Blockupy Frankfurt 2015

Als ich heute morgen erwachte, hatte ich das Glück, noch etwas im Bett liegen zu können, da meine Tochter (7) heute schulfrei hatte. Ich nutzte die Gelegenheit, ein bisschen meine Timeline zu lesen. Dies war das erste, was ich sah:

Diese Bilder begleiteten uns den ganzen Tag über. Ich möchte besonders @hanvoi von der Frankfurter Rundschau loben, der einen sehr guten Job in der Liveberichterstattung machte. Aber auch andere brachten exzellente Infos. Irgendwann im Laufe des Tages schrieb jemand auf Twitter, man solle weniger über die Krawalle und mehr über die Ziele von Blockupy sprechen. Das will ich hier gerne machen:

„Am 18. März 2015 will die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main ihr neues Hauptquartier eröffnen. Für den 185 Meter hohen Zwillingsturm, der mit seinem Sicherheitszaun und Burggraben einer Festung gleicht, wurde die schwindelerregende Summe von 1,3 Milliarden Euro ausgegeben. Diese einschüchternde Architektur der Macht zeigt deutlich die Distanz zwischen den politischen und ökonomischen Eliten und den Menschen.“

… heißt es auf der Seite von Blockupy.

Interessanterweise hatte ich immer einer andere Assoziation. Natürlich sind die Frankfurter Hochhäuser Ausdruck der Macht des Geldes. Aber während die Hochhäuser der Privatbanken alle im Bahnhofsviertel und im Westend, also westlich der Stadmitte von Frankfurt stehen, wurde die neue EZB im Osten der Stadt errichtet. Besonders wenn man von Sachsenhausen aus oder von Norden, etwa von Riedberg auf das neue Stadtbild von Frankfurt blickt, fällt die bewusste Distanz zwischen den Privatbanken und dem Doppelturm der Zentralbank auf. Ganz so, als solle der Turm im Osten die Gang des Kapitals im Westen überwachen und in Schach halten.

Und das zeigt auch mein größtes Problem mit den diesjährigen Blockupy-Protesten: Warum richten sie sich gegen die Kontrollinstitution? Sicher, aufgrund der Griechenlandkrise und den damit verbundenen Sparauflagen, ist sie ein schönes Symbol.

„Es gibt nichts zu feiern an Sparpolitik und Verarmung! Tausende von wütenden Menschen und entschlossenen Aktivist_innen aus ganz Europa werden daher die Straßen rund um den Eurotower blockieren und dieses Event der Macht und des Kapitals unterbrechen – passenderweise am 144. Jahrestag der Commune von Paris. Wir werden ihre Party übernehmen und sie verwandeln in einen Ausdruck des transnationalen Widerstands gegen die europäische Krisenpolitik und gegen deren katastrophale Konsequenzen besonders für die Menschen im europäischen Süden.“

Blockupy

Aber die EZB ist eben auch nicht mehr als ein bloßes Symbol. Man kann zwar streiten, was der richtige Weg aus der Krise ist, aber man kann nicht streiten, wer uns in die Krise reingebracht hat. Das waren die Zocker im Westen der Stadt.

„Die EZB spielt eine wichtige Rolle in der berüchtigten Troika. Sie ist verantwortlich für brutale Kürzungen, für wachsende Erwerbslosigkeit und sogar für den Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung in Griechenland und anderen EU-Staaten. Zusammen mit der EU-Kommission und dem EU-Rat hat die EZB Sparpolitik, Privatisierung und Prekarisierung gefördert. Sie hat nicht einmal davor zurück geschreckt, gewählte Regierungen zu erpressen, um ihre Angriffe auf die sozialen Rechte der Menschen durchzusetzen.“

Blockupy

Und während (einige wenige) radikale Demonstranten Polizeiautos und Mülltonnen anstecken, Polizeireviere und Bushaltestellen entglasen und sogar Feuerwehrautos angreifen, also vom Volk durch Steuern finanzierte öffentliche Güter kaputtmachten, blieben die Türme der Deutschen Bank, der Commerzbank und ihrer Komplizen gänzlich unbehelligt.

„Im Verlauf der Krise wurde aus der EU mehr und mehr ein autoritäres Regime mit einem offensichtlichen Mangel an demokratischer Partizipation. Das mörderische europäische Grenzregime und die fortschreitende Militarisierung sind ebenfalls Teil dieses Prozesses.

Sie repräsentieren uns nicht, ja sie wollen uns gar nicht mehr repräsentieren! Die herrschenden Eliten haben uns nichts mehr anzubieten. Aber aus vielen Quellen entstehen dagegen neue Kräfte und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, Solidarität und Demokratie von unten aufzubauen. Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie, wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus!“

Blockupy

Ich verstehe eben nicht, wie es zusammenpasst, mehr Demokratie zu fordern und gleichzeitig Gewalt auszuüben, besonders weil die Gewalt von wenigen hundert Demonstranten nun die Berichterstattung erfüllt und überdeckt, dass um die 20.000 Menschen ganz friedlich für diese Ziele demonstriert haben.

Besonders absurd wird es dann für mich, wenn ich das hier lese:

„Gleichzeitig müssen wir besonders wachsam sein für die Gefahren des wachsenden Rassismus und dem Aufstieg der extremen Rechten, diesen hässlichen Nebenprodukten der kapitalistischen Krise. Während es die Absicht der Rechten ist, sowohl die Außengrenzen zu verstärken als auch neue Grenzen innerhalb Europas zu errichten, wollen wir im Gegenteil die Mauern der Festung Europas einreißen.“

Blockupy

https://twitter.com/eltom/status/578112714628685825

Denn effektiver Schutz vor der extremen Rechten bietet nur eine starke demokratische Opposition gegen Rassismus. Und Bilder von randalierenden Linken treiben die weniger gebildeten und differenzierenden Wähler bei der nächsten Wahl doch nur denen in die Arme, die fordern, dass noch mehr Überwachung und noch strengere Gesetze hermüssen, um diese linken Chaoten zu kontrollieren. Und das sind zumeist die gleichen Parteien, die sich nicht gerade für Toleranz oder offene Außengrenzen einsetzen.

Ach Blockupy, ich verstehe „euch“ einfach nicht …

Ich muss lachen, damit ich nicht weinen muss

„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen.
Und meine heißen Tränen fließen.“

Wer kennt ihn nicht, Heinrich Heines traurigen Rant über Deutschland … Ist so etwas wie ein trauriger Rant überhaupt möglich? Oder ist das eine Kontradiktion?
anyway...

Quelle: Reactiongifs. Lizenz: fragwürdig.

Mir geht es gerade ganz genauso und Heine hatte vor hastenichgesehn vielen Jahren schon eine gute Strategie gegen den Deutschland-Blues: Über dieses Land zu lachen. Fangen wir an:

Die deutsche Presse hat entdeckt, dass Lutz Bachmann möglicherweise nicht der lupenreine Demokrat ist, als der er sich ausgibt.

Ich meine: Wer konnte das ahnen?!?! Doch das Lachen bleibt mir im Halse stecken, wenn ich daran denke, dass die fremdenfeindlichen Auswüchse in Dresden (mutmaßlich) ein Todesopfer forderten. Khaled Bahray war am Dienstag vergangene Woche erstochen worden.

„Doch auch drei Tage nach der Mordnacht gibt es noch keine Hinweise auf Tatgeschehen oder Täter, auch weil die Kriminalpolizei erst einen Tag nach dem Auffinden des Toten mit den Ermittlungen begann: Am Dienstag hatte die Polizei noch ein Gewaltverbrechen ausgeschlossen.“

Quelle: Tagesschau.

