Die Einsamkeit der Bücher

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Daniel
wird immer da sein

Das ist der Podcast zu dieser YouTube-Folge.

Die Einsamkeit der Bücher

Mein Corona-Tagebuch der schönen Gedanken – Teil 5

Mein heutiger Gedanke beginnt lustig, wird dann etwas traurig, aber am Ende bekommen wir die Kurve. Bleibt also dran! Es geht um die Frage, ob man Kindern Lügen erzählen darf und um Metaphern. Lest doch mal wieder ein Buch, das droht, einsam zu werden.

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Platons Höhlengleichnis

Mir ist es gelungen, hier die Frequenz wieder etwas zu erhöhen! Als Abschluss der drei Gleichnisse und zugleich als Auftakt der Ideenlehre präsentiere ich das Höhlengleichnis. Hier das Video, darunter das Transkript und ganz unten Literatur- und Bilderquellen:

 

Das Höhlengleichnis

Platon beginnt dieses Gleichnis damit, dass er Menschen beschreibt, die seit ihrer Geburt in einer Höhle leben. Aber selbst in dieser Höhle können sie sich nicht frei bewegen, stattdessen sind sie gefesselt. Und zwar so, dass sie nur auf eine Wand gucken können. Hinter diesen armen Pinseln brennt ein Feuer und davor führen irgendwelche Sadisten ein Schattentheater auf, sodass die Schatten von allen möglichen Dingen auf die Höhlenwand vor die gefesselten Höhlenmenschen fällt. Natürlich würden die Höhlenbewohner die Schatten, die sie sehen, für die Wirklichkeit halten.

Jetzt stellen wir uns vor, einer von ihnen würde befreit. Platon spricht sogar davon, dass man ihn dazu zwingen muss, aufzustehen und sich umzudrehen. Denn er hätte Schmerzen, er ist ja noch nie gegangen. Und wenn er dann das Feuer und das Figurentheater sehen würde, dann wäre er auch zunächst geblendet, denn er hat ja noch nie etwas so helles gesehen. Wenn man ihn weiter fragen würde: was er für wahrer halte, diese Formen vor dem Feuer oder die Schatten, die er Zeit seines Lebens gesehen hat, dann würde er sicher antworten, dass die Schatten realer seien. Wenn man ihn zwingen würde, ins Licht zu blicken, würde der Höhlenmensch sogar versuchen auszubüchsen und wieder zurückzukehren zu seinen Schatten.

Platon ist aber übergriffig und belässt es nicht dabei. Stattdessen schleppt er den Höhlenmensch aus seiner Behausung heraus ans Sonnenlicht und der so Misshandelte hat jetzt nicht bloß Schmerzen, sondern obendrein ist das Licht nun so hell für ihn, dass er gar nichts mehr sehen kann. Und zugleich labert Platon immer auf ihn ein, dass das hier jetzt die Wahrheit sei!

Nun, der arme Tropf muss sein Leben außerhalb seiner Höhle verbringen, damit er sich an die Helligkeit gewöhnt. Und Platon meint, zunächst würde er auch hier wieder die Schatten und Spiegelbilder von Dingen erkennen und dann würde er Nachts den Himmel mit Mond und Sternen angucken können. Zu guter Letzt wird er aber die Sonne selbst erblicken können.

Wenn er jetzt aber wieder in die Höhle runtersteigen würde, dann würde er zunächst nichts erkennen, da er ja aus dem Licht in die Dunkelheit kommt. Und die anderen würden ihn auslachen, dass der Aufstieg sich überhaupt nicht lohne, dass man dabei nur seine Augen kaputt machen würde. Und man müsse jeden umbringen, der versucht, andere zu entfesseln und aus der Höhle ans Licht zu führen.

Was will Platon mit dem Höhlengleichnis sagen?

