlossen. Aber was ist mit den unbeseelten Dingen? Sie bewegen sich aufgrund des Kausalitätsprinzips.
An dieser Stelle wird es richtig kompliziert. Wenn wir uns eines Tages mit der Determinismus-Debatte und dem Libet-Experiment auseinandersetzen, werden wir sehen, dass die These, wonach sich Menschen und Tiere von selbst, ohne kausale Ursache bewegen können, nicht unumstritten ist. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.
Zurück zu Platons unbewegtem Beweger: Das Kausalitätsprinzip ist eine unserer Grundannahmen über die Welt und besagt, dass es für jede Wirkung auch eine Ursache geben muss. Wenn die Erde sich um die Sonne bewegt, dann muss sie irgendwann irgendetwas mal angestoßen haben. Das Ding aber, dass die Erde angestoßen hat, muss selbst irgendwann mal angestoßen worden sein und so weiter. So ergibt sich eine Kausalitätskette. Diese Kausalitätskette wiederum bringt das Problem des infiniten Regresses mit sich, denn diese Kette kann im Gegensatz zu Netflix-Binge-Watching-Sessions nicht unendlich lang sein.
An dieser Stelle wird es wieder etwas knotig für unsere Gehirne, also nehmt noch einen Schluck Kaffee und passt gut auf. Stellt euch vor, ihr steht an diesem Ende der unendlichen Kausalitätskette und blickt sie entlang. Was seht ihr dann niemals nie? Richtig: ihr Ende. Stellt euch nun vor, jemand steht in unendlich weiter Ferne und blickt die Kette von dort aus in eure Richtung entlang. Was sieht diese Person dann niemals nie? Richtig: Den Moment, in dem ihr da steht und die Kette anblickt. Da dieser Moment aber existiert, muss die Kausalitätskette endlich sein.
Platon sagt, dass am Anfang dieser Kette ein beseeltes Wesen stehen muss: Der sich selbstbewegende Beweger und das ist Gott. Dieser kosmologische Gottesbeweis schließt eine argumentative Lücke, die bei den Vorsokratikern entstanden ist, als sie sich auf die Suche nach dem Urgrund der Welt begaben. Ich schrieb schon im Rahmen meiner Metaphysik-Erläuterung darüber.
Wenn Thales etwa sagt, dass die Welt aus Wasser entstanden ist, dann stellt sich sogleich die Frage: Warum? Was hat verursacht, dass sich das Wasser zur Welt formt? Was war vor dem Wasser? Platon liefert nun eine Antwort. Doch im Grunde cheatet Platon hier, indem er doch wieder ein mythologisches Argument an den Beginn einer logisch-wissenschaftlichen Weltsicht stellt.
Dennoch ist dieser Cheat ein Ausweg aus dem infiniten Regress, den wir innerhalb unserer logisch-wissenschaftlichen Weltsicht nicht bieten können. Denn das Problem besteht bis heute, die Frage ist und bleibt ungeklärt: Wir können messen, dass das Universum aus dem Urknall entstanden ist. Aber was hat den Urknall ausgelöst?
Und mit dieser Frage lasse ich euch heute zurück. Beim nächsten Mal schauen wir uns Platons Sprachphilosophie an. Ich danke euch, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.
Wir haben dir drei Gleichnisse von der Sonne, der Linie und der Höhle hinter uns gelassen und schreiten unaufhaltsam auf die platonische Ideenlehre zu. Heute mit der Frage, was Metaphysik ist und warum wir sie brauchen. Wie immer könnt ihr euch das Video anschauen oder einfach das Transkript darunter lesen:
Beim Liniengleichnis hatte ich den Begriff der Metaphysik bereits erläutert. Aber mit Erläuterungen in der Philosophie ist das so wie mit Folgen auf Netflix: Ist eine vorbei, startet gleich die nächste. Deshalb möchte ich mich heute noch einmal ganz intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was Metaphysik ist und warum wir sie brauchen.
Platon ist der erste Philosoph, von dem uns ein komplexes metaphysisches Gebäude überliefert wurde. Aber er sollte bei weitem nicht der letzte sein! Theorien darüber anzustellen, wie die Welt jenseits unserer Wahrnehmung aussieht, ist ein beliebter philosophischer Sport, der noch heute betrieben wird, obwohl Ludwig Wittgenstein bereits 1921 in seiner Metaphysik, dem Tractatus logico-philosophicus, klargemacht hat, dass jede Form von Metaphysik sinnlos ist. Wittgenstein schreibt dort*:
„6.53 Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat –, und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat. Diese Methode wäre für den anderen unbefriedigend – er hätte nicht das Gefühl, daß wir ihn Philosophie lehrten – aber sie wäre die einzig streng richtige.“
Nun, bei Wittgenstein sind wir aber noch nicht in dieser Reihe. Wir sind noch bei Platon. Platons metaphysisches System wurde in den drei Gleichnissen, die ich euch in den letzten Folgen vorstellte, angerissen und wir nennen es „Die Ideenlehre“.