Dumbledore

Quelle: liegt auf so nem Amazon-Server. Lizenz: noch fragwürdiger.

WOLLT IHR UNS VERARSCHEN?!!!?! Ich habe ja wirklich keine Ahnung von Polizeiarbeit, zumindest keine Ahnung, die sich nicht aus der Sichtung eines Tatorts – ähm, also den Krimi, nicht den Ort – hinausgeht. Aber selbst ich weiß, dass Stichverletzungen nur äußerst selten eine natürliche Ursache haben, wenn man nicht gerade Edward mit den Scherenhänden ist! Und, so dachte ich in meiner Verblendung, bei ungeklärter Todesursache, sichert man besser mal Spuren. Damit man später was zum Ermitteln hat!!!!! Nein? Oh, na dann…

REaktion

Quelle: Reactiongifs. Lizenz: fragwürdig.

Na ja, aber unsere Freunde und Helfer, sind schließlich auch andernorts allzu beschäftigt:

Gegen halb ein Uhr früh stürmten nämlich zwei deutsche Polizeibeamte den Waggon, klopften heftig an die Türen und schrien “Polizei, aufmachen!”, um dann mit Taschenlampen die Abteile auszuleuchten. Als die überaus freundliche Zugbegleiterin herbeieilte, wurde auch sie angebrüllt, ob hier Syrer oder Iraker versteckt seien. Ich fragte daraufhin etwas verpennt warum sie Syrer_innen oder Iraker_innen suchten? “Wegen krimineller Handlungen.”

Quelle: Klaus Werner-Lobo

Also weiß unsere Polizei prinzipiell wohl schon, was eine kriminelle Handlung ist, nur nicht wenn sie an Flüchtlingen begangen wird, sondern bloß dann, wenn sie von ihnen begangen wird …? Aber ich tue den Damen und Herren in Uniform unrecht. Denn sie haben ja noch so viel anderes zu tun, zum Beispiel Handys sammeln

Reply WTF

Quelle: Replygif. Lizenz: ihr wisst schon …

Zugegebenermaßen ist das Werfen von Steinen keine ganz glorreiche Idee bei einer unangemeldeten Demo, besonders da wir die Schaufensterscheiben als Tatverdächtige im Mordfall Khaled Bahray mit ziemlicher Sicherheit ausschließen können. Dennoch ist die Reaktion der Polizei, besonders verglichen mit der Nichtreaktion im Mordfall einfach nur

Dafuq

Quelle: Troll.me. Lizenz: so halt …

Es fällt mir wirklich schwer bei dieser Nachrichtenlage nicht zu verzweifeln. Aber eines kann ich euch sagen: Heine zu lesen hilft…

Zur Beruhigung

Wir schlafen ganz, wie Brutus schlief –
Doch jener erwachte und bohrte tief
In Cäsars Brust das kalte Messer!
Die Römer waren Tyrannenfresser.

Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak.
Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,
Ein jedes Volk hat seine Größe;
In Schwaben kocht man die besten Klöße.

Wir sind Germanen, gemütlich und brav,
Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf,
Und wenn wir erwachen, pflegt uns zu dürsten
Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten.

Wir sind so treu wie Eichenholz,
Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz;
Im Land der Eichen und der Linden
Wird niemals sich ein Brutus finden.

Und wenn auch ein Brutus unter uns wär,
Den Cäsar fänd er nimmermehr,
Vergeblich würd er den Cäsar suchen;
Wir haben gute Pfefferkuchen.

Wir haben sechsunddreißig Herrn
(Ist nicht zuviel!), und einen Stern
Trägt jeder schützend auf seinem Herzen,
Und er braucht nicht zu fürchten die Iden des Märzen.

Wir nennen sie Väter, und Vaterland
Benennen wir dasjenige Land,
Das erbeigentümlich gehört den Fürsten;
Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten.

Wenn unser Vater spazierengeht,
Ziehn wir den Hut mit Pietät;
Deutschland, die fromme Kinderstube,
Ist keine römische Mördergrube.

Kognitive Verzerrungen

Casper David Friedrich - Das Eismeer
Caspar David Friedrich: Das Eismeer. Lizenz: Gemeinfrei. via Wikimdedia Commons

Heute werden (vielleicht?) wieder tausende „besorgte Bürger“ und dem Label PEGIDA durch Dresden marschieren, um damit gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren. Obwohl in Sachsen nur 0,1 Prozent der Bevölkerung dem muslimischen Glauben anhängen. Das sind in absoluten Zahlen: 4000 Menschen.

Als vor Weihnachten 20.000 Vollpfosten, pardon, „besorgte Bürger“ gegen die Islamisierung demonstrierten, hätten also jeweils vier PEGIphile ein Stuhlbein des Stuhls tragen können, auf dem ein Moslem sitzt, während ein fünfter ihn liebevoll mit Lebkuchen füttert (noch so einer schrecklichen Sache aus dem „Morgenland“). Und doch glaubt sogar eine „Undercover Agent“ von RTL, dass auf den Straßen „überall Türken rumlaufen“.

Doch woher kommt diese dramatische Fehleinschätzung der PEGIrasten?

Hier liegt ofenbar eine kognitive Verzerrung vor. Eine koginitve Verzerrung, oder cognitive bias ist eine systematische Fehlleistung unseres Gehirns, bei der Informationen auf bestimmte und immer gleiche Weise falsch interpretiert werden, sodass wir immer zu einem falschen Ergebnis kommen. Dieser Prozess läuft komplett unterbewusst ab. Wir können ihn aber reflektieren und wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, den Fehler entdecken.

Ich weiß, das klingt alles ziemlich vage und kryptisch. Ein Klassiker, den alle Studierende bei der Einfühung in die empirische Sozialforschung kennenlernen, ist die Scheinkorrelation. Zwei Ereignisse lassen sich beobachten und die beobachtende Person glaubt daher an einen Kausalzusammenhang, also dass das eine stattfand weil das andere passierte. Die Erstsemesterinnen aus der Soziologie hören dann immer die Geschichte von den Störchen: Geburtenraten sind in der Regel in jenen Gegenden höher, in denen es auch mehr Störche gibt. Ganz klar: Störche bringen die Kinder! In Wirklichkeit geht beides eher auf ländliche Regionen zurück, in denen sowohl mehr Kinder geboren werden als in Städten als auch mehr Störche leben.

Ich glaube aber, hier liegt eine andere Verzerrung vor, wenngleich die Scheinkorrelation möglicherweise mit hineinspielt. Ich glaube, wir beobachten bei PEGIDA einen Bestätigungsfehler. Ein Bestätigungsfehler ist die Neigung, denen empirischen Daten mehr Relevanz zuzuschreiben, die die eigene Theorie bestätigen. Klassiker sind hier der Freitag der 13. Wenn uns an einem solchen Freitag ein Unglück geschieht, dann nehmen wir das als Beweis dafür, dass dies ein Unglückstag ist. Hingegen beziehen wir all die 13. Freitage nicht in unsere Beobachtung mit ein, die ereignislos verlaufen und somit unsere These widerlegen würden.

Ein anderes Beispiel hierfür sind Schlafprobleme bei Vollmond. Menschen müssen schlafen, aber können es manchmal nicht. Wer ist schuld? Der Mond. Gut, wir können zwar in den verschiedensten Nächten nicht schlafen und finden dafür dann andere Erklärungen. Aber jede schlaflose Nacht, in der der Vollmond am Himmel steht, werten wir als Beweis dafür, dass unsere These, dass wir bei Vollmond nicht schlafen können, stimmt.