Das ist das ganze Höhlengleichnis. Was soll das? Offensichtlich meint Platon, dass wir diese Höhlenmenschen sind und unsere Welt nur eine Schattenweld ist. Das wiederum falle uns schwer zu glauben, so Platon. Dass Feuer und das Theater haben nach Platon schon die Vorsokratiker entdeckt. Demokrits Atomlehre und die pythagoreische Lehre von den Planetenbewegungen, das seien die Figuren vor dem Feuer. Aber Platon will noch einen Schritt weitergehen und hinter diese Physik gucken. Und was er dort findet, ist seine Ideenlehre, die wir in den nächsten Folgen noch ausführlicher betrachten.

Doch auch hier muss ich wieder darauf dringen: Was hat das mit dem Guten zu tun? Platon hatte ja das ganze Manöver mit den drei Gleichnissen nur gestartet, weil er uns erklären wollte, was das Gute ist. Und die Antwort, die er hier gibt, ist die gleiche, wie die im Sonnengleichnis: Die Sonne im Höhlengleichnis ist die Idee des Guten.

Was fällt euch dazu ein? Mir fallen zwei Dinge ein. Zum einen hat Platon noch immer nicht gesagt, worin das Gute besteht. Er hat bloß wieder erläutert, welchen Status es hat. Es bleibt eine Leerstelle. Zum anderen gibt es aber einen großen Unterschied zum Sonnengleichnis und zum Liniengleichnis. Und das dürfte einer der Gründe sein, warum das Höhlengleichnis so viel berühmter ist. Denn diesmal funktioniert die Metapher wesentlich besser als noch in den anderen Gleichnissen. Hier drin steckt wieder die sokratische Lehre von der Philosophie als Praxis. Zwar sagt uns Platon nicht, was das Gute ist, aber er sagt uns, wenn wir Philosophie betreiben, dann werden wir es herausfinden. Denn der Aufstieg aus der Höhle ist nichts anderes als das Philosophieren (der Gang entlang der Linie aus dem zweiten Gleichnis). Und Platon sagt uns noch mehr: Er sagt, dass die Erkenntnis, was das Gute ist, die am schwersten von allen zu erlangende Erkenntnis ist.

Aber natürlich steckt noch mehr als nur die Idee des Guten im Höhlengleichnis. Das, was der Philosoph außerhalb der Höhle findet, das ist Platons Ideenlehre. Und was es mit dieser wirklich auf sich hat. Das erzähle ich euch in den nächsten Folgen.

Literatur

Bilderquellen

Alle Bilder aus dieser Folge sind entweder gemeinfrei, vom mir selbst oder stammen aus:

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Platons Sonnengleichnis

Platon – Der Philosophenkönig – Teil 4

Nach den vielen Hintergründen zu Platon steigen wir endlich in seine Philosophie ein. Ich beginne mit den Gleichnissen aus „Der Staat“. Der Höhepunkt dieser Gleichnisse ist das berühmte Höhlengleichnis. Aber heute geht es erst einmal um das Sonnengleichnis und die Frage: „Was ist das Gute?“

Wie das hier abläuft, kennt ihr sicher mittlerweile: Ihr könnt das Video ansehen oder darunter das Transkript lesen. Ganz unten findet ihr Literaturtipps und die Bilderquellen. Viel Spaß!

Platons Vorgeplänkel

Lasst uns zunächst über den Elefanten im Raum sprechen, wie man im Englischen so schön sagt, damit wir ihn aus der Welt geschafft haben und uns anschließend den wirklich spannenden Aspekten der platonischen Philosophie zuwenden können: Ihr alle kennt sicher das platonische Höhlengleichnis. Also lasst uns in die Philosophie von Platon eintauchen, indem wir seine Höhle betreten beziehungsweise wieder verlassen, dann wieder zurückkommen aber dann glaubt uns niemand, was wir gesehen haben und … Stopp! Der Reihe nach …

Die groben Eckdaten des Höhlengleichnisses kennen zwar die meisten, auch dass es irgendetwas damit zu tun hat, wie die Welt wirklich ist, aber da endet es dann oft auch schon. Wusstet ihr etwa, dass Platon das Höhlengleichnis in seinem Dialog „Der Staat“ vorträgt? Also im Rahmen seiner politischen Philosophie? Oder wusstet ihr, dass das Höhlengleichnis nur eines von insgesamt drei Gleichnissen ist, die er dort wiedergibt? Schon einmal was vom Sonnengleichnis oder vom Liniengleichnis gehört? Nein? Sag ich ja: Lasst uns der Reihe nach gehen.