Zum Beispiel war die Grundaussage des Höhlengleichnisses, dass der Mensch zum metaphysichen Denken gelangen soll. Das Gleichnis versucht zu begründen, dass Metaphysik notwendig ist, dass wir uns von den Fesseln unserer physischen Welt losreißen und aus der Höhle in die Welt der Ideen hinaufsteigen sollen.
An dieser Stelle muss ich noch einen Schritt weiter zurückgehen. Zum allerersten Teil dieser Reihe: Wir hatten bei Thales gesehen, dass dieser den Übergang vom mythologischen Denken zum logisch-wissenschaftlichen eingeleitet hatte. Thales hatte erklärt, dass die Welt aus Wasser entstanden ist. Damit hatte er Gott durch ein abstraktes Prinzip ersetzt. Er hatte genau das gemacht, was Wittgenstein fordert: metaphysische Sätze durch wissenschaftliche ersetzen.
Diesen Übergang vom Mythos zum Logos hatte ich, wie die gesamte westliche Tradition als enormen Fortschritt abgefeiert. Aber mit diesem Übergang tritt auch ein Verlust ein: Wir haben uns von übersinnlichen Vorstellungen verabschiedet.
Gott hat ja nicht bloß die Aufgabe, die Welt zu erschaffen und kann dann chillen wie Harry Potter, wenn er am Ende eines Abenteuers mal wieder Voldi abgewehrt hat. Gott oder andere übersinnliche Vorstellungen bringen Sinn in unser Leben. Wenn wir sie also aufgeben, dann geht damit ein emotionaler Verlust einher.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist schlichtweg einfacher zu beantworten, wenn man zum Beispiel sagen kann: Der Sinn des Lebens ist das, was Gott uns sagt. Wenn ich nur noch logisch-wissenschaftliches Denken habe, dann gibt es nichts und niemanden, das mir sagen kann, was der Sinn des Lebens ist. Das ist zum Beispiel der Grund, warum für manche Menschen der Islamismus oder auch das radikale Christentum so verlockend sind: Er und es bieten ihnen die absolute Gewissheit, das Richtige zu tun. Wenn du so sehr davon überzeugt bist, dass Gott dir durch ein Buch und seine Prediger sagt, was du tun sollst, dann bist du von jedem Zweifel entbunden. Das ist ein sehr beruhigender Gedanke.
Aber neben diesem Verlust ans Sinn ist mit dem Übergang vom Mythos zum Logos auch ein logischer Verlust verbunden. Und ich weiß, dass dieser Satz so absurd und widersprüchlich klingt, dass ihn Donald Trump wahrscheinlich in seine nächste Wahlkampfrede einbauen wird.
Aber dennoch ist er wahr. Denn wir verlieren die sogenannte Letztbegründung, also den Punkt, an dem ich nicht mehr weiter „warum?“ fragen kann. Ich hatte bei Thales die These einfach hingenommen, dass die Welt aus Wasser entstanden ist. Dabei stellt sich doch sofort die Frage: Warum ist sie aus Wasser entstanden? Was veranlasste das Wasser dazu sich zu einer Welt zu formen? Im Mythos stellt sich diese Frage nicht: Warum hat Gott die Welt erschaffen? Na weil er gütig und allmächtig ist. Genauso wenig die Frage: Wer hat Gott erschaffen? Alter, der Typ ist allmächtig, da kannst du dir aussuchen, ob er schon immer da war, oder sich selbst aus Nichts erschaffen hat!
Metaphysik versucht nun, sowohl den Sinn-Verlust als auch den Verlust der Letztbegründung auszugleichen, indem sie ein begründetes Gedankengebäude errichtet, das an die Stelle von einfachen Glaubenssätzen tritt. Denn darin besteht weiterhin der ganz große Unterschied: Während die Religion ein Dogma ist und einfach an Gott glaubt, versuchen wir Philosophen, alles zu beweisen, was nicht nit- und nagelfest ist. Das machen wir selbst dann, wenn es nicht sinnlich erfahrbar ist, weil es hinter der Physik liegt, also metaphysisch ist.
Platons Versuch, eine solches begründetes metaphysisches System zu entwerfen, besteht in seiner berühmten Ideenlehre. Allerdings – soviel spoilere ich schon mal – teile ich die Meinung vieler Platonkritiker, dass der Platonismus in diesem Versuch gescheitert ist.
Doch da sind wir noch lange nicht. Beim nächsten Mal begeben wir uns erst einmal auf die Suche nach gesichertem Wissen.
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