So wird von den besorgten Rechtsauslegern jedes Indiz für ihre „Islamisierungsthese“ – beispielsweise eine Moschee – dramatisch überbewertet, während all jene Aspekte, die gegen ihre Theorie sprechen – Beispielsweise die Realität – ignoriert werden.

Die eigentlich spannende Frage ist: Woher beziehen die PEGIDAnten ihre verzerrten Daten, die ihre These stützen, dass wir von radikalen Islamisten überrannt werden, obwohl die Tatsachen eine andere Sprache sprechen. Nun, vielleicht kommen diese Daten hierher:

Verfassungsschützer über Islamismus: „Wir müssen mit Einzeltätern rechnen, die Schrecklichstes tun“

Spiegel Online

Islamismus: Hilferufe bei der Beratungsstelle Radikalisierung nehmen zu

Spiegel Online

Wir müssen uns wappnen

Der Spiegel

Bruder, Kämpfer, Dschihadist

Der Spiegel

Dschihadisten soll Personalausweis entzogen werden

Süddeutsche Zeitung

Ein Tarnverein für modernen Islamismus

Süddeutsche Zeitung

Salafist mit Stellenzusage für die Polizei

Süddeutsche Zeitung

„Ich kann die Furcht vor der Islamisierung verstehen“

FAZ

Geißler nennt Furcht vor Islamismus „berechtigt“

Die Welt

Salafist Lau verweigert Aussage im Stuttgarter Terrorprozess

Die Welt

Polizei warnt vor den „tickenden Zeitbomben“

Die Welt

„Deutschland im Fadenkreuz des Dschihad-Terrors“

Die Welt

Internet soll im Kampf gegen Islamismus Beitrag leisten

Die Welt

Nachtsichtgeräte bei mutmaßlichen IS-Anhängern beschlagnahmt

Die Welt

Islamforscherin: Moscheen müssen mehr gegen Salafisten tun

Frankfurter Rundschau

Unsere Dschihadisten

Frankfurter Rundschau

Kampf gegen Islamismus: Landtag sieht Aktionstag als Signal

Frankfurter Rundschau

Streit nach Koranverteilaktion

Frankfurter Rundschau

Angst vor den Gotteskriegern

Frankfurter Rundschau

Landtag beschäftigt sich mit Salafisten

Frankfurter Rundschau

Terror-Gefahr in Deutschland groß wie lange nicht!

BILD

Von wegen 70
Warnung vor 240 radikalen Salafisten

BILD

So lockt ISIS junge Mädchen nach Syrien

BILD

Warum sympathisieren so viele Muslime mit ISIS?

BILD

So groß ist die Gefahr in Deutschland
Der große Terror-Check

BILD

Vergesst bitte nicht: Dies ist nur ein verzerrter, nichtrepräsentativer Ausschnitt der gesamten Berichterstattung. Gerade in den letzten Wochen gab es auch viele Berichte über die überzogenen Ängste der PEGIDAstien.
Dennoch lautet meine Arbeitshypothese, dass Presse und Politik radikalen Islamismus in Deutschland, unverhältnismäßig oft thematisieren, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland faktisch keinen islamistischen Terror gibt im Unterschied zu anderen Formen von radikalen Straftaten.
Aber mit Angst lassen sich eben sowohl Klicks generieren als auch Prozente für die nächste Umfrage sammeln…

Philosophen in der Kneipe

Platon und Popper sprechen über Pegida

Eine verrauchte Eckkneipe irgendwo zwischen London und Athen. An einem Tisch in der Ecke sitzt ein alter Mann mit schütternem Haar und buschigen Augenbrauen. Auf dem Tisch steht ein Wimpel, der verkündet, dass es sich um den Stammtisch handelt. Ein breitschultriger Mann mit Vollbart, der in eine Abolla gewandet ist, betritt die Kneipe, er tritt an den Tisch…

„Herr Popper.“
Popper: „Herr Platon.“
Platon: „Einfach Platon genügt.“
Popper: „Ist das nicht ein wenig zu unaristokratisch für Ihren Geschmack?“
Platon: „Letztlich sind wir doch alle Höhlenmenschen.“
Poppper: „Was zu falsifizieren war.“
Platon: „Was ist das Thema des heutigen Abends?“
Popper: „Pegida.“
Platon: „Was ist das? Doch nicht schon wieder so ein Unsinn des Deutschen Idealismus’…“
Popper: „Deutscher Unsinn freilich schon. Idealismus wohl kaum. Es steht für: ‚Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes‘.“
Platon: Ach, Europa, diese Kopfgeburt. Das klingt mir nach demokratischen Unsinn.“
Popper: „Mitnichten, es sind die Feinde der offenen Gesellschaft! Sie demonstrieren in Sachsen, einem Landstrich mit gerade einmal 0,1% Islamanteil gegen die ‚drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa‘.“
Platon: „Das kommt davon, wenn man die Untertanen, ihre Kinder selbst aufziehen lässt!“
Popper: „Ihnen altem Faschisten müsste das doch eigentlich gefallen, immerhin wird Pegida vom ‚mehrfach vorbestraften Lutz Bachmann‘ angeführt.“
Platon: „Wohl kaum ein Angehöriger der Herrscherklasse, kein Philosophenkönig würde je behaupten, dass ‚Asylbewerber in luxuriös ausgestatteten Unterkünften lebten‘. Schließlich sitzen wir doch alle bloß in einer Höhle! Nein, er ist ein Untertan und maßt sich an, zur Schicht der Herrscher zu gehören. Aber Untertanen und Wächter müssen von wahren Philosophenkönigen regiert werden!“
Popper: „Von so jemandem wie Dionysios II?“
Platon: „Ich möchte nicht darüber reden.“
Popper: „Zu Recht! Denn Macht wird immer missbraucht werden, daher muss sie streng begrenzt werden, durch die Möglichkeit der Abwahl.“
Platon: „Ach Demokratie schon wieder. Und was, wenn die Menschen jemanden einfach nicht abwählen wollen? So wie diese Merkel und ihre Gurkentruppe? Nein, nein, nein, ich sage Ihnen, die Demokratie hat schon früher meinen großen Lehrer Sokrates umgebracht und heute foltert sie hemmungslos, wen auch immer sie zwischen die Finger bekommt…“
Popper: „Hmmm… Ich sehe, wir finden keinen Konsens, war ja auch nicht zu erwarten, bei Ihnen alten Historizisten. Aber was machen wir jetzt mit diesen Pegida-Spinnern?“
Platon: „Vielleicht sollten wir ihnen Descartes zweifelhaften Dämonen anhängen.“
Popper: „Oder wir lassen sie sich Beulen holen an Wittgensteins Grenzen der Sprache.“
Platon: „Wie dem auch sei, ich geb erstmal einen aus. Diese Welt ist so frustrierend, da hilft nur Ouzo! Herr Ober…“

Alles verbieten!

fordert im Zeit-Blog Velophilstrengere Strafen für Falschparker„. Sie ist, wie der Titel ihres Blogs verrät für die gute Sache, nämlich die der Radfahrer unterwegs und trägt gewichtige Argumente vor:

„Viele Eltern beispielsweise lassen ihre Kinder nicht zu Fuß zur Schule gehen oder mit dem Rad fahren, weil sie den Schulweg gefährlich finden. Gerade vor den Schulen zwingen Falschparker Kinder immer wieder dazu, auf die Straße auszuweichen.“

Wer könnte etwas dagegen sagen? Für unsere Kinder! Da muss sie doch Recht haben. Das Wohl der Kinder ist ein perfides Totschlagargument, quasi der Antihitler. Denn du kannst ja nicht ernsthaft dagegen sein, ARSCHLOCH!?!