Die ganze Nummer mit den Gleichnissen beginnt im sogenannten „sechsten Buch“ von Platons „Der Staat“ und als Höhepunkt dieser Gleichnisorgie beginnt mit dem Höhlengleichnis dann das siebte Buch. Platon hatte zuvor den Dialog „Der Staat“ mit der Diskussion begonnen, was Gerechtigkeit ist, und kam darüber auf die Frage, was der gerechte Staat ist. Mit Abschluss des fünften Buches wurde von unserem Philosophen gerade wenig originell dargelegt, dass in einem gerechten Staat niemand anderes als die Philosophen herrschen sollen. Nun versucht Platon dies zu begründen.

Die Ideenlehre

Platon definiert einen Philosophen als jemanden, der Kenntnis von „den Ideen“ hat. Damit kratzen wir jetzt schon hart an der berühmten Platonischen Ideenlehre, denn Platon versteht etwas ganz anderes unter „Idee“ als ihr und ich. Das sieht man schon an dem Satz „Ein Philosoph hat Kenntnis von den Ideen.“ Würde Platon das gleiche unter Ideen verstehen, wäre der Satz in etwa so sinnvoll, wie zu sagen: „Ein Philosoph hat Kenntnis von Brokkoli“. Oder habt ihr etwa keine Ahnung von euren Ideen?

Ich werde Platons Ideenlehre noch ausführlich bei den nächsten Malen aufarbeiten, denn sie ist ohne Zweifel der wichtigste Teil seiner Philosophie. Aber jetzt sei schon einmal Folgendes gesagt: Platon sagt, dass es eigentlich zwei Welten gibt. Zum einen die Welt der Erscheinungen. Das ist alles, was wir wahrnehmen können. Dahinter gibt es aber noch eine zweite Welt, nämlich jene der Ideen. Die Ideen sind grob gesprochen unveränderliche Urbilder aller Erscheinungen. Und der Satz „Ein Philosoph hat Kenntnis von den Ideen.“ bdeutet, dass wir Philosophie betreiben müssen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie diese Urbilder von allem in der Welt, also der Kern oder das Wesen unserer Welt wirklich sind. Alter, das klingt ganz schön esoterisch, was? Eine Welt hinter der Welt?! Nun, die Ideenlehre ist abgefahrener Scheiß und wir werden noch einige Texte brauchen, um uns zu erarbeiten, wie Platon überhaupt auf so eine durchgeknallte Idee *haha* kommen konnte. Aber die Ideenlehre ist eben – soviel teaser ich schon einmal – auch nicht komplett unplausibel, da sie viele philosophische Probleme löst …

Philosophen sind knorke Typen

Doch kehren wir zum Text zurück: Nachdem Platon seinen Sokrates hat darlegen lassen, dass Philosophen knorke Typen sind, hält Sokrates’ Gesprächspartner Adeimantos dagegen: Philosophen sind zur Staatsführung total ungeeignet! Alle, die sich nach der Schule noch weiter mit Philosophie beschäftigen, sind echte Freaks und voll komisch drauf. Sokrates sagt, dass das zwar stimmt, aber dennoch sollen die Philosophen herrschen. Denn das Problem seien nicht die Philosophen selbst, sondern der jetzige Staat. In ihrem aktuellen Zustand wird Politik angesehen als die Kunst, an die Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten. Das klingt auch heute noch nicht komplett unplausibel, oder? Aber Philosophen interessiert das nicht, sie interessiert nur, wie man einen Staat richtig leiten muss, damit es ein guter Staat ist. Philosophen streben nicht nach Macht, daher wirken sie zwar komisch, sind aber am besten für Staatsämter geeignet. Es folgt dann wieder eine Auslassung, wie cool Philosophen sind, die wir hier vernachlässigen können.