Reaction Gif Zorn

Daher argumentieren Politiker auch so gerne mit Kinderpornographie um mehr Überwachung und Reglementierung im beziehungsweise für das Internet zu fordern. Aber wir waren ja gerade beim Radfahren.

Ich bin selbst überzeugter Radfahrer, fahre jeden Tag zwischen 12 und 20 Kilometer durch Frankfurt. Und auch mich nerven Autos ungemein. Auch ich verstehe nicht, warum Autofahrer glauben, es sei eine unzumutbare Behinderung für andere Autofahrer, wenn sie mal eben ™ auf der Straße halten, aber das gleiche für absolut legitim halten, wenn sie sich einmal quer über Radweg oder Bürgersteig stellen. Sodass im schlimmsten Fall jemand mit Kinderwagen noch auf die Straße ausweichen muss. DAS KOTZT MICH AN!!!!!111!11!

Reaction-Gif: Zorn

Aber deshalb strengere Strafen fordern? Ich weiß nicht… Ich bin immer etwas skeptisch, wenn jemand den Just Cause ausgerechnet mit Verboten und Strafen durchsetzen will, das schrieb ich ja neulich schon. In diesem speziellen Fall ist es zudem noch so, dass unsere Gesetze durchaus Mittel zur Verfügung stellen, sich gegen Falschparkerinnen zu wehren, die dafür sorgen, dass Kinder auf die Straße ausweichen müssen. Man kann ein solches Auto nämlich völlig zu Recht abschleppen lassen. Allein, das kostet Zeit, Mühen und am Ende entscheidet der herbeigerufene Polizist vielleicht sogar, dass das alles gar nicht so schlimm ist.

Im Fall des Straßenverkehrs bin ich zudem noch deshalb skeptisch, da du als Teilnehmer insgesamt und als Radfahrerin im besonderen mit Adrenalin vollgepumpt bist, wenn du daran teilnimmst. Das ist wichtig, da es deine Sinne schärft und deine Konzentration erhöht. Ich erlebe mehrmals wöchentlich Situationen in denen Autofahrer meine Gesundheit, ach was, mein Leben riskieren. Da ist es überlebenswichtig, unter Strom zu stehen und schnell reagieren zu können. Aber zugleich ist Adrenalin ein extrem schlechter Ratgeber, weswegen man mir besser keine Bazuka in die Hände drücken sollte, wenn mich mal wieder ein Auto geschnitten hat!!!!

Versteht mich nicht falsch, Radfahren ist auf alle Fälle besser als Autofahren. Ich meine, Autos sind laut, sie stinken, sie machen durch ihre Abgase die Umwelt kaputt und deine Mitmenschen krank. Außerdem machen sie dich mangels Bewegung krank. Und sie sind gefährlich. Wenn ich mit meinem Fahrrad gegen ein Auto fahre, hat es im schlimmsten Fall eine Beule, wenn ein Auto mit seinen 1,5 Tonnen Kampfgewicht gegen mich fährt, bin ich Mus. Fahrräder sind außerdem leise (bis auf meine Vorderradbremse), halten dich fit und stehen nie im Weg…

Fahrräder im Weg
Bild: Münster. Urheber: Bundesarchiv. Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Fahrradfahrerinnen sind also eindeutig bessere Menschen als Autofahrerinnen. Ausnahme bilden lediglich die paar Idioten, die, wenn meine Tochter (7) ihr Rad an eine städtischen Radstange oder einen Laternenpfahl anschließt, meinen, sie könnten ihr Rad noch über das Rad hinweg an der gleichen Stange anschließen, weil es ja nur ein kleines Rad ist, oder so… Aber ich habe Mittel und Wege, diesen paar Irrlichtern, ihren Irrtum ruhig und sachlich darzulegen.

Dalí hat hier sein Rad abgestellt
Dalí hat hier sein Rad abgestellt

Obwohl ich als Radfahrer also glaube, dass Radfahrer die besseren Menschen sind, bin ich dennoch gegen strengere Strafen für Autofahrer und zwar, weil ich nicht weiß, 0b ich nicht letzten Endes nur deshalb dafür bin, weil ich Radfahrer bin und nicht etwa, weil es wirklich gerechter wäre. Dem Problem der Motivation bei ethischen Begründungen hat sich John Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit ausführlich gewidmet und den berühmt gewordenen ‚Schleier des Nichtwissens‘ als Gedankenexperiment erfunden. Rawls vertritt die Ansicht, dass wahre Gerechtigkeit eine Verfahrensgerechtigkeit ist. Dass also ein gerechtes Verfahren gefunden werden muss, um zu gesellschaftlichen Entscheidungen zu kommen, von denen wir dann sagen können, sie sind gerecht.

„Irgendwie muß man die Wirkung von Zufälligkeiten beseitigen, die die Menschen in ungleiche Situationen bringen und zu dem Versuch verführen, gesellschaftliche oder natürliche Umstände zu ihrem Vorteil auszunutzen.“

John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit.*

Und genau das ist hier der nicht der Fall, ich bin als Radfahrer eben in einer solchen ungleichen Situation, die ich immer versucht bin, zu meinem Vorteil auszunutzen…

„Zu der Entscheidung, wie eine wahrhaft gerechte Gesellschaft aussehen würde, könnte ich erst kommen, wenn ich nicht wüsste, welche Position ich in dieser Gesellschaft einnehme. Und genau das ist die Situation von der das Gedankenexperiment des Schleiers ausgeht. Sie nimmt an, dass sich Vertreter aller Gesellschaftsschichten zu einer Verhandlung treffen. Sie sollen entscheiden, wie ihre zukünftige Gesellschaft aussehen soll. Der Clou ist jetzt, dass alle Teilnehmer an einer temporären Amnesie leiden: Sie wissen nicht, welche Positionen sie später in dieser Gesellschaft einnehmen werden.“

Schamloses Eigenzitat.* Hervorhebung von mir. Mindfuck kostenlos dazu… 😉

Wenn ich also entscheiden müsste, ob Falschparker strenger bestraft werden müssen, müsste ich gerade von meiner Position als Radfahrer abstrahieren. Und das ist mir für einen Montagabend nun wirklich zu anstrengend, da rege ich mich lieber weiterhin über Autofahrer auf, spreche mich aber zugleich gegen härtere Strafen aus…

 

 

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Warum ich beim Autofahren keinen Sicherheitsgurt anlege

Angeschnallt Auto fahren ist zur Zeit voll in Mode. An jeder Autobahn stehen Schilder, dass man sich anschnallen soll und es gibt Leute, die sogar angeschnallt zum Becker fahren. Ich mache das nicht, und habe dafür meine Gründe.

„Zunächst:  In jeder Sicherheitsdiskussion muss abgewogen werden, gegen welches Risiko man sich schützen möchte.  Es gibt – insbesondere in technischen Systemen – keine allumfassende Sicherheit gegen alle Risiken.  Wirksame  Sicherheitsmassnahmen erfordern stets die Identifikation des Risikos, und sie lassen sich in ihrer Wirksamkeit auch überprüfen.“*

Ein Beispiel für eine spezifische Sicherheitsmaßnahme ist der Schuh: Er kann verhindern, dass man in Scherben tritt. Wenn man durch ein Dornengestrüpp läuft, können die Beine dennoch zerkratzt werden. Der Schuh kann im schlimmsten Fall sogar dafür sorgen, dass ihr mit dem Fuß in einer Bahnschiene steckenbleibt! Die Wirksamkeit von Schuhe lässt sich gut statistisch belegen, entweder verletzten sich die Menschen seltener an Scherben oder nicht.

„Allgemeine Sicherheitsmassnahmen hingegen sind Sicherheitstheater.  Sie dienen nicht dazu, einen bestimmten Schadenfall zu verhindern, sondern sie dienen der Beruhigung von Menschen, die Angst haben.  Das typische Beispiel für Sicherheitstheater ist das seit einigen Jahren erforderliche Ausziehen der Schuhe bei der Sicherheitskontrolle in Flughäfen.  Abgesehen davon, dass die Anzahl der Terrorschläge auf Flugzeuge gemessen an der Anzahl der Flugbewegungen extrem gering ist, ist auch die Möglichkeit, Sprengstoff in Schuhen zu verstecken, nur durch einen erfolglosen Versuch verbürgt.“*

Das Anschnallen sogar bei kurzen Fahrten, wie zum Bäcker oder zum Kippenautomaten fällt für mich in den Bereich von Sicherheitstheater.

Hier ein paar Argumente:

Die Autos mit denen wir im Straßenverkehr unterwegs sind sind komplexe Maschinen bieten keinerlei Gewährleistung für Fehlerfreiheit. Autos können jederzeit kaputt gehen und dadurch Unfälle bauen und tun es auch. Ein kleiner technischer Defekt lässt sich für mich als Laien nicht feststellen und kann auf meiner nächsten Autofahrt zum Unfalltod führen.

Der Glaube, durch einen Sicherheitsgurt könne man sich „vor Unfällen“ „schützen“, ist irrig.  Anschnallen ist ein esoterisches Thema. Zu glauben, dass ein Autofahrer sich immer anschnallen würde oder auch nur bei einem nennenswerten Teil seiner Autofahrten Sicherheitsgurte anlegen werde, ist komplett unrealistisch. Mit gelegentlichen Anschnallen begibt sich der Einzelne einfach in die Gruppe derjenigen, die Sicherheitsgurte anlegen. Dann ist er zwar beim Frontalunfall geschützt, im Zweifelsfall rammt aber ein Auto sein Auto von der Seite.

Anschnallen wiegt diejenigen, die es tun, in falscher Sicherheit. Sichere Autos gibt es nicht, und wenn man ein mal in einen Auto sitzt, das am Straßenverkehr teilnimmt, besteht eine potenzielle Unfallgefahr. Das gilt kurze Fahrten, und das gilt erst recht auf der Autobahn.

Auch, wenn Sicherheitsgurt-Befürworter stets die Wirksamkeit Ihrer Gurte behaupten, und auf die Ingenieurkunst verweisen, bleibe ich skeptisch.  Zum Einen, weil ich nicht überprüfen kann, ob der Sicherheitsgurt im Ernstfall nicht doch reist, zum Anderen, weil immer wieder Unfälle stattfinden, bei denen die Menschen trotz Sicherheitsgurt sterben. Dabei ist für mich die fehlende praktische Verfikationsmöglichkeit ausschlaggebend.

Meine Konsequenz ist, dass ich keinen gesonderten Aufwand treibe, um mich gegen einen Unfall zu schützen,von dem ich nicht weiß, ob er eintreten wird. Wer mit mir Autofahren will, kann unangeschnallt mitfahren oder mit dem Rad kommen. Er kann mit der Bahn fahren oder zu mir zu Fuß laufen  Mir ist wichtig, dass ich erreichbar bin und dass ich Leute erreichen kann.

Klingt absurd? Ist es auch! Aber genau das schreibt Hans Hübner in Bezug auf Verschlüsselung und alle jubeln. Wo ich von Schuhen schreibe, bemühte Hübner den Sicherheitsgurt, weswegen ich das Beispiel übernahm um zu zeigen wie absurd seine Argumente sind.

Und wisst ihr was? Diese Diskussion mit genau diesen Argumenten wurde geführt, als die Gurtpflicht in Deutschland eingeführt wurde. Auch ich musste noch so Diskussionen führen, als wir als 18 Jährige mit dem Autofahren anfingen. Klar ist Verschlüsselung nicht der Weisheit letzter Schluss und klar sind unsere Computer, Handys und Co. auch anfällig, wenn wir Mails verschlüsseln. Es ist halt ein Anfang. So wie der Sicherheitsgurt ein Anfang war. Dann kam der Airback, der Seitenairback, ABS, die verbesserte Knautschzone, Radstabilisation, …

* Dies sind direkte Zitate von Hübner.

Vergiss dein Handtuch nicht!

Heute ist Towel-Day und Europawahl und die Menschen tun so, als wäre ersteres EIN SCHERZ! Das ist so falsch, dass ich gar nicht weiß, was ich erwidern soll…

What?!

Quelle: Reactiongifs

Das Handutch ist kein billiger Witz sondern das wichtigste Werkzeug der Galaxie! Natürlich lässt es sich auch am Wahltag mannigfaltig einsetzen. Daher folgt hier die ultimative Liste von 20 Einsatzmöglichkeiten des Handtuchs am Wahltag!

  1. Ihr wollt sicher frisch geduschte Souveräne beim Kreutzchensetzen sein! Ein Handtuch trocknet euch nach dem kühlen Nass…
  2. Beim strahlenden Sonnenschein kann das Handtuch auf dem Weg ins Wahllokal als Sonnenschutz benutzt werden.
  3. Bei Regen kann es als provisorischer Regenschirm eingesetzt werden.
  4. Bei Smog eignet es sich zum Einsatz als Gasmaske.
  5. Bei Kälte, um Wärme zu spenden
  6. Um verirrten Wahlgängern zu zeigen, wo sich das Wahllokal befindet, könnt ihr euer Handtuch als Fahne hissen.
  7. Kommt der AFD-wählende Nachbar mit seinem Pittbull, könnt ihr das Handtuch einsetzen um gegen das Biest als Torero anzutreten.
  8. Um dem Gang ins Wahllokal die nötige Würde zu verleihen, kann dass Handtuch als (roter) Teppich ausgelegt werden.
  9. Wenn die Türklinken eures Wahllokals mit Bakterien belastet sind, kann das Handtuch Hygiene wiederherstellen.
  10. Wenn ihr zu lange vor der Wahlkabine warten müsst, könnt ihr aus dem Handtuch eine Hängematte machen.
  11. Ist euch eher nach Sport zu mute, benutzt ihr das Handtuch nun lieber als Springseil.
  12. Sollte der Stift durch die fettigen Finger des Vorbenutzers glitschig geworden sein, eignet sich das Handtuch, um den richtigen Grip wiederherzustellen.
  13. Ihr könnt euch nicht entscheiden, wen ihr wählen sollt? Verbindet euch mit dem Handtuch die Augen und macht euer Kreuz zufällig!
  14. Die Wahlkabine ist nicht blickdicht? Kein Problem: Das Handtuch stellt euer Grundrecht auf geheime Wahl wieder her.
  15. Der Wahlselfie wäre wegen einer fettigen Linse fast missglückt? Das Handtuch sorgt für Durchblick!
  16. Wenn ihr euer erfülltes Wahlrecht mit einem Essen außer Haus oder einem Eis belohnen wollt, könnt ihr das Handtuch als Lätzchen einsetzen.
  17. Wollt ihr nach der Wahl die Sonne genießen, aber zugleich auf Twitter den Wahltag verfolgen, beschattet das Handtuch das spiegelnde Display.
  18. Alternativ dient es als Picknickdecke, um sich noch ein bisschen im Park von den Strapazen zu erholen.
  19. Am Abend nimmt das Handtuch geduldig euren Angstschweiß auf, wenn ihr auf das Wahlergebnis wartet.
  20. Erschöpft von einem aufregenden Wahlabenteuer sinkt ihr ins Bett und deckt euch mit eurem Handtuch zu.