Denn worauf es ankommt, ist das: Im nächsten Teil legt Platon dar, worin Philosophen ausgebildet werden müssen, um echte Philosophen zu werden. Über diese Darlegung kommt er zu der These, dass die höchste Erkenntnis, die Idee des Guten ist. Und jetzt kommen wir zu des Pudels Kern, der großen Frage, die Platon umtreibt: Was ist denn eigentlich dieses Gute?

Doch die Antwort auf diese Frage führt Platon in eine Sackgasse, denn es gelingt ihm nicht recht, das Gute anders zu definieren, als dass es das ist, was all unser Handeln leitet. Ihm beziehungsweise seinem Sokrates gelingt es einfach nicht, zu sagen, worin das Gute denn nun eigentlich besteht. Was ist die Definition von „gut“? Da Sokrates’ Gesprächspartner im Buch nicht locker lassen, sagt die alte Socke dann irgendwann: Also gut, ich erzähle euch ein Gleichnis darüber, was das Gute ist.

Das Sonnengleichnis

Aber bei einem Gleichnis bleibt es nicht. Es folgen stattdessen insgesamt drei Gleichnisse – das Sonnengleichnis, das Liniengleichnis und das Höhlengleichnis. Platon beginnt das Sonnengleichnis damit, dass er uns zunächst einmal die Ideenlehre ins Gedächtnis ruft, die er in früheren Dialogen schon eingeführt hatte. Er lässt Sokrates sagen: In der Sinnenwelt gibt es viele Dinge, die wir ‚gut‘ nennen. Diesen guten Erscheinungen entspricht aber nur eine einzige Idee des Guten. Merkt euch das! Das ist ein wichtiges Prinzip der Ideenlehre, dass vielen verschiedenen Erscheinungen immer eine Idee gegenübersteht.

Platon fährt fort: Während wir die Idee des Guten nur denken können, können wir die Erscheinungen des Guten nur wahrnehmen. Auch das ist ein Grundprinzip der Ideenlehre. Aber auch das erste Mal, dass sich mir latent die Nackenhaare aufstellen. Denn die Frage ist: Stimmt das, was Platon hier sagt? Dass wir die Idee des Guten nur denken können, scheint mir klar. Aber wie sieht es mit den Erscheinungen des Guten aus, können wir die nur wahrnehmen? Der Begriff des Guten ist facettenreich: Wenn ich eine Oma über die Straße führe, ist das gut und wahrnehmbar. Aber wir bezeichnen als „gut“ auch Personen, wie zum Beispiel Gandhi. Gandhi selbst kann ich sehen, aber dann sehe ich nicht das Gute an ihm. Klar, ich kann auch Filmaufnahmen oder Berichte von guten Taten von ihm wahrnehmen. Aber das ist doch noch nicht der Kern dessen, warum wir Gandhi gut nennen. Ich verübe auch manchmal gute Taten, aber niemand würde sagen: Daniel ist so gut wie Gandhi. Dass Gandhi so ein schillerndes Beispiel des Guten ist, liegt eher in der Summe aller seiner guten Taten begründet. Hinzu kommen außerdem seine Motivationen. Merkt ihr jetzt, wie kritisch es ist, wenn wir naiv abnicken, dass wir Erscheinungen des Guten wahrnehmen? Und ich habe noch nicht einmal davon angefangen, wass es heißt, dass Demokratie gut ist oder dass die Todesstrafe abgeschafft ist.