Ihr seht also, der Towel-Day ist kein Scherz! Wenn ihr mehr über den möglichen und nötigen Einsatz von Handtüchern wissen wollt, empfehle ich einen Survivalguide, der irrtümlicherweise immer als Sience-Fiction-Satire gehandelt wird:

Per Anhalter durch die Galaxis.*

 

*hinterhälitger Affili-Link.

pauschalisieren und ablenken

Ich habe ein paar Sätze zu mspros Artikel „Wie aus der Spähaffäre so langsam eine Googleaffäre wird“ zu sagen.

Obwohl in mspros Blogpost viel Wahrheit steckt, so ist er dennoch schlecht vorgetragen, da er zu sehr pauschalisiert. Und das ist schade, denn der Punkt, den mspro macht, ist richtig und so ungeheuer wichtig, dass er ihn nicht durch Pauschalisieren und Schattenboxen verwässern sollte. Ja, die Regierung versucht, Google als Sündenbock hinzustellen, um von der Totalüberwachung abzulenken. Und ich bin mspro sehr dankbar, dass er das anprangert und die Regierung nicht mit dieser Ablenkung durchkommen lassen. Aber er pauschalisiert und konstruiert ein zu simples Bild von den Politikern ™ und ihren Freunden.

Was mspro zum Beispiel über den Untersuchungsausschuss schreibt, stimmt so einfach nicht. Der Ausschuss ist ein Instrument der Legislative, um die Exekutive zu kontrollieren, das lässt er komplett unter den Tisch fallen. mspro schreibt:

Der Untersuchungsausschuß zur Spähaffaire lädt nun also die Chefs der großen Internetkonzerne vor. Eric Schmidt, Mark Zuckerberg, etc. Sie sollen jetzt helfen die Machenschaffen der NSA aufzuklären. Aha.

Zur Erinnerung: es ist eben jener Untersuchungsausschuß, der sich weigert, Edward Snowden nach Deutschland einzuladen und zu befragen. Also derjenige, von dem wir all die Informationen haben, die wir haben. Stattdessen also jetzt Zuckerberg und Co.

Michael Seemann: Wie aus der Spähaffäre so langsam eine Googleaffäre wird

Das ist schlichtweg falsch. Der Ausschuss weigerte sich nicht, Snowden einzuladen, er wurde offen und offensiv von der Exekutive bedroht, dass Snowden an die USA ausgeliefert würde, sobald er nach Deutschland kommt.

Auf eben jener Zeugenliste, die mspro so sehr kritisiert, steht Snowden an erster Stelle! Als wichtigster Zeuge! Der Untersuchungsausschuss will ihn befragen, obwohl die Bundesregierung die Ausschussmitglieder mit strafrechtlichen Konsequenzen bedroht! Das ist ein so unglaublich undemokratischer Vorgang der Bundesregierung, dass wir uns lieber darüber aufregen sollten, als dass der Ausschuss auch (sicher auch aus PR-Gründen) halb Silikon Valley vorladen will. Doch auch die Einladung von Zuckerberg und Co. ist durchaus legitim, denn nach allem, was wir wissen, sind sie wichtige Zeugen, die helfen können, die Geheimdienstmachenschaften aufzuklären. Und das ist der nächste wichtige Punkt, den mspro unterschlägt: die CEOs stehen hier nicht vor Gericht, sie sollen Zeugen sein! Der Untersuchungsausschuss ist ein Mittel der parlamentarischen Kontrolle. Aber dieser Kontrolle unterliegt nicht Google oder Facebook, sondern die Bundesregierung! Die Bundesregierung sitzt gewissermaßen auf der Anklagebank und deshalb versucht auch die Bundesregierung in Person von Sigmar Gabriel ein Ablenkungsmanöver, nicht die Politiker ™!

Eine Allianz aus den Politikern ™, FAZ und Springer (die, da hat mspro ganz recht, aus wirtschaftlichen Gründen nach der tief hängenden Frucht Google greifen) und den datenschutz- und regulierungsfreundlichen Teilen der Netzgemeinde zu konstruieren, schießt über das Ziel hinaus und spielt letztlich nur dem Ablenkungsmanöver in die Hände…

 

Ich bin raus…

Neue Narrative setzen und alte Narrative brechen

Ich wollte schon seit längerem ein Stück über Narrative schreiben, da ich den Begriff und seine derzeitige Verwendung sehr spannend finde. Ohne das irgendwie empirisch belegen zu können, habe ich das Gefühl, dass „Der Diskurs“ als zentrales akademisches Leitmotiv vom „Narrativ“ abgelöst wurde.

Ein Rabe hinter Gittern. Wenn ihr die Metapher verstanden habt, erklärt sie mir bitte...
Ein Rabe hinter Gittern. Wenn ihr die Metapher verstanden habt, erklärt sie mir bitte…

Während meines Studiums in den Nullerjahren schien sich noch alles um Dikurse zu drehen. Der öffentliche Diskurs wurde geführt, Diskurse lösten sich ab und uns wurden Diskurse aufgezwungen. Ich habe den Begriff im Rahmen von Habermas’ Diskursethik kennengelernt, weiß aber nicht ob er von Habermas auch im Original stammt, oder ob er schon zuvor in der Soziologie gebräuchlich war. Über Hinweise wäre ich sehr dankbar. Soziologisch ist der öffentliche Diskurs eine über Zeit und Raum sich erstreckende Diskussion zu einem Thema, das in der Gesellschaft strittig ist. Beispielsweise sind zwei seit Jahren aktuelle Diskurse der richtige Umgang mit der Eurokrise und der Atomausstieg. Politiker, Zeitungen und andere Massenmedien melden sich in so einem Diskurs genauso zu Wort wie Wissenschaftlerinnen und die kleine Bürgerin, wenn sie zum Demonstrieren auf die Straße geht oder eben blogt.

Diese Diskurse, so mein ganz persönlicher Eindruck, wurden mittlerweile von Narrativen als Buzzword abgelöst. Die Diskurse selbst bleiben ja bestehen, wie ich an den beiden Beispielen oben vorführen wollte, aber die Intellektuellen reden im Metadiskurs weniger über sie und ihre Existenzbedingungen. Stattdessen ist man in der Metabetrachtung vom Diskutieren zum Erzählen übergegangen. Kulturpessimisten könnten das als Symptom dafür ansehen, dass heutzutage weniger miteinander gesprochen oder sich weniger zugehört wird. Stattdessen erzählen alle ihre eigene Geschichte. Aber ganz sachlich betrachtet, liegt der Wechsel des Buzzwords wohl daran, dass Diskurse nur existieren können, wenn es ein Narrativ gibt. Juna im Netz liefert uns hierfür eine knackige Definition:

„Narrative: Meme, die den Diskurs eröffnen und in der Lage sind, auch die Menschen zu erreichen, die bisher nicht daran teilnehmen.“

Wir brauchen also erst einmal eine Erzählung, die geeignete Sprache, um einen Diskurs zu eröffnen. Ich finde eines der eindrücklichsten Beispiele für ein sehr wirkungsmächtiges Narrativ waren die Frankfurter Prozesse. Dort wurden in den 1960er Jahren die Verbrechen von Auschwitz verhandelt und vor allem: weitgehend zum ersten Mal erzählt. Der deutschen Öffentlichkeit wurde von dem Grauen erzählt, das die Nazis in Auschwitz errichtet hatten. Und erst mit dieser öffentlichen Erzählung wurde der öffentliche Diskurs angestoßen. Das Narrativ „Man hat es ja nicht gewusst“ wurde gebrochen. So wurde der gesellschaftliche Wandel eingeleitet, der in die 68er-Generation mündete.

Wenn Blogger Geschichten erzählen

Heute, so wird es sich im Internet erzählt, brauchen wir wieder ein solches Narrativ um einen Diskurs anzustoßen, von dem wir alle hoffen, dass er uns in eine bessere Gesellschaft geleitet.

Es soll dahinten in der Ecke ja noch jemanden geben, der oder die die letzte Woche unter einem Stein gelebt und noch nichts von der re:publica mitbekommen hat. Die re:publica ist diese „Bloggerkonferenz“, wie sie in großen Medien noch immer oft genannt wird. Und eines der ganz großen Themen dort war eben die Suche nach neuen Narrativen gegen die Totalüberwachung. Damit wir endlich erfolgreich einen Diskurs anstoßen können.

Am meisten Aufmerksamkeit erhielt Sascha Lobo mit seiner Rede „zur Lage der Nation“, in der er einige streitbare These präsentierte, über die seither — wie jedes Jahr über die Vorträge von Lobo — auch tatsächlich gestritten wird.

Ein Aspekt ist dabei nicht bloß von mir als der wichtigste erkannt worden: Lobo griff das Thema auf, dass wir eine neue Sprache für und über die „Totalüberwachung“ brauchen. Er schlug vor dass wir nicht mehr von „Spähskandal“ oder „Geheimdienstaffäre“ sprechen, weil Affären und Skandale vorübergehen, die Totalüberwachung aber bleibt. Statt dessen wollte Lobo, dass wir andere Begriffe verwenden, die die Situation besser beschreiben: „Spähangriff“, „Spitzelattacke“ oder eben „Totalüberwachung“. Lobo schlägt vor, dass wir Geheimdienste „Spähradikale“ nennen. Wir sollen sie als „antidemokratisch“, „grundrechtsfeindlich“ und „sicherheitsfeindlich“ brandmarken. Geheimdienste „leiden an Kontrollsucht“ und „Spähfanatismus“. Und die unbewiesene, wenn nicht gar widerlegte Wirkung von Überwachung sollen wir als „Sicherheitsesotherik“ entlarven.

Den wichtigsten Talk zu neuen Narrativen hielt allerdings Friedemann Karig, dessen Vortrag mir in der Nacharbeitung neben Lobos so oft wie kein anderer in die Filterblase gepustet wurde.

Karig kritisierte, dass wir die Totalüberwachung noch immer mit veralteten Symbolen wie „1984“, „Stasi“ oder „Gläserner Bürger“ anprangern. Weiterhin hebt Karig hervor, wie wichtig es ist, auch die anscheinend viel wirkvolleren Narrative unserer Gegner zu brechen: „Ich habe doch nichts zu verbergen“, „Supergrundrecht“, „wir sammeln doch nur Metadaten“, „Google, Facebook und Co. sind der Feind“ und „man kann eh nichts tun“.

Das ist ein spannender Punkt aber vielleicht noch wichtiger ist, dass Karig als einer der ganz wenigen mal mit empirischen Studien auf die Frage eingeht, warum Überwachung schlecht ist. Die meisten von uns sprechen immer davon, dass Überwachung schlecht ist. Für uns ist das klar, wir sind davon überzeugt und brauchen das gar nicht weiter zu begründen. Aber für die Bürger da draußen ist das nicht so klar, wie ich in der Vergangenheit schon einmal geschrieben habe. Daher sind die Antworten von Karig auf das
„Warum ist Überwachung schlecht?“ so wichtig:

  • Überwachung macht krank
  • Überwachung macht verletzlich (das Individuum und die Gesellschaft)
  • Überwachung macht unsere Demokratie kaputt
  • Überwachung macht dumm
  • Überwachung macht primitiv
  • Überwachung macht ohnmächtig aka. Überwachung macht impotent
  • Überwachung klaut
  • Überwachung ist unmenschlich

 

Für die ausführliche Begründung dieser Thesen lege ich euch ganz dringend ans Herz, den Vortrag Karigs anzuhören!

Der von mir sehr verehrte Felix Schwenzel läutete dann noch während der re:publica die Nachbearbeitung ein und griff in seinem sehr aktuellen Beitrag beide oben genannten Vorträge auf:

Hier gibt es den Vortrag auch zum Nachlesen.

Er machte noch einmal klar, dass eines der wichtigsten aktuellen Narrativen „Angst“ ist. Der Staat hat Angst vor Terror, die Sicherheitsbehörden haben Angst vor Versagen und wir haben Angst vorm Staat. Schwenzel sagt, dass niemand den Satz: „Überwachung gefährdet die Demokratie“ mehr hören will, da die Menschen nicht daran glauben. Wir sehen doch, dass die Demokratie läuft, obwohl es die Totalüberwachung gibt.

Als Gegenentwurf präsentiert Schwenzel die Macht der Bilder am Beispiel der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und verwies auf vier parallelen zwischen der Bürgerrechtsbewegung und der Antiüberwachungsbewegung:

  • Wenig gesellschaftlicher Rückhalt
  • Wenig politische Unterstützung
  • Viel Kritik aus den eigenen Reihen
  • Und die These: Wer nicht schwarz ist, hat auch nichts zu befürchten

Weiter sieht Schwenzel ein Problem darin, dass wir die Überwachung zu sehr aufbauschen, also gewissermaßen zu starke Narrative beschwören, dass wir nicht klar genug definiert haben, wer unsere Gegner sind und dass uns drittens die geeigneten Symbole fehlen. Gegen die Wirkungsmächtigen Bilder vom „Kampf gegen den Terror“ kommen wir mit angestaubten Begriffen wie „Datenschutz“, „Privatsphäre“ und erneut „Gläserner Bürger“ nicht an. Schwenzel fährt fort, dass wir auch umdenken müssen und die Konzepte von Privatsphäre und Freiheit neu denken müssen. Wir sollten weniger schwarz malen, sondern mehr Pragmatismus an den Tag legen. Wir sollen das System bespielen.
Schwenzels Forderung sind der Dreiklang:

  • provozieren
  • (Täter) benennen
  • und verspotten

Go, tell it on the mountain…

Die Nachbearbeitung der re:publica griff sodann Anatol Stefanowitsch auf, indem er sich mit Sascha Lobos Suche nach neuen Begriffen auseinandersetzte. Stefanowitsch hält die Angriffsmetaphern, die Lobo vorschlug, für ungeeignet und betont, dass das Besondere der Gefahr ist, dass sie unsichtbar ist, dass wir sie nicht bemerken.

„Stattdessen bräuchten wir einen Frame, der zu einer unsichtbaren Gefahr passt, die jahrelang unbemerkt und folgenlos bleiben und dann plötzlich akut werden kann. Mir fallen spontan zwei solche Frames ein, die beide gut in deutschen Angstdiskursen verankert sind: Der VERUNREINIGUNGS-Frame und der KRANKHEITS-Frame.“

Anatol Stefanowitsch: Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Stefanowitsch schlägt daher Begriffe wie „Spähgeschwür“ und „Spitzelparasiten“ vor. Die Verunreinigungsmetapher in Form von Radioaktivität bereitet ihm dann aber selbst in der Umsetzung einige Probleme:

„Allerdings ist Radioaktivität selbst nur schwer fassbar, und Wörter wie Spähradioaktivität oder Spitzelstrahlung klingen deshalb sehr konstruiert und unverständlich.“

Anatol Stefanowitsch: Spähmetaphorik und ihre Grenzen [re:publica]

Als Nachtrag unterbreitet Anatol Stefanowitsch dann auch noch Dierk Haasis’ Vorschlag Raubtiermetaphern zu verwenden.