Doch kehren wir zu Platon zurück: Im Text folgt eine Darlegung, dass von allen unseren Sinnen das Sehen der hochwertigste Sinn ist. Denn fürs Sehen brauchen wir ein Medium. Während wir beim Hören etwa nur die Geräuschquelle und das Gehör brauchen, brauchen wir beim Sehen den Gegenstand, das Auge und als Medium das Licht. Das ist natürlich vollkommener Humbug, denn Platon wusste schlichtweg noch nicht, dass der Schall auch ein Trägermedium wie z. B. die Luft braucht und dass im luftleeren Raum kein Schall transportiert wird. Auch wenn wir noch so oft dröhnende Sternenzerstörer auf der Leinwand sehen.

Anyway: Platon vergleicht das Licht daraufhin mit einem Joch – also dem Ding, das beispielsweise zwei Pferde vor einer Kutsche zusammenhält, damit sie im Gleichschritt laufen und so die Kutsche ziehen können. Unsere zwei Pferde sind im diesem Gleichnis das Auge und der Gegenstand, den wir sehen wollen. Platon ergänzt, dass die Ursache für das Licht wiederum die Sonne ist. Hmm … so richtig passt die nicht ins Gleichnis, oder? Egal …

Platon fragt, wie sich das Sehen und das Organ des Sehens, also das Auge, zur Sonne verhalten. Seine Antwort: Das Auge sei zwar nicht die Sonne, aber das sonnenartigste unter den Sinnesorganen. Aha … Aber, mal eine andere Frage: Wollte uns Platon nicht eigentlich erzählen, was das Gute ist? Was hat das alles mit der Idee des Guten zu tun? Platon: So, wie sich die Sonne zum Sehen, zum Auge und zur Sichtbarkeit verhält, so verhält sich das Gute zur Vernunft, zur Seele und zur Denkbarkeit. Das Gute ist also die Ursache dafür, dass wir überhaupt denkend erkennen können. Die Helligkeit, die im Gleichnis das verbindende Joch war, setzt er nun mit der Wahrheit gleich und das Ding, das wir sehen können, steht für die Idee. Verstanden? Nein? Kein Wunder, denn das ist meines Erachtens ziemliches Geschwurbel. Was Platon mit vielen Worten sagen will, ist Folgendes:

Das Gute ist die Ursache dafür, dass es die Wahrheit gibt, die wiederum das verbindende Element zwischen unserer Seele und den Ideen darstellt und so Vernunfterkenntnis ermöglicht. Überzeugt euch das? Mich jedenfalls nicht! Zunächst einmal ist dieses Konstrukt eine metaphysiche Unterstellung. Platon gibt überhaupt keinen Grund an, warum das Gute die Ursache für Erkenntnis sein soll, er behauptet das einfach. Genauso könnte ich behaupten: Brokkoli ist die Ursache für Erkenntnis. Was aber noch wichtiger ist: Platon hat uns überhaupt keine Antwort gegeben, was das Gute denn nun ist. Das Gleichnis ist dafür vollkommen ungeeignet.

Natürlich hatte Platon selbst schon angekündigt, dass er die Antwort nicht geben kann, daher hatte er ja mit einer Metapher geantwortet. Und eine Metapher so zu verwenden ist auch vollkommen legitim. denn wir benutzen immer dann Metaphern, wenn wir uns neue Bedeutungsfelder erschließen wollen, die wir noch nicht ganz greifen können. Das sieht man im Jahr 2016 an der Flüchtlingskrise ganz gut. Wir erleben eine neue Konsequenz der Globalisierung und versuchen uns dem Phänomen mit Metaphern zu nähern wie „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingsschwemme“, „syrische Wurzeln“, „verschärftes Asylrecht“, „Flüchtlingsschlepper“ oder „ein Zaun namens Türkei“.

Aber – das sieht man auch an den genannten Beispielen – es gute und schlechte Metaphern. Eine gute Metapher macht einen komplizierten Sachverhalt greifbar (das war zum Beispiel eine gute, eine greifbare Metapher). Eine schlechte Metapher hingegen ist einfach nur hohl, ersetzt eine Worthülse durch eine andere (und auch das war eine gute, greifbare Metapher). Letzteres hat Platon hier gemacht. Zu sagen, dass das Gute wie die Sonne ist, bringt uns schlichtweg nicht voran.