Einen habe ich noch: Michael Seemann geht diverse Talks durch und warnt vor allem vor unangebrachten Metaphern. Leider begründet er das insgesamt zu wenig, , wenn er etwa sagt, dass es geschmacklos ist, die Totalüberwachung mit der AIDS-Epedemie zu vergleichen. Besonders kann ich folgendes nicht nachvollziehen:

„Ebenso unpassend ist der Vergleich mit der rassistischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung im Amerika der 60er Jahre, den Felix Schwenzel bemüht.“

mspro: re:publica 2014 – Deutschland sucht das Supernarrativ

Denn Felix Schwenzel hatte die amerikanische Bürgerrechtsbewegung nicht in ihrer moralischen Tragweite oder in der Form der Unterdrückung mit der Totalüberwachung vergleichen, sondern sie ja lediglich als Beispiel für eine erfolgreiche Agenda verwendet, in der eine unbeachtete Bevölkerungsgruppe sich und ihrem Problem erfolgreich Aufmerksamkeit verschafft hat.

Seemann schließt damit, dass er nicht glaubt, dass fehlende Narrative das Problem sind, sondern dass unser Überwachungsbegriff kaputt ist und verweist auf seinen eigenen Beitrag für Deutschlandradio Kultur.

Das Warum und die alten Narrative

So, und was mache ich jetzt mit dieser vorläufigen Chronik? Mir Gedanken! Ich glaube schon, dass die Sache mit den Narrativen Teil des Problems ist. Klar ist Sprache nie die alleinige Lösung, aber ohne Sprache können wir unser Problem einfach nicht artikulieren.

Ich finde in den Vorträgen und Artikeln oben, kommen noch zwei Aspekte zu kurz. Auch wenn sie hier und dort anklingen. Zum einen, und damit hat Karig begonnen, aber wir müssen es weiterführen, müssen wir erklären, warum Überwachung doof ist. Wir versteifen uns fast immer zu sagen, dass es so ist. Aber, ich wiederhole es noch einmal, glaube ich nicht, dass die Mehrheit der Menschen unsere Ansicht teilt. Daher müssen wird erklären, warum es scheiße ist, wenn die Geheimdienste unsere Mails lesen und durch unsere Webcams gucken, auch wenn wir deshalb nicht mit einem Dronestrike zu rechnen haben.

Der zweite und noch wichtigere Punkt ist, dass wir nicht bloß neue Narrative setzen müssen, sondern auch eines brechen müssen. Wir müssen das Narrativ vom Kampf gegen den Terror zermürben. Denn mit dem Buzzword „Terror“ wird seit 2001 jede nationalstaatliche Sauerei gerechtfertigt.

Aus dem Buzzword „Terror“ ist noch nie etwas Gutes entstanden.

Daher müssen wir den Leuten klar machen, dass der Terror nicht unser Problem ist, dass fettiges Essen gefährlicher ist als Bomben und dass Geheimdienste Anschläge wie den in Boston eben trotz dem Backup all unser Passwörter nicht verhindern können. Als unglaublich wertvolles Lehrstück empfehle ich hier übrigens den Roman von Maj Sjöwall, Per Wahlöö: Die Terroristen*, in dem genau dieses Szenario aufgeführt wird: trotz massiver Polizeimaßnahmen kann dort ein Terroranschlag nicht verhindert werden. Warum, sag ich mal nicht, um nicht das Ende zu spoilern. Daher müssen wir den Kampf gegen den Terror beenden und mit dem Kampf für unsere Grundrechte beginnen, indem wir anfangen, die richtigen Geschichten zu erzählen…

 

Ich bin raus!

 

*hinterhältiger Affili-Link

Ich habe ein Problem mit Gentechnik …

… und ich möchte deswegen nicht behandelt werden, als wäre ich in einer Fraktion mit Impfgegnern und Globolischluckern.

Ich glaube nicht, dass mir Brokkoliohren wachsen, wenn ich genveränderten Brokkoli esse. Ich glaube nicht, dass ich zu Spiderman werde, wenn mich eine genmanipulierte Spinne beißt. Ich weiß das eine oder andere über wissenschaftliche Studien und weiß, dass genmanipulierte Lebensmittel eine ganze Reihe von Testphasen durchlaufen müssen, bevor sie auf unseren Tellern landen, sodass die Gefahr, dass sie für uns schädlich sein könnten, äußerst gering ist. Wenngleich diese Gefahr nicht ausgeschlossen ist, was Gentechnikbefürworter gerne verschweigen.

Contergan hat ebenfalls den ganzen Durchlauf von wissenschaftlichen Studien mitgemacht. Am Ende hatten die Pharmakologen nur ein kleines Detail in ihren Tests übersehen. Ein Detail, das sogar besonders schwer herauszufinden ist, da man schwangere Frauen aus ethischen Gründen nicht in medizinischen Studien einsetzen darf. Es war nicht so, dass Grünenthal, die Firma, die Contergan entwickelt hat, faul oder dumm gewesen wäre, als sie es auf den Markt brachte. Statt dessen hatten sie nur einen Fehler gemacht, so wie Menschen Fehler machen. Und dieser Fehler hatte dramatische Folgen. Solche Fehler werden auch im Zusammenhang mit der Gentechnik unterlaufen und Befürworter sollten dies nicht verschweigen, sonst sind sie nicht aufrichtiger, als jene Menschen, die Panik gegen diese Technologie schüren.

Und dennoch ist das nicht mein Problem mit der Gentechnik. Mein Problem ist, dass wir ein Urheber- und Patentrecht haben, das Patente auf gentechnisch veränderte Lebewesen(!) zulässt, sodass ein Bauer, auf dessen Felder gentechnisch veränderte Samen geweht werden, sich wegen Patentverletzungen vor Gericht wiederfindet. Mein Problem mit Gentechnik ist, dass Baumwolle die Eigenschaft der Fortpflanzung weggezüchtet wurde, sodass Baumwollbauern jedes Jahr für viel Geld die Samen neu kaufen müssen und bei einer Missernte in den Ruin und oft genug in den Suizid getrieben werden. [Update: Laut Spektrum gab es keine signifikatne Zunahme an Suiziden unter indischen Baumwollbauern. Im Gegenteil: laut der Uni Göttignen scheint es nach Anfangsschwierigkeiten sich positiv auszuwirken. Vielen Dank an @lingenhoehl für diese Information].Mein Problem mit Gentechnik ist, dass Soja immun gegen Agent Orange gemacht wurde, sodass dieses Pflanzengift über weite Flächen in Argentinien versprüht wird und dort alles tötet, was nicht Soja ist.

Diese Probleme existieren. Sie sind real. Und wir müssen Lösungen dafür finden, weswegen ich eine weitere Liberalisierung der Gentechnologie kritisch sehe, solange diese Probleme nicht gelöst sind.

Deswegen habe ich ein Problem mit Gentechnik und das ist ein sehr rationales Problem! Und ich möchte nicht als durchgeknallter Esoteriker behandelt werden, weil ich einer Biotechnik kritisch gegenüberstehe.