Platon muss selbst auch gemerkt haben, dass er noch nicht so richtig den Nagel auf den Kopf getroffen hat (Wieder eine gute Metapher, ich bin on Fire – die nächste!). Jedenfalls fährt Platon mit dem Liniengleichnis fort. Aber das schauen wir uns beim nächsten Mal an, denn zumindest mir raucht schon der Kopf.

Wenn ihr mir erklären wollt, was ich am Sonnengleichnis nicht verstanden habe, dann schreibt das in die Kommentare. Ich danke euch, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.

Literatur

Bilderquellen

 

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Wenn Qualitätsjournalisten Metaphern nicht verstehen

Wissen Sie, was eine Metapher ist? Kurz gesagt: Eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck für einen anderen steht. Metaphern sind allgegenwärtig. Allein in diesem Satz:

Eine rhetorische Figur, bei der ein Ausdruck für einen anderen steht.

… stecken drei Metaphern: ‚Figur‘, ‚Ausdruck‘ und ’steht‘. Metaphern sind so etwas banales, dass sie uns in den meisten Fällen nicht einmal mehr auffallen. Ich mag sehr gerne die Metaphern-Definition von Nelson Goodman, die verkürzt so lautet: Eine Metapher ist ein Symbolsystem, das ich von einer Bedeutungssphäre auf eine andere übertrage.

Wir nehmen einen Ausdruck, wie zum Beispiel die Farbe „Rot“ und übertragen sie aus der Bedeutungssphäre der Farben in jene der Gefühle, wenn wir etwa sagen: „Roter Zorn stieg in ihr auf!“

Der Witz ist, dass wir jetzt nicht nur das Wort „Rot“ übertragen, sondern – wie ich bereits schrieb – das gesamte Symbolsystem in dem es sich befindet. Der Einfachheit halber nenne ich das jetzt einfach mal die Assoziationen, die wir mit „Rot“ verbinden. Zum Beispiel: Wärme, Hitze, Feuer, Rotes Kreuz, aber auch Liebe, Erotik und so weiter.

Und wegen der Übertragung all dieser Assoziationen sind Metaphern etwas sehr nützliches und allgegenwärtiges, da sie uns ermöglichen, die Welt neu zu strukturieren und so Verbindungen zu erkennen, die uns bislang verborgen blieben.

Warum ich das alles schreibe? Nun, weil die Metapher und wie sie funktioniert offensichtlich nicht allen bekannt ist. Zumindest schrieb Krautreporter Rico Grimm kürzlich:

Wer oder was ist ein Nazi?

Ein Nazi ist ein Nationalsozialist. Der Nationalsozialismus (NS), angeführt von Adolf Hitler, hörte mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges offiziell auf zu existieren. Wer auch nach dem Krieg nationalsozialistischen Ideen treu blieb, war ein Altnazi. Immer weniger Menschen haben heute die NS-Zeit noch selbst erlebt, deswegen gibt es auch immer weniger (Alt-)Nazis. Wenn Sie heute also jemanden hören, der einen anderen als „Nazi“ beschimpft, ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch, dass er Unsinn redet. Wenn Sie diese Bezeichnung auf Facebook lesen, beträgt die Unsinns-Wahrscheinlichkeit fast 100 Prozent, denn wie viele 80- bis 90-Jährige kennen Sie, die die Plattform nutzen – und dort auch kommentieren?

Offensichtlich kann sich Rico Grimm gar nicht vorstellen, dass es eine andere Verwendung als die buchstäbliche für „Nazi“ gibt. Ich frage mich, welche möglicherweise nützlichen Assoziationen ihm dabei wohl verborgen bleiben …

Intention und Intension – Der Gang der Gauchos

Deutschland diskutiert die sogenannte Gaucho-Affäre. Stein des Anstoßes war dieses Auftreten von Teilen der deutschen Nationalmannschaft.

Nun gibt es eine Fraktion, die sich gewaltig aufregt, wie rassistisch dieser Tanz war.

Quelle: Reactiongifs. Lizenz: fragwürdig.

Während die andere Fraktion sich gewaltig aufregt, dass die erste Fraktion keine Ahnung hat, weil der Tanz doch gar nicht rassistisch gemeint war.

Quelle: Reactiongifs. Lizenz: fragwürdig.

Ich finde hieran kann man sehr schon den Unterschied zwischen zwei Begriffen der Semantik erkennen: Intention und Intension. Der erste Begriff „Intention“ ist landläufig bekannt und meint in etwa:

  • Was ist mit einem Symbol gemeint
  • Was ist die Absicht eines Symbols

Und vielleicht auch noch:

  • Was denkt man sich bei einem Symbol

Wobei das schon in Richtung der Intension geht. Oder gar:

  • Was bezweckt man mit einem Symbol

Das wiederum spielt in Illokution und Perlokution hinein, aber das ist Sache der Pragmatik und wurde bereits ein andermal besprochen

Die Fraktion, die also meint, man soll sich mal locker machen, wäre doch alles halb so schlimm. Die begründet das mit der Intention. Das Symbol ist in diesem Fall der Gaucho-Tanz: Die DFB-11 hat diesen nicht rassistisch gemeint, es war nicht die Absicht der DFB-11, rassistisch zu wirken, sie hatten keine rassistischen Gedanken und der Tanz hatte auch nicht bezweckt, einen neuen Nationalismus zu promoten. Das alles gestehe ich den weltmeisterlichen Tänzern auch zu. Das von Einwanderern und Einwanderernachkommen geprägte Team hatte bestimmt nicht die Absicht Rassismus zu propagieren, dafür werden sie von den Fußballerverbänden zu oft und zu intensiv auf Toleranz eingeschworen.

Was ist gutes Bier?

Also ist alles super, oder? Na ja, ich hatte da ja noch diesen zweiten Begriff: die Intension. Der stammt aus der Semantik und ist weitaus weniger bekannt als die Intention. Was hat es mit ihm auf sich? Die Intension ist der Sinn eines Symbols, seine Bedeutung (aber nicht im Fregeschen Sinn (haha…)). Sie stammt aus dem Begriffspaar Extension und Intension. Jeder Begriff hat eine Extension, einen Begriffsumfang. Wenn ich von „Bier“ spreche, bezieht sich dieser Begriff auf alle Dinge in der Welt, die Bier sind. Diese Dinge sind die Extension des Begriffs. Wenn ich hingegen von „Pils“ spreche, wird die Erfüllungsklasse des Begriffs kleiner und es fallen nur noch Biersorten darunter, die auf eine bestimmte Art und Weise gebraut wurden – die Extension ist also kleiner. Und richtig kompliziert wird es, wenn ich den Begriff „gutes Bier“ verwende. Die Extension dieses Ausdrucks ist äußerst verworren und führt etwa zwischen Köln und Düsseldorf immer wieder zu heftigen Diskussionen. Woran liegt das? Meine steile These: An der weiten Hälfte des Begrifffspaars Extension und Intension: der Intension. Die Intension, also der Sinn von „gut“ ist äußerst verworren und vor allem im höchsten Maße subjektiv.

Das Standardbeispiel mit dem Philosophie- und Linguistikstudierende Intension und Extension erlernen müssen ist Freges berühmtes Beispiel von „Abendstern“ und „Morgenstern“. Beide Begriffe haben die gleiche Extension: den Planeten Venus. Aber höchst unterschiedliche Intensionen: Ich kann zwar vom Morgenstern sagen, dass er der letzte Stern ist, den ich morgens am Himmel sehe. Aber das kann ich nicht vom Abendstern sagen…

Kehren wir jetzt zum Gaucho-Tanz zurück. War der jetzt rassistisch? Wie, zur Hölle, soll ich das entscheiden?! Ihr habt gesehen, wie kompliziert die Intension von so simplen Symbolen wie „Morgenstern“, „Abendstern“ oder gar „gutes Bier“ ist, aber das ist nichts gegen die Bedeutung eines so komplexen Symbols wie eines Tanzes. Schon alleine weil ich dafür erst einmal ganz tief in die Metapherntheorie einsteigen müsste und so Sachen wie „Ausdruck“ erläutern müsste!

Aber eines ist wichtig: Nach Wittgenstein ist die Bedeutung (im Sinne von Intension) eines Begriffs, sein Gebrauch in der Sprache. Und wir können hier ohne Probleme „Begriff“ durch „Symbol“ und „Sprache“ durch „Symbolsystem“ ersetzen. Was Wittgenstein mit diesem lyrischen Satz meint, ist, dass die Regeln der Verwendung eines Symbols bestimmen, was das Symbol aussagt. Der Gaucho-Tanz nun hat auf jeden Fall rassistische Bedeutungskomponenten, denn es wird einer Bevölkerungsgruppe (Argentiniern) eine Eigenschaft zugesprochen (geknickt zu gehen). Die Frage ist jetzt, ob „Gaucho“ metaphorisch nur für die argentinische Nationalmannschaft verwendet wurde und ob die Gangart dieser Mannschaft oder gar der Bevölkerungsgruppe wirklich als Wesenszug oder nur als ephemeres Attribut in der Niederlage zugeschrieben wurde. Die Verwendungsweise des Symbols ist eben unklar. Dabei ich habe noch nicht einmal mit Konnotationen angefangen…

Und wissta was? Genau das handeln wir gerade in der laufenden Debatte aus. Denn die Bedeutung von Symbolen steht nicht fest, sondern wandelt sich ständig. Rosa symbolisierte noch im 19. Jahrhundert Männlichkeit, doch der Gebrauch des Symbols hat sich massiv gewandelt!

Imperial Art Appreciation: Pink

Imperial Art Appreciation: Pink von JD Hancock Lizenz: CC BY 2.0.

Daher ist die aktuelle Diskussion nicht nervig sondern wichtig und richtig, damit wir die Bedeutung solcher Symbole in unserer Gesellschaft aushandeln können.

P.S.: Für mich ist übrigens ganz unstrittig, dass der Tanz zumindest hämisch war und das macht ihn und die Tänzer mir unsympathisch. Nicht so unsympathisch, dass ich nie wieder Fußball ansehen werde, aber er trübt mein Bild von der Mannschaft ein bisschen. Und da hilft der Hinweis darauf, dass es sich um einen etablierten Fangesang handelt nur wenig, denn nicht alles was in Fußballstadien passiert gefällt mir. So war ich zum Beispiel ungläubig verwundert als beim letzten Derby zwischen meiner Eintracht und Mainz, eine Mutter zwei Reihen vor mir „Alle Mainzer sind Hurensöhne“ skandierte, obwohl ihre vielleicht 10-Jährige Tochter daneben stand. Vielleicht sollte für Fußballstadien gelten, was für Vegas gilt:

panorama (Bearbeitung von mir) von  Martin Abegglen . Lizenz: CC BY-SA 2.0
panorama (Bearbeitung von mir) von Martin Abegglen. Lizenz: CC BY-SA 2.0

 

Literatur

Austin, John L. 1966. “Three Ways of Spilling Ink.” The Philosophical Review 75, 427-440. Printed in 1961, James O. Urmson and Geoffrey J. Warnock (eds.), Philosophical Papers (pp. 272-287). Oxford: Clarendon Press.

– Habe ich leider nirgends im Netz gefunden, über Hinweise freue ich mich…

Gottlob Frege: Sinn und Bedeutung. Hier legal und umsonst.

Nelson Goodman: Sprachen der Kunst*

Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen*

 